Der Sklavenwiderstand

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»Still«, befahl der Tiger.

Nico begriff nicht. Der Schmerz an seinem Bein trübte ihm leicht die Sinne. Missmutig hob der Tiger seine Pranke und zeigte Nico eine blutige Kralle.

»Sei still, oder …« Er hob die Pranke über das unverletzte Bein.

Augenblicklich verstand Nico und verstummte.

»Gut.« Der Tiger nickte und leckte sich die Kralle sauber. Angewidert, dennoch gebannt von dieser Szene, konnte Nico nicht wegsehen.

»Du sprichst nur, wenn du dazu aufgefordert wirst. Hast du verstanden, Sklave?«

»Ja … mein … Primär«, krächzte Nico ängstlich.

»Na, geht doch.« Die Tiger griff nach der Tube Gleitgel.

Panik stieg in Nico auf und er flehte: »Nein, bitte. Ich tue alles!«

Gehässig gluckste der Primär. »Genau darum geht es doch. Du bist ein Sklave. Ein wertloser Gegenstand. Wenn dein Meister dich benutzen will, dann machst du brav die Beine breit. Was glaubst du denn, was deine Aufgabe sein wird?«

Gewaltsam stieß der Tiger mit dem Becken zu und sein mächtiges Glied bohrte sich unbarmherzig in Nico hinein.

Er schrie auf, als der Schmerz zurückkehrte.

»Still.«

Nico biss sich auf die Unterlippe, um sich selbst davon abzuhalten, seine Stimme zu benutzen. Am ganzen Körper zitternd, spürte er den Eindringling in seinem Hintern. Aus seinen Augen rollten Tränen. Es tat weh.

»Gut. Schreien kannst du. Als Nächstes musst du lernen zu stöhnen, ganz so wie es dem Meister beliebt. Ich werde dir beibringen, deinem Herrn jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Aus dir wird ein perfektes Spielzeug werden.«

*

Die Stunden wurden zu Tagen und die Tage verschwammen zu einem Brei aus Gewalt, gewürzt mit vielen weiteren Lektionen. Schmerzhaft musste Nico lernen, dass jede Art von Widerstand mit brutalen Strafen geahndet wurde. Anfangs hegte er noch Hoffnung, doch diese ging rasch in Verzweiflung über. Eines Nachts versuchte er, sich das Leben zu nehmen, aber er konnte es nicht. Er war und blieb ein Feigling. Er konnte sich nur fügen.

Nach einer Weile besuchte ihn auch der Mensch mit dem Namen Ursay, den er mit Meister anreden musste. Während der vielen verschiedenen Gräueltaten, die ihm diese beiden antaten, wurden die Sekunden zu Stunden und er glaubte, seine Pein würde ewig andauern.

*

Eines Tages kam der Tiger und warf Nico sein tägliches Fressen vor die Füße. Ausgehungert knurrte sein Magen, doch wagte er nicht, sich zu bewegen. Nico wusste, dass er erst dann essen durfte, wenn der Primär es gestattete, also stand er mit geneigtem Kopf da.

»Du scheinst deine Lektionen gelernt zu haben. Friss das! Morgen wird dein neuer Meister kommen und dich abholen. Du wirst alles und ich meine alles tun, was dein Meister von dir möchte. Wenn du uns Schande bereitest, ist dein wertloses Leben verwirkt. Hast du das verstanden, Sklave?«

»Ja, mein Primär«, erwiderte Nico unterwürfig und stürzte sich auf allen vieren auf das wenige Essen. Er tat, was man von ihm verlangte. Angst war sein ständiger Begleiter geworden. Angst vor einer Bestrafung. Angst vor dem Tod. Angst allein in einer Ecke dahinzuvegetieren. Angst seine Angst zu zeigen.

Der Tiger wartete eine Weile und stellte sich dann vor ihm auf. »So, prüfen wir deine Erziehung«, und mit diesen Worten ließ der Primär seine Hose hinuntergleiten. Ohne nachzudenken, kam Nico sofort dessen Willen nach und tat, was von ihm verlangt wurde. Er öffnete das Maul und verwöhnte das Glied des anderen nach allen Regeln der Kunst.

