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[Einleitung zu:] Thomas Carlyle, Leben Schillers

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In Bezug auf das dem gegenwärtigen Bande vorgesetzte Bild sey folgendes gemeldet: Unser Freund, als wir mit ihm in Verhältniss traten, war damals in Edinburgh wohnhaft, wo er in der Stille lebend, sich im besten Sinne auszubilden suchte, und, wir dürfen es ohne Ruhmredigkeit sagen, in der deutschen Literatur hiezu die meiste Förderniss fand.

Später, um sich selbst und seinen redlichen literarischen Studien unabhängig zu leben, begab er sich, etwa zehen deutsche Meilen südlicher, ein eignes Besitzthum zu bewohnen und zu benutzen, in die Grafschaft Dumfries. Hier, in einer gebirgigen Gegend, in welcher der Fluss Nithe dem nahen Meere zuströmt, ohnfern der Stadt Dumfries, an einer Stelle welche Craigenputtock genannt wird, schlug er mit einer schönen und höchst gebildeten Lebensgefährtin seine ländlich einfache Wohnung auf, wovon treue Nachbildungen eigentlich die Veranlassung zu gegenwärtigem Vorworte gegeben haben.

Gebildete Geister, zartfühlende Gemüther, welche nach fernem Guten sich bestreben, in die Ferne Gutes zu wirken geneigt sind, erwehren sich kaum des Wunsches, von geehrten, geliebten, weitabgesonderten Personen das Portrait, sodann die Abbildung ihrer Wohnung, so wie der nächsten Zustände, sich vor Augen gebracht zu sehen.

Wie oft wiederholt man noch heutiges Tags die Abbildung von Petrarch’s Aufenthalt in Vaucluse, Tasso’s Wohnung in Sorent! Und ist nicht immer die Bieler Insel, der Schutzort Rousseau’s, ein seinen Verehrern nie genugsam dargestelltes Local?

In eben diesem Sinne hab’ ich mir die Umgebungen meiner entfernten Freunde im Bilde zu verschaffen gesucht, und ich war um so mehr auf die Wohnung Hrn. Thomas Carlyle begierig, als er seinen Aufenthalt in einer fast rauhen Gebirgsgegend unter dem 55ten Grade gewählt hatte.

Ich glaube durch solch eine treue Nachbildung der neulich eingesendeten Originalzeichnungen gegenwärtiges Buch zu zieren und dem jetzigen gefühlvollen Leser, vielleicht noch mehr dem künftigen, einen freundlichen Gefallen zu erweisen und dadurch, so wie durch eingeschaltete Auszüge aus den Briefen des werthen Mannes, das Interesse an einer edlen allgemeinen Länder- und Weltannäherung zu vermehren.

Thomas Carlyle an Goethe
Craigenputtock den 25. Septbr. 1828.

“Sie forschen mit so warmer Neigung nach unserem gegenwärtigen Aufenthalt und Beschäftigung, dass ich einige Worte hierüber sagen muss, da noch Raum dazu übrig bleibt. Dumfries ist eine artige Stadt, mit etwa 15000 Einwohnern und als Mittelpunct des Handels und der Gerichtsbarkeit anzusehen eines bedeutenden Districkts in dem schottischen Geschäftskreis. Unser Wohnort ist nicht darin, sondern 15 Meilen (zwei Stunden zu reiten) nordwestlich davon entfernt, zwischen den Granitgebirgen und dem schwarzen Moorgefilde, welche sich westwärts durch Gallovay meist bis an die irische See ziehen. In dieser Wüste von Heide und Felsen stellt unser Besitzthum eine grüne Oase vor, einen Raum von geackertem, theilweise umzäumten und geschmückten Boden, wo Korn reift und Bäume Schatten gewähren, obgleich ringsumher von Seemöven und hartwolligen Schaafen umgeben. Hier, mit nicht geringer Anstrengung, haben wir für uns eine reine, dauerhafte Wohnung erbaut und eingerichtet; hier wohnen wir in Ermangelung einer Lehr- oder andern öffentlichen Stelle, um uns der Literatur zu befleissigen, nach eigenen Kräften uns damit zu beschäftigen. Wir wünschen dass unsre Rosen und Gartenbüsche fröhlich heranwachsen, hoffen Gesundheit und eine friedliche Gemüthsstimmung, um uns zu fordern. Die Rosen sind freylich zum Theil noch zu pflanzen, aber sie blühen doch schon in Hoffnung.

Zwei leichte Pferde, die uns überall hintragen, und die Bergluft sind die besten Aerzte für zarte Nerven. Diese tägliche Bewegung, der ich sehr ergeben bin, ist meine einzige Zerstreuung; denn dieser Winkel ist der einsamste in Brittanien, sechs Meilen von einer jeden Person entfernt die mich allenfalls besuchen möchte. Hier würde sich Rousseau eben so gut gefallen haben, als auf seiner Insel St. Pierre.

Fürwahr meine städtischen Freunde schreiben mein Hierhergehen einer ähnlichen Gesinnung zu und weissagen mir nichts Gutes; aber ich zog hierher, allein zu dem Zweck meine Lebensweise zu vereinfachen und eine Unabhängigkeit zu erwerben, damit ich mir selbst treu bleiben könne. Dieser Erdraum ist unser, hier können wir leben, schreiben und denken wie es uns am besten däucht, und wenn Zoilus selbst König der Literatur werden sollte.

Auch ist die Einsamkeit nicht so bedeutend, eine Lohnkutsche bringt uns leicht nach Edinburgh, das wir als unser brittisch Weimar ansehen. Habe ich denn nicht auch gegenwärtig eine ganze Ladung von französischen, deutschen, amerikanischen, englischen Journalen und Zeitschriften, von welchem Werth sie auch seyn mögen, auf den Tischen meiner kleinen Bibliothek aufgehäuft!

Auch an alterthümlichen Studien fehlt es nicht. Von einigen unsrer Höhen entdeck’ ich, ohngefähr eine Tagereise westwärts, den Hügel, wo Agrikola und seine Römer ein Lager zurückliessen; am Fusse desselben war ich geboren, wo Vater und Mutter noch leben um mich zu lieben. Und so muss man die Zeit wirken lassen. Doch wo gerath ich hin! Lassen Sie mich noch gestehen, ich bin ungewiss über meine künftige literarische Thätigkeit, worüber ich gern Ihr Urtheil vernehmen möchte; gewiss schreiben Sie mir wieder und bald, damit ich mich immer mit Ihnen vereint fühlen möge.”