Free

Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.

Text
iOSAndroidWindows Phone
Where should the link to the app be sent?
Do not close this window until you have entered the code on your mobile device
RetryLink sent

At the request of the copyright holder, this book is not available to be downloaded as a file.

However, you can read it in our mobile apps (even offline) and online on the LitRes website

Mark as finished
Font:Smaller АаLarger Aa

Bruder Smith hatte auch lange nicht das Schroffe, Abstoßende des finsteren Rowe, ja selbst des schwärmerischen Dennis. Bei dem Gebet stand besonders der Letztere wie ein zürnender Geist, bereit Gottes Zorn auf Jeden niederzudonnern, der anders dachte oder sprach als er, während Bruder Smith mit ruhiger Ueberlegung die praktische Seite des Christlichen Glaubens nicht allein nicht versäumte, sondern sogar nach außen drehte. Der Eine gewann, der Zweite erhielt die Heiden dem Christenthum.

Brower und Mc. Kean waren ein Mittelding der Beiden, mehr an der Form wie dem Sinne des Gan zen hängend; Smith wand sich zwischen Allen durch. Mit einem anerkennungswerthen Scharfblick der Charaktere, zwischen denen er sich befand, war er Schwärmer oder Enthusiast, Mann der Form oder des einfachen Glaubens, der in dem Glauben gerade den Formen blindlings folgt, aber diese nur eben vom Glauben abhängig macht, nicht diesen ihnen unterwirft. Nie jedoch verlor er den Nutzen irgend einer Stunde aus dem Auge und unermüdlich im Sammeln für seinen heiligen Zweck, wuchsen ihm die Bedürfnisse aus dem Boden, und wurden zu Bäumen, die ihre Früchte im reichen vollen Maaß auf ihn zurück und nieder schüttelten.

Auch er war der gedrohten Oberherrschaft Frankreichs in innerster Seele abgeneigt, aber nicht ganz allein mit jener geistigen Ueberzeugung, mit der Bruder Dennis den Untergang der Gerechten vorher kündete, wenn sie sich durch die Irrlehren verführen ließen vom rechten Pfade abzuweichen, sondern mehr fast im merkantilischen Interesse. Die Franzosen hatten nämlich unter dem Schutz ihrer Kanonen angefangen, eine Quantität der verschiedensten, bis jetzt von ihm mit Vortheil abgesetzten Waaren, auf die Insel geworfen, deren Preise er früher allein bestimmen konnte, während sich ihm jetzt dadurch eine in der That nicht unbedeutende Concurrenz eröffnete. Bunt und ordinär gedruckte Kattune, für die er bis jetzt mit Leichtigkeit einen halben Dollar per Yard erhalten, verschleuderten leichtsinnig junge Franzosen um die Hälfte, und das Volk hätte von einem Heiden gekauft, wenn es die Waare billiger bekommen, wie viel mehr nicht von den »neuen Christen«. Die Eindringlinge bezahlten außerdem für die Produkte der Indianer weit mehr, als sie vernünftiger Weise hätten zahlen sollen, wenn sie sich nicht den Markt für spätere Zeiten verderben wollten. Es war keine Ordnung in der Sache, und der Kaufmann ging mit dem Christen Hand in Hand, der Evangelischen Kirche den Sieg zu erflehen über die »Baalspriester« wie sie gewöhnlich von den Kanzeln genannt wurden.

Doch zurück zu unserem Schiff, das die Aufmerksamkeit der am Strand Stehenden auf das Peinlichste spannte, und immer noch mit den kahlen Masten gesonnen schien vorbei zu streichen, ohne auch nur einmal die Farbe seiner Flagge zu zeigen.

»Segne meine Seele!« rief ein dicht am Strand stehender Neger, der früher einmal von einem Wallfischfänger auf irgend einer Insel entsprungen war und seinen Weg nach Tahiti gefunden hatte, wo er jetzt bei den Eingeborenen, theils seiner außerordentlich glänzenden schwarzen Farbe, theils seiner Wohlbeleibtheit wegen als eine Art Autorität in Seemän nischen Fällen galt – »segne meine Seele, wenn ich nicht glaube der Bursche will einlaufen. Wenn er das bei der See versucht kann er sich darauf verlassen daß er heute in Davys locker (Seeausdruck für Unterwelt) zu Nacht speist, denn kein Dampfschiff könnte sich frei von den Leeriffen halten.«

»Und was für ein Segel glaubst Du daß es ist, Pompey?« frug ihn Tati, der Häuptling, der unfern von ihm stand und das Fahrzeug mit finsterem Blick betrachtet hatte.

