Vernehmungen

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2.10.3Anzeigeerstatter bei Privatklagedelikten

216Die StPO kennt sogenannte Privatklagedelikte, die gemäß den §§ 374, 376 StPO nur unter gewissen Voraussetzungen von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden. Die am häufigsten vorkommenden Tatvorwürfe regelt § 374 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6a StPO.

§ 374 StPO Zulässigkeit; Privatklageberechtigte

(1) Im Wege der Privatklage können vom Verletzten verfolgt werden, ohne dass es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf,

1.ein Hausfriedensbruch (§ 123 des Strafgesetzbuches),

2.eine Beleidigung (§§ 185 bis 189 des Strafgesetzbuches), wenn sie nicht gegen eine der in § 194 Abs. 4 des Strafgesetzbuches genannten politischen Körperschaften gerichtet ist,

2a.eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen (§ 201a Absatz 1 und 2 des Strafgesetzbuches),

3.eine Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 des Strafgesetzbuches),

4.eine Körperverletzung (§§ 223 und 229 des Strafgesetzbuches),

5.eine Nötigung (§ 240 Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuches) oder eine Bedrohung (§ 241 des Strafgesetzbuches),

5a.eine Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 des Strafgesetzbuches),

6.eine Sachbeschädigung (§ 303 des Strafgesetzbuches),

6a.eine Straftat nach § 323a des Strafgesetzbuches, wenn die im Rausch begangene Tat ein in den Nummern 1 bis 6 genanntes Vergehen ist.

217Selbst wenn allerdings die Strafanzeige „nur“ einen solchen Vorwurf enthält, ist es nicht Aufgabe des Polizeibeamten, den Anzeigenden auf den Privatklageweg zu verweisen. Die Regelung des § 376 StPO i. V. m. den Nrn. 86 Abs. 1, 87 Abs. 1 RiStBV ist eindeutig:

§ 376 StPO Anklageerhebung bei Privatklagedelikten

Die öffentliche Klage wird wegen der in § 374 bezeichneten Straftaten von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.

RiStBV 87. Verweisung auf die Privatklage

(1) Die Entscheidung über die Verweisung auf den Privatklageweg trifft der Staatsanwalt. Besteht nach Ansicht der Behörden oder Beamten des Polizeidienstes kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, so legen sie die Anzeige ohne weitere Ermittlungen dem Staatsanwalt vor.


Praxistipp:
218 Auch in derartigen Fällen muss die Anzeige aufgenommen werden; die Möglichkeit, einen Anzeigeerstatter auf den Privatklageweg zu verweisen, steht ausschließlich der Staatsanwaltschaft zu. Eine Verweigerung der Anzeigenaufnahme eröffnet den Anfangsverdacht einer Strafvereitelung im Amt, §§ 258, 258a StGB.

2.10.4Anzeigeerstatter oder Beschuldigter?

219Stellt sich bereits im Rahmen der Anzeigeerstattung heraus, dass der Anzeigende selbst Beschuldigter ist und mit seiner Anzeige nur „die Flucht nach vorne“ antreten will, ist die Anzeigeaufnahme sofort zu beenden und der Anzeigende formell als Beschuldigter zu belehren und zu vernehmen.

Beispiele:

220Häufig werden Drängeleien und Ausbremsen im Straßenverkehr angezeigt; oftmals stellt sich später heraus, dass der Anzeigende der Urheber dieses Geschehens war und mit seiner Anzeige als Erster Pluspunkte sammeln wollte. Auch vorgetäuschte Wohnungseinbrüche, Diebstähle oder Raubüberfälle kommen in der Praxis ebenso vor wie die Anzeigen einer angeblichen Verkehrsunfallflucht bei einem Alleinunfall.

2.10.5Strafanzeigen gegen Kinder

221Wird die Straftat eines Kindes zur Anzeige gebracht, ist zu berücksichtigen, dass aufgrund dessen Strafunmündigkeit kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden darf. Insofern ist auch die Aufnahme einer Strafanzeige unzulässig; das dem Kind zur Last gelegte Geschehen ist daher (nur) in Form eines Vermerks niederzulegen. Ob sich daran überhaupt weitere Ermittlungen anschließen, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles40 und im Wesentlichen eine präventiv-polizeiliche Aufgabenstellung.

