Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Erste Impressionen aus den neuen Bundesländern

Obwohl wir in Amerika mit einem Rollstuhl beste Erfahrungen gemacht hatten, vergingen noch über 2 Jahre, bevor Gerd sich endlich zum Erwerb eines eigenen entschloss. Bis dahin waren wir nach altbewährtem Muster, viel fahren, wenig gehen, wieder mit unserem eigenen Mobi unterwegs, so oft es die Zeit erlaubte, da beide noch berufstätig.

Nach dem so erfreulichen spektakulären Mauerfall am 9.11.89 nutzten wir z.B. die Zeit um Ostern 1990 unter Anhängung von drei Urlaubstagen dazu, unserer neuen alten Heimat einen Besuch abzustatten. Ein wunderbares Gefühl, an der ehemaligen Grenzstation hinter Lübeck ohne Formalitäten durchgewinkt zu werden direkt in das neue deutsche Bundesland MECKLENBURG VORPOMMERN. Auf zum größten Teil noch ziemlich ramponierten Straßen ging die sehr interessante Fahrt über Grevesmühlen an die Mecklenburger Bucht, über die Hansestadt Wismar, in der historischen Altstadt, die seit 2002 auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO steht, und besonders am Marktplatz viele schöne Bürgerhäuser aus Renaissance und Frühbarock und eine imposante Brunnenanlage aus der Zeit um 1600, „Wasserkunst“ genannt, ein pavillonartiges Bauwerk im Stil der Niederländischen Renaissance, gekrönt von einer kupfernen Haube mit sechseckiger Laterne.

Weiter ging`s über das kleine Ostseebad Kühlungsborn mit vier Kilometer langem bis zu fünfzig Meter breitem feinen Sandstrand und das etwas im Landesinneren liegende Bad Doberan; 1186 gründeten Zisterziensermönche aus Westfalen dort ein Kloster, ihre Bauten, vor allem das gewaltige Doberaner Münster, errichtet im 14. Jh., Perle der norddeutschen Backsteingotik genannt, prägen noch heute das Antlitz des Ortes. Sein direkt an der Ostseeküste gelegener berühmter Stadtteil Heiligendamm, das älteste deutsche Seebad, 1793 von Friedrich Franz I., Herzog von Mecklenburg, zur Sommerresidenz erkoren, stieg auf zum Kurbad für den damaligen europäischen Adel und das gehobene Bürgertum, viele elegante klassizistische Palais (inzwischen sind etliche zu Luxushotels umfunktioniert) stammen noch aus jener Zeit und sind in ihrer ganzen Schönheit zu bewundern, besonders das 1816 erbaute Kurhaus und das daneben liegende Haus Mecklenburg, vom 6. - 8. Juni 2007 zusammen mit dem luxuriösen Grand Hotel Kempinski unter deutscher Präsidentschaft Tagungsstätte des 33. Gipfeltreffens der „Gruppe der Acht“, der wichtigsten Wirtschaftsnationen, trotz massiver Proteste ein großer Erfolg.

Unser Tagesendziel war der alte, zu Rostock gehörende Fischerhafen

- Warnemünde -

wo wir direkt am westlichen Ufer des Alten Stroms, ein kleiner Seitenarm der dort in die Ostsee mündenden Warnow, mit Blick auf die dümpelnden Fischerboote übernachteten. Beim Abendessen im nahe gelegenen gemütlichen Restaurant an der wohl beliebtesten Flaniermeile in Warnemünde entlang des Alten Stroms mit ihrem besonderen Flair bekamen wir sofort Kontakt zu netten ostdeutschen Landsleuten, wodurch sich eine sehr angeregte Unterhaltung ergab.

Unsere Erkundungstour führte uns am sonnigen Ostersonntag als nächstes zur landeinwärts liegenden Hansestadt Rostock, einigermaßen erhalten wunderschöne hohe, schmale Patrizierhäuser mit phantasievoll geschwungenen Giebeln am lang gezogenen Marktplatz, das im Barock umgestaltete gotische Rathaus mit sieben hochragenden Ziertürmchen und ebenso die prächtige Marienkirche in spätgotischem Stil.

