Faust I und II

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Nun komm herab, kristallne reine Schale!

Hervor aus deinem alten Futterale,

An die ich viele Jahre nicht gedacht.

Du glänztest bei der Väter Freudenfeste,

Erheitertest die ernsten Gäste,

Wenn einer dich dem andern zugebracht.

Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,

Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,

Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,

Erinnert mich an manche Jugend-Nacht;

Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,

Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen;

Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.

Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.

Den ich bereitet, den ich wähle,

Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,

Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!

(Er setzt die Schale an den Mund.)





Glockenklang und Chorgesang





CHOR DER ENGEL. Christ ist erstanden!

Freude dem Sterblichen,

Den die verderblichen,

Schleichenden, erblichen

Mängel umwanden.



FAUST. Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton,

Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?

Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon

Des Osterfestes erste Feierstunde?

Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang

Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,

Gewissheit einem neuen Bunde?



CHOR DER WEIBER. Mit Spezereien

Hatten wir ihn gepflegt,

Wir seine Treuen

Hatten ihn hingelegt;

Tücher und Binden

Reinlich umwanden wir,

Ach! und wir finden

Christ nicht mehr hier.



CHOR DER ENGEL. Christ ist erstanden!

Selig der Liebende,

Der die betrübende,

Heilsam’ und übende

Prüfung bestanden.



FAUST. Was sucht ihr, mächtig und gelind,

Ihr Himmelstöne, mich am Staube?

Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.

Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,

Woher die holde Nachricht tönt;

Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,

Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.

Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe Kuss

Auf mich herab, in ernster Sabbatstille;

Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,

Und ein Gebet war brünstiger Genuss;

Ein unbegreiflich holdes Sennen

Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,

Und unter tausend heißen Tränen,

Fühlt ich mir eine Welt entstehn.

Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,

Der Frühlingsfeier freies Glück;

Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,

Vom letzten, ernsten Schritt zurück.

O tönet fort ihr süßen Himmelslieder!

Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!



CHOR DER JÜNGER. Hat der Begrabene

Schon sich nach oben,

Lebend Erhabene,

Herrlich erhoben;

Ist er in Werdelust

Schaffender Freude nah;

Ach! an der Erde Brust,

Sind wir zum Leide da.

Ließ er die Seinen

Schmachtend uns hier zurück;

Ach! wir beweinen

Meister dein Glück!



CHOR DER ENGEL. Christ ist erstanden,

Aus der Verwesung Schoß.

Reißet von Banden

Freudig euch los!

Tätig ihn Preisenden,

Liebe Beweisenden,

Brüderlich Speisenden,

Predigend Reisenden,

Wonne Verheißenden

Euch ist der Meister nah,

Euch ist er da!





Vor dem Tor



SPAZIERGÄNGER

 aller Art ziehen hinaus.



EINIGE HANDWERKSBURSCHE. Warum denn dort hinaus?



ANDRE. Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus.



DIE ERSTEN. Wir aber wollen nach der Mühle wandern.



EIN HANDWERKSBURSCH.

Ich rat euch nach dem Wasserhof zu gehn.



ZWEITER. Der Weg dahin ist gar nicht schön.



DIE ZWEITEN. Was tust denn du?



EIN dritter. Ich gehe mit den andern.



VIERTER.

Nach Burgdorf kommt herauf, gewiss dort findet ihr

Die schönsten Mädchen und das beste Bier,

Und Händel von der ersten Sorte.



FÜNFTER. Du überlustiger Gesell,

Juckt dich zum dritten Mal das Fell?

Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.



DIENSTMÄDCHEN.

Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.



ANDRE. Wir finden ihn gewiss bei jenen Pappeln stehen.



ERSTE. Das ist für mich kein großes Glück;

Er wird an deiner Seite gehen,

Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.

Was gehn mich deine Freuden an!



ANDRE. Heut ist er sicher nicht allein,

Der Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein.



SCHÜLER. Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten!

Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten.

Ein starkes Bier, ein beizender Toback,

Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack.



BÜRGERMÄDCHEN. Da sieh mir nur die schönen Knaben!

Es ist wahrhaftig eine Schmach;

Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,

Und laufen diesen Mägden nach!



ZWEITER SCHÜLER

(zum ersten).

 Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei, Sie sind gar niedlich angezogen, ’s ist meine Nachbarin dabei; Ich bin dem Mädchen sehr gewogen. Sie gehen ihren stillen Schritt Und nehmen uns doch auch am Ende mit.



