Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie

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3.2Der Patient und sein individuelles Erleben

Wenn heutzutage in der Onkologie von einer personalisierten Krebstherapie gesprochen wird, dann sind damit in der Regel Vorgehensweisen gemeint, bei denen die Tumorzellen eines Patienten molekularbiologisch untersucht werden. Dabei wird nach bestimmten Biomarkern gefahndet, um die Krebszellen an den veränderten Stellen zielgerichtet anzugreifen (»targeted therapy«).

Wenn wir in der Psychoonkologie und einer biopsychosoziospirituellen Praxis von einer individualisierten und maßgeschneiderten Therapie sprechen, so ist damit etwas weit Umfassenderes gemeint. Bei der Begleitung von Patienten mit Krebserkrankungen wird nicht nur der Tumor, sondern der ganze Organismus und die ganze Person mit ihren Bedürfnissen und Werten und in ihrer soziokulturellen Einbettung wahrgenommen und berücksichtigt. Die Geschichte der Krankheit und die Erfahrungen des Krankseins werden als Teil der Geschichte eines erkrankten Menschen verstanden. Die Bedeutung, die er seiner Erkrankung gibt, wird auf dem Hintergrund seiner aktuellen Lebensphase und Situation gesehen. Sie ist auch von jenen Geschichten geprägt, die in seiner Familie über Krebs erzählt werden und wurden, wie Verwandte oder Bekannte mit ihrer Krankheit umgegangen sind, wie sie mit ihr gelebt haben oder gestorben sind.

Eine auf den ersten Blick paradox erscheinende Frage ist bei chronischen Erkrankungen von großer Bedeutung: Wie viel Krankheit verträgt Gesundsein (Ebell 2017a)? Wie kann es also gelingen, dass sich Menschen trotz einer Krebserkrankung – selbst wenn sie fortschreitet – als erstaunlich gesund erleben? Auch diese Frage ist nur höchst individuell zu beantworten. Die Vorstellung eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuums bietet eine konzeptuelle Basis für ein »Sowohl-als-auch«. So zeigt die Perspektive der Salutogenese, der Erforschung der Frage, wie Gesundheit entsteht, Wege auf, neben aller Krankheit auch Gesundheit und Gesundsein zu fördern (Abschn. 4.4). Das Ausmaß an Krankheit, das sich mit dem Gesundsein eines Menschen verträgt, ist erstaunlich groß, wenn er über Eigenschaften verfügt, die man als Resilienz zusammenfassen kann (S. 49 f.), und es trotz der Krankheit möglich ist, Gesundheitsziele zu verfolgen.

Das subjektive Erleben und das mit der Erkrankung verbundene Leiden des Patienten werden maßgeblich von der aktuellenKrankheitsphase geprägt. Zunächst stehen meist Diagnostik und Therapie mit der Hoffnung auf Heilung im Vordergrund. Es kann auch ein Rezidiv diagnostiziert worden sein oder sich die Aufgabe stellen, sich mit dem bevorstehenden Sterben auseinanderzusetzen.

Therapeutisch wirksame Kommunikation trachtet danach, all dies zu berücksichtigen. Sie betont neben einer arzt- und krankheitszentrierten Sicht die Bedeutung der individuellen Wirklichkeit des Patienten und seines subjektiven Erlebens und Leidens und orientiert sich primär an seinen Bedürfnissen. Sie versteht Kommunikation als eingebettet in eine therapeutische Beziehung und deren gesundheitsfördernde Auswirkungen. Therapeutisch wirksame Kommunikation fördert einen mehrfachen Perspektivenwechsel:

•vom Kampf gegen die Krankheit hin zu dem, was stattdessen wünschenswert ist

•von dem, was nicht (mehr) möglich ist, hin zu dem, was möglich ist

•von der Einengung der Aufmerksamkeit auf die Symptome der Krankheit hin zur Förderung gesunder Anteile

•von der Fokussierung auf Probleme hin zum Suchen, Finden und Fördern von Ressourcen.

Die therapeutisch wirksame Kommunikation bildet den Kern unseres Vorgehens (Abschn. 4).