Auch im historischen Stadtkern der alten Hafen- und ehemaligen Hansestadt Stralsund mit seinen mittelalterlichen Straßenzügen, ebenfalls seit 2002 auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO, reihen sich Bürgerhäuser aus vielen Jahrhunderten aneinander. Am Alten Markt erhebt sich, weithin sichtbar, die kunstvoll gegliederte Fassade des Rathauses, ein prachtvolles Beispiel für die späte norddeutsche Backsteingotik, überragt von den markanten Doppeltürmen der ältesten Stralsunder Pfarrkirche St. Nikolai, der nördliche mit flachem Dach, der südliche besticht durch eine mächtige Barockhaube.

Nachdem wir all diese Sehenswürdigkeiten langsam mit kurzen Fotostopps abgefahren hatten, nutzten wir den uns noch verbleibenden Nachmittag für einen Ausflug auf die durch den Rügendamm mit der Stadt verbundenen Insel Rügen. Kreuz und quer, zum Teil über holpriges Kopfsteinpflaster, erkundeten wir Deutschlands größte und wohl auch schönste Insel. Sie bietet einfach alles, was zu einer Ferienlandschaft am Meer gehört, lange Sand- und schmale Kiesstrände unter leuchtend weißen Klippen; auf einen Blick über die berühmtesten steil ins Meer abfallenden Kreidefelsen vom 117 m hohen Königsstuhl mussten wir wegen der weiten Wege vom Parkplatz aus allerdings verzichten, aber das haben wir inzwischen während eines Urlaubs auf dieser herrlichen Insel mit dem Rolli ausgiebig nachgeholt.

Es gibt quirlige Seebäder, aber auch stille Dörfer mit Reetdachhäuschen, mit alten Kastanien und Federvieh auf den Gassen. Man fährt durch weite Felder und Wiesen, Wälder, Heidelandschaften und Moore. Wie schön, dass diese Perle wieder allen deutschen und natürlich auch ausländischen Besuchern offen steht.

Gegen 18.00 Uhr kehrten wir nach

- Stralsund -

zurück, wo wir schon bald im Hotel Baltic ein ausgiebiges Abendessen genossen, zusammen mit einem jungen Pärchen aus Rostock, das sich zu uns an den Tisch setzte. Es wurde ein ausgesprochen lustiger Abend, sie war Gärtnerin, gebürtige Ostberlinerin mit entsprechender Klappe, und er ein grundsolider Mecklenburger Fischer mit herrlichem trockenen Humor. Ihre Ansichten zur Wiedervereinigung waren ein Feuerwerk an witzigen Sprüchen, vor allen Dingen bedauerten sie das EDV = Ende der Versorgung. Zuletzt verlegten wir unsere angeregte Unterhaltung in unser Mobi, wo wir bei Schokoladenostereiern, Keksen und Fruchtsaft den Fall der Mauer bis weit nach Mitternacht feierten. Geschlafen wurde auf einem schon vorher auserkorenen Parkplatz direkt am Fahrgasthafen mit Blick auf die ein- und auslaufenden Fähren und vom Fang zurückgekehrten Fischerboote.

Der ebenfalls sonnige Ostermontag brachte uns zunächst in die Universitäts- und ehemalige Hansestadt Greifswald, die Heimat des bekannten romantischen Malers Caspar David Friedrich, dessen berühmtes Bild von den Kreidefelsen auf Rügen wohl jedem Kunstkenner ein Begriff ist. Die Gute Stube dieser Stadt ist der Markt, umgeben von schmucken Giebelhäusern aus Gotik, Renaissance und Barock, darunter auch das markante rote Rathaus, zusammen mit dem legendären Fischmarkt mit seinem Skulpturenbrunnen und den gemütlichen Caféterrassen; ebenfalls gut erhalten die Backsteinkirchen St. Jacobi, die Marienkirche und der imposante Dom St. Nikolai.