»Englisch, by God Massa,« rief der Neger rasch, der den Häuptling kannte – »englisch, jeder Zoll von ihr4 – und ein Dorn wahrscheinlich in Massa Gumbo's5 Augen da drüben, der jetzt zwischen zwei Feuer kommt, wenn er den Schwarz-Röcken einheizen und Land pachten will von Königin Pomare, haw, haw, haw. Nun sollte noch ein Franzmann dazu kommen, dann giebt's Spaß; aber dies Kind ging in die Berge, Massa, denn wenn sie hier mit

den eisernen Bällen an zu spielen fingen, würd' es Manchem zu warm in seinem Rocke werden.«

»Die Reine blanche ist's,« lautete aber eine andere Meinung, die bald wie ein Lauffeuer durch die Menschenmasse lief, denn der gefürchtete Admiral Du Petit Thouars war schon lange wieder im Hafen erwartet worden, und trotz den zuversichtlichen Behauptungen der Missionaire daß England ihnen jedenfalls Schutz und Hülfe senden werde, gegen den Römischen Feind, traute man doch den Kanonen des Letzteren nicht, der die Stadt jetzt schon zwei Mal mit seinen eisernen Flanken bedroht und sie gezwungen hatte, seine Bedingungen anzunehmen.

Der Französische Consul hatte gegen die letzte Verhandlung protestirt und war zornig fortgegangen; welchen Bericht würde er dem Französischen Admiral machen? – und die Königin mußte es dann wieder entgelten, wie schon früher.

»Da – dort geht die Flagge vom Talbot!« rief da Pompey plötzlich – »und da die Privatsignale – er wird den Andern vorm Einlaufen warnen wollen.«

»Dort kommt was Buntes an Bord draußen!« schrie ein Eingeborener, der trotz dem noch heftigen Wehen und Schaukeln des Baumes auf eine Palme geklettert war, einen bessern Ueberblick zu gewinnen – »gleich wird's heraus sein!«

»Da kommt die Flagge – alt England für immer!« jubelte ein junger Bursch, ein Seecadet des Talbot der auf Urlaub an Land gewesen war, wie der Sturm begonnen – »dort weht der Union Jack und Monsiehr Crapo hat sich zu früh gefreut wenn er glaubte es käme ein Landsmann.«

»Englische Flagge – Englische Fregatte!« schrie und wogte es aber auch jetzt am Land durcheinander, die Missionaire auf der Verandah drückten einander die Hand, und ein großer Theil der Insulaner jubelte allerdings dem fremden Schiffe entgegen, Manche aber auch von Tati's Anhang schauten gar zornig drein, und sahen die Parthei schon wieder Sieger, die ihnen bis dahin immer störend und hemmend im Weg gestanden.

Die beiden Englischen Kriegsschiffe hatten indessen rasch verschiedene, nur ihnen bekannte Signale gewechselt, und die fremde Fregatte hielt noch fortwährend auf die Mündung des Hafens zu, als ob sie die Einfahrt, trotz Wind, Wogen und Coralle, erzwingen wolle; wenn aber auch der wirkliche Sturm nachgelassen hatte, wehte der Westwind doch noch viel zu stark das Einlaufen in den Hafen, wären selbst die furchtbaren Brandungswellen nicht gewesen, wagen zu dürfen und die Fregatte, die auch vielleicht nur diese Stellung angenommen ihre Signale ordentlich und deutlich auswehen zu lassen, fiel wieder vor dem Winde ab, braßte ihre Marssegel vierkant und flog, fast vor Top und Takel nur, aus dem Bereich der gefährlichen Klippen, draußen vielleicht wieder beizudrehen und das Rückwechseln des Windes in den gewöhnlichen Passat, der gar nicht lange mehr ausbleiben konnte, abzuwarten.

So lange die Signale noch dauerten, hatten sich die Eingeborenen ziemlich ruhig gehalten; nur einige der der Königin und den Missionairen ergebenen Häuptlinge, besonders Aonui und Potowai waren hinauf in das Haus gegangen, wo sie die frommen Männer versammelt sahen, deren Meinung über das Englische Kriegsschiff, das jedenfalls einzukommen beabsichtigte, zu hören. Die Missionaire hatten nur eine Stimme darüber; sie hofften daß es ihnen günstig lautende Nachrichten von England bringen würde, ja daß vielleicht Bruder Pritchard selber an Bord sei, die Rechte der Insulaner zu bestätigen und mit der gesandten Macht zu beschützen.