3.3Die Behandler in der Onkologie und ihre Rollen

Krebs als körperliche Erkrankung erfordert eine angemessene medizinische Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst. In der aktuellen Medizin ergeben sich diese Regeln aus der Praxis einer sogenannten evidenzbasierten Medizin (EbM). Wir beziehen uns dabei auf eine Definition, die unter EbM die Integration dreier Elemente versteht – der Expertise des Arztes, der Evidenz aus der Forschung und der Individualität des einzelnen Patienten (Sackett et al. 1996, S. 71; Übers. d. Verf.):

»Die Praxis der evidenzbasierten Medizin bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der besten verfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung. Mit individueller klinischer Expertise meinen wir das Können und die Urteilskraft, die Ärzte durch ihre Erfahrung und klinische Praxis erwerben. Ein Zuwachs an Expertise spiegelt sich auf vielerlei Weise wider […] und in einem umsichtigen und mitfühlenden Erkennen und Berücksichtigen der Problematik des individuellen Patienten, seiner Rechte und Präferenzen bei der klinischen Entscheidungsfindung für seine Behandlung.«

Krebserkrankungen und ihre Therapien stellen Belastungen dar, die nicht selten die unmittelbar Betroffenen und die mitbetroffenen Angehörigen an ihre Grenzen bringen. Auch dafür gilt es im Rahmen der onkologischen Behandlung Unterstützung anzubieten.

Die alltägliche Kommunikation mit den Patienten stellt eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar: Dazu gehören die Gestaltung auch kurzer Patientenkontakte, die Art und Weise der Vermittlung bzw. des Austauschs von Information oder die Entscheidungsfindung bei der Erstellung eines Gesamtbehandlungsplans und dessen prozessorientierte Modifikation. Diese Herausforderungen werden im Klinikalltag keineswegs immer optimal bewältigt. Dabei entsteht viel unnötiges Leiden, oft aus Zeitmangel. Aber auch viele zeitsparende Möglichkeiten therapeutisch wirksamer Kommunikation verstreichen ungenutzt.

Allein schon die Kommunikation der beteiligten Behandler untereinander ist eine anspruchsvolle Herausforderung. Ist höchste medizinische Qualität gefragt, können nur mehr sogenannte Tumorboards die Zusammenschau der Befunde und das Abwägen der zunehmend komplexer werdenden Therapieoptionen wie Operationen, Chemotherapie und anderer Formen medikamentöser Therapie sowie Strahlentherapien und deren Timing leisten. Das sind regelmäßige Fallbesprechungen von Teams aus Vertretern diverser medizinischer Spezialfächer. Der Therapievorschlag wird im Idealfall aufgrund der aktuellen Studienlage evidenzbasiert auf die Krankheit hin optimiert. Wer in einer Zusammenschau aller relevanten Fakten mit dem Patienten spricht, ihn bei seinen Entscheidungsprozessen berät und unterstützt, das Vorgehen mit ihm abstimmt und danach auch über den weiteren Verlauf den Überblick behält, ist dann oft nicht mehr so klar und eindeutig festgelegt.

Die moderne Onkologie handelt arbeitsteilig und multiprofessionell. Am erfolgreichsten ist die Behandlung, wenn es gelingt, die Vielfalt des Wissens der beteiligten Berufsgruppen und Personen und deren Austausch als Bereicherung zu erfahren. Vom Spezialisten bis zum Hausarzt, vom Strahlentherapeuten bis zum Psychiater, von Pflegepersonen, Sozialarbeitern, Seelsorgern bis hin zum Psychoonkologen. Es bedarf gelingender Kommunikation, die Beiträge aller zu integrieren und gemeinsam mit dem Patienten einen Gesamtbehandlungsplan zu dessen Wohl auszuhandeln.

Die Sehnsucht vieler Patienten nach einem »Halbgott in Weiß«, der alles kann und weiß, ist gerade in Zeiten der Not gut nachvollziehbar. Im Idealfall laufen alle Fäden bei einer möglichst kontinuierlich und verlässlich zur Verfügung stehenden Person zusammen. Im optimalen Fall wäre das ein Onkologe mit medizinischer, psychosozialer und kommunikativer Kompetenz. Das Beiziehen von Spezialisten aus den sogenannten Psychofächern, sei es ein Psychoonkologe oder Psychiater, wird von Patienten oft als zusätzliche Stigmatisierung und auf der Beziehungsebene als Abweisung erlebt. Manchmal berät der Hausarzt den Patienten; an einigen Tumorzentren gibt es Case-Manager. Nach positiven Erfahrungen schreibt der Patient auch nicht selten dem Psychoonkologen die Rolle zu, ihm bei Entscheidungen beizustehen und ihn zu beraten.