Weiter ging die Fahrt am romantischen Greifswalder Bodden entlang, ein Randgewässer der südlichen Ostsee, hinüber zum Städtchen Wolgast, auf einer Brücke über die Peene auf die Halbinsel Usedom, durch die kleinen Seebäder Heringsdorf und Ahlbeck, in denen wir inzwischen schon einen herrlichen Sommerurlaub genossen haben, bis an die polnische Grenze bei Swinemünde. Leider ließ man uns ohne Visum nicht rüber, ein sehr netter neugieriger Grenzbeamter kam jedoch zu uns an Bord, und bei angeregter Unterhaltung erfuhren wir auch seine durchweg positiven Gedanken zur Wiedervereinigung.

Wir verließen die Halbinsel über das am Oderhaff gelegene Usedom, wie fast alle Orte auch sehr renovierungsbedürftig. In Anklam an der Peene, durch die Schiffbarkeit des Flusses ein bedeutender Hafen für die See- und Binnenschifffahrt, zeugt ein 32 m hohes spätgotisches Steintor von der einst mächtigen Stadtmauer.

Kurz hinter dem Städtchen nahmen wir einen Tramper mit, der sich als sehr aufgeschlossener Berufssoldat der ehemaligen Nationalen Volksarmee entpuppte. Interessant auch seine Meinung zu dem alle bewegenden Ereignis des Mauerfalls. Unter anderem erzählte er uns, dass er sofort am selben Abend mit seinem Trabbi innerhalb eines langen Konvois über die Grenze gefahren sei und dann heulend in seinem Wagen gesessen hätte, als die „Feinde der Deutschen Demokratischen Republik“, ein dichtes Spalier bildend, ihnen begeistert zuwinkten und Blumen in die geöffneten Fenster reichten. Das jahrelang aufgebaute Feindbild brach wie ein Kartenhaus zusammen.

In der City von Neubrandenburg, seinem Ziel, verabschiedeten wir uns von ihm. Die sehr schön am Nordufer des Tollensesees gelegene, fast kreisrund gebaute Stadt, wurde im Mittelalter mit einer sieben Meter hohen Mauer aus Feldsteinen umgeben, in die 56 kleine Fachwerkbauten, so genannte Wiekhäuser, integriert wurden, die der Beobachtung und Verteidigung dienten. Die mehr als zwei Kilometer lange Ringmauer blieb trotz 85%iger Zerstörung des Stadtzentrums im Zweiten Weltkrieg fast vollständig erhalten und mit ihr ihre vier prachtvollen reich verzierten Stadttore aus Backstein, davon am künstlerischsten gestaltet und mit 32 m das höchste, das Treptower Tor aus der Mitte des 14. Jh.. mit seinem im 15. Jh. hinzugebauten Vortor. Wird die Innenstadt jetzt überwiegend von modernen Nachkriegsbauten geprägt, so hat man von den Wiekhäusern knapp die Hälfte originalgetreu rekonstruiert und wieder in Benutzung genommen (Galerien und Kunsthandwerksläden).

 

Mit Neustrelitz erreichten wir die gleichnamige Seenplatte. Alles überragend die neugotische Kirche aus gelbem Backstein mit ihren schlanken seitlichen Türmen, ein Relikt des ehemals riesigen Schlosskomplexes der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz, die im 18. Jahrhundert hier residierten. Wir genossen die Fahrt durch dieses landschaftlich so wunderschöne Gebiet, umso erschreckender der Zustand der kleinen Örtchen, die zum größten Teil einen sehr verfallenen Eindruck machten, anscheinend herrschte großer Mangel an Farbe, alles war so grau und trostlos, nur ganz vereinzelt leuchteten bereits frisch gestrichene Fassaden. Besonders schlimm war die Situation an den Tankstellen, es gab sehr wenige, alle machten einen heruntergekommenen Eindruck; meistens lagen sie auch noch abseits, und wenn man endlich eine fand, stieß man auf lange Warteschlangen von Trabbis und Wartburgs, einige westdeutsche Automarken mit ostdeutscher Nummer waren allerdings auch schon darunter, der Gebrauchtwagenhandel blühte.