ERSTER. Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern geniert.

Geschwind! dass wir das Wildbret nicht verlieren.

Die Hand, die samstags ihren Besen führt,

Wird sonntags dich am besten karessieren.



BÜRGER. Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!

Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.

Und für die Stadt was tut denn er?

Wird es nicht alle Tage schlimmer?

Gehorchen soll man mehr als immer,

Und zahlen mehr als je vorher.



BETTLER

(singt).

 Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen, So wohlgeputzt und backenrot, Belieb’ es euch mich anzuschauen, Und seht und mildert meine Not! Lasst hier mich nicht vergebens leiern! Nur der ist froh, der geben mag. Ein Tag den alle Menschen feiern, Er sei für mich ein Erntetag.



ANDERER BÜRGER.

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,

Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,

Wenn hinten, weit, in der Türkei,

Die Völker aufeinander schlagen.

Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus

Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;

Dann kehrt man abends froh nach Haus,

Und segnet Fried und Friedenszeiten.



DRITTER BÜRGER.

Herr Nachbar, ja! so lass ich’s auch geschehn,

Sie mögen sich die Köpfe spalten,

Mag alles durcheinander gehn;

Doch nur zu Hause bleib’s beim Alten.



ALTE

(zu den Bürgermädchen).

 Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut! Wer soll sich nicht in euch vergaffen? – Nur nicht so stolz! Es ist schon gut! Und was ihr wünscht das wüsst ich wohl zu schaffen.



BÜRGERMÄDCHEN. Agathe fort! ich nehme mich in Acht

Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;

Sie ließ mich zwar, in Sankt Andreas’ Nacht,

Den künft’gen Liebsten leiblich sehen.



DIE ANDRE. Mir zeigte sie ihn im Kristall,

Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;

Ich seh mich um, ich such ihn überall,

Allein mir will er nicht begegnen.



SOLDATEN. Burgen mit hohen

Mauern und Zinnen,

Mädchen mit stolzen

Höhnenden Sinnen

Möcht ich gewinnen!

Kühn ist das Mühen,

Herrlich der Lohn!

Und die Trompete

Lassen wir werben,

Wie zu der Freude,

So zum Verderben.

Das ist ein Stürmen!

Das ist ein Leben!

Mädchen und Burgen

Müssen sich geben.

Kühn ist das Mühen,

Herrlich der Lohn!

Und die Soldaten

Ziehen davon.



FAUST

und

 WAGNER.



FAUST. Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;

Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;

Der alte Winter, in seiner Schwäche,

Zog sich in raue Berge zurück.

Von dorther sendet er, fliehend, nur

Ohnmächtige Schauer körnigen Eises

In Streifen über die grünende Flur;

Aber die Sonne duldet kein Weißes,

Überall regt sich Bildung und Streben,

Alles will sie mit Farben beleben;

Doch an Blumen fehlt’s im Revier,

Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen

Nach der Stadt zurück zu sehen.

Aus dem hohlen finstern Tor

Dringt ein buntes Gewimmel hervor.

Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

Denn sie sind selber auferstanden,

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,

Aus Handwerks- und Gewerbes-Banden,

Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,

Aus der Straßen quetschender Enge,

Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht

Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge

Durch die Gärten und Felder zerschlägt,

Wie der Fluss, in Breit und Länge,

So manchen lustigen Nachen bewegt,

Und, bis zum Sinken überladen,

Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

Blinken uns farbige Kleider an.

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet Groß und Klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.



WAGNER. Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren

Ist ehrenvoll und ist Gewinn;

Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,

Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,

Ist mir ein gar verhasster Klang;

Sie toben wie vom bösen Geist getrieben

Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.

 



BAUERN

 unter der Linde.





Tanz und Gesang.





Der Schäfer putzte sich zum Tanz,

Mit bunter Jacke, Band und Kranz,

Schmuck war er angezogen.

Schon um die Linde war es voll.

Und alles tanzte schon wie toll.

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

So ging der Fiedelbogen.



Er drückte hastig sich heran,

Da stieß er an ein Mädchen an

Mit seinem Ellenbogen;

Die frische Dirne kehrt sich um

Und sagte: nun das find ich dumm!

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Seid nicht so ungezogen.



Doch hurtig in dem Kreise ging’s,

Sie tanzten rechts, sie tanzten links

Und alle Röcke flogen.

Sie wurden rot, sie wurden warm

Und ruhten atmend Arm in Arm,

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Und Hüft an Ellenbogen.