Bei jeglicher Behandlung ist die Bildung einer therapeutischen Allianz Voraussetzung für deren Erfolg. Dazu bedarf es dreier Säulen: einer Vertrauensbeziehung, einer Übereinkunft über die Ziele und einer Einigung über die Mittel der Behandlung (Bordin 1979). Auf die Einbettung der Behandlung und Kommunikation in Beziehungskontexte werden wir im Rahmen unseres Konzepts in den Abschnitten 4.3 und 6.5.2 ausführlich eingehen. Für die unterschiedlichen Ziele in der Onkologie und die zu deren Erreichung eingesetzten Mittel gibt es eine Vielzahl von Spezialisten. Die Delegation der Aufgaben an verschiedene Personen und Berufsgruppen führt dazu, dass Patienten die Behandlung oft als fragmentiert erleben, weil häufig einer nicht vom anderen weiß, Informationen fehlen und sich deren Zielsetzungen nicht selten widersprechen oder gar nicht explizit zum Thema gemacht werden. Das Aushandeln einer Übereinkunft über die im Gesamtbehandlungsplan einzusetzenden Mittel ist jener Bestandteil einer therapeutischen Allianz, der in der Onkologie wohl am häufigsten zu kurz kommt.

Von den Behandlern wird viel erhofft und erwartet. Die Vielfalt der Bedürfnisse von Patienten kann nur aus einer entsprechenden Vielzahl von Rollen heraus erfüllt werden. Die Annahme, es könne eine Person geben, die all diese aus Patientensicht wünschenswerten Rollen erfüllt, erscheint unrealistisch.

 

Da ist die Rolle des medizinischen Spezialisten, der die Diagnostik beherrscht und über Therapieoptionen Bescheid weiß und diesbezüglich berät oder auf Wunsch des Patienten sogar entscheidet. Diese Rolle sollte sich mit der eines Kommunikationsspezialisten verbinden, der die Informationen individuell angepasst verständlich und in »verdaulichen« Portionen vermittelt. Er sollte dialogfähig sein, sich empathisch in den Patienten einfühlen können und ihn aus dieser Einfühlung heraus individualisiert beraten können. Er sollte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, Hoffnung und Zuversicht vermitteln und zugleich realistisch sein. Es sollte immer jemanden geben, der Lösungen für die ständig auftauchenden Probleme kennt oder der zumindest weiß, wer Ideen dazu haben könnte. Jemand sollte bei der Krankheitsbewältigung unterstützen und dem Patienten Erfahrungen von Selbstwirksamkeit ermöglichen, indem er ihn auch darin berät, wie dieser selbst zu seinem Wohlergehen beitragen kann. Wenn alles Mögliche getan, alles Lösbare gelöst und alles, was gesagt werden muss, gesagt ist, bedarf es einer professionellen, mitmenschlichen Präsenz (S. 171 ff.).

Diese vielen Rollen überfordern einen einzelnen Arzt. Zudem entsprechen sie kaum den Rollenbildern, die sich aus dem Selbstbild vieler Ärzte ergeben. Dieses ist in der Onkologie von den oben beschriebenen Mythen geprägt, vom Arzt als Kämpfer gegen den Krebs oder gar den Tod. Für manche Ärzte fühlt es sich an, als hätten sie selbst den Kampf verloren, wenn ihr Patient stirbt. In der klassischen Kampfmetapher gibt es nur zwei mögliche Ausgänge: Man wird zum Sieger oder Verlierer. In der modernen Krebsmedizin ist jedoch bei vielen Patienten, um in der Kriegsmetapher zu bleiben, ein länger dauernder Waffenstillstand ein angemessenes Ziel. Je ohnmächtiger sich Menschen fühlen, umso überlebensnotwendiger ist ein Erleben von Kontrolle. So wird in der Medizin viel getan, um Kontrollillusionen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten. Dazu dienen auch Vorstellungen, Krebserkrankungen oder deren Therapie mit einfachen linear-kausalen Modellen erklären und beherrschen zu können.