Um 19.00 Uhr entschlossen wir uns in dem kleinen Städtchen

- Gransee -

ganz spontan, mitten auf dem dortigen verkehrsarmen Marktplatz zu übernachten. Inzwischen hatten wir die Grenze nach BRANDENBURG passiert. Nach sehr ausgedehntem wohlschmeckenden Mahl im nahen Lindenhof schlummerten wir ruhig wie in Abrahams Schoß in den nächsten Morgen. Die Nähe zu einem Bäcker verführte mich dazu, frische Brötchen und leckeren noch warmen Frühstückskuchen zu besorgen. Erfreulich das umfangreiche Angebot und die Nettigkeit der Verkäuferin.

Unter Umgehung von Berlin, das wir ja schon so oft besucht hatten, gelangten wir nach Potsdam, der Hauptstadt von Brandenburg, wo ich einen kurzen Besichtigungssprint in den herrlichen Park unternahm, um wenigstens das wunderschöne Schloss Sanssouci von außen zu fotografieren, das sehr dekorativ oberhalb herrlicher Weinbergterrassen thront; zu einem späteren Zeitpunkt haben wir dort einige Stunden mit dem Rollstuhl zugebracht und natürlich auch das prächtige Innere des Schlosses gebührend besichtigt. 1745-47 ließ Friedrich der Große es als seine Sommerresidenz errichten, einen Ort „ohne Sorge“, auf den er sich gern zurückzog. Im 19. Jh. wurde die Anlage durch Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861) erweitert. Die Schlösser und ihre Gärten in Potsdam, sowie auch in Berlin wurden 1990, 92 und 99 in die Liste der Welterbestätten der UNESCO eingetragen.

Die weltberühmte Schlosskirche in Wittenberg, an die Martin Luther, bis dahin nahezu unbekannter Augustinermönch und Theologieprofessor, 1517 seine 95 Thesen schlug, war das nächste Motiv, nachdem wir nach etwa 38 Kilometern die Landesgrenze nach SACHSEN-ANHALT überfahren hatten; 1760 während des Siebenjährigen Krieges zerstört, wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil wieder aufgebaut. Alle Martin Luther Stätten in Wittenberg und in seiner Heimatstadt Eisleben stehen seit 1996 auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO.

Unser Tagesziel war das in SACHSEN gelegene

- Leipzig -

auch dort Verfall und langsamer Wiederaufbau. In der Altstadt findet man noch reizvolle kleine Gassen rund um den Markt. Das Alte Rathaus und dicht daneben die Alte Waage, in der früher vor jeder Messe die Waren geprüft, gewogen und verzollt wurden, sind sehenswerte Renaissancebauten.

Da wir in der letzten Nacht so gut auf dem Marktplatz geschlafen hatten, wollten wir es in Leipzig nochmals versuchen. Zuvor mussten wir uns jedoch um unser leibliches Wohl kümmern. In einer kleinen Seitengasse entdeckten wir ein uriges kleines Lokal. Es war wie immer sehr voll, zusammen mit drei Herren mittleren Alters wurden wir an einen Tisch gewiesen. Wie sich herausstellte, waren es Pädagogen aus Leipzig, ihre Fächer Physik, Chemie und Mathe. Nochmals drei Meinungen zu dem spektakulären Ereignis, genau wie bei den vorherigen Kontakten alle positiv gestimmt, es konnte ja nur besser werden. Momentan waren sie auf der Suche nach einem westdeutschen Auto, die Marke Opel war der große Favorit. Im Verlauf des wieder sehr lustigen Abends stießen wir alle gemeinsam auf die glückliche Wiedervereinigung an.

