Der Sklavenwiderstand

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»Das ist doch nicht schlimm. So beruhige dich doch, mein Kleiner. Wir haben alle Zeit der Welt. Setz dich doch nicht selbst so unter Druck. Mit Zeit kommt Rat.« Diese und viele weitere beruhigende Worte flüsterte sein Meister ihm ins Ohr. Unablässig streichelten die Hände ihm beruhigend über den Rücken.

»Für mich ist es schlimm. Ihr wollt mich als Gleichberechtigen, nicht als Sklaven und ich kann Euch nicht einmal als Gleichrangigen anreden, Meister. Es tut mir leid. Bitte bestraft mich.«

»So beruhige dich doch. Niemand bestraft dich. Du hast nichts Falsches getan. Du …«

Doch Kiyoshi hörte gar nicht mehr zu. Er war in einer Abwärtsspirale gefangen, die drohte, ihn in ein schwarzes Loch zu ziehen. Alles wurde dunkel und immer dunkler.

Etwas traf ihn an der Wange und er öffnete mit gewaltiger Anstrengung seine Augen. Er lag ausgestreckt und nackt auf dem Boden und sah den Menschen mit aufgerissenen Augen und purem Entsetzen im Gesicht über sich gebeugt. Seine Wange brannte ein wenig, der Meister hatte ihm wohl eine leichte Ohrfeige gegeben.

»Meister?«, krächzte Kiyoshi dumpf.

»Oh, ihr Elemente, steht mir bei. Ich dachte schon, ich hätte dich verloren«, gestand der Meister und Tränen liefen seine Wangen hinab.

Schnell drehte er sich weg und wischte sich achtlos über das Gesicht. »Du hast mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Mach das nie wieder. Hörst du, nie wieder!« Erleichterung schwang in der Stimme mit.

Irritiert sah sich Kiyoshi um. Wo war er denn hier? »Meister was ist passiert?«, fragte er und richtete sich langsam auf. Seine Muskeln schmerzten und er fühlte sich absolut schwach und total ausgepowert.

Der Meister atmete kräftig durch, um sich selbst zu beruhigen und erklärte: »Du hast hyperventiliert und bist ohnmächtig geworden. Mir ist vor Schreck fast das Herz stehen geblieben. Ich habe dich flach hingelegt und versucht, dich aufzuwecken. Dann habe ich dir einige leichte Klapse auf die Wange verpasst. Entschuldige. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte tun sollen.«

»Also habt Ihr mir schon wieder das Leben gerettet«, sagte Kiyoshi langsam und seine Erinnerungen kehrten zurück. »Ich … habe … versucht …«, begann er erneut zu stottern.

Erschrocken drehte der Meister seinen Kopf und fuhr ihn drohend an: »Wage es ja nicht, das noch mal zu versuchen!« Etwas sanfter sprach er weiter: »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Wir haben es nicht eilig. Nur bitte, jag mir nie wieder so einen Schrecken ein. Das halten meine Nerven nicht aus.«

Kiyoshi nickte und versuchte unschuldig zu grinsen, um zu signalisieren, dass er es so schnell nicht noch einmal versuchen würde. Erschöpft legte sich sein Meister rücklings auf den Boden und streckte seine Glieder aus. Er tat es ihm gleich und beide versuchten sich von den Strapazen der vergangenen Stunde zu erholen, während sie Händchen haltend nebeneinander lagen.

Nach einiger Zeit fragte der Meister: »Wenn du dich stark genug fühlst, dann lass uns hochgehen. Die anderen werden uns schon vermissen.«

»Ja, lasst uns hochgehen, Meister.« Sie erhoben sich und der Mensch zog ihn fest in die Arme und drückte ihn an sich. Nur zu gerne erwiderte er diese Geste und verteilte Küsse auf dem Hals seines Geliebten. Es dauerte einige Minuten, in der ein erneutes Zungenduell einige Zeit in Anspruch nahm, bis sie bereit waren, sich voneinander zu lösen.

Als sich beide anzogen, entstand eine kleinere Diskussion. Der Meister wollte seine Robe anziehen, Kiyoshi war dagegen. Nach einigen Worten gab der Mensch schließlich nach und zog sich mit den Worten: »Ich wollte sowieso ein paar Übungen machen«, eine Trainingshose und ein T-Shirt an. Anschließend verließen sie gemeinsam das Gemach des Meisters und begaben sich auf den Weg zum Hauptteil des Gebäudes.