Das war genug, wie ein Lauffeuer zog sich die frohe Botschaft durch die einzeln am Strand zerstreuten Gruppen: »Das Kriegsschiff ist für uns gekommen; die Franzosen haben Nichts mehr auf den Inseln zu befehlen – der Vertrag den sie abgeschlossen haben, und der nur dahin berechnet war uns zu ihren Sclaven zu machen und das Götzenthum wieder ein zuführen, ist vernichtet und keine Flagge soll hier mehr wehen als die Tahitische und Englische!«

Aonui war der Wildeste zwischen ihnen.

»Brüder, der Tag der Vergeltung ist erschienen!« schrie er, auf einen Haufen dort aufgefahrenen und zum Ausarbeiten von Canoes bestimmten Holzes springend, von dem aus er die unter ihm Stehenden leicht übersehen konnte, »die Beretanis kommen – die uns die Bibel gebracht haben, bringen uns jetzt auch Kanonen unsere Bibel zu vertheidigen – die Beretanis sind gut – wir wollen Nichts weiter – wir haben die Bibel und die Feranis können gehen, wir halten sie nicht – wir wollen ihnen Freude wünschen – aber nicht hier, irgend wo anders. – Wir haben die Feranis lieb – sehr lieb – es sind auch unsere Brüder – aber nicht so Brüder wie die Beretanis; andere Art. Die Beretanis haben uns die Bibel gebracht, die Feranis wollen sie wieder nehmen. – Feranis haben viel Platz wo anders – wir wollen ihnen Freude wünschen.«

Das etwa war der Sinn der Rede, die der Häuptling, die einzelnen Sätze immer auf's Neue wiederholend, seinen Landsleuten vorschrie, denn der um ihn wogende Tumult dauerte indessen fort und er konnte ihn mit seiner Stimme nicht beschwichtigen, er mußte ihn selbst übertönen; aber den Sinn ver standen sie doch, den ungefähren Sinn des Ganzen wenigstens, und von Mund zu Mund lief der Ruf: »Fort mit den Feranis, fort mit der Flagge, wieder an Bord mit den Priestern die uns die neuen Götzen auf die Berge gestellt haben, den alten zum Trotz, und uns unseren Glauben nehmen wollen und unser Land und die Bibel. Wir haben die Bibel wir verlangen nicht mehr!«

 

»Bin nur neugierig« sagte Pompey, der Neger, zu einem zufällig neben ihm stehenden Seemann, unserm alten Bekannten, dem Iren Jim – »was sie heute wieder für Dummheiten anrichten werden, Mister – seht nur einmal wie die schwarz gekleideten Gentlemen da hinten so eifrig gegen einander die Hände und Arme werfen, und streiten – sie hacken Alle auf den Einen ein mit den weißen Haaren, der wird wohl der einzige Vernünftige unter ihnen sein.«

»Und wie so, mein Bursche?« frug Jim O'Flannagan der mit den Augen der Richtung gefolgt war, die ihm der Neger angab, und den Blick jetzt forschend auf den allerdings sehr heftig mit einander gesticulirenden Missionairen weilen ließ – »es geht ja Alles so hübsch und trefflich wie es nur gehen kann.«

»Hübsch und trefflich? – hm, ja, – Manchem gefällt's so,« sagte der Neger und betrachtete sich den Fremden etwas genauer, ohne daß Jim etwa darauf geachtet hätte – »aber hallo Mister,« setzte er plötzlich hinzu, »haben wir nicht einander schon einmal da drüben bei Mütterchen Tot getroffen?« Der Ire lachte.

»Ich bin überall zu finden wo es gute Gesellschaft giebt,« sagte er mit einem etwas zweideutigen Blick auf seinen schwarzen Gefährten, »aber Freund, habt Ihr eine Idee wo die Geschichte hier hinaus will? – wie mir scheint wollen die guten Leute alle Franzosen ohne weitere Säumniß aufpacken, und an Bord der Jeanne d'Arc schicken?«

»Toll genug wären sie dazu,« brummte der Schwarze, »und das hier wär' auch nicht der erste derartige dumme Streich, den sie machten; wenn's Jemand gut mit ihnen meinte, sollt' er's verhindern.«

»Wen geht's denn 'was an?« lachte der Ire, »dafür haben sie auch ihre Seelsorger ihnen den richtigen Weg zu zeigen – hallo, kennt Ihr die Beiden da, die scheinen's eilig zu haben.«

»Das sind die beiden ersten Häuptlinge der Insel, Tati und Utami,« sagte der Neger schnell, »wenn die ihren Weg hätten, wüßt' ich wen sie vor allen Dingen auf das erste beste Schiff packten und nach Leewärts schickten.«

»Kann mir's denken,« sagte der Ire trocken, »'s kommt nur darauf an jetzt, wer zuerst ein Schiff frei hat, Engländer oder Franzose, und dem lieben Gott bleibt jetzt die Wahl vollkommen offen, wen er hier behalten will, Katholiken oder Protestanten.«

»Wenn sie den Feranis hier was zu Leid thun, schießt ihnen der Franzose den ganzen Bettel zusammen – und ich habe da drüben auch ein kleines Häuschen stehn,« meinte der Neger.