Als wir am nächsten Morgen nach doch etwas unruhigerer Nacht unsere Vorhänge beiseite zogen, glaubten wir an eine Fata Morgana. Rund um uns herum Marktstände und reges Leben. Wir mussten doch sehr tief geschlafen haben. Ohne uns dadurch stören zu lassen, nahmen wir in aller Ruhe unser Frühstück ein, erweitert durch frisches Obst von einem nahen Händler. Plötzlich große Unruhe vor unserem Wagen. Eine ältere Frau war zu Boden gestürzt und wand sich in epileptischen Anfällen, neugierige Gaffer rundherum. Ich schnappte eine unserer Wolldecken und ein Kissen, rannte hinaus, lagerte den hin- und her schlagenden Kopf auf die weiche Unterlage und deckte die Ärmste zu. Der Notarzt war bereits benachrichtigt, ich streichelte sie und redete beruhigend auf sie ein. Es dauerte allerdings eine ganze Weile, was einen sich als schlauen Wessi entpuppenden Umstehenden zu der Aussage veranlasste: „Da schicken wir denen schon unser gutes Geld rüber zum Anschaffen von neuen Krankenwagen, und dann kommen sie noch nicht mal, bei uns geht das viel schneller, in wenigen Minuten ist Hilfe da!“ Ich machte meinem Ärger über diese völlig überflüssige und dumme Bemerkung Luft. Gott sei Dank kam in diesem Moment die Ambulanz, und die Kranke wurde sofort medizinisch versorgt. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich beruhigte, manchmal muss man sich wirklich für seine Landsleute schämen!

Nach einem kurzen Bummel über den Markt, so weit die Füße trugen, ließen wir uns auf einer Bank in der Sonne nieder und schauten dem bunten Leben und Treiben zu. Auch einige Händler aus dem Westen boten ihre Waren an, allerdings, wie wir leider feststellen mussten, zu weit überhöhten Preisen. Die Nähe zu Auerbachs Keller, dem Goethe in seinem Faust ein Denkmal setzte, verführte uns dazu, mittags in dem geheiligten Gewölbe mit großem Appetit leckere Leber mit lockerem Kartoffelpüree und gerösteten Zwiebelringen nebst Apfelspalten zu verzehren.

Danach brachen wir sofort auf. In Naumburg an der Saale, im südöstlichen Zipfel von SACHSEN-ANHALT gelegen, war es zunächst der imposante, größtenteils aus der ersten Hälfte des 13. Jh. stammende Dom St. Peter und Paul, den wir ansteuerten, durch seine vier hoch aufragenden Türme, die sich sehr eindrucksvoll vor den zum Teil mit Wein bebauten Hängen erheben, ist er schon von weitem sichtbar. Sein eindrucksvolles Inneres, wie z.B. die weltberühmten Stifterfiguren, 12 lebensgroße Steinskulpturen, und vieles andere mehr besichtigten wir in aller Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt, als der Rollstuhl uns zu mehr Bewegungsfreiheit verhalf.

In der Altstadt säumen attraktive Bürgerhäuser, meist aus der Zeit des Barock und der Renaissance, die schmalen Gassen und umrahmen ebenso den weiträumig angelegten Marktplatz, sehr schön das Rathaus, ein spätgotischer Bau mit repräsentativem Renaissanceportal. Auf der anderen Seite des Platzes erhebt sich die alte Residenz mit ihren zwei spitzen Giebeln, die 1652 aus drei benachbarten Häusern entstand und für Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz errichtet wurde. Daneben steht das älteste Haus der Stadt, das so genannte Schlösschen, von 1542-46 Sitz des einzigen evangelischen Bischofs in Naumburg, überragt von der wuchtigen Stadtkirche St. Wenzel, eine spätgotische Hallenkirche, genannt nach dem heiligen Wenzel, dem Schutzpatron der Stadt..

Die in Weimar - inzwischen waren wir also in THÜRINGEN - der Stadt von Goethe und Schiller, geplante Sightseeing-Tour per Mobi musste leider ins Wasser fallen (sie wurde später per Rollstuhl ausgiebig nachgeholt), weil die Innenstadt völlig gesperrt war, und alle Sehenswürdigkeiten lagen nun einmal dort, wie z.B. das Goethe- und das Schillerhaus, das im klassizistischen Stil erbaute Deutsche Nationaltheater, die spätgotische Stadtkirche mit dem wertvollen Flügelaltar von Lucas Cranach dem Älteren sowie dessen Sohn, das Schloss, Palast der Herzöge von Sachsen-Weimar und vieles andere mehr. Die Bauhaus Stätten in Weimar gehören seit 1996 und das klassische Weimar seit 1998 zu den Weltkulturerbestätten der UNESCO.

