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Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.

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Capitel 5.
Die Königin Pomare

Der Sturm hatte nachgelassen, aber noch schleuderte der West den Wellenschaum gegen das Leeufer6 der Insel, und die schweren Palmenwipfel, die den Palast Aimatas, der vierten der Pomaren, umgaben, schwankten herüber und hinüber und schüttelten die schweren Tropfen aus der Fruchtgeschmückten Krone.

Der Palast der Pomaren – ein Zauber lag sonst auf dem Heiligthum, das ein frohes gutmüthiges und deshalb auch leichtgläubiges Volk mit allem ausgeschmückt, was seine Phantasie nur Großes und Erhabenes zu erfinden vermochte.

Was lag daran ob nur Bambusstäbe das leichte Dach von Pandanusblättern stützten, nur feingeflochtene Matten und selbstgewebte Tapa den inneren Raum zierten und verhingen – was lag daran ob die Häuptlinge aus einfachen Calebassen ihren Brodfruchtpoe verzehrten und den Saft der Cocosnuß dazu tranken, sie waren die von Oro beschützten Fürsten, und der Grund schon heilig, den ihr Fuß betrat.

Und jetzt? – Der Verkehr mit den Europäern hatte die alten einfachen Sitten der Insulaner verdrängt – die Missionaire, anstatt sich ihrem einfachen Leben anzupassen, lenkten die Gier dieser sonst so anspruchslosen bescheidenen Wesen auf die fremden Sachen die sie in Masse mitgebracht; der Schutz der Könige selber ward durch Geschenke – tolles Zeug das nur bunt drein schaute und zu weiter Nichts diente als den Platz ungemüthlich, unheimlich zu machen auf dem es stand – zu erhalten gesucht, und wie sich die Fürsten mehr den Fremden hingaben, deren eigenthümliche Geschenke sie gewannen, wie sie von ihrer Höhe niederstiegen und ihre Götter selbst zuletzt gegen Glasperlen und andere bunte Sachen eintauschten, einen anderen Gott anzuerkennen, den ihnen jene schwarzen finsteren Männer brachten, da war die königliche Macht dahin, wenn auch der äußerliche Prunk noch blieb, ja für den Augenblick, wie das letzte Aufflackern einer Lampe, vielleicht noch auf kurze Zeit erhöht und verstärkt wurde.

Was die Königliche Majestät auf den Sandwichs Inseln, wo Republikanische Missionaire zuerst Gottes Wort hinüberbrachten, erhob, daß nämlich die Glieder der Königlichen Familie, besonders die Frauen7 der Christlichen Religion anhingen, und sie mit dieser Macht auch das Volk dahin brachten sich zuletzt, wenigstens äußerlich, dem neuen Cultus zu unterwerfen, das hatte auf den Gesellschaftsinseln, wo die Priester einer Monarchie zuerst mit dem Kreuz und der Bibel landeten, die entgegengesetzte Wirkung in dem starren Trotz den die Pomaren, in ihren Herzen wenigstens, von je der Christlichen Religion entgegensetzten, bis in späteren Jahren, und auch eigentlich erst durch Krankheit geknickt und in der Hoffnung mit Hülfe der Weißen die Zügel seiner Regierung wieder fester in die Hand nehmen zu können, der zweite Pomare zur christlichen Religion übertrat, sonst aber seine Sitten, und sehr wahrscheinlich auch im Inneren seinen alten Glauben, ziemlich beibehielt.

Die Fürsten, die man bis dahin für übernatürliche Wesen gehalten, wurden Menschen, die Götter, die bis dahin die Schicksale der Völker regiert und die Hand gehalten hatten über Land und See, wurden zu Stücken Cocosholz, – der Glaube, die Furcht, ja das Schlimmste von Allem, die Liebe des Volkes war ein Wahn, ein schöner Traum gewesen, und daß eben das Volk dann zu Extremen übersprang, läßt sich denken.

Das schlichte Bambushaus, zu dem der Tahitier sonst als dem Herrschersitz seiner Könige mit scheuer Ehrfurcht aber auch mit Liebe aufgeblickt, war verschwunden, und an dessen Statt stand ein Europäisches Gebäude mit Schindeln gedeckt, mit Verandah und Treppe, mit Thüren und Glasfenstern da, die Wände dicht und der kühlen Seebrise undurchdringlich, das Dach fremd und unnatürlich in die schlanken Palmen hineinstarrend – das Innere dabei wild und geschmacklos mit bunt und toll durch einander geworfenen Geschenken verschiedener Schiffe und Länder ausgeschmückt oder eher verstellt, mit Porcellan und Glas, mit Bronze und Messing, versilberten Leuchtern, vergoldetem Schmuck, mit Servicen und Geschirren, so geschmacklos als verwirrt geordnet oder besser gesagt aus dem Weg gestellt.