Nico flüchtete sich in seine Traumwelt. Auch wenn es ihm stetig schwerer fiel, diese Illusion aufrechtzuerhalten. Er konnte spüren, wie seine Gefühle langsam verschwanden und alle Farben in ihm einem tristen Grau wichen. Doch noch war er am Leben und hatte diesen Rückzugsort. Seinen Rettungsanker.

*

Ganz früh am Morgen wurde Nico unsanft geweckt. Er hatte eine Einzelzelle erhalten und schlief auf einem muffigen Haufen aus Stroh. »Aufstehen, Sklave! Komm mit«, befahl Ursay. Gehorsam sprang Nico auf und folgte dem Menschen demütig. »Mach dich sauber und sorge dafür, dass du gut aussiehst. Dein neuer Meister wird bald kommen. Also beeile dich, Sklave.«

»Ja, Meister«, flötete Nico und duschte eilig mit eiskaltem Wasser. Heute wurde ihm sogar etwas Duschmittel gegeben. Er sollte nicht nach nassem Hund riechen, wie der Primär ihm erklärte. Und auch wenn diese Worte für ihn keinen Sinn ergaben, nickte er ergeben und tat, was man von ihm erwartete. Er hatte zu oft, und mit vielen Schmerzen verbunden, lernen müssen, was Ungehorsam und Widerworte für Konsequenzen nach sich zogen.

Als er sich gereinigt hatte und mit seiner Fellpflege fertig war, kam auch schon der Tiger hereingestürmt und warf ihm ein schlichtes weißes Gewand zu. »Anziehen und mitkommen.«

Nach drei Monaten, in denen er keinerlei Kleidung mehr getragen hatte, fühlte sich der Stoff sehr seltsam an. Ein letztes Mal wurde er vom Primär gemustert und folgte diesem in einen großen Raum mit einer Tribüne. Auf diese musste sich Nico stellen.

Sein neuer Meister beäugte ihn kritisch. »Gut, gut. Es sieht passabel aus. Okay, kommen wir zum Geschäftlichen. Ich werde mein Eigentum jetzt mitnehmen und ausgiebig testen. In einer Woche werde ich wiederkommen. Dann bekommst du deine Runen – wenn ich zufrieden bin.«

Was geschehen würde, wäre der Magier nicht zufrieden, blieb unausgesprochen. Auf einen Wink von seinem neuen Meister hin, stellte sich Nico vor diesem auf. Plötzlich erschien ein Runenring. Die Zeichen schwebten um sie beide herum in der Luft und die Welt verschwamm in einen Wirbel aus Farben.

Nach wenigen Augenblicken nahm die Umgebung wieder Form an und die zwei standen in einem steinernen großen Raum, der von Fackeln erhellt wurde. In der Mitte des runden Zimmers stand ein großes Bett. Um dieses waren mehrere Runenkreise angeordnet. Es gab weder Fenster noch Türen, es schien so, als könne man nur mittels Magie in dieses Quartier eindringen. Außer dem Bett und den Runen gab es nicht viel zu sehen. Ein rüdegroßer Spiegel, ein Kleiderschrank, Bücherregale und ein Schreibtisch. An einer Seite war zudem ein Bereich mit seidenen Tüchern abgegrenzt. Da der feine Stoff zur Seite hing, konnte Nico eine Art Dusche und eine Toilette erkennen.

»Dann wollen wir die Qualität der Ware mal testen«, grinste Logan, sein neuer Meister und ließ achtlos die schwere Robe zu Boden fallen. »Fang an!«

*

Nico wusste nicht, wie lange er Logan zu Diensten war, ohne Fenster und einen Blick auf die Sonne hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. War es ein Tag oder mehrere? Er wusste es nicht. Ebenso wenig konnte er die Zeit einschätzen, in der er allein gelassen wurde. In diesen Phasen beschäftigte er sich mit der Pflege seines Fells und der Säuberung seines Körpers. Eine der obersten Regeln eines Sklaven war es, sich immer sauber und rein zu halten, damit sein Meister nach Belieben über ihn verfügen konnte. Nico war es zuwider, dem Mann hörig sein zu müssen, der seinen Vater und seine Schwester ermordet hatte. Aber was sollte er tun? Widerstand bedeutete nur noch mehr Schmerzen und würde zu seinem Tod führen. Insgeheim musste er Ursay und dem Tiger sogar danken. Die beiden hatten ihn gelehrt, seine Emotionen zu unterdrücken. Andernfalls hätte er es wohl nie geschafft, zu tun, was Logan von ihm verlangte.