Zayn

Das Training beginnt

Zayn lief gedankenverloren hinter seiner Herrin, Prinzessin Freya Flammenschweif her. Die ganzen Informationen über diese Magie waren bemerkenswert. Mit einer solchen Kraft könnte er die Kämpfe auf Lovines im Alleingang beenden und die Füchse zum Sieg führen. Aber wie sollte er an diese Waffe gelangen? Die Menschen würden ihre Macht bestimmt nicht freiwillig teilen. Und sie waren es, die für diesen Krieg die Verantwortung trugen. Man sollte diese sadistische und grausame Rasse auslöschen. Ja, das hätten sie verdient. Nur wie bekämpfte man die Menschen, die Felllosen, solange diese die Macht der Magie auf ihrer Seite hatten?

Angestrengt dachte er über diese Frage nach, kam aber zu keinem Ergebnis. Hörbar seufzte er auf und sah sich um. Seine Herrin und Ray, der dunkelgraue Flederhundmischling, saßen nur wenige Fuß vor ihm im Gras. Freya versuchte auf verschiedene Weise, ein Gespräch mit Ray zu beginnen. Doch dessen Antworten auf ihre ungezwungenen Unterhaltungsversuche blieben weiterhin einsilbig. Ray wollte oder konnte einfach nicht aus seiner Haut.

Nachdem sie entnervt geschnaubt hatte, räusperte sich Zayn vernehmlich und kam näher. »Prin… Ähm, Freya, darf ich dir einige Fragen stellen?«

Seine Herrin zu duzen, fiel ihm immer noch sehr schwer. Eine leichte Brise kam auf und wogte über das dunkelrote Fell der Füchsin. Auch er spürte den Wind auf seinem blauen Fell, achtete aber nicht weiter darauf.

»Sicher. Komm, setz dich zu uns«, erwiderte sie fröhlich und klopfte mit ihrer Pfote auf die Wiese neben sich. Zayn zog es jedoch vor, sich ihr gegenüber zu setzen, da er sie aus dieser Position besser sehen konnte.

Vielleicht lag es an seiner Kampfausbildung, aber er fühlte sich wesentlich behaglicher, wenn er einen guten Blick auf die Umgebung und seine Gesprächspartner hatte. Auch wenn er nicht glaubte, dass einer der beiden anderen ihn angreifen würde, ging es ihm so einfach besser. Immerhin war er noch immer ein Offizier in der Arme der Füchse.

Erneut räusperte er sich und fragte: »Ist unser Meister wirklich kein Magier?«

»Nein, er ist ein normaler Mensch. Wie kommst du auf diese Idee? Er hat doch gesagt, dass er nicht viel über Magie weiß.«

»Das stimmt, aber er hat auch gesagt, dass Magier ihr Wissen nicht teilen. Wenn er also kein Magier ist, warum ist dann sein ganzes Haus voll mit Magie?«

Stirnrunzelnd sah sie ihn verwirrt an: »Was meinst du damit? Außer seiner Robe besitzt er doch keine magischen Gegenstände, soweit ich weiß.«

»Ich meine zum Beispiel das sonderbare Licht, das aus den kerzenähnlichen Dingern an den Wänden und von der Decke kommt. Das ist kein Feuer, ich habe es angefasst; es ist hart und nicht heiß, sondern nur leicht warm. Und dann ist da noch dieser Kaltraum, in dem der weiße Tiger das Essen aufbewahrt. Ist das denn keine Magie?«

Kopfschüttelnd schmunzelte Freya über seine Unwissenheit und überlegte angestrengt, wie sie ihm diese Dinge erklären sollte. Bevor sie allerdings antworten konnte, mischte sich überraschenderweise Ray ein und erklärte: »Das Licht stammt von Glühbirnen. Diese erzeugen mittels Strom Licht. Was den Kaltraum betrifft, so nehme ich an, du meinst den Kühlschrank, der wird auch mit Strom betrieben. Der Strom wird zwar mithilfe der Magie erzeugt, ist aber nicht direkt damit verbunden. Es gibt auch einige Methoden, Strom ohne Magie zu generieren.«

Leicht irritiert wandte sich Zayn an Ray und stellte seine nächste Frage: »Was ist Strom?«

»Elektrischer Strom ist ein Fluss - oder Transport - von Ladungsträgern. Er fließt zwischen Quelle und Verbraucher in Kabeln, meist mit dem Metall Kupfer im Inneren -«, Ray unterbrach sich selbst, als er den überaus verwirrten Ausdruck in Zayns Gesicht sah.