Ergibt sich aus der Strafanzeige allerdings ein Anfangsverdacht auch gegen eine strafmündige Person, so ist eine reguläre Strafanzeige aufzunehmen.

Beispiele:

222Neben zwei Kindern soll auch ein Jugendlicher an der Tat beteiligt gewesen sein.

Der Anzeigeerstatter trägt vor, dass das 12-jährige Kind „von seinen Alten zum Klauen geschickt wurde“. Er hatte beobachtet, wie die Mutter das Kind in den Laden geschickt und ihm nach dem Diebstahl eine Flasche Parfum abgenommen hatte.

2.11Einsatz verdeckter Ermittler

223Der Einsatz verdeckter Ermittler wirft aufgrund einer jüngeren Entwicklung in der Rechtsprechung insbesondere bei Beziehungstaten Probleme auf.41

Beispiel:

224Die Beschuldigte hatte in den Jahren 2001 und 2004 drei leibliche Kinder im Alter zwischen zwei und 20 Monaten durch sanfte Bedeckung – jeweils mit einem Kissen – erstickt. Nachdem sie 2004 im Rahmen einer verantwortlichen Vernehmung durch die Polizei zunächst zu zwei Taten keine Angaben gemacht und die dritte Tat in Abrede gestellt hatte, erklärte sie, dass sie fortan vollständig von ihrem Einlassungsverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle.

Ab 2005 wurde ein verdeckter Ermittler eingesetzt, der sich unter einer Legende – Verfassung eines Buches über Chatgewohnheiten – in den folgenden 18 Monaten insgesamt 28-mal mit der Beschuldigten traf; daneben gab es umfangreiche Kontakte per SMS, E-Mail und Telefon. Der verdeckte Ermittler erklärte Anfang 2006 wahrheitswidrig, er selbst habe schon einen jungen Menschen getötet. Nach einem fingierten Zusammentreffen mit dem die Ermittlungen führenden Kriminalbeamten, bei dem dieser bekundete, er sei weiterhin von der Tatbegehung durch die Beschuldigte überzeugt, gestand diese gegenüber dem verdeckten Ermittler eine der Taten, machte Angaben zu ihren Motiven und offenbarte originäres Täterwissen.

In einer danach erfolgten erneuten Beschuldigtenvernehmung – die Legende des verdeckten Ermittlers war zuvor gegenüber der Beschuldigten offengelegt worden – räumte sie sämtliche Taten ein und erklärte in der nachfolgenden richterlichen Vorführung, dass der Inhalt des Haftbefehls, der auf ihren Angaben in der polizeilichen Vernehmung beruhte, zutreffend sei. Sie wiederholte später bei der Exploration durch eine psychiatrische Sachverständige diese Angaben und bestätigte dies im Rahmen der Hauptverhandlung; im Übrigen machte sie dort von ihrem Einlassungsverweigerungsrecht Gebrauch.

225Der 4. Strafsenat des BGH42 führt die vorangegangenen Entscheidungen des 3. Senates des BGH43 und des EGMR44 zum verdeckten Ermittler unter Geltung des „nemo-tenetur-Grundsatzes“ fort. Wörtlich: „Die Vorgehensweise des Verdeckten Ermittlers war verfahrensrechtlich unzulässig, weil er der Angeklagten unter Ausnutzung des im Verlauf seines fast anderthalb Jahre dauernden, in der Intensität zunehmenden Einsatzes geschaffenen Vertrauens selbstbelastende Angaben entlockt hat, obwohl sie sich bei ihrer polizeilichen Vernehmung … für das Schweigen zu den gegen sie erhobenen Tatvorwürfe entschieden hatte …. Das Gespräch mit dem Verdeckten Ermittler …, in dem die Angeklagte die Tötung ihres Sohnes … einräumte, stellt sich wegen der vorausgegangenen Einwirkungen auf die Entscheidungsfreiheit der Angeklagten ‚als funktionales Äquivalent einer staatlichen Vernehmung‘ dar.“


Praxistipp:
226 Hat sich der Beschuldigte bereits auf sein Einlassungsverweigerungsrecht berufen, darf der verdeckte Ermittler ihn nicht unter Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses zu einer Aussage drängen und ihm in einer vernehmungsähnlichen Befragung Erklärungen zum Tatgeschehen entlocken.45