Nach einigen Tagen hatte sein Meister genug von ihm und sie verließen den Raum so, wie sie gekommen waren: durch Magie. Nahrung hatte er keine bekommen, also schätzte er anhand seines Hungers, dass etwa zwei Tage vergangen sein mussten. Um nicht zu verdursten, hatte er das Wasser aus dem Waschbecken getrunken. Sein Hintern tat ihm schrecklich weh, aber er sagte kein einziges Wort. Er hatte bisher noch gar nichts gesagt. Ursay hatte ihm eingeschärft, seinen Herrn nicht anzusprechen: »Wenn Logan wünscht, dass du sprichst, dann befiehlt er es, ansonsten halt dein Maul und mach das, was er sagt.«

Die zwei materialisierten in einem schönen und gemütlich aussehenden Wohnzimmer. Der Raum war ebenfalls rund, besaß aber Fenster und Türen. An der Wand befand sich ein großer Kamin, vor dem mehrere schwere, mit rot-seidenem Stoff bezogene Sessel standen. Zudem gab es einen gewaltigen dunkelblauen Teppich, einen runden Tisch mit Holzstühlen und einige an den Wänden angeordnete, vollgestopfte Bücherregale.

»Schwesterchen«, flötete Logan in vergnügtem Tonfall, »ich habe etwas für dich.«

»Oh. Hallo, Bruder. Was ist es denn? Ein paar seltene Zutaten oder vielleicht eines deiner alten Bücher mit den richtig machtvollen Runenketten?«, erklang es neugierig von einem der Sessel am Feuer.

Mit einem breiten Grinsen stieß Logan den Sklaven zur anderen Person hin. »Ich dachte, dieses Wesen hier könnte dir gefallen. Meinen herzlichen Glückwünsch für das Erreichen des 5. Grades. Das hier ist nun dein Sklave, mach mit ihm, was du willst.«

Eine Gestalt, bekleidet mit einer hellblauen schweren Robe, erhob sich und sah verdutzt zu ihnen. Nico war nicht sehr groß, aber diese Frau war einen ganzen Kopf kleiner als er und von zierlicher Statur. Ein breites Grinsen legte sich auf die Züge der jungen Frau. Sie hatte hellblonde, fast weiße Haare und liebenswerte braune Augen.

»Oh, der sieht ja süß aus. Und der ist wirklich für mich? Geht das denn in Ordnung? Ich meine, werden sich die anderen nicht über mich lustig machen, wenn ich einen Sklaven habe?«, fragte sie und musterte ihn sehr interessiert.

Der Magier baute sich zu seiner vollen Größe auf und erklärte gutmütig: »Sag den anderen Magiern, dass es ein Geschenk von deinem großen Bruder ist, dann werden sie es nicht wagen, schlecht über dich zu reden, kleines Schwesterherz.«

 

»Danke. Wie heißt er denn?«

»Das ist ein Sklave, Nathi. Es heißt so, wie du es willst.«

Ein seltsames jaulendes Geräusch erklang und beide Magier schauten zur Decke. Schnell warf auch Nico einen verstohlenen Blick nach oben, konnte jedoch nichts von Interesse erkennen.

»Sieht so aus, als ob du wieder los musst. Pass auf dich auf, Bruder.«

»Ja, bis nachher.« Wenige Augenblicke später war Logan auch schon entschwunden, in Luft aufgelöst. Kaum waren die beiden allein, verschwand das Lächeln im Gesicht seiner Herrin. Nachdenklich musterte sie ihn und bemerkte trocken: »Ich weiß, dass du schon seit drei Tagen hier bist. Logan hat vergessen, dass ich ebenfalls die Schutzrunen kontrollieren kann. Hm, wie heißt du?«

Auf seine Füße starrend, antwortete Nico demütig: »Ich …« Seine Stimme setzte aus, er hatte sie zu lange nicht mehr benutzt. Schnell räusperte er sich und hoffte, nicht bestraft zu werden. »Ich habe keinen Namen, Herrin.«