Michael Balint (2019) benannte es schon vor über fünfzig Jahren als »apostolische Funktion des Arztes«, wenn dieser glaubt, er besäße die Offenbarung darüber, was das Richtige für den Patienten sei, und es sei seine heilige Pflicht, die Unwissenden und Ungläubigen unter den Patienten zu diesem, seinem Glauben zu bekehren. Es besteht die Gefahr, dass unter dem Mantel einer evidenzbasierten Medizin, die sich ausschließlich auf die Ergebnisse kontrollierter Studien bezieht, diese apostolische Funktion im Selbstverständnis von Ärzten wieder bestärkt wird. Balint hat seine Warnung bezüglich der apostolischen Funktion des Arztes noch durch das Bild der »Droge Arzt« bzw. des »Arztes als Arznei« ergänzt. Seine Ehefrau – die Psychoanalytikerin Enid Balint (1969) – hat den Begriff der patientenzentrierten Medizin geprägt und sich um deren Integration in ein ansonsten krankheitszentriertes Vorgehen bemüht.

Psychoonkologen stellt sich die Frage, wie sie den Patienten dabei unterstützen können, Menschen zu finden, die die für ihn notwendigen Rollen ausfüllen, und welche der geforderten Rollen sie selbst einnehmen können. Das hängt selbstverständlich auch vom Quellenberuf der psychoonkologisch Tätigen ab. Eine Rolle, die sich für uns Autoren bewährt hat, ist die eines Reisebegleiters (Ebell 2008b).

Die gemeinsame Reise führt in ein unbekanntes Gebiet, in die einzigartige individuelle Wirklichkeit des Patienten. Auch wenn der Verlauf der Reise offen ist, gibt es Gründe, zuversichtlich zu sein. Bei der Reiseplanung und den notwendigen Entscheidungen wirken der Patient und sein Begleiter zusammen. Sind Berge zu erklimmen, weiß der Bergführer über die Wege Bescheid, die zum Gipfel führen. Er weiß um Möglichkeiten, schwierige Stellen zu passieren. Der Patient bestimmt, welche Ziele er erreichen und welche Gipfel er besteigen will. Dazu werden gemeinsam realistische Etappen- und Tagesziele formuliert. Oft ist der Weg allerdings im Vorhinein nicht klar. Von östlicher Weisheit inspirierte Reisebegleiter vertrauen darauf, dass sich im Laufe des Weges immer wieder neue Ausblicke und Perspektiven ergeben und der Weg beim Gehen entsteht.

Neben der Rolle des Reisebegleiters ist es oft Aufgabe des psychoonkologisch Tätigen, die Kommunikation der relevanten Beteiligten zu unterstützen und Dialoge zu ermöglichen. Oft geht es um eine ergänzende Sicht auf die Dinge, um neue Perspektiven, um einen neuen Blick, um wohlwollende Augen, um Zeugenschaft und Verständnis für das, was dem Patienten widerfährt. Oft ist gefragt, bei der Fokussierung der Spezialisten auf ihre jeweiligen Bäume, den Wald nicht aus den Augen zu verlieren. Oft geht es um einen gemeinsamen Blick, der über eine Momentaufnahme hinausgeht, und um ein daraus entwickeltes Feedback an den Patienten, einen Blick, der auch die Vergangenheit und Zukunft mit einbezieht: in der Rückschau die Erinnerung daran, was der Patient schon geschafft hat und welche Entwicklungen schon möglich waren. In der gemeinsamen Betrachtung, wo er im Moment steht, und dessen, wo die Reise insgesamt hingeht und welche nächsten Schritte in diese Richtung führen. Dabei gilt der Fokus immer dem, was dem Patienten selbst wichtig ist und bedeutungsvoll erscheint. Sich daran immer wieder zu erinnern, ist von zentraler Bedeutung, gerade, wenn die Zeit knapp ist oder knapp werden könnte.

Nicht zuletzt werden die Rollen und Handlungsspielräume der Behandler maßgeblich durch das Gesundheitssystem bestimmt, in dessen Rahmen sie arbeiten und das zunehmend von ökonomischen Gesichtspunkten geprägt wird. Kritische Stimmen sehen viele Entwicklungen in der Onkologie auch im Zusammenhang der negativen Einflüsse durch eine »Krebsindustrie« im Kontext einer umfassenderen »Gesundheitsindustrie« (Lauterbach 2015).