227Zum anderen sind nicht nur die Angaben des Beschuldigten gegenüber dem verdeckten Ermittler unverwertbar, sondern grundsätzlich auch unmittelbar nachfolgende Vernehmungen, sofern „bei der Vernehmung die rechtsstaatswidrige Beweisgewinnung durch den Verdeckten Ermittler“ fortwirkt.46

228Offen bleibt dabei, ob hier nicht der Vernehmende durch eine qualifizierte Belehrung – Hinweis auf die Unverwertbarkeit der gegenüber dem verdeckten Ermittler gemachten Angaben vor erneuter Beschuldigtenvernehmung – diese Fortwirkung unterbrechen kann. Der 3. Senat hat diese Möglichkeit angedeutet, aber nicht weiter verfolgt, da in dem damals zu entscheidenden Sachverhalt – quasi entgegengesetzt – der vernehmende Polizeibeamte gegenüber der Beschuldigten der objektiven Rechtslage zuwider behauptet hatte, die Angaben gegenüber dem verdeckten Ermittler seien gerichtsverwertbar.

 

2.12Heimliches Aufzeichnen von Gesprächen mit Besuchern während der Untersuchungshaft

229Teilweise versuchen die Ermittlungsbehörden, Informationen von dem inhaftierten Beschuldigten dadurch zu erhalten, dass sie seine Besuchskontakte überwachen. Regelmäßig (aber nicht immer) geschieht dies offen, indem ein Beamter an dem Besuchsgespräch teilnimmt.

Beispiel:

230Gespräche des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten mit seiner Ehefrau wurden entsprechend einem Beschluss des Gs-Richters in einem separaten Besuchsraum ohne erkennbare optische und akustische Besuchsüberwachung ermöglicht. Allerdings hatte das Amtsgericht zugleich antragsgemäß die verdeckte Abhörung und Aufzeichnung dieser Gespräche angeordnet.

231Die Maßnahmen beinhalten keine Verstöße gegen die §§ 100f, c StPO: Haft- und Besuchsräume unterfallen nicht dem Schutz des § 100c StPO, da sie keine Wohnung darstellen und das Abhören daher keinen „großen Lauschangriff“ darstellt.47

232Rein formell und auch materiell lagen darüber hinaus die Voraussetzungen des § 100f StPO, der die akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen ermöglicht, vor. Trotzdem gelangte der 1. Strafsenat zu einem Verwertungsverbot. Gemäß § 119 Abs. 3 StPO a. F. in Verbindung mit Nr. 27 UVollzO waren Besuche während der Untersuchungshaft regelmäßig erkennbar zu überwachen; in der Praxis waren Vollzugs- oder Polizeibeamte und Dolmetscher anwesend.

233Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass bewusst ein separater Besuchsraum verwendet wurde, der bei dem Beschuldigten den Eindruck erwecken musste und sollte, hier ungestört und unüberwacht mit seiner Ehefrau sprechen zu können.

234Die nach strafprozessualen Vorgaben zulässige Maßnahme tangiert daher einerseits den Grundsatz des nemo tenetur se ipsum accusare; sie dürfte – da aktives Tun durch die Zuweisung des separierten Raumes vorliegt – die Grenzen der kriminalistischen List in Richtung einer Täuschung im Sinne des § 136a StPO überschreiten. Zu Recht stellte der BGH klar, dass jedenfalls die Gesamtumstände zu einer staatlichen Totalüberwachung des Beschuldigten – ohne jegliche Rückzugsmöglichkeit in eine Privatsphäre – führen, die mit einem fairen Verfahren nicht zu vereinbaren sind. Genau betrachtet wird aber eine derartige Rückzugsmöglichkeit durch die durch die Strafverfolgungsbehörden geschaffene Situation vorgespiegelt.


Praxistipp:
235 Täuschen die Ermittlungsbehörden im Hinblick auf die Überwachung von Besuchen während der Untersuchungshaft, so liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des „fair trial“.