Bei dem späteren Besuch besichtigten wir auch das 1937 auf dem Ettersberg im Norden der Stadt angelegte berüchtigte Konzentrationslager Buchenwald. In dem weit angelegten Museum, einige alte Gebäude und düstere enge Gefängniszellen sind noch vorhanden, wird der mehr als 56.000 Menschen gedacht, die hier unter großen Qualen den Tod fanden. Ein eindrucksvolles Mahnmal mit Glockenturm erinnert an die überlebenden Häftlinge, die sich am 11. April 1945 selbst befreiten. Erschüttert und mit einem dicken Kloß im Hals verließen wir diese Stätte, von der wir hoffen, dass sich noch sehr viele Menschen dort vor Ort über die unfassbaren Gräueltaten informieren, damit Derartiges sich niemals wiederholen kann.

Die Hauptstadt THÜRINGENS,

- Erfurt -

war unsere nächste Station. In der einigermaßen erhaltenen Altstadt, in der sich mittelalterliche Bürger- und Patrizierhäuser, Renaissance- und Barockbauten aneinander reihen, gefiel uns besonders der historische Fischmarkt, wo sich auch das mächtige neugotische Rathaus erhebt. Inmitten des Platzes thront auf reich verziertem hohen Sockel der Erfurter Römer, der im Volksmund „Roland“ genannte heilige Martin im Gewand eines römischen Kriegers, von Kopf bis Fuß bewaffnet, die Stadtfahne Erfurts in der hoch erhobenen rechten Hand

Vom Rathaus ist es nicht weit zur berühmten Krämerbrücke, eines der Wahrzeichen der Stadt, die 1325 an der Gerafurt als Bogenbrücke in Stein errichtet wurde; sie trägt noch heute 33 der ursprünglich 62 Fachwerkhäuser, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert direkt auf die Brücke gebaut wurden, jetzt Geschäfte für Kunsthandwerk und Antiquitäten..

Wegen umfangreicher Straßenbauarbeiten gelangten wir nur über Umwege auf den engen Domhügel, wo der gewaltige Dom, ursprünglich 1154 als romanische Basilika begonnen, später gotischer Anbau, und gegenüber die malerische frühgotische St. Severi Kirche mit ihren drei von Spitzhelmen gekrönten Türmen die Dächer der Stadt weit überragen, ein äußerst beeindruckendes Ensemble und natürlich das berühmteste Wahrzeichen der Stadt.

Da wir auf unserer Rundfahrt auf kein einladendes Restaurant stießen, vor dem wir auch noch hätten parken können, entschlossen wir uns zuletzt, unser Abendessen an Bord einzunehmen, der Kühlschrank war schließlich recht gut gefüllt, und fanden endlich um 20.30 Uhr direkt an einer gepflegten Parkanlage unter hohen Kastanienbäumen eine Bleibe für die Nacht.

Der nächste und letzte Tag, dank Petrus überwiegend heiter, führte uns am Rande des Thüringer Waldes entlang zur einstigen Residenzstadt Gotha, die sich im Kern als noch äußerst reizvoll erwies; Herzstück der historischen Altstadt ist am unteren Ende des lang gestreckten Hauptmarktes das freistehende Rathaus von 1574 mit seinem hoch aufragenden Turm, das im Renaissancestil errichtet wurde. Das Stadtbild wird beherrscht von dem auf dem Schlossberg in einer ausgedehnten Parkanlage thronenden imposanten Schloss Friedenstein. Die eindrucksvolle dreiflügelige Anlage aus dem Frühbarock mit ihren wuchtigen Eckpavillons wurde erbaut Mitte des 17. Jh. für Ernst den Frommen, Herzog von Sachsen-Gotha, seine Bronzestatue wacht vor dem nördlichen Portal des Schlosses. Es erhielt seinen Namen nach dem Westfälischen Frieden, zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück geschlossene Friedensverträge, die den 30-jährigen Krieg in Deutschland beendeten. Die Schlossanlage war lange Zeit die Residenz der Herzöge von Sachsen-Gotha, inzwischen wurde sie zu einem Museum umfunktioniert.