»Okay, ganz einfach ausgedrückt … Du kennst doch Blitze. Ein Blitz ist nichts weiter als der Ladungsausgleich elektrischer Energie, die in großer Höhe in den Wolken durch Reibung entsteht. Die Menschen haben gelernt, diese Energie selbst zu erzeugen und zu nutzen.«

»Die Menschen beherrschen die Macht, Blitze zu kontrollieren?«

»Ja und nein. In diesem Zusammenhang nicht direkt, es ist so …«

Freya sah dem Gespräch grinsend zu. Zayn hatte geschafft, was ihr misslungen war. Schnell warf er ihr ein Lächeln zu. So konnten sie also ein Gespräch mit Ray führen. Schnell konzentrierte sich Zayn auf das Gesagte. Ray wusste wirklich eine Menge. Es dauerte mindestens eine Stunde, bis sein Schädel dröhnte und er es nicht wagte, weitere Fragen zu stellen. So langsam hatte er zumindest den Unterschied zwischen Technologie und Magie verstanden. Auch wenn sich die beiden für ihn nach demselben anhörten, bestand Ray darauf, dass es einige entscheidende Unterschiede gab.

»Danke. Wenn du es mir gestattest, frage ich dich später nach weiteren Einzelheiten. Aber jetzt ist es genug. Ich kann nicht mehr.« Geistig erschöpft erhob er sich. Nach ein paar Dehnübungen, um seine Muskeln zu lockern, schaute er in die Runde und sagte: »Ich gehe zum Haus zurück und mache ein paar Kampfübungen. Kommt ihr mit oder bleibt ihr noch hier?«

Freya hielt dies für eine gute Idee, Ray schwieg eisern. Also schnappte sich die Prinzessin ihren Schützling bei der Pfote. Gemeinsam wanderten die drei gemächlich in Richtung des Herrenhauses.

*

Während Freya es sich auf einer Liege am Pool bequem machte und Ray auf die neben ihr bugsierte, bereitete Zayn sich vor. Die meisten anderen Wesen hielten sich hier auf. Die Otterbrüder, einer dümmer als der andere, planschten im Wasser, wobei sie sich am Rand festhielten. Auf der anderen Seite von ihnen lag das graue Hundewesen Nico lesend im Gras. Gegenüberliegend seiner Herrin sonnte sich Silver, der schwarze Panther und döste vor sich hin.

Zayn hatte noch nicht einmal richtig angefangen sich aufzuwärmen, da blieb ihm vor Erstaunen das Maul offenstehen und er starrte zum Hintereingang des Hauses. Durch sein merkwürdiges Gebaren richtete sich die Aufmerksamkeit der anderen ebenfalls dorthin.

 

Vom Haus her kamen der Meister und Kiyoshi – Hand in Pfote. Sein Interesse galt jedoch dem Umstand, dass der Mensch die magische Robe abgelegt hatte und nun schutzlos war. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, den Meister zu überwältigen. Aber seine Herrin hatte verboten, den Menschen anzugreifen. Zumal der Meister die Wesen gut behandelte, jedenfalls nach dem, was die anderen erzählt hatten. So ganz konnte er immer noch nicht glauben, dass er jetzt ein Sklave sein sollte.

Die anderen Wesen in der Runde sahen ebenfalls gebannt zu den beiden, wobei ihnen wohl ganz andere Dinge durch ihre Köpfe gingen. Nico fing sich als Erster und pfiff ihnen frech zu. Dann machte er mit seinem Maul Kussbewegungen und verstärkte das Bild mit seinen Armen, welche er um eine imaginäre Person vor sich schlang. Zayn erkannte seine Absicht, er wollte Kiyoshi verspotten und ins Lächerliche ziehen.