Und tu mir doch nicht so vertraut!

Wie mancher hat nicht seine Braut

Belogen und betrogen!

Er schmeichelte sie doch beiseit

Und von der Linde scholl es weit:

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Geschrei und Fiedelbogen.



ALTER BAUER. Herr Doktor, das ist schön von Euch,

Dass Ihr uns heute nicht verschmäht,

Und unter dieses Volksgedräng,

Als ein so Hochgelahrter, geht.

So nehmet auch den schönsten Krug,

Den wir mit frischem Trunk gefüllt,

Ich bring ihn zu und wünsche laut,

Dass er nicht nur den Durst Euch stillt;

Die Zahl der Tropfen, die er hegt,

Sei Euren Tagen zugelegt.



FAUST. Ich nehme den Erquickungs-Trank,

Erwidr’ euch allen Heil und Dank.



DAS VOLK

sammelt sich im Kreis umher.



ALTER BAUER. Fürwahr es ist sehr wohl getan,

Dass Ihr am frohen Tag erscheint;

Habt Ihr es vormals doch mit uns

An bösen Tagen gut gemeint!

Gar mancher steht lebendig hier,

Den Euer Vater noch zuletzt

Der heißen Fieberwut entriss,

Als er der Seuche Ziel gesetzt.

Auch damals Ihr, ein junger Mann,

Ihr gingt in jedes Krankenhaus,

Gar manche Leiche trug man fort,

Ihr aber kamt gesund heraus.

Bestandet manche harte Proben;

Dem Helfer half der Helfer droben.



ALLE. Gesundheit dem bewährten Mann,

Dass er noch lange helfen kann!



FAUST. Vor jenem droben steht gebückt,

Der helfen lehrt und Hülfe schickt.

(Er geht mit Wagnern weiter.)



WAGNER. Welch ein Gefühl musst du, o großer Mann!

Bei der Verehrung dieser Menge haben!

O! glücklich! wer von seinen Gaben

Solch einen Vorteil ziehen kann.

Der Vater zeigt dich seinem Knaben,

Ein jeder fragt und drängt und eilt,

Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.

Du gehst, in Reihen stehen sie,

Die Mützen fliegen in die Höh:

Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,

Als käm das Venerabile.



FAUST. Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,

Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.

Hier saß ich oft gedankenvoll allein

Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.

An Hoffnung reich, im Glauben fest,

Mit Tränen, Seufzen, Händeringen

Dacht ich das Ende jener Pest

Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.

Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.

O könntest du in meinem Innern lesen,

Wie wenig Vater und Sohn

Solch eines Ruhmes wert gewesen!

Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,

Der über die Natur und ihre heil’gen Kreise,

In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,

Mit grillenhafter Mühe sann.

Der, in Gesellschaft von Adepten,

Sich in die schwarze Küche schloss,

Und, nach unendlichen Rezepten,

Das Widrige zusammengoss.

Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,

Im lauen Bad, der Lilie vermählt

Und beide dann, mit offnem Flammenfeuer,

Aus einem Brautgemach ins andere gequält.

Erschien darauf mit bunten Farben

Die junge Königin im Glas,

Hier war die Arzenei, die Patienten starben,

Und niemand fragte: wer genas?

So haben wir, mit höllischen Latwergen,

In diesen Tälern, diesen Bergen,

Weit schlimmer als die Pest getobt.

Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,

Sie welkten hin, ich muss erleben

Dass man die frechen Mörder lobt.



WAGNER.

Wie könnt Ihr Euch darum betrüben!

Tut nicht ein braver Mann genug,

Die Kunst, die man ihm übertrug,

Gewissenhaft und pünktlich auszuüben.

Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,

So wirst du gern von ihm empfangen;

Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,

So kann dein Sohn zu höh’rem Ziel gelangen.



FAUST. O glücklich! wer noch hoffen kann

Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen.

Was man nicht weiß das eben brauchte man,

Und was man weiß kann man nicht brauchen.

Doch lass uns dieser Stunde schönes Gut

Durch solchen Trübsinn nicht verkümmern!

Betrachte wie in Abendsonne-Glut

Die grünumgebnen Hütten schimmern.

Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,

Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.

O dass kein Flügel mich vom Boden hebt,

Ihr nach und immer nach zu streben!

Ich säh im ewigen Abendstrahl

Die stille Welt zu meinen Füßen,

Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Tal,

Den Silberbach in goldne Ströme fließen.

Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf

Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;

Schon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten

Vor den erstaunten Augen auf.

Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;

Allein der neue Trieb erwacht,

Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,

Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,

Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.

Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.

Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht

Kein körperlicher Flügel sich gesellen.

Doch ist es jedem eingeboren,

Dass sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,

Wenn über uns, im blauen Raum verloren,

Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;

Wenn über schroffen Fichtenhöhen

Der Adler ausgebreitet schwebt,

Und über Flächen, über Seen,

Der Kranich nach der Heimat strebt.



WAGNER.

Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,

Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.

Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,

Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden.

Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,

Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!

Da werden Winternächte hold und schön,

Ein selig Leben wärmet alle Glieder,

Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen,

So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.



FAUST. Du bist dir nur des einen Triebs bewusst;

O lerne nie den andern kennen!

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,

Die eine will sich von der andern trennen;

Die eine hält, in derber Liebeslust,

Sich an die Welt, mit klammernden Organen;

Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust

Zu den Gefilden hoher Ahnen.

O gibt es Geister in der Luft,

Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben,

So steiget nieder aus dem goldnen Duft

Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben!

Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!

Und trüg er mich in fremde Länder,

Mir sollt’ er um die köstlichsten Gewänder,

Nicht feil um einen Königsmantel sein.



WAGNER. Berufe nicht die wohlbekannte Schar,

Die strömend sich im Dunstkreis überbreitet,

Dem Menschen tausendfältige Gefahr,

Von allen Enden her, bereitet.

Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn

Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;

Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,

Und nähren sich von deinen Lungen;

Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,

Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen,

So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,

Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.

Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,

Gehorchen gern, weil sie uns gern betriegen,

Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,

Und lispeln englisch, wenn sie lügen.

Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,

Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!

Am Abend schätzt man erst das Haus. –

Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?

Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?



FAUST. Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?



WAGNER.

Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.



FAUST. Betracht ihn recht! Für was hältst du das Tier?



WAGNER. Für einen Pudel, der auf seine Weise

Sich auf der Spur des Herren plagt.



FAUST. Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise

Er um uns her und immer näher jagt?

Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel

Auf seinen Pfaden hinterdrein.



WAGNER. Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;

Es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.



FAUST. Mir scheint es, dass er magisch leise Schlingen

Zu künft’gem Band um unsre Füße zieht.



WAGNER.

Ich seh ihn ungewiss und furchtsam uns umspringen,

Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.



FAUST. Der Kreis wird eng, schon ist er nah!



WAGNER. Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.

Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch.

Er wedelt. Alles Hunde-Brauch.



FAUST. Geselle dich zu uns! Komm hier!



WAGNER. Es ist ein pudelnärrisch Tier.

Du stehest still, er wartet auf;

Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;

Verliere was, er wird es bringen,

Nach deinem Stock ins Wasser springen.



FAUST. Du hast wohl Recht; ich finde nicht die Spur

Von einem Geist, und alles ist Dressur.



WAGNER. Dem Hunde, wenn er gut gezogen,

Wird selbst ein weiser Mann gewogen.

Ja deine Gunst verdient er ganz und gar,

Er der Studenten trefflicher Skolar.

(Sie gehen in das Stadttor.)





Studierzimmer



FAUST

mit dem

 PUDEL

hereintretend

.



FAUST. Verlassen hab ich Feld und Auen,

Die eine tiefe Nacht bedeckt,

Mit ahnungsvollem heil’gem Grauen

In uns die bessre Seele weckt.

Entschlafen sind nun wilde Triebe,

Mit jedem ungestümen Tun;

Es reget sich die Menschenliebe,

Die Liebe Gottes regt sich nun.



Sei ruhig Pudel! renne nicht hin und wider!

An der Schwelle was schnoberst du hier?

Lege dich hinter den Ofen nieder,

Mein bestes Kissen geb ich dir.

Wie du draußen auf dem bergigen Wege

Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,

So nimm nun auch von mir die Pflege,

Als ein willkommner stiller Gast.



Ach wenn in unsrer engen Zelle

Die Lampe freundlich wieder brennt,

Dann wird’s in unserm Busen helle,

Im Herzen, das sich selber kennt.

Vernunft fängt wieder an zu sprechen,

Und Hoffnung wieder an zu blühn;

Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,

Ach! nach des Lebens Quelle hin.



Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,

Die jetzt meine ganze Seel umfassen,

Will der tierische Laut nicht passen.

Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhöhnen

Was sie nicht verstehn,

Dass sie vor dem Guten und Schönen,

Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;

Will es der Hund, wie sie, beknurren?