»Wie nannte man dich, bevor du zum Sklaven wurdest?«

Gehorsam gestand er: »Nico, Herrin.«

»Gut, dann heißt du ab sofort wieder Nico.«

»Ja, Herrin. Wie Ihr befehlt.« Die Frau kam näher und legte ihm ihre nackte Pfote, Menschen nannten diese Hände, auf seine Brust, direkt über seinem Herzen. Erschrocken zuckte er zusammen, blieb jedoch stehen. Nico schluckte schwer und sah, wie seine Herrin Magie benutzte. Die Stelle, wo die Hand lag, wurde warm und als sie ihre Gliedmaße wegzog, sah er, dass sie sein Gewand mit dem Zeichen der Magier gekennzeichnet hatte. Es handelte sich um einen zweifach siebengezackten Stern.

»Das sollte als Erkennungszeichen reichen. Hast du Schmerzen?«

»Ähm«, kurz zuckte Nico zusammen, als er an seinen Hintern dachte, sagte aber: »Nein, Herrin.«

Dafür bekam er eine Ohrfeige. »Belüge mich nicht. Da auf dem Tisch ist eine Phiole mit einer violetten Flüssigkeit, trink das und dann iss etwas. Durch die Tür in die Küche. Wenn du schon mal dort bist, mach mir auch gleich einen Tee«, sagte Nathi und ließ ihn einfach stehen. Sie ging zu ihrem Sessel zurück und nahm ihr Buch auf.

Gehorsam ging Nico zum Tisch und trank die süße Flüssigkeit. Dann schlurfte er in die Küche und stöberte im Kühlschrank nach etwas Essbarem. Er fand ein großes Stück rohes Fleisch. Gierig verspeiste er dieses, wagte es jedoch nicht, noch mehr zu nehmen. Anschließend suchte er nach allem, was er für den Tee brauchte. Nach zehn Minuten kehrte er mit einem Tablett in den Pfoten zu seiner Herrin zurück. Stumm bedeutete sie ihm, die Tasse auf den Beistelltisch zu stellen und nahm sich etwas Zucker.

»So schnell? Was hast du denn gegessen?«

Zitternd gestand Nico: »Das Fleisch, Herrin.«

»Ähm, ich glaube nicht, dass die Zeit gereicht hat, um es zuzubereiten, oder?«

»Nein, Herrin. Ich habe es roh gegessen.«

»Ach, das ist ja widerlich. Verträgt deine Rasse denn rohes Fleisch?«

Etwas verdutzt erklärte er: »In geringen Mengen schon, Herrin. Als Sklave muss ich mich mit dem zufrieden geben, was ich bekomme.«

Den letzten Satz hätte er sich verkneifen sollen. Erschrocken biss er sich auf die Unterlippe und erwartete eine Bestrafung. Anstelle von Gewalt wurde er allerdings nur aufmerksam gemustert.

»Hm, ich sollte mich mit den Sklavenregeln befassen. Das hört sich so an, als ob ihr Wesen nicht genug zu Fressen bekommt, oder irre ich mich?«

»Wir bekommen von unseren Meistern das, was uns zusteht«, wich Nico der Frage gekonnt aus. Ursay hatte ihn auf solche Dinge vorbereitet und ihm die Antworten in den Leib geprügelt.

»Okay, also mal eines vorab. Ich habe kein Interesse, dir Schmerzen zuzufügen. Noch will ich dich zum Spaß quälen. Aber was ich absolut nicht leiden kann, ist, wenn man mir ausweicht oder mich belügt. Du wirst mir ab sofort immer die Wahrheit sagen und mir nicht mehr ausweichen, dafür kannst du essen so viel und wann du willst.« Nachdenklich fügte sie noch hinzu: »Und wenn wir schon bei den Regeln sind, dann legen wir gleich deine Aufgaben fest. Du wirst dich um die Vorräte kümmern, ich zeige dir später, wo du einkaufen kannst. Du wirst in meinem Namen unterwegs sein, wenn dich jemand dumm anmacht, sagst du ihm, dass du der Sklave von Nathalie, Magierin des 5. Grades bist und deiner Herrin von der Indiskretion deines Widersachers berichten wirst. Des Weiteren wirst du hier für Ordnung und Sauberkeit sorgen. Ich erwarte stets einen frischen Tee hier stehen zu haben. Wenn es sonst noch etwas gibt, sage ich es dir. Und jetzt setz dich.«

Gehorsam sank Nico an Ort und Stelle auf den Boden.