Dieser Schuss ging jedoch nach hinten los. Kaum dass sich Kiyoshis Verärgerung auf dessen Gesicht zeigte, drehte der Meister dessen Kopf zu sich und gab ihm vor aller Augen einen langen Kuss. Genießerisch hob der weiße Tiger eines seiner Beine und streckte sich dem Menschen entgegen, wobei er seine Arme um dessen Hals schlug. Diese Aussage war eindeutig: »Der Meister ist mein.«

Dieser setzte sogar noch einen oben drauf. Er griff nach der Taille seines Freundes und beugte sich weit nach vorne, sodass Kiyoshi nur noch dank dessen Unterstützung nicht auf den Boden fiel. Als die zwei ihre Show beendeten, schallte ihr fröhliches Lachen zu den Wesen am Pool herüber.

Mit einem Grinsen im Gesicht kam das ungleiche Gespann zu ihnen. »Daran müsst ihr euch wohl gewöhnen, Leute«, gluckste der Meister fröhlich. Nico biss sich auf die Unterlippe und dachte angestrengt nach, wie er Kiyoshi ärgern konnte.

Aus den Augenwinkeln nahm Zayn wahr, dass Nico dämonisch grinste und sich wieder dem Buch zuwandte. »Ach, wenn es weiter nichts ist. Ich meine, ein Mensch, der mit seinem Sklaven rummacht, das ist nun wirklich nichts Neues mehr.«

Kiyoshis rote Augen zuckten bei dieser Bemerkung. War es Wut? Nein, aber was war es dann? Mit Erstaunen erkannte Zayn Angst in dem Katzengesicht.

Plötzlich erklang die messerscharfe Stimme des Meisters: »Nico, willst du damit etwa andeuten, ich würde meinen Freund dazu zwingen, mich zu küssen?«

Entgeistert und mit vor Schreck geweiteten Augen sah Nico auf. Der Meister stellte sich schützend und bebend vor Zorn vor seinen Freund.

»Nein, das meinte ich nicht so … ich …« Nico wusste offenbar nicht, was er sagen sollte.

»Oder wolltest du Kiyoshi sagen, dass er ein wertloser Sklave sei?«

»Nein, Meister. So meinte ich das sicher nicht.«

Auch wenn der Mensch seine Wut nicht vollständig unterdrücken konnte, rang er sichtlich darum, seine normale Fassung zurückzuerlangen. Bemüht ruhig erklärte er, wobei seine Worte nicht nur Nico galten: »Ihr alle habt schreckliche Dinge durchgemacht. Kiyoshi zum Beispiel wurde über zehn Jahre von Ursay zu allem Möglichen gezwungen. Ich verbitte es mir, dass ihr mich auf dieselbe Stufe wie diesen Schlächter stellt! Ich lasse euch allen die Wahl. Ihr müsst nichts tun, was ihr nicht wollt. Und ich möchte nicht, dass ihr euch gegenseitig als Sklaven abstempelt.«

Hastig ging Nico auf alle viere und drückte den Kopf ins Gras: »Ich entschuldige mich für meine Worte. Ich habe nicht nachgedacht. Was ich sagte, war respektlos.« Dann wandte er sich direkt an Kiyoshi. Er hob leicht sein Haupt, sah ihm in die Augen und gestand: »Kiyoshi, ich wollte dich wirklich nicht als einen Sklaven abstempeln und andeuten, dass du keine Wahl hast. Bitte verzeih mir.«

»Ich verzeihe dir«, kam es etwas kleinlaut von Kiyoshi. Auch der Meister schien zufrieden und sein ganzes Gebaren änderte sich schlagartig. »Ich nehme deine Entschuldigung ebenfalls an. Ich weiß, dass es für euch nicht leicht ist. Ihr seid alle viele Jahre lang misshandelt worden. Ich weiß auch, dass ihr euch nicht über Nacht an eure neue Freiheit gewöhnen könnt, aber versucht es bitte. Lasst uns alle nach vorne sehen und die Vergangenheit hinter uns lassen.«

Eifrig nickten alle. Sogar die Otter taten es den anderen gleich, auch wenn die Übrigen sich nicht sicher waren, ob die Brüder verstanden hatten, worum es gerade ging. Einzig Zayn stand sprachlos da und beobachtete die Szene distanziert.