Aber ach! schon fühl ich, bei dem besten Willen,

Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.

Aber warum muss der Strom so bald versiegen,

Und wir wieder im Durste liegen?

Davon hab ich so viel Erfahrung.

Doch dieser Mangel lässt sich ersetzen,

Wir lernen das Überirdische schätzen,

Wir sehnen uns nach Offenbarung,

Die nirgends würd’ger und schöner brennt,

Als in dem Neuen Testament.

Mich drängt’s den Grundtext aufzuschlagen,

Mit redlichem Gefühl einmal

Das heilige Original

In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.

(Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.)

 Geschrieben steht: »im Anfang war das

Wort

!« Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muss es anders übersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: im Anfang war der

Sinn

. Bedenke wohl die erste Zeile, Dass deine Feder sich nicht übereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: im Anfang war die

Kraft

! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe. Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat Und schreibe getrost: im Anfang war die

Tat

!

 



Soll ich mit dir das Zimmer teilen,

Pudel, so lass das Heulen,

So lass das Bellen!

Solch einen störenden Gesellen

Mag ich nicht in der Nähe leiden.

Einer von uns beiden

Muss die Zelle meiden.

Ungern heb ich das Gastrecht auf,

Die Tür ist offen, hast freien Lauf.

Aber was muss ich sehen!

Kann das natürlich geschehen?

Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?

Wie wird mein Pudel lang und breit!

Er hebt sich mit Gewalt,

Das ist nicht eines Hundes Gestalt!

Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus!

Schon sieht er wie ein Nilpferd aus.

Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiss.

O! du bist mir gewiss!

Für solche halbe Höllenbrut

Ist Salomonis Schlüssel gut.



GEISTER

(auf dem Gange).

 Drinnen gefangen ist einer! Bleibet haußen, folg’ ihm keiner Wie im Eisen der Fuchs Zagt ein alter Höllenluchs. Aber gebt Acht! Schwebet hin, schwebet wider, Auf und nieder, Und er hat sich losgemacht. Könnt ihr ihm nützen, Lasst ihn nicht sitzen! Denn er tat uns allen Schon viel zu Gefallen.



FAUST. Erst zu begegnen dem Tiere,

Brauch ich den Spruch der Viere:



Salamander soll glühen,

Undene sich winden,

Sylphe verschwinden,

Kobold sich mühen.



Wer sie nicht kennte

Die Elemente,

Ihre Kraft

Und Eigenschaft,

Wäre kein Meister

Über die Geister.



Verschwind in Flammen

Salamander!

Rauschend fließe zusammen

Undene!

Leucht in Meteoren-Schöne

Sylphe!

Bring häusliche Hülfe

Incubus! Incubus!

Tritt hervor und mache den Schluss.



Keines der Viere

Steckt in dem Tiere.

Es liegt ganz ruhig und grinst mich an;

Ich hab ihm noch nicht weh getan.

Du sollst mich hören

Stärker beschwören.



Bist du Geselle

Ein Flüchtling der Hölle?

So sieh dies Zeichen!

Dem sie sich beugen

Die schwarzen Scharen.



Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.



Verworfnes Wesen!

Kannst du ihn lesen?

Den nie Entsprossnen,

Unausgesprochnen,

Durch alle Himmel Gegossnen,

Freventlich Durchstochnen?



Hinter den Ofen gebannt

Schwillt es wie ein Elefant,

Den ganzen Raum füllt es an,

Es will zum Nebel zerfließen.

Steige nicht zur Decke hinan!

Lege dich zu des Meisters Füßen!

Du siehst dass ich nicht vergebens drohe.

Ich versenge dich mit heiliger Lohe!

Erwarte nicht

Das dreimal glühende Licht!

Erwarte nicht

Die stärkste von meinen Künsten!



MEPHISTOPHELES

tritt, indem der Nebel fällt,


gekleidet wie ein fahrender Scholasticus,


hinter dem Ofen hervor.



MEPHISTOPHELES.

Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?



FAUST. Das also war des Pudels Kern!

Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen.



MEPHISTOPHELES. Ich salutiere den gelehrten Herrn!

Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.



FAUST. WIE NENNST DU DICH?



MEPHISTOPHELES. Die Frage scheint mir klein

Für einen der das Wort so sehr verachtet,

Der, weit entfernt von allem Schein,

Nur in der Wesen Tiefe trachtet.