Die natürliche Majestät des Ganzen war gewichen und eine gezwungen gekünstelte jetzt nicht mehr im Stande selbst in den Augen des Eingeborenen zu imponiren. Die Ehrfurcht deshalb, die er dem schlichten Bambus und der einfachen Tapa gezollt, und die sich selbst auf die Pandanus-Matte erstreckte die der Fuß berührte, weigerte er dem kostbaren Teppich und all jenen tausend und tausend »Kostbarkeiten,« die er staunend anstarrte, an denen er aber kalt, ja nicht selten mit einem Lächeln auf den Lippen, vorüberging. Er kannte die Quelle aus der es floß, Pomare ging nicht mehr mit Oro Hand in Hand und vor dem neuen Gott, wie ihnen die fremden Lehrer oft und oft gesagt, waren ja alle Menschen gleich – das Bischen Staat dabei hatten die Fremden mitgebracht, als Geschenke festen Fuß auf den Inseln zu fassen, es war Nichts darunter, vor dem man hätte Ehrfurcht haben können.

Und rücksichtslos wie der Menschen Hand an dem Hermelin der Majestät gerissen, und nach der Krone schon die Faust ausgestreckt, die Aimatas Stirn umzog, so hatte der Sturm in seiner tobenden Lust auch seinen Muth an dem geweihten Platz gekühlt und hineingegriffen in das Heiligthum.

Wo eine Anzahl dichter herrlicher Palmen auf etwas offener Stelle wachsend, früher das Bambushaus der Königin überschattet, und einander dabei zugleich Schutz und Schirm bieten konnten gegen die tollen Windgeister, die zu Zeiten über die Berge rasten, da hatten die meisten dieser stattlichen Bäume, dem größeren Gebäude Raum zu geben, weggeschlagen werden müssen, und die einzelnen, zurückgebliebenen, waren nicht mehr im Stande dem wilden West zu trotzen, wenn er den rasenden Ansprung nahm gegen sie, die wehenden Blätter ihrer Krone faßte und die Wipfel niederbog, scharf und gewaltig, bis fast zum Boden hin. Hei wie sie da oft zurückschnellten, in Grimm und Unmuth, dem tobenden Sturm gerad' in die Zähne, und die wehende Krone schüttelnd in zornigem Trotz; vergebens – wieder und wieder sauste die Windsbraut heran, faßte die mächtigen Bäume und drückte sie in ihrem tollen Spiel zur Erde nieder bis sie die herrlichste geknickt und mit schwerem Fall zu Boden geschmettert, weit und zerstörend hinein in Banane und Brodfruchtgarten. Und dann, wie ein unartig Kind, das sein Spielzeug zerbrochen und bei dem Fall schon die Strafe fürchtet, brauste der Sturm und tobte dahin, über die mächtigen Waldeswipfel, daß sein Rauschen und Donnern weit hinein drang in Berges Schlucht und Hang; aber am Bo den lag die Palme zerknickt und todt, der starre aufgespaltene Stamm kahl und vorwurfsvoll zum Himmel deutend, und der Wipfel selbst ein traurig Bild zertrümmerter, königlicher Kraft – so viel sprechender hier, an der Schwelle der Pomaren.

Und wie der Sturm schwieg, wogte und drängte draußen das Volk in wilderem unaufhaltsamerem Schwarm, zum ersten Mal wieder eine Macht fühlend, die ihm bis jetzt genommen, zum ersten Mal wieder von denen aufgefordert selbstständig zu handeln, die bis jetzt mit ängstlicher Sorgfalt jeden ihrer Schritte überwacht, und die Bibel drohend entgegengehalten jedem freieren, kraftbewußten Wort.

Das Volk sprach, und der Palast lag verödet; die Thüren standen offen, oder schlugen im Zug hin und wieder, die im Inneren angebrachten Europäischen Vorhänge und Gardinen flatterten und wehten unordentlich aus, und die Eïnanas Pomares, die dienstthuenden Hoffräulein der Fürstin selber hatten sich in Furcht und Neugierde theils mit hinaus an den Strand gedrängt, das fremde Schiff und das erregte Volk zu sehen, theils standen sie mit flatternden Locken und Gewändern über die Verandah zerstreut, ihrer Pflichten nicht weiter achtend, sich ihre Hoffnungen und Befürchtungen mitzutheilen.