Der Meister hatte Kiyoshi in Schutz genommen. Zayn war nicht entgangen, dass dieser den Menschen mit glühenden Augen dankbar ansah. Auch die kleine Geste, mit der dieser seine Pfote auf den Rücken des Mannes vor ihm legte und ihn leicht streichelte, entging Zayn nicht. Ja, Kiyoshi hatte sich willentlich für diese, wenn auch höchst seltsame, Beziehung entschieden.

Der Offizier quittierte seine Eindrücke mit einem Schnauben und zuckte die Schultern. Das alles ging ihn nichts an. Solange keines der anderen männlichen Wesen ihm zu nahe kam, sollten sie doch machen, was sie wollten. Er war hier nur Gast und wenn es nach ihm ginge, nicht mehr lange.

In seiner Heimat gab es auch Paare zwischen zwei Rüden, aber dieses wurden nicht wirklich anerkannt. Die anderen Füchse sahen wohlwollend darüber hinweg, solange diese ihre Neigung nicht in der Öffentlichkeit zur Schau stellten. Für manche Füchse war das ihre einzige Möglichkeit, ihr Bedürfnis nach Nähe zu stillen. Verstoßene hatten nicht das Recht, Nachwuchs zu bekommen und sich mit dem anderen Geschlecht zu betten.

Anschließend wandte Zayn sich ab und begann von Neuem mit seinen Kampfübungen. Tief in seiner Konzentration, bemerkte er nur am Rande, dass er aufmerksam beobachtet wurde. Leicht irritiert sah er sich um und erblickte den Meister, der sich zu ihm gesellt hatte und jede seiner Bewegungen genau analysierte. Zayn verzog spöttisch seine Maulwinkel und zeigte eine besonders schwierige Übung, die er fehlerfrei absolvierte.

»Du solltest an deiner Grundhaltung arbeiten«, offenbarte der Meister nachdenklich.

»Was wisst Ihr denn schon vom Kämpfen, Felllo-«

»Zayn!«, erklang die warnende Stimme seiner Herrin. Schnell korrigierte er sich und setzte noch ein recht gezwungenes »Meister« hinten dran.

»Ich dachte, bei unserem kleinen Kampf hätte ich dir gezeigt, dass selbst ein fellloser Mensch dir in den Hintern treten kann.«

»Da hattet Ihr noch Eure Robe an. Mit Magie zu gewinnen, ist keine Kunst«, fauchte Zayn erzürnt. Das aufgebrachte Schnauben seiner Herrin ignorierte er gekonnt, die Wahrheit durfte er immerhin noch sagen und er musste sich nicht beleidigen lassen.

Ein verschmitztes Grinsen zeigte sich im Gesicht des Meisters. »Oh, stimmt ja. Und jetzt trage ich keine Robe. Ob ich da eine Chance gegen dich habe? Willst du mir diese Demütigung nicht heimzahlen?« Heimtückisch grinste der Mensch und wandte sich an Freya. »Keine Sorge, meine Gute, ich tue ihm schon nicht all zu weh.«

Das war zu viel. Niemand verging sich an seiner Ehre – niemand! Erzürnt nahm Zayn seine Kampfhaltung ein und griff überstürzt an. Mit seiner Faust zielte er auf den Solarplexus. Sein Gegner machte jedoch einen gekonnten Ausfallschritt und leitete den Angriff ins Leere.

Reines Glück, beschloss Zayn. Er drehte sich auf der Stelle und versuchte es mit einem Pfotenkantenschlag auf den Kehlkopf. Seine Pfote wurde abgefangen und der Meister machte einen weiteren Ausfallschritt, drehte sich dabei um ihn herum und stieß ihm mit der flachen Hand in den Rücken. Zayn taumelte vorwärts und hatte Mühe, nicht sein Gleichgewicht zu verlieren.

Der Mensch zog sich zurück und wartete ab. Nachdem sich Zayn wieder gefangen hatte, griff er, langsam in Rage geratend, erneut an. Diesmal wesentlich wilder. Er wollte seinen Gegenspieler verletzen, also versuchte er ihn mit seinen Krallen zu erwischen. Abermals ging seine Attacke ins Leere, doch wesentlich knapper.