»Doch nicht da! Das macht mich nervös. Setz dich auf einen Sessel, aber nicht auf den da, das ist Logans und der wird bestimmt wütend, wenn er dich darauf erwischt.« Streng deutete sie auf einen der Sessel und Nico ließ sich hastig auf dem ihm zugewiesenen Platz nieder.

»So ist es doch gleich viel besser.« Nathalie nahm einen Schluck Tee und schloss genießerisch die Augen. »Hm, der ist aber gut.« Sie widmete sich erneut ihrem Buch und ignorierte Nico eine Weile.

Aus heiterem Himmel fragte seine Herrin: »Sag mal, kannst du lesen? Dein Starren macht es mir sehr schwer, mich zu konzentrieren.«

»Ja, Herrin.«

»Gut, nimm dir ein Buch und lies.«

Überrascht stand Nico auf und suchte sich etwas aus, das ihn interessierte. Einige der Bücher waren offenbar nur für Magier, er konnte sie jedenfalls nicht entziffern. Nachdem er sich gesetzt hatte, legte er sein Fundstück auf den Schoß und schaute fragend zu seiner Herrin.

»Ja? Was ist denn jetzt noch?«, fragte Nathi gereizt. Schnell senkte er den Kopf. Seine Frage schien ihm auf einmal nicht mehr ganz so wichtig. »Sprich«, befahl seine Herrin.

Nico fragte winselnd: »Warum kann ich die Bücher der Menschen lesen und Eure Sprache sprechen, Herrin?«

Verwundert sah sie ihn an. »Das ist eine gute Frage. Sieh mir in die Augen und denk an nichts.« Ihre braunen Augen bohrten sich in die seinen.

»Ah, ich verstehe. In deinem Geist wurde eine allgemeine Sprachrune eingepflanzt. Jeder Mensch bekommt so eine kurz nach der Geburt. Das ist einfache Magie und eine sehr gute Lösung gegen die Sprachbarrieren, die Früher vorherrschten. Nach der Handschrift zu urteilen, stammt deine Rune von Logan. Du bist dank der Rune in der Lage, alle einfachen Sprachen zu verstehen und zu lesen, vorausgesetzt du kannst lesen. Noch was?«

Schnell schüttelte Nico den Kopf, er wagte es nicht mehr zu sprechen. Er verstand nun woher der brennende Schmerz gekommen war, als Logan ihn eingefangen hatte. In diesem Augenblick hatte dieser ihm die Sprachrune eingepflanzt.

Nathi wandte sich erneut ihrem Buch. »Gut, dann stör mich nicht länger.«

*

Den Rest des Tages verbrachten die zwei schweigend mit Lesen. Lediglich Nico ging ab und an in die Küche und brühte neuen Tee für seine Herrin. Gegen Abend, als die Sonne hinter dem Horizont verschwand, stand Nathalie auf und streckte sich ausgiebig. »So, das sollte für heute reichen«, und mit diesen Worten verstaute sie ihr Buch in einem der Regale. Anschließend bedeutete sie Nico mit einer Handbewegung, dass auch er sein Buch wegräumen sollte.

»Ordnung ist für uns Magier sehr wichtig. Bring nichts durcheinander oder Logan wird dich dafür bestrafen. Gute Nacht. Ich gehe schlafen.«

Wortlos folgte er ihr durch einige schwere Holztüren. Sie gingen eine Treppe hinauf und kamen schließlich im Schlafgemach an. Irritiert sah seine Herrin, mitten im Raum stehend, zu ihm und fragte gereizt: »Was willst du hier? Das ist mein Schlafzimmer!«

»Ihr habt nicht gesagt, wo ich schlafen soll, also dachte ich, ich soll bei Euch nächtigen, damit Ihr Euch von der Qualität Eures Eigentums überzeugen könnt«, antwortete Nico rasch und verbeugte sich tief.