Pomare war in ihrem Gemach allein und die Königin stand, an ein Fenster gelehnt, die linke Hand auf eine geöffnete Bibel, die neben ihr auf einem kleinen Tischchen lag, die Stirn sinnend in die rechte Hand gestützt, regungslos und schaute in tiefem Brüten hinaus über die zerschüttelten Baumwipfel, die ihre Zweige noch nicht wieder zurechtgefunden aus dem kaum vorübergebrausten Sturm, und wie ängstlich die weiten grünen Arme ineinander rankten, einem noch immer mißtrauisch befürchteten neuen Anprall zu begegnen.

Es war eine schlanke edle Gestalt, mit nicht gerade schönen aber doch wohlthuenden Zügen, und besonders feurigem lebendigem Auge, dessen Brauen sich nur jetzt, in Sinnen und Unmuth vielleicht, fester und härter zusammengezogen wie es sich sonst mit den voll und freundlich geschnittenen Lippen vertrug. Sie ging ganz in die Landestracht gekleidet, nur daß kostbarere Stoffe ihre Gestalt umschlossen, – der pareu war von feinem gelb und roth gestreiften und mit kleinen Silberblumen durchzogenem Gewebe, und der obere, erst nach der Bekanntschaft mit den Europäern angenommene weite und vorn bis zum Gürtel offene Rock, der nur am Handgelenk durch zwei Perlmutterknöpfe zusammengehalten wurde, war von schwerer blaßrother Seide, um die Hüften durch eine goldene emaillirte Spange zusammengehalten. Die Haare trug sie in natürlichen Locken, durch die aber, vielleicht ein wenig kokett auf die Krone anspielend, ein schmaler goldener Reif gezogen war, vortrefflich gegen die rabenschwarze Fülle der Locken abstechend, die ihre Stirn umspielten. An den Fingern blitzten zwei etwas starke, goldene Ringe, der den Eingeborenen überhaupt liebste und ehrenvollste Schmuck; ihre Füße aber waren nackt.

 

Viele Minuten lang blieb sie in der beschriebenen Stellung, starr und regungslos und nur manchmal war es, als ob sie ungeduldig hinaushorche nach dem dumpf selbst bis zu ihr herüberwogenden Lärm, indeß die Finger der linken Hand bewußtlos in dem heiligen Buche blätterten.

»Sie kommen, Pomare, sie kommen,« rief da plötzlich Eines der Mädchen, den Kopf eben nur zur Thür hereinsteckend und dann wieder, gerad so rasch verschwindend.

»Aramai, Eina!« rief aber die Königin, sich zornig nach der Thür herumdrehend, in der jetzt, etwas beschämt, das junge schöne Mädchen wieder erschien und schüchtern stehen blieb – »ist das jetzt Sitte hier bei mir geworden, daß Ihr draußen herumlauft, Ihr Tollen, und eben zu mir hereinstürmt und mir Euere Botschaft unter das Dach ruft, als ob ich herübergeweht wäre von den Inseln zu windwärts? – wer kommt? waihine und wo sind Deine Gefährtinnen?«

»Tati, der Häuptling, Pomare, mit dem weißen bösen Ferani,« sagte das Mädchen etwas ängstlich – »und noch viele viele andere Tanatas.«

»Und die Eïnanas?«

»Stehen draußen und sehen hinaus.«

»Was will Tati von mir?« frug die Königin finster, mehr mit sich selbst redend als zu dem Mädchen gewandt.

»Böse Ferani ist bei Mitonares gewesen,« sagte da das Mädchen leise und schnell – »hat sich gezankt mit Mitonares und kommt jetzt zornig und bös zu Pomare.«

Ein verächtliches Lächeln zuckte um Pomares Lippen, daß die Eïnana den Ferani fürchtete, aber die Botschaft selber beunruhigte sie doch. Der Französische Consul verkehrte nie mit den Protestantischen Geistlichen, die ihn, wie er recht gut wußte, haßten und verabscheuten – was hatte er dort zu thun, wenn nicht jene etwas gegen ihn, gegen seine Nation unternommen, und warum wußte sie noch Nichts davon?

»Die Mitonares haben das Englische Schiff gesehen und glauben sich nun Herren dieses Landes,« murmelte sie leise vor sich hin – »aber noch nicht – noch nicht – und das Alles sagt die Bibel, Alles, Alles was sie wollen.«

Lautes Sprechen auf der Verandah drang von dort herein, und die Eïnanas, die bis jetzt draußen herum gestanden, schlichen leise in's Zimmer, während Eine von ihnen die Ankunft des »Ferani Me-re-hu« mit Tati dem Häuptling meldete. Noch ehe aber Pomare nur die Erlaubniß seiner Einführung geben konnte, wurde die Thür wieder, mehr aufgerissen als geöffnet, und der Consul betrat rasch von Tati langsam und wie scheu gefolgt, das Gemach.