Siegessicher beschleunigte er seine Bewegungen. Es erinnerte ihn schmerzhaft an ihre erste Auseinandersetzung. Egal, was er getan hatte, er konnte einfach keinen Treffer landen. Wütend knurrte er: »Hör auf auszuweichen, du Nacktgesicht. Kämpfe wie ein Fuchs!«

Seine Pfote wurde erneut abgelenkt. Plötzlich geschah das Unvorstellbare. Der Meister schlug mit der Handkante zu. Der Angriff zielte genau auf Zayns Kehlkopf. Die Geschwindigkeit der Bewegung ließ ihn erschrocken die Augen aufreißen. Ein direkter Treffer aus dieser Entfernung und genügend Kraft, würde ihn töten und er konnte nichts tun, um sich zu schützen, dafür war es zu spät. War dies sein Ende? Er hatte den Menschen unterschätzt, ein verhängnisvoller Fehler.

Doch der Meister bremste die Hand im letzten Moment ab und stupste ihn nur leicht an. »Tot!«, verkündete er mit tonloser Stimme. Anschließend ließ er Zayns Pfote los und trat rasch einen Schritt zurück. Zayn, der sein Leben schon hatte vorbeiziehen sehen, ging schwer atmend auf die Knie und hechelte nach Luft.

Er hatte verloren, schon wieder gegen den Meister verloren. Er musste sich erneut eingestehen, dass der Mensch einfach viel besser war. Dieser hatte von Anfang an die Oberhand gehabt und ihn wie einen Spielball hin und her springen lassen.

»Deine Angriffe sind nicht schlecht, aber du hast ein paar entscheidende Fehler begangen. Erstens: Lass dich niemals reizen. Gestatte deinem Gegner nie, die Oberhand zu gewinnen, indem du die Kontrolle über deine Emotionen verlierst.

Zweitens: Unterschätze niemals deinen Gegner. Meine Robe hat mir in unserem letzten Kampf nicht im Geringsten geholfen. Ganz im Gegenteil. Meine Bewegungen waren durch sie sogar eingeschränkt.«

Nachdenklich runzelte der Meister die Stirn und erklärte: »Um das zu verdeutlichen: Die Magie meiner Robe ist nur dann aktiv, wenn Runen auf ihrer Oberfläche erscheinen. So ähnlich wie bei dem Reinigungszauber. Aber in unserem ersten Kampf waren keine Runen aktiv. Um genau zu sein, habe ich dich sogar daran gehindert, mich zu treffen, damit meine Robe eben keinen Gegenschlag ausführt. Und glaube mir, wenn das eingetreten wäre, dann hättest du das gemerkt.

Dein dritter Fehler war, zu ignorieren, dass du nicht gegen ein Wesen kämpfst. Deine Kampfkunst ist nicht für den Kampf gegen einen Menschen ausgelegt. Ich habe kein schützendes Fell. Deine Krallen und Zähne sind tödliche Waffen, nutze sie, dafür hast du sie.«

Ein Moment der Stille trat ein. Zayn konnte nur sein eigenes schweres Atmen hören. Auf einmal setzte ein anerkennender Beifall ein. Die anderen Wesen hatten dem Kampf von Anfang an beobachtet und mitgefiebert. Sie schienen allesamt mächtig beeindruckt vom Meister zu sein. Dieser ließ sich jedoch nichts anmerken und streckte Zayn eine Hand entgegen, um ihm hochzuhelfen.

Er schluckte seinen Stolz hinunter und nahm dankbar die angebotene Hand an. Der Meister zog ihn nahe zu sich, sehr nahe, ihre Oberkörper trafen sich schon fast. Dann klopfte er ihm den Dreck von der Kleidung und lächelte ihm aufmunternd zu. Unter dem Jubel der Menge konnte Zayn das erboste Fauchen seitens Kiyoshi heraushören. Diesem gefiel ihre Position offenbar gar nicht.