FAUST. Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen

Gewöhnlich aus dem Namen lesen,

Wo es sich allzu deutlich weist,

Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.

Nun gut wer bist du denn?



MEPHISTOPHELES. Ein Teil von jener Kraft,

Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.



FAUST. Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?



MEPHISTOPHELES. Ich bin der Geist der stets verneint!

Und das mit Recht; denn alles was entsteht

Ist wert dass es zugrunde geht;

Drum besser wär’s dass nichts entstünde.

So ist denn alles was ihr Sünde,

Zerstörung, kurz das Böse nennt,

Mein eigentliches Element.



FAUST.

Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?



MEPHISTOPHELES. Bescheidne Wahrheit Sprech ich dir.

Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,

Gewöhnlich für ein Ganzes hält;

Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,

Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,

Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht

Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,

Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt,

Verhaftet an den Körpern klebt.

Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön,

Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange,

So, hoff ich, dauert es nicht lange

Und mit den Körpern wird’s zugrunde gehn.



FAUST. Nun kenn ich deine würd’gen Pflichten!

Du kannst im Großen nichts vernichten

Und fängst es nun im Kleinen an.



MEPHISTOPHELES. Und freilich ist nicht viel damit getan.

Was sich dem Nichts entgegenstellt,

Das Etwas, diese plumpe Welt,

So viel als ich schon unternommen,

Ich wusste nicht ihr beizukommen,

Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand,

Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!

Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,

Dem ist nun gar nichts anzuhaben.

Wie viele hab ich schon begraben!

Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.

So geht es fort, man möchte rasend werden!

Der Luft, dem Wasser, wie der Erden

Entwinden tausend Keime sich,

Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!

Hätt ich mir nicht die Flamme vorbehalten;

Ich hätte nichts Aparts für mich.



FAUST. So setzest du der ewig regen,

Der heilsam schaffenden Gewalt

Die kalte Teufelsfaust entgegen,

Die sich vergebens tückisch ballt!

Was anders suche zu beginnen

Des Chaos wunderlicher Sohn!



MEPHISTOPHELES.

Wir wollen wirklich uns besinnen,

Die nächsten Male mehr davon!

Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?



FAUST. Ich sehe nicht warum du fragst.

Ich habe jetzt dich kennen lernen,

Besuche nun mich wie du magst.

Hier ist das Fenster, hier die Türe,

Ein Rauchfang ist dir auch gewiss.



MEPHISTOPHELES.

Gesteh’ ich’s nur! Dass ich hinausspaziere

Verbietet mir ein kleines Hindernis,

Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle –



FAUST. Das Pentagramma macht dir Pein?

Ei sage mir, du Sohn der Hölle,

Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?

Wie ward ein solcher Geist betrogen?



MEPHISTOPHELES.

Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen;

Der eine Winkel, der nach außen zu,

Ist, wie du siehst, ein wenig offen.



FAUST. Das hat der Zufall gut getroffen!

Und mein Gefangner wärst denn du?

Das ist von ohngefähr gelungen!



MEPHISTOPHELES.

Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen,

Die Sache sieht jetzt anders aus;

Der Teufel kann nicht aus dem Haus.



FAUST. Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?



MEPHISTOPHELES.

’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:

Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.

Das Erste steht uns frei, beim Zweiten sind wir Knechte.



FAUST. Die Hölle selbst hat ihre Rechte?

Das find ich gut, da ließe sich ein Pakt,

Und sicher wohl, mit euch ihr Herren schließen?



MEPHISTOPHELES.

Was man verspricht, das sollst du rein genießen,

Dir wird davon nichts abgezwackt.

Doch das ist nicht so kurz zu fassen,

Und wir besprechen das zunächst;

Doch jetzo bitt ich, hoch und höchst,

Für dieses Mal mich zu entlassen.



FAUST. So bleibe doch noch einen Augenblick,

Um mir erst gute Mär zu sagen.



MEPHISTOPHELES.

Jetzt lass mich los! ich komme bald zurück;

Dann magst du nach Belieben fragen.



FAUST. Ich habe dir nicht nachgestellt,

Bist du doch selbst ins Garn gegangen.

Den Teufel halte wer ihn hält!

Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.



MEPHISTOPHELES.

Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit

Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;

Doch mit Bedingnis, dir die Zeit,

Durch meine Künste, würdig zu vertreiben.



FAUST. Ich seh es gern, das steht dir frei;

Nur dass die Kunst gefällig sei!



MEPHISTOPHELES.

Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen,</