4Therapeutisch wirksame Kommunikation

In der Onkologie nimmt die Kommunikation zwischen allen Beteiligten einen zentralen Stellenwert ein. »Man kann nicht nicht kommunizieren« – lautet das erste Axiom Paul Watzlawicks (Watzlawick, Beavin u. Jackson 1967/2017), und es ist zu bedenken, dass der Empfänger letztendlich darüber bestimmt, welche Botschaft bei ihm ankommt, und nicht der Absender. Man sollte aber darauf achten, jede Kommunikation, jede auch noch so kleine Begegnung im klinischen Alltag, möglichst auf eine Weise zu gestalten, dass sie therapeutisch wirksam werden kann. Das ist unser Ziel und unsere Arbeitshypothese.

Therapeutische Kommunikation – wie wir sie verstehen – soll patientenzentriert sein, das heißt sich an die Person des Patienten richten und sich an seiner Erfahrungswelt, seinem individuellen Leiden, an seinem Wohl und seinen Bedürfnissen orientieren. Die dafür notwendige Perspektive fokussiert die Aufmerksamkeit auf das subjektive Erleben und das persönliche Kranksein des Patienten. Dies ist eine notwendige Ergänzung der behandlerzentrierten und insbesondere arztzentrierten Perspektive, bei der – krankheitszentriert – Symptome des Patienten und deren Erklärung im Rahmen der Krebskrankheit, deren Diagnose und Behandlung im Zentrum der Bemühungen der Behandler und ihrer Aufmerksamkeit stehen.

Eine therapeutisch wirksame Kommunikation muss eingebettet sein in eine intersubjektive Beziehung zweier Menschen mit ihren Rollen als Behandler bzw. Behandelter. Auf Therapeutenseite sind Mitgefühl und eine mitmenschlich gestaltete Professionalität auf Augenhöhe wesentlich für deren Gelingen. Die Metapher der Resonanz erscheint uns als geeignet, um sich der Komplexität dieser Kommunikation mit zwei grundverschiedenen Perspektiven auf dasselbe Thema anzunähern und um wesentliche Punkte zu beschreiben, die zu deren Gelingen beitragen können.

Therapeutisch wirksame Kommunikation zielt darauf ab, den Patienten in seiner Welt abzuholen und ihn zu begleiten. Sie wirkt verändernd, indem sie auf der Grundlage einer tragfähigen und entlastenden therapeutischen Beziehung auf unterschiedlichen Ebenen Zuversicht vermittelt und zu einem Perspektivenwechsel einlädt. Hypnose und Achtsamkeit sind gut geeignet, Erfahrungen zu vermitteln, in denen die Welt mit neuen Augen betrachtet und Dinge erlebt werden, die das Leben auch unter schwierigsten Bedingungen nicht nur aushaltbar, sondern darüber hinaus sinnvoll und lebenswert machen.

Um all diesen Zielen zu dienen, wirken hypnosystemische Verständnismodelle und Vorgehensweisen mit Elementen der Achtsamkeit – einander ergänzend – auf optimale Weise zusammen. In den folgenden Abschnitten werden wir die zentralen vier Elemente der therapeutisch wirksamen Kommunikation skizzieren und sie später auch in ihrer konkreten Umsetzung immer genauer beschreiben.

4.1Therapeutisch wirksame Kommunikation ist patientenzentriert

In der S3-Leitlinie »Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten« einigten sich Experten darüber, die anzustrebende Form von Kommunikation als patientenzentrierte Kommunikation zu beschreiben (AWMF et al. 2014, S. 82):

»Patientenzentrierte Kommunikation bezeichnet ein kommunikatives Verhalten, das den Patienten in seiner aktuellen körperlichen und emotionalen Verfassung wahrnimmt, seine persönlichen Werte, Bedürfnisse und Präferenzen berücksichtigt und seine Selbstkompetenz, Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit fördert. [...]

Kommunikation mit Krebspatienten und ihren Angehörigen soll durch alle in der Onkologie tätigen Berufsgruppen patientenzentriert erfolgen. Sie soll sich an deren individuellen Anliegen, Bedürfnissen und Präferenzen hinsichtlich Information, Aufklärung und Beteiligung an Entscheidungen orientieren. Diese sollen wiederholt im Krankheitsverlauf, insbesondere in kritischen Krankheitsphasen (Diagnose, Rezidiv/ Progredienz), erfragt werden.«

Zur Abstimmung der Ziele und Aufgaben patientenzentrierter Kommunikation auf die besonderen Erfordernisse von Menschen mit Krebserkrankungen differenziert die Leitlinie sechs Funktionen der Kommunikation (ebd., nach Epstein a. Street 2007):