Das Jubeln verstummte und alle sahen gebannt zu und warteten ab. Schnell brachte der Meister etwas Abstand zwischen sie. »Wenn du willst, kann ich dich unterrichten, aber sei gewarnt, ich bin ein strenger Lehrer. Das liegt mir im Blut.«

Stärke war für einen Soldaten alles, also verneigte sich Zayn und gestand: »Ich habe keine Chance gegen Euch. Bitte lehrt mich Eure Kampfkunst.«

»Wirst du dich meinen Anweisungen unterwerfen?«

»Ja, Meister« Zum ersten Mal sprach Zayn das Wort mit deutlichem Respekt aus.

»Gut. Will noch einer mitmachen? Kiyoshi, Silver was ist mit euch? Ich habe so das Gefühl, dass dieses Wissen euch noch nützlich sein könnte.«

Langsam erhob sich Silver und stand auf. Er hatte den Kampf genauestens mitverfolgt und schien mächtig beeindruckt. »Ich würde gerne mitmachen, Meister, aber ich kann nicht so kämpfen wie Zayn.«

»Das macht nichts, ich beginne ohnehin mit einem Grundtraining. Zayn hat zwar den Vorteil, dass er bereits kämpfen kann, aber mein Stil und der seine sind völlig unterschiedlich. Wenn ihr euch anstrengt, werdet ihr schnell aufholen.«

Mit federnden Schritten sprang Kiyoshi herbei und stellte sich demonstrativ vor dem Meister auf. »Also, ich mache mit.«

»Das freut mich, mein Kleiner«, sagte der Meister und wuschelte dem anderen über das weiße Kopfhaar. Gemächlich schlurfte auch Silver herbei und gesellte sich zu ihnen. Überraschend tauchte auch Freya in der Gruppe auf.

 

»Nico, Ray, was ist mit euch?« Die Angesprochenen lehnten dankend ab. Körperliche Ertüchtigung war nichts für die beiden. »Jerry, Terry, wollt ihr mitmachen?«

»Wir kämpfen nicht«, war alles was die Otter synchron von sich gaben und planschten weiter im Wasser.

»Gut, dann stellt euch in einer Reihe auf.« Gesagt, getan. Anschließend zeigte der Meister ihnen die Grundhaltung. »Silver, Beine weiter auseinander. Freya, Pfoten höher, noch ein wenig, ja genauso. Und jetzt alle die Bauchmuskeln anspannen. Seht euch Zayn an, der macht das genau richtig.« Unter dem wachsamen Blick des Meisters zeigte dieser ihnen eine einfache Übung zum Einstieg und ging dann die Reihe ab. Bei manchen griff er ein und korrigierte ihre Haltung.

Zayn kam sich überaus dämlich vor, er war doch kein Anfänger mehr. Verstimmt brummelte er ein wenig vor sich hin, machte aber weiter brav mit. Plötzlich erschien der Meister neben ihm und fragte flüsternd: »Zu einfach für dich?«

Vor Überraschung nickte er einfach, ohne weiter nachzudenken. Der Meister erwiderte nichts und stellte sich erneut vor die Gruppe. »Okay, kurze Pause. Seht mir zu, ich zeige euch die nächste Übung.« Er erklärte jede Bewegung und führte diese vor.

Interessiert musterte Zayn ihn dabei. Die Übung, welche der Meister darbot, war gänzlich anders, als er sie bisher gekannt hatte. »Zayn, komm mal bitte vor und zeige mir, ob du es verstanden hast.«

Jetzt kam er sich noch dämlicher vor. Diese Übung war anders, aber dennoch ein Klacks. Ohne Schwierigkeiten imitierte er die Bewegung und stemmte anschließend die Pfoten in die Hüfte.

»Gut du bleibst hier stehen und gibst den Takt vor. Ich bin gleich wieder da. Los geht’s.«

Überheblich begann Zayn die Gruppe anzuführen und gab einen schnellen Rhythmus vor. Doch nur Kiyoshi konnte mithalten, Auch wenn dieser so aussah, als ob er gleich zusammenbrechen würde. Dennoch hielt der Tiger verbissen durch. Er wollte wohl beweisen, was er draufhatte. Als Zayn allerdings seinen Blick wandern ließ und in das angestrengte Gesicht seiner Herrin sah, verlangsamte er rasch seine Bewegungen. Er konnte doch schlecht seine Prinzessin vorführen. Langsam passte er seinen Takt so an, dass alle mitmachen konnten. Die Katzen waren schon bald außer Puste und auch Freya schien am Ende. Er ordnete eine kleine Pause an und zeigte ihnen einige Dehnübungen, um die Muskeln zu lockern.