2.13Hörfallen

236Angaben des Beschuldigten, die er gegenüber Privaten getätigt hat, sind selbst dann verwertbar, wenn diese Privatpersonen ohne amtlichen Auftrag mit Mitteln, die staatlichen Organen nach § 136a StPO verboten sind, Beweismittel erlangt haben.48

Beispiele:

237„Was ein Beschuldigter einem Mitgefangenen erzählt hat, der auf Veranlassung der Polizei auf seine Zelle gelegt wurde, um ihn über das Tatgeschehen auszuhorchen, darf nicht verwertet werden. Verwertbar ist dagegen die Aussage, die ein in der Hauptverhandlung vernommener Zeuge gemacht hat, den die Polizei aufgrund von Angaben des Beschuldigten gegenüber dem Mitgefangenen ermittelt hat.“49

238Wenn ein Mithäftling aus eigenem Antrieb den Beschuldigten veranlasst, ihm die Tat zu schildern, darf dies verwertet werden, selbst wenn dieser sein Aushorchen in Kenntnis der Ermittlungsbehörden fortsetzt.


Praxistipp:
239 „Hat eine Privatperson auf Veranlassung der Ermittlungsbehörde mit dem Tatverdächtigen ohne Aufdeckung der Ermittlungsabsicht ein auf die Erlangung von Angaben zum Untersuchungsgegenstand gerichtetes Gespräch geführt, so darf der Inhalt des Gespräches im Zeugenbeweis jedenfalls dann verwertet werden, wenn es um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht und die Erforschung des Sachverhaltes unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert gewesen wäre.“50

Der BGH hat im Jahre 2010 ein Verwertungsverbot für den Fall anerkannt, dass ein inhaftierter Beschuldigter verdeckt verhört wird.51

Beispiel:

240Der verurteilte Angeklagte hatte sich in der Haft einem Mitgefangenen anvertraut, der sich ihm gegenüber fälschlich als Mitglied der Bandidos ausgegeben und sich erboten hatte, Leute zu besorgen, die die Frau des Angeklagten gegen Bezahlung töten würden. Nachdem der Mitgefangene eine Anzahlung kassiert hatte, wandte er sich an die Leitung der JVA und erklärte sich später gegenüber der Polizei als kooperationsbereit. Die dadurch erlangten Beweismittel reichten den Strafverfolgungsbehörden nicht, sodass sie einen Polizeibeamten unter der Legende eines Rockers an den Angeklagten heranführten. Dieser führte im Besucherraum der JVA ein Gespräch, in dem er auch fragte, ob es richtig sei, dass sie die Frau des Angeklagten „wegmachen“ sollten, was der Angeklagte mit einem Nicken bestätigte.

241Der BGH bezeichnet das Gespräch zu recht als verdeckte Vernehmung, die in ihrer konkreten Ausgestaltung rechtswidrig war. Sie griff in den Kernbereich der grundrechtlich und konventionsrechtlich geschützten Selbstbelastungsfreiheit ein, mit der Folge, dass daraus ein Verwertungsverbot abgeleitet wurde. Dies galt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Polizeibeamte eine Entscheidung geradezu provoziert und den Angeklagten in einen Aussagezwang versetzt hatte.

2.14Schriftliche „Vernehmungen“, besser: Äußerungen

242In vielen Fällen der Massenkriminalität sind schriftliche Äußerungen ein probates Mittel, den Arbeitsaufwand zu meistern. Um Vernehmungen handelt es sich dabei nicht, da hier weder eine akustische Wahrnehmung und eine Protokollierung durch den Vernehmenden erfolgt noch der zu Vernehmende sich mündlich äußert.52

2.14.1Beschuldigte

243Derartige schriftliche Äußerungen lässt das Gesetz beim Beschuldigten unter den Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 S. 6 StPO zu:

§ 136 StPO Erste richterliche Vernehmung

… In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

244Diese Möglichkeit ist über § 163a Abs. 4 S. 2 StPO auch bei polizeilichen Vernehmungen eröffnet. Das Schweigerecht des Beschuldigten enthält sein Recht, sich schriftlich zu äußern. Erforderlich ist aber stets die Prognose, dass der zu Vernehmende bereit und fähig ist, sich schriftlich zu äußern; nur dann liegt ein geeigneter Fall vor.53


Praxistipp:
245 Bei komplexen, umfangreichen Sachverhalten und gravierenden Vorwürfen scheiden schriftliche Äußerungen von vornherein aus. Auch die Persönlichkeitsstruktur des zu Vernehmenden kann einer schriftlichen Äußerung entgegenstehen.