»Habt Ihr die Sitte verlernt, Consul Me-re-hu!« rief ihm aber Pomare gereizt entgegen, noch ehe er den Mund öffnen konnte zu seiner Vertheidigung, »daß Ihr zu einer Frau – daß Ihr zu Pomaren in das Haus dringt, als ob Ihr daheim wäret in Eurer eigenen Hütte? – noch haben Euere Kriegsschiffe meinen armen Thron nicht umgeworfen, und Euere Soldaten mein Volk erschlagen, oder Euere Priester es bethört – geht fort von hier, Ihr seid ein unruhiger böser Mann – und was will Tati von seiner Königin, daß er mit dem Fremden über ihre Schwelle bricht, wie ein Dieb bei Nacht?«

»Nicht meinetwegen komme ich, kommt Tati hier zu Dir, Pomare!« unterbrach sie hier Mörenhout, ohne Tati Zeit zu geben, sich selber zu vertheidigen – »Deinet-, Deines Reiches wegen sind wir hier, das Deine tollen Priester im Begriff sind zu verderben.«

»Consul Me-re-hu!« rief Pomare entrüstet.

»Ja Pomare!« fuhr aber der Franzose in zornigem Eifer fort, »und wiederholen muß ich's Dir, daß Deine Priester in diesem Augenblick selbst daran arbeiten den Bruch unheilbar zu machen, den sie zwischen diesem Land und Frankreich reißen. Auf die Bibel gestützt, der sie in blindem Eifer, nicht rechts nicht links sehend, anhängen, predigen und schreien sie daß sie dieser folgen, während es im Grund nur ihre eigene starrköpfige Meinung ist, der sie das Banner vorantragen. Gottes Zorn wollen sie dabei in ihrer Macht haben, während in ihrem eigenen Lager Unfriede, Streit und Feindschaft, Neid und Habsucht herrschen.«

»Und seid Ihr nur hier hergekommen meine Prediger und Gottes Wort zu lästern, Consul?« frug die Königin kalt.

»Hierher gekommen Dich zu bitten ihren Uebermuth zu steuern!« rief Mörenhout, »Dich zu warnen ihrem Einfluß, der der Französischen Nation ein durchaus feindlicher ist, gerade jetzt, wo sie in kurzsichtigem Triumph den Sieg in Händen zu haben glauben, nicht zu viel Raum zu geben.«

»Warnen,« wiederholte Pomare verächtlich, und drehte dem Consul halb den Rücken – »und was sagt Tati? hat der erste Häuptling Tahitis dem Fremden das Wort überlassen?« fuhr sie aber rascher fort als sie diesen mit verschränkten Armen und finsterem Blick still zur Seite stehen sah.

»So lang er das rechte spricht, warum nicht?« sagte der Häuptling ernst – »es ist dasselbe um das ich Pomare bitten wollte – er hat es Dir kund gethan.«

»Und was wollt Ihr von mir?« rief die Königin, jetzt wirklich beunruhigt durch das ernste Aussehen der Männer, »was ist geschehen, was haben die Mi-to-na-res gethan?«

»Die Mi-to-na-res thun nie etwas,« sagte der Consul, aber jetzt weit ruhiger als vorher, »sie stecken sich nur hinter die Masse, reizen mit ihren Reden das Volk auf, und sind dann unschuldig wie die Kinder, wenn der Saame aufgeht, den sie erst selbst gepflanzt.«

Die Königin machte eine ungeduldige Bewegung und Tati, der wohl sah daß der Consul, in seinem Zorn über die Missionaire gar nicht zum Hauptpunkt kam, fiel da ein:

»Sie sind unklug genug das Volk dazu zu treiben, daß es die Französische Flagge niederreißt.«

»Und welches Recht hat sie, hier zu wehen?« frug Pomare rasch.

»Dem mit Dir selbst geschlossenen Vertrage nach!« rief der Consul.