Den vom Hauptmarkt zum Schlossberg hin aufsteigenden Platz schmückt die so genannte „Wasserkunst“, ein 1895 erbautes eindrucksvolles Ensemble aus vielen kunstvoll gestalteten Brunnenanlagen, Wasserstrudeln und -fällen, gespeist vom Wasser des bereits im 14. Jh. gebauten Leinakanals, das durch ein Pumpwerk etwa neun Meter zu dem Wasserspiel hoch gepumpt wird.

 

In Eisenach, unserem letzten Ziel, erwiesen sich die Gassen der Altstadt und schon das dorthin führende Tor als zu eng bzw. zu niedrig für unser Mobi. Also verlegten wir unsere Sightseeing-Tour in die Außenbezirke. Dabei stießen wir auf ein etwas höher gelegenes hübsches Hotel mit Aussichtsrestaurant und entschlossen uns, da es zeitlich sehr gut passte, zu einem letzten Mittagessen in der neuen Heimat. Bei köstlichen Thüringer Klößen mit saftigem Schweinebraten und Sauerkraut konnten wir in aller Ruhe durch die großen Panoramascheiben den Blick auf Eisenach und die 400 m auf einem bewaldeten Hügel über der Stadt thronende trutzige Wartburg genießen, in deren Sängersaal sich Anfang des 13. Jahrhunderts die Minnesänger zum Wettstreit trafen und 200 Jahre später Martin Luther die Bibel ins Neuhochdeutsche übersetzte, seit 1999 eine Weltkulturerbestätte der UNESCO. Das war ein sehr schöner Abschluss unserer so interessanten und informativen Rundfahrt.

Da wir in den paar Tagen ja nur einen kleinen Teil erfassen konnten, führten uns immer wieder Stippvisiten hinüber, es gab noch so viele wunderschöne Landschaften und Städte zu entdecken, wie z.B. die weit ausgedehnte Mecklenburger Seenplatte mit ihren gemütlichen Ortschaften, den malerischen Fachwerkhäusern und alten Kirchen, die Deutsche Alleenstraße, gesäumt von Schatten spendenden hohen Bäumen, den romantischen Thüringer Wald, den von urwüchsigen Kanälen durchzogenen Spreewald und nicht zu vergessen das imposante Elbsandsteingebirge mit seinen tief eingeschnittenen Schluchten; von den Städten seien hier nur die noch nicht genannten Landeshauptstädte Schwerin, Magdeburg, Dresden und last not least unsere neue Bundeshauptstadt, das wieder zusammengeführte Berlin, erwähnt, jede für sich eine Reise wert.

Es war äußerst erfreulich, nach und nach immer mehr „blühende Landschaften“ zu entdecken, riesige moderne Einkaufszentren im Einzugsbereich der Städte, das Straßennetz wurde erweitert, die bestehenden Straßen ausgebessert, modernste Tankstellen entstanden fast an jeder Ecke. Es wurde und wird noch immer fleißig gebaut, renoviert, restauriert; aus tristen grauen Orten entwickelten sich schmucke Städte; als Vergleich ein Beispiel aus dem Tierreich: Farblose Motten mutierten zu wunderschönen bunten Schmetterlingen. Die ostdeutschen Landsleute, mit denen wir Kontakt bekamen, waren fröhlich und aufgeschlossen und blickten optimistisch in die Zukunft. Ich möchte meine Eloge mit der Feststellung beenden, dass die völlig überraschende, Gott sei Dank friedliche Wiedervereinigung trotz auch anders lautender Meinungen, die allerdings nicht so sehr ins Gewicht fallen dürften, das Beste war, was uns Deutschen passieren konnte.