Mittlerweile kehrte auch der Mensch zurück. In seinen Armen hielt er einige seltsame längliche Gegenstände. Diese ließ er vor sich auf den Boden fallen und winkte Zayn herbei.

»Das sind Gewichtsmanschetten. Damit das Training auch uns etwas bringt, legen wir die hier an. Schau her, ich zeige es dir.« Nach einer Minute, die der Rest der Gruppe zum Verschnaufen nutzte, standen die zwei mit den beschwerten Manschetten an Armen und Beinen wieder aufrecht.

Schnell ging Zayn auf seinen Platz zurück und merkte schon bei dieser kurzen Bewegung die zusätzliche Last. Aber das würde er niemals zugeben. Er war immerhin ein Soldat und kein Weichei.

»So Leute, als Nächstes eine kleine Ausdauerübung. Freya, Zayn sprintet ihr auch auf allen vieren, wie die zwei Katzen hier, oder auf zwei Beinen?«

Wie aus dem Gewehrlauf antwortete Zayn mit lauter Stimme: »Wir sind keine Tiere. Wir laufen auf zwei Beinen, Sir, ähm, Meister.«

Ein Grinsen huschte bei dem Wort Sir über das Gesicht des Meisters. »Das sollte keine Beleidigung sein. Ich kann nicht auf allen vieren sprinten. Eure Körper sind einfach anders als der meine. Aber okay, fürs Erste soll es mir recht sein. Kiyoshi, Silver ihr rennt dreimal von hier bis zum Waldrand und zurück. Unser Fuchsduo und ich absolvieren nur eine Runde. Auf drei. Eins, zwei, drei!«

Wie die Verrückten sprinteten die zwei Katzen davon und hatten nach nur wenigen Schritten den Rest der Gruppe weit hinter sich gelassen. Zayn, erschwert durch die zusätzlichen Gewichte, hatte Mühe, mit dem Meister und seiner Herrin mitzuhalten.

»Knie höher, Zayn. Ja, genau so und nun mehr Geschwindigkeit.«

Sie hatten gerade mal ein Drittel der ersten Strecke hinter sich gebracht, als die Katzen erneut an ihnen vorbeischossen, sich einen verbitterten Kampf um den ersten Platz liefernd.

Es war eine Blamage. Auf dem Rückweg rief der Mensch: »Noch ein wenig schneller«, und erhöhte sein Tempo. Freya blieb eisern an seiner Seite, während Zayn zurückfiel. Kiyoshi war als Erster im Ziel angekommen, dicht gefolgt von Silver. Zayn trudelte als Letzter ein. Welch Schande! Gekränkt in seiner Ehre, versuchte er sich nichts anmerken zu lassen.

Der Meister tänzelte noch eine Weile, von einem Bein auf das andere hüpfend. Die Katzenwesen lagen, wie wilde Tiere, auf der Seite und hechelten vollkommen erschöpft. Auch wenn Freya sichtlich fertig war, bemühte sie sich, wacker auf den Beinen zu bleiben, auch wenn sie die Übung des Menschen nicht mitmachte. Zayn imitierte den Menschen und sah angesäuert zu den Katzen. Ihre Geschwindigkeit war nicht normal. Wenn er nur so schnell wäre … Aber Füchse verhielten sich nun mal nicht wie wilde Tiere. Nein, sie liefen auf zwei Beinen, nicht auf allen vieren.

»Pause«, rief der Meister und ließ sich ebenfalls ins Gras nieder. Das musste er den Füchsen nicht zweimal sagen und sie sackten erledigt zu Boden. »Wir machen Pause bis nach dem Mittagessen und dann geht es weiter«, sagte der Meister nach einer Weile und zog seine Manschetten aus. Ein schwaches »Okay« japsten alle außer Zayn, welcher sich so sehr in seine Ausbildungszeit zurückversetzt fühlte, dass er laut ausstieß: »Ja, Sir.«

Das zauberte ein erneutes Schmunzeln auf die Züge des Meisters.

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