–»Fördern einer hilfreichen, ›heilsamen‹ Beziehung

–Austausch von Informationen

–Umgehen mit Emotionen

–gemeinsame Entscheidungsfindung zum weiteren Vorgehen

–Toleranz für Ungewissheit fördern

–Unterstützen von Selbstbestimmung, Kontrolle und Handlungsfähigkeit«

Diese sechs Funktionen patientenzentrierter Kommunikation bedingen einander zum Teil wechselseitig. Um wirksam zu werden, müssen sie ineinandergreifen. Man stelle sich die Situation einer Frau mit Brustkrebs vor, der empfohlen wird, nach der ersten Behandlung 5 Jahre lang einen Östrogenrezeptormodulator einzunehmen. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sie dieser Empfehlung folgt, müssen mehrere Faktoren zusammenspielen:

Die Patientin sollte dem klinischen Team vertrauen, Informationen über Wirkungen und Nebenwirkungen erhalten haben, Wege kennen, mit ihren Zweifeln und Ängsten umzugehen, und die Unsicherheitsfaktoren verstehen, die jeder Behandlungsempfehlung innewohnen. Sie sollte auf die von ihr bevorzugte Weise in diese Therapieentscheidung einbezogen worden sein, und sie sollte sich jeden Tag daran erinnern, das Medikament auch wirklich zu nehmen.

Die Beziehungen zwischen diesen Funktionen sind komplex und wechselseitig:

•So wird die Patientin ihren Ärzten mehr vertrauen, wenn diese ihr die notwendigen Informationen auf eine passende Weise vermitteln. Das Vertrauen wird wiederum ihre Ängste mindern.

•Im Gegensatz dazu wird eine während des Informationsgesprächs sehr ängstliche Patientin Schwierigkeiten haben, Informationen aufzunehmen. Das wiederum wird sich voraussichtlich negativ auf das Vertrauen in die Behandlung und das Behandlungsteam auswirken.

In einer patientenzentrierten Kommunikation gelingt die Dreiecksbeziehung zwischen »Behandler«, Patient und Krankheit, indem sich die Beteiligten dem gemeinsamen Thema von Krankheit und dem mit ihr verbundenen Leiden zuwenden. Über das Teilen von Aufmerksamkeitsfokus, Absicht und Zielen entsteht Resonanz und damit Verbundenheit; es konstituiert sich ein Resonanzdreieck (S. 106). Im Gegensatz dazu führen nicht gelingende Kommunikation und fehlende Resonanz zur Entfremdung, einem Phänomen, das als »Entfremdungsdreieck« benannt wurde (Rosa 2016).

 

Im Beziehungsdreieck zwischen Behandler (z. B. Arzt), Patient und Krankheit finden sich oft auch destruktive Dynamiken, die als Opfer-Täter-Retter-Dreieck (Petzold 2021) beschrieben, erkannt und überwunden werden können. Wenn sich Patienten als Opfer ihrer Krankheit fühlen, werden Behandler zu Rettern. Werden zur Rettung sehr eingreifende und nebenwirkungsreiche Therapien notwendig oder bleiben die angekündigten oder erhofften Erfolge aus, werden die Retter als Täter und Therapien als Verfolgung erlebt. Um sich aus der Opferrolle zu befreien, beschuldigen Patienten nicht selten ihre Ärzte oder die Medizin. Indem Patienten zu Anklägern werden, geraten die ursprünglichen Retter in die Opferrolle. Diese Dynamik neigt dazu zu eskalieren, insbesondere wenn die Behandler dann ihrerseits zu beschuldigen beginnen oder zu immer nebenwirkungsreicheren Therapien greifen, um aus der Opferrolle heraus und wieder in die Rolle des Retters zu gelangen.

Ein Ausstieg aus den in diesem Dreieck wechselnden Rollen wird durch eine patientenzentrierte Kommunikation mit ihren oben aufgeführten Funktionen möglich – indem wieder die Bedürfnisse und Werte des Patienten in den Vordergrund gerückt werden. Indem er in seiner Autonomie, aber auch mit seinen Emotionen und in seiner Verletzlichkeit gesehen und respektiert wird und erstrebenswerte Ziele Vorrang gegenüber einer Rettung bekommen, die um jeden Preis erfolgen soll.