»Von der Qualität überzeugen? Ich verstehe nicht.« Irritiert runzelte sie die Stirn. Gefolgt von einem überraschten: »Oh!«, nahm ihr Gesicht etwas Farbe an und sie wandte schnell den Blick ab. Eine peinliche Stille erhob sich. Um diese ungewollte Situation zu überspielen, hüstelte sie gekünstelt und sagt etwas kleinlaut: »Nein! Das ist nicht in meinem Interesse. Du sollst dich darum kümmern, dass ich in Ruhe studieren kann. In meinem Bett will ich dich nicht haben.« Schnell fing sich seine Herrin wieder und stellte sich selbst die Frage: »Aber wo sollst du schlafen?« Nachdenklich stand sie da und schaute sich hilfesuchend um.

Auch Nico ließ den Blick wandern. Außer einem großen fürstlichen Bett mit Baldachin gab es noch eine schwere Kommode aus dunklem Holz und einen dazu passenden Kleiderschrank.

Da es hier kein zweites Bett oder sonst etwas gab, würde Nico wohl auf dem Boden schlafen müssen. In diesem Raum war es zwar nicht kalt, aber der Untergrund bestand aus Stein und ohne eine Decke konnte auch sein Fell ihn nicht komplett vor dem kühlen Untergrund bewahren. Unentschlossen, ob er wagen konnte zu sprechen, stand er da und sah zu seiner Herrin.

Diese bemerkte sein Gebaren. »Sprich und steh hier nicht so dämlich rum.«

Ängstlich ging Nico auf die Knie und begann zu zittern. Er hatte seine Herrin verärgert, das konnte nichts Gutes bedeuten. Mit brüchiger Stimme antwortete er: »Vergebt mir, Herrin. Ich wollte Euch nur um eine Decke ersuchen, damit der Boden nicht so hart und kalt ist. Aber natürlich steht es einem Sklaven nicht zu, so etwas zu fragen.«

Fassungslos starrte die Magierin zu ihm herunter und fragte: »Du willst auf dem Boden schlafen? Ist das so Sitte bei euch? Euer Planet ist wohl sehr rückständig. Du tätest besser daran, solche altertümlichen Bräuche abzulegen. Wir leben hier zivilisiert und es kommt gar nicht infrage, dass mein Diener auf dem Boden schläft. Immerhin bin ich keine Bettlerin!«

»Ja, Herrin …«, stotterte Nico, froh darüber, einer Bestrafung entgangen zu sein. Seine neue Herrin war ganz anders als die zwei Menschen, deren Bekanntschaft er bisher gemacht hatte. Nathi behandelte ihn wie ein Lebewesen, nicht wie Abfall. Mit neu erwachtem Mut wagte er es, sie von sich aus anzusprechen: »Ich würde sehr gern in einem richtigen Bett schlafen.«

»Woher nehmen und nicht stehlen«, sprach Nathi mehr zu sich selbst.

»Herrin, Ihr seid doch eine Magierin. Könntet Ihr nicht ein Bett herzaubern?«, fragte Nico und stand nach einer Geste seiner Herrin auf.

Mit einem Kopfschütteln sagte sie: »Nein, das kann ich nicht. Oder jedenfalls nicht auf die Schnelle. Du musst wissen, Runenmagie ist sehr mächtig, hat aber auch entscheidende Nachteile. Ich kann nicht einfach aus dem Nichts ein Bett heraufbeschwören, ohne zuvor die Runen vorbereitet zu haben.«

Abermals gähnte seine Herrin und kam zum Schluss: »Ich bin zu müde und habe keine Lust mehr, mir weiter den Kopf zu zerbrechen. Du darfst heute ausnahmsweise mit in meinem Bett schlafen.« Sie hob drohend die Stimme und fügte spitz hinzu: »Aber behalte deine Pfoten und Füße bei dir. Wenn du mir zu nahe kommst, schmeiß ich dich raus, dann kannst du selber sehen, wo du schläfst. Und nun gute Nacht.«

Mit einer Handbewegung löschte sie die Lichter und es wurde stockdunkel im Raum. Aufgrund seiner guten Ohren hörte Nico, wie sie ihre Robe ablegte und schlurfend in das Bett stieg. Langsam schob auch er sich in Richtung des Schlafplatzes und kroch auf der anderen Seite unter die flauschige Decke.

Ohne großartig nachzudenken, murmelte er dabei: »Gute Nacht, Herrin.« Eine Antwort kam nicht. Wenn er seinen Ohren trauen konnte, dann war Nathi bereits eingeschlafen. Das Bett war wunderbar weich und so glitt er rasch in den Schlaf.

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