Tati biß sich auf die Lippen und entgegnete nur trocken:

»Das Recht des Stärkeren, ich weiß von keinem anderen.«

»Von keinem anderen?« frug der Consul erstaunt, und drehte sich rasch nach dem Häuptling um – »habt Ihr nicht selber mit den Vertrag unterschrieben, der ihm es sichert?«

»Eben weil Ihr die Stärkeren seid habt Ihr das Recht,« sagte der Häuptling finster, »denn der Vertrag war in anderem Sinne, als Ihr ihn auszubeuten wünscht, und wäret Ihr ein kleines Reich wie wir, würde die Frage gar nicht sein um ja und nein, die Kriegskeule möchte dann entscheiden welches Landes Flagge in der Brise flattern dürfte. So aber, und weil mir ahnt was Ihr begehrt, nicht etwa weil ich ein Freund des Königs der Feranis bin, komme ich hierher und verlange von Dir, Pomare, das Volk zurückzuhalten, daß es nicht muthwillig wieder fremden Schiffen die willkommene Gelegenheit bietet die Hand nach diesem Reiche auszustrecken. Die Priester tanzen um ihr Heiligthum und sehen in die Flamme – bis sie eben nichts weiter sehen und für alles Andere, was außer ihnen vorgeht, blind sind; was küm mert sie Pomare oder Tahiti, wenn sie Leute finden die in ihrem großen Buch lesen und ihnen Früchte und Cocosöl bringen. Kaufleute von dem Lande der Feranis sind gekommen und sie haben Nichts gesagt – Priester kommen jetzt von dort, und sie schreien daß Gott das Land mit Feuer und Schwefel ausrotten würde; warum? weil die anderen Priester auch Ferkel haben wollen zum Backen, und Brodfrucht zum Rösten – weil sie auch Worte eintauschen wollen gegen Körbe voll Früchte und Hühner und Schweine.«

»Aber wie kann ich's hindern?« sagte Pomare unschlüssig – »Ihr wilden Männer selber habt mich in ihre Hände gegeben, mit Euerem Zorn und Ehrgeiz, und ich will mich dem Ferani nicht beugen.«

»Und wer sagt daß Du es sollst?« rief Tati schnell – »aber eben so wenig der Flagge der Beretanier.«

»Die frommen Männer künden das Wort Gottes, nicht Beretaniens,« entgegnete Pomare.

»Ei beim Donner, laß sie das denen sagen die es glauben!« trotzte der Häuptling – »ihr eigener Bauch ist ihr Gott, und die Bibel halten sie vor, ihn zu verstecken. Waren die Häuptlinge in alten Zeiten den Göttern oder den Priestern unterthan? und wäre der neue Gott so wenig mächtig, daß wir vor sei nen Dienern nur allein die Furcht und Ehrfurcht haben sollten?«

Die Königin wollte reden, aber das Wort gebrach ihr in dem Augenblick, dem zu erwiedern, und der Häuptling fuhr mit ruhiger, ja fast bewegter Stimme fort:

»Ich weiß daß sie alle Deine guten Eigenschaften, aber auch all Deine Schwächen in das Feld gerufen haben, ihnen zu dienen; Dein gutes Herz gewann Dich ihrem Gott, Dein Stolz, das Erbtheil Deines Stammes unterstützte sie in dem Kampf mit Deinen Feinden. – Sieh mich nicht so an, Pomare, ich gehörte nie dazu, und wenn auch das Blut meiner Väter, der alten und rechtmäßigen Fürsten dieser Inseln in meinen Adern rollt, und mich Deinem Stamm gegenüberstellte, hab ich Dich selber stets geachtet und – verehrt; aber weh, tief im Herzen weh thut es mir den Häuptlingsstab aus unserer Faust gerissen zu sehen, nicht eine andere würdige Hand zu schmücken, sondern einer Schaar Fremder zum Stock zu dienen, mit dem sie ihre Heerde zusammentreiben. Mit Zorn und Schmerz füllt mich der Gedanke jene finsteren Priester in unserem schönen Lande herrschen zu sehen, weil wir selber nicht einmal den Muth hatten, uns nur einander die Hand zu reichen.«

»Aber ihre Religion ist die des Friedens,« sagte Pomare.