2.14.2Zeugen

246Zeugen kann es ermöglicht werden, ihre Wahrnehmungen – jedenfalls zunächst – schriftlich niederzulegen; dies erspart teilweise lange Anfahrtstrecken und ermöglicht häufig dem Vernehmenden, die „Spreu vom Weizen“ zu trennen. Nr. 67 RiStBV regelt insofern die Voraussetzungen.

RiStBV 67. Schriftliche Aussage

(1) In geeigneten Fällen kann es ausreichen, dass ein Zeuge sich über bestimmte Fragen zunächst nur schriftlich äußert, vorausgesetzt, dass er glaubwürdig erscheint und eine vollständige Auskunft von ihm erwartet werden kann. In dieser Weise zu verfahren, empfiehlt sich besonders dann, wenn der Zeuge für seine Aussage Akten, Geschäftsbücher oder andere umfangreiche Schriftstücke braucht.

(2) Befindet sich der Zeuge im Ausland, so ist bei der schriftlichen Befragung Nr. 121 RiVASt zu beachten.

247Für derartige schriftliche Äußerungen als Zeuge stehen vorformulierte „Anhörungsbögen als Zeuge“, die auch die erforderlichen Belehrungen enthalten, zur Verfügung. Während die Angaben zur Person (vgl. § 111 OWiG) relativ detailliert abgefragt werden, befindet sich dort bezüglich der eigentlich wichtigeren Angaben zur Sache regelmäßig ein Freifeld.

2.14.3Standardisierte Anhörungsbögen

248Derartig standardisierte Anhörungsbögen führen häufig zu wenig brauchbaren Angaben; der zu Vernehmende erzählt entweder seine Lebensgeschichte oder antwortet genervt in Bruchstücken; ermittlungsrelevante Wahrnehmungen finden sich gar nicht oder allenfalls am Rande.

Beispiel:

249Nach einem tödlichen Unfall auf einer BAB ist allein relevant, wie der Sturz des Kradfahrers unmittelbar zustandegekommen ist.

250Der Extremfall der Beantwortung des Anhörungsbogens kann darin bestehen, dass der Zeuge das Formular durchstreicht, mit der Bemerkung „ich nix deutsch“ versieht, unterschreibt und zurückschickt.

251Die schriftliche Äußerung der Zeugen wird allerdings regelmäßig deren Reiseantritt, den Reiseverlauf und das Ziel und damit Unwichtiges enthalten. Selbst wenn ein Zeuge angibt, dann plötzlich das Krad auf der Fahrbahn und eine (getötete) Person gesehen zu haben, bedeutet dies nicht, dass er keine weitergehenden Wahrnehmungen gemacht hat.

Beispiel:

252Im vorangegangenen Beispiel sollte das Anschreiben ergänzt werden: „Bitte eine Unfallschilderung aus Ihrer Sicht. Konnten Sie die Ursache erkennen, die zum Sturz des Kradfahrers geführt hat? Beschreiben Sie bitte den Verlauf des Sturzes.“

Aber auch dies führt nicht zwingend zu klaren Antworten, wie das nachfolgende Originalbeispiel einer Antwort zeigt:

Beispiel:

253„Ich habe nur gesehen, wie der Motoradfahrer schon im fahl war, ist gegen unterfahrschuz geknalt, leicht abgefedet und dann mit dem kopf unter den hinterrad von anhenger. Aus welhem grund er zum fahl kamm habe ich nicht gesehen.“

254Jedenfalls werden hier aber Details des Sturzes geschildert, die weitere Ermittlungen – Vernehmung des Zeugen – erfordern; der Zeuge hat offensichtlich den unmittelbaren Unfallhergang wahrgenommen. Ob er mehr weiß, muss eine Vernehmung klären.

 

Praxistipp:
255 Hier können Telefonate entweder vor der Versendung des Anhörungsbogens oder nach Erhalt einer derartigen Antwort hilfreich sein; deren Inhalte sind in einem Aktenvermerk niederzulegen.