»Und ihre Worte, ihre Lehre die des Kriegs!« rief der Häuptling mit wieder zusammengezogenen Brauen – »was auch stehen sie zwischen uns, wer gab ihnen das Recht zu entscheiden und zu richten in diesem Land? – die Bibel? – wir haben sie jetzt selber, nicht ihr Verdienst ist es daß sie hier hergekommen, wenn sie selber überhaupt Wahrheit ist, denn die Priester beweisen aus ihr, daß sie Gott selbst gesandt. So nimm die Zügel wieder in die Hand, Pomare, wähle die, so es gut und redlich mit dem Lande meinen, die aber auch an dieser Küste geboren sind, zu seinen Richtern, und hier mein Wort, meine Hand, daß Tati nie ein Korn von Eifersucht mehr in seinem Herzen nähren und Dir treu und ehrlich zur Seite stehen wird mit besten Kräften.«

»Sag es ihm zu, Pomare, er meint es gut mit Dir,« bestätigte hier der Franzose des Häuptlings Worte, die Königin aber, die schon halb unschlüssig gestanden, und den Blick, wie im inneren Kampf an den Boden geheftet hielt, sah plötzlich zu dem Fremden auf und sagte finster:

»Dein Rath, Me-re-hu, hat noch nie diesem Lande gut gethan; Du sprichst nicht mit Tati, indem Du für ihn sprichst.«

»Ich verstehe Euere Wortspiele nicht,« sagte der Consul unwillig, den die Zurückweisung der Indianerin verdrossen – »aber ich weiß daß es Tati gut mit Dir meint, und daß ich selber in diesem Augenblick weniger im Interesse Frankreichs als dem Deinigen spreche – willst Du Nichts wissen davon, so thue meinetwegen was Du nicht lassen kannst, schreib Dir dann aber auch selber die Folgen zu.«

»Ich habe bei dem was ich je beschloß noch nie die Folgen gefürchtet,« sagte Pomare ruhig – »aber was wollt Ihr daß ich thue, was ich verhindern soll? – Ihr sprecht Beide wild auf mich ein und macht mich irre, anstatt mich aufzuklären.«

»Verhindern sollst Du,« rief der Consul da, »daß Deine Leute, in Deinem Namen die Flagge Frankreichs niederreißen und die Deinige dafür wehen lassen.«

»Und wessen Flagge hat das meiste Recht dazu?« frug Pomare, dem Französischen Consul fest in's Auge sehend.

»Das meiste Recht die Deine, allerdings,« fiel aber hier Tati ein, ehe Mörenhout etwas darauf erwiedern konnte, »aber nicht die meiste Gewalt, Pomare, und nicht muthwillig sollst Du Dir einen Feind schaffen, wo Du Dir keinen Freund dafür gewinnst, Dir beizustehen.«

»Habt Ihr das Englische Schiff gesehen?« frug Pomare rasch und mit triumphirendem Lächeln – »habt Ihr gesehen, wie es hier einlaufen wollte und nur durch den Westwind und die Brandung daran verhindert wurde? – wißt Ihr was es bringt?«

»Nein, so wenig wie die Mitonares,« sagte Tati unwirsch, »die Schwarzröcke behaupten freilich es brächte mit seinen Kanonen Frieden für diese Inseln, aber ihre Köpfe reichen auch nicht höher als die unseren, und sie können nicht sehen was im Bauch des Schiffes liegt, ob Frieden, ob Krieg, oder wahrscheinlicher noch volle Gleichgültigkeit wie wir es treiben hier auf den Inseln. Was wissen die Capitaine solcher Schiffe von der Politik unseres oder ihres Landes, wenn sie nicht ganz besonders abgeschickt werden? so wenig wie unsere Fischercanoes wissen, was Pomare denkt oder thut.«

»Aber wenn die Mitonares nun doch recht hätten?« sagte Pomare, mit einem halb triumphirenden Seitenblick auf den Französischen Consul.

 

»Du zögerst hier mit solchen Vermuthungen,« rief aber dieser jetzt ungeduldig, »bis draußen geschehen ist, was wir hier verhindern wollen; hörst Du den Lärm, das Toben Deiner frommen christlichen Unterthanen? – wenn die französischen Kugeln hier herüberschmettern, wirst Du zu spät bereuen unsere Bitten nicht erhört zu haben.«

»Nennt Ihr das bitten, wenn Ihr mit Kanonen droht?« rief unwillig Pomare.

»Und weisest Du uns ab?« frug Tati leise.

»Nein Tati, nein,« sagte Pomare schnell, sich zu ihm wendend und seine Hand ergreifend, »gehe Du nicht fort im Unmuth von hier, denn ich fühle wie schwer es Dir geworden zu mir zu kommen. Ach wenn wir selber unter einander einig wären, wenn nicht Neid, Haß und Eifersucht uns entzweite, wir könnten ein festes Reich bilden, selbst gegen den stärksten Feind. Unsere Berge sind hoch, unsere Schluchten steil, und daß unsere jungen Leute kämpfen können haben sie in früheren Schlachten bewiesen; aber wie die Religion unsere Familien entzweite, und den Bruder gegen den Bruder in den Kampf rief, so hat ein Mißverständniß jetzt vielleicht auch die Stämme selber einander entfremdet, und Pomare wird nimmer die Hand zurückstoßen, die sich ihr freundlich entgegenstreckt – nur der Drohung kann ich nicht weichen, vielleicht weil ich eine Frau bin, und mache Du mir denn Vorschläge, wie wir am Besten einig und friedlich zusammen stehen, ohne aber auch dem Ferani einen Rang zu gönnen der ihm nicht gebührt, den ich nicht von ihm gefordert habe – unser Beschützer zu sein.«

»Der da oben im Himmel wohnt, wie auch sein Name sein mag,« sagte Tati ernst, »weiß daß ich dem Ferani nicht seiner selbst wegen die Hand geboten, die stolzen Mitonares trieben mich dazu; aber willst Du mit Deinem Volk Hand in Hand gehen, so laß jetzt kein eigenmächtig tolles Handeln den Fremden beleidigen, bis wir uns friedlich mit ihm verstanden. Was unsere Eifersucht hier gefehlt, kann jetzt noch die Eifersucht der beiden fremden Nationen, der Beretanis und Feranis, wieder ausgleichen, wir haben beider Gierde gleich zu fürchten.«

»Die Beretanis haben uns noch nie gedroht,« sagte Pomare.

»Ich will nicht urtheilen über sie – ich kenne sie nicht,« sagte der Häuptling finster, »aber je mächtiger sie sind, desto mehr entfernt haben wir uns von ihnen zu halten – der Hai theilt keine Beute mit dem Delphin.«

»Ich habe nicht befohlen der Fremden Flagge niederzureißen,« sagte Pomare nach kurzem Sinnen – »sprich mit den Mitonares, Tati, sie werden es nicht dulden.«

»Die Mitonares,« sagte der Häuptling höhnisch, »und zu ihnen schickst Du mich, Dein Reich zu regieren, vielleicht bei ihnen anzufragen, was sie für gut finden zu thun, ob Pomare herrschen soll oder ein Priester auf Tahiti? eher möge die Zunge hier verdorren.«

Wilder tobender Lärm und lautes Jauchzen scholl in diesem Augenblick zu ihnen herein, und ein Läufer der Königin, der oben über Papetee postirt gewesen, den Lauf des fremden Schiffes zu bewachen, kam, unterwegs schon die frohe Nachricht verbreitend, jetzt zurück, Pomaren zu melden daß das fremde Kriegsschiff, von den Riffen frei, gewendet habe, und nun Segel setze den Hafen, so wie der Westwind nachlasse, zu erreichen. Zugleich aber wurden auch draußen Stimmen laut und der ehrwürdige Mr. Rowe, von dem Bruder Brower gefolgt, öffnete, ohne vorher eine Meldung für nöthig zu halten, rasch die Thür, auf deren Schwelle er jedoch überrascht stehen blieb als er die beiden, seinen Interessen so feindlichen Männer hier erblickte.

»Pomare mag der freudigen Botschaft verzeihen,« sagte rasch gefaßt und mit einem freundlich demüthigen Ausdruck in den Zügen, trotzdem aber auch mit einem rasch vorübergehenden, aber doch scharfen und etwas boshaften Seitenblick auf den Consul Frankreichs, der ehrwürdige Mr. Rowe, indem er nach den vorn hinausführenden und jetzt verhangenen Fenstern zeigte, »da draußen wogt und drängt ein fröhliches, glückliches Volk, ein Volk dem heute sein bedrängter Glaube wiedergegeben.«

»Was giebts, was ist es?« frug die Königin schnell.

»Einzelne wollen auf dem Englischen Kriegsschiff das wieder gewendet hat und hier her zu steht,« fiel Bruder Brower in die Rede, »neben der Englischen die Tahitische Flagge erkannt haben.«

Der Königin Augen glänzten in befriedigter Eitelkeit, und ihr Blick flog rasch von Tati auf den Consul Frankreichs hinüber, der aber nur den Missionair scharf beobachtete und aus dessen Zügen die Wahrheit oder versteckte List herauszulesen suchte – es war ihm unwahrscheinlich daß ein Englisches Kriegsschiff, noch Meilen weit vom Hafen entfernt, die Landesflagge eines so kleinen Inselstaates neben der eigenen Flagge hissen sollte, – und was dann war der Zweck einer solchen Erfindung?

»Einzelne?« wiederholte er fragend, das Wort scharf betont, »und darüber erheben die Kanakas draußen einen solchen Lärm, daß Einzelne irgend ein Privatsignal des Kriegsschiffes für die Tahitische Flagge genommen haben?«

»Das Volk begrüßt den Freund und Beschützer seines Glaubens,« erwiederte der Geistliche, halb abgewendet von dem Consul, dem eigentlich die Erwiede rung galt – »es weiß sich jetzt frei von jeder Angst und Besorgniß, und hat keinen Feind weiter zu fürchten.«

»Gott schütze es vor seinen Freunden!« sagte Mörenhout finster.

»Wir können gehen, Me-re-hu!« sagte Tati, der indessen an die verhangenen Fenster getreten war, und den Vorhang zurückgeschoben hatte, während er nach außen deutete, »da seht.«

Alle wandten sich dorthin, wo am Strand ein bunter Zug von Männern und Mädchen, hie und da mit englischen Matrosen gemischt, niederwogte, voran dem Zuge aber sprang ein halbnackter Bursche, jubelnd und jauchzend die zerrissene Französische Flagge tragend, die er um den Kopf schwenkte und mit wilden Gesticulationen, denen das Beifallsgetobe der Menge nicht fehlte, eine ihrer gewöhnlichen Hymnen, die natürlich zu Volksmelodieen geworden waren, sang, und sich nur dazu seine eigenen Worte extemporirte.

»Ich glaube fast daß die Leute Herrn Mörenhout suchen,« sagte der ehrwürdige Bruder Rowe mit einem nichts weniger als ehrwürdigen Lächeln, »ihm die Reste seines Reiches zuzustellen.«

»Alles Blut das dieser Handlung folgt komme über Sie und Ihre Genossen!« rief aber der Consul mit zornblitzenden Augen, und verließ rasch das Gemach.

Tati zögerte noch, er sah nach der Königin hinüber, aber Pomare hielt, in Schaam und Unmuth, den Blick an den Boden geheftet, und sah nicht zu ihm auf: da seufzte der Häuptling tief tief auf, und verließ, ohne den Priester auch nur eines Blickes zu würdigen, langsam das Haus. Der Prediger aber faltete die Hände, und die Augen zur Decke erhebend begann er, ohne die Gegenwart Pomares weiter zu beachten, mit lauter und brünstiger Stimme ein Dankgebet, des Inhalts, daß Gott die Götzenbilder nun zerstöret hätte mit mächtiger Hand, den Feind ausgetrieben, der seinen Namen verleugnet, und Hülfe gesandt habe seinem Volke in der Noth, es zu erlösen von der Gefahr und frei und glücklich zu machen in Seinem Glauben.

Pomare unterbrach ihn mit keiner Sylbe, und während sich die mit den Missionairen hereingekommenen Eïnanas leise und geräuschlos der Thür zuschoben und durch dieselbe verschwanden, den lärmenden Zug draußen mit anzusehen, der ihnen interessanter war, als das Gebet des finsteren Mannes, stand Pomare still und regungslos und nur ihr Blick hob sich endlich langsam und scheu zu dem Antlitz des fanatischen trotzigen Priesters, der hier Demuth gegen Gott heuchelte, dessen eigene Gebote der Liebe und des Friedens er eben mit Füßen getreten.

»Wer gab den Befehl, die fremde Flagge niederzureißen?« sagte sie endlich mit leiser, vor innerer Bewegung zitternder Stimme, als der Betende schwieg und die Blicke nur noch wie in Verzückung an der Decke haften ließ.

»Der Herr,« antwortete der Geistliche mit vertrauungsvoller Stimme, ohne den Blick zu der Fragenden niederzusenken – »Deine Feinde sind geworfen, Pomare, denn der Herr ist mit Dir!«

Pomare biß sich auf die Lippen, sie rang mit sich dem Priester gegenüber als Königin aufzutreten, den Fremden fühlen zu lassen daß er mit der Fürstin dieses Landes spräche, in deren Zimmer er sich gedrängt und deren Reich er nicht der Bibel, nein sich selber und seinen Genossen unterworfen hatte; aber die alte Scheu vor dem Uebernatürlichen, als dessen Vertreter sie die finsteren Fremden sah, war auch selbst jetzt zu stark, und sich abwendend sagte sie nur mit zitternder, tief erregter Stimme:

6Das westliche Ufer dieser Inseln wird stets das Leeufer genannt, da der Wind, mit nur seltenen Ausnahmen, immer von Osten kommt.
7Missionair Bingham spricht mit besonderer Ehrfurcht von dem würdigen »Matriarchen« Kaahumanu, der Gattin Kamehamea des Ersten – eine Frau von beinah dreihundert Pfund Gewicht.