»Wenn's hinter dem Berge läge könnt' er aber anfangen wann er wollte?« frug Jim, mit einem Seitenblick auf den Neger, den dieser mit einem breiten Grinsen, das zwei Reihen prachtvoller Zähne aufdeckte, beantwortete.

Die Aufmerksamkeit der Beiden wurde aber bald für das Haus in Anspruch genommen, in dem sich die Missionaire befanden, denn dorthin drängte das Volk und schien von diesen eine bestimmte Leitung ihres Unmuths, dem sie selber eigentlich noch nicht recht Ausdruck zu geben wußten, zu verlangen.

»Nieder mit der Flagge der Feranis!« tönte der Schrei – »fort mit den Priestern – England hat seine Schiffe zu uns geschickt uns zu beschützen, wir wollen nichts weiter mit den Wi-Wis zu thun haben – fort mit ihnen – fort!«

»Das thut kein Gut,« sagte da, in der Sprache der Insel, ein schlanker Mann mit starkem Backen- und Schnurrbart, der an dem Iren und Neger mit den, schon vorher von ihnen bemerkten Häuptlingen rasch vorbeischritt – »das thut wahrlich kein gut, und sie werden sich die Folgen ihres thörichten Handelns später selber zuzuschreiben haben.«

»Die Missionaire treiben's zum Aeußersten in ihrem stolzen Wahn,« sagte Tati.

»Und ihre kurzsichtige Politik wird ihnen das geistliche wie ihrer armen Königin das weltliche Regiment rauben,« sagte der erste Sprecher; »die einzige Rettung die dem Lande noch blieb, war eine vernünftige Mäßigung, die Missionair wie Franzose zugleich im Zaum gehalten hätte.«

»Sagt das den Priestern, Consul Mörenhout, und sie zucken die Achseln und bedauern bei der Sache nichts thun zu können, da sie sich nie in die Politik dieses Landes mischten.«

»Heuchler!« zischte der Consul zwischen den Zähnen durch und schritt jetzt, die Häuptlinge verlassend, rasch der Verandah zu, an deren Treppe er eben den beiden Missionairen Dennis und Rowe begegnete, die, von Nelson und Smith gefolgt, gerade niederstiegen. Als Mr. Rowe den Französischen Consul auf sich zukommen sah, blieb er stehen und sagte, noch ein paar Stufen höher als dieser, mit unendlicher Milde und Freundlichkeit auf ihn niederblickend:

»Und was führt unseren sehr ehrenwerthen Freund in solcher Aufregung zu uns?«

»Mr. Rowe,« erwiederte aber der Consul, ohne auf Ton oder Bemerkung der Frage einzugehen, und rasch die Stufen, selbst an dem Geistlichen vorbei, hinaufsteigend – »ich möchte ein paar Worte mit Ihnen und den übrigen Herren sprechen; aber augenblicklich sprechen« – setzte er rasch und ungeduldig hinzu, als er sah wie die geistlichen Herren noch unschlüssig zögerten. »Es gilt auch jetzt nicht die Privat-Interessen eines Protestantischen oder Katholischen Priesters,« fuhr er gereizt und heftig fort, »es gilt die Interessen, das Wohl dieses Landes, dessen Entscheidung Sie nun einmal – mit welchem Rechte soll hier unerörtert bleiben – in die Hand genommen. Ihnen allein ist es jetzt überlassen Alles noch friedlich zu Ende zu führen, oder auch einen Krieg heraufzubeschwören, der die traurigsten furchtbarsten Folgen haben müßte.«

Die Missionaire blieben erst stehn und drehten dann mit dem aufgeregten und gereizten Mann um, blieben aber oben auf der Verandah, wo sich die übrigen bald um Mr. Rowe und den Französischen Consul sammelten, und der Erstere sagte freundlich:

»Sie scheinen sich in der Person zu irren, verehrter Herr; wir Alle sind Männer des Friedens, denen es wahrlich nicht einfallen wird muthwillig, wie Sie meinen, einen Krieg heraufzubeschwören. Greift das Volk zu den Waffen, ein ihm unerträglich werdendes Joch abzuschütteln, oder selbst erst der Gefahr auszuweichen, seinen Nacken darunter gebeugt zu bekommen, was können wir, einzelne und unbewaffnete Männer dafür oder dawider thun? ja dürften wir das Volk zurückhalten, selbst wenn wir könnten, wo wir es auf der einen Seite von einer Religion bedroht sehen, die unserer schwachen Meinung nach zu ihrem jetzigen und späteren Verderben führen müßte, während wir es in Händen haben, sie wenigstens auf ein einstiges Heil vorzubereiten.«

Der Consul schritt rasch und ärgerlich auf der Verandah auf und ab, erwiederte aber kein Wort – er fühlte daß ihm bei der ersten Sylbe die er laut spräche, die Galle überlaufen müsse, und wollte jetzt in diesem, vielleicht für spätere Zeiten höchst wichtigen Augenblick Alles vermeiden, was ihm später vielleicht als Uebereilung oder Hitze hätte können zur Last gelegt werden.

»Und weigern Sie sich wirklich?« sagte er endlich nach einer längeren Pause, und in der That erst, als der Ehrwürdige Mr. Rowe schon wieder Miene machte die Verandah zu verlassen – »das blinde, mit allen Europäischen Verhältnissen unbekannte Volk von einem übereilten Schritt, wie das Niederreißen der Französischen Flagge zurückzuhalten? – bedenken Sie nicht, daß sich dieselben traurigen Scenen der Französischen Fregatte in Monaten vielleicht schon wiederholen, und Sie selbst dann in die mißlichste Lage der Welt bringen können?«

Der Ehrwürdige Mr. Rowe warf den Kopf stolz empor, und sagte mit vielleicht absichtlich sehr lauter Stimme:

»Weder Ihre Ueberredung Herr Consul, noch Ihre Drohungen können uns zu einem Schritt bewegen, den wir für unverträglich mit unserem Amte halten. Nicht die Politik, sondern die Religion dieses Landes brachte uns an diese Küste, und Frankreich hatte vielleicht einmal die Absicht den Protestantismus, da es ihm nicht durch die Lehre seiner Priester gelang, mit Feuer und Schwert auszurotten; aber die Zeit ist Gott sei Dank vorbei. Der Englische Consul ist, wie Sie wissen schon vor längerer Zeit nach Großbritannien gegangen, dort den Schutz unserer Confession, die Erhaltung unserer schwer erworbenen und verdienten Rechte zu sichern, und Sie sehen da draußen in See in jenem hellblinkenden Segel die Antwort unserer Nation. Monsieur Du Petit Thouars wird sich einen andern Wirkungskreis für seine Heldenthaten suchen müssen, denn nicht mehr blos mit wehrlosen Indianern und ihren friedlichen Lehrern und Fürsten hat er es von jetzt an hier zu thun.«

Mörenhout biß sich auf die Lippen, blieb einen Augenblick, wie noch etwas überdenkend, stehen, und wollte dann, ohne weiteres Wort, die Treppe wieder niedersteigen, als der alte ehrwürdige Mr. Nelson seinen Arm ergriff und freundlich sagte:

»Gehen Sie noch nicht, Consul Mörenhout; ein gutes Werk darf nicht so leicht aufgegeben werden, und ich halte die Absicht dafür, in der Sie hergekommen.«

»Mr. Nelson spricht als ob dieses sogenannte »gute Werk« in unseren Händen läge,« sagte Mr. Rowe gereizt.

»Und das ist wahr!« rief aber der alte Mann in edlem Eifer erglühend, und die Hand ausstreckend gegen die unten tobende Schaar. »Sündlich wäre es von uns behaupten zu wollen, daß wir die Macht nicht haben das Volk zum Guten zu leiten und in den Schranken der Mäßigung zu halten; ebenso wie es, in der jetzt überdieß gereizten Stimmung, einem leichtsinnigen unglückseligen Schritt entgegen zu treiben. Wir als die Lehrer des Volkes dürfen nicht entscheiden ob Englische ob Französische Flagge das Recht habe hier zu wehen – unser Ziel ist, die Eingeborenen zu Christen, nicht zu Engländern oder Franzosen zu machen, und ihren Häuptlingen, von unseren Consuln aber nicht von unseren Kanzeln unterstützt, bleibt es dann überlassen, sich die Unabhängigkeit ihres Landes zu wahren.«

»Es giebt Verhältnisse,« fiel ihm hier Bruder Rowe in's Wort, der den aufsteigenden Grimm nicht länger bemeistern konnte, »bei denen ein solches Zaudern in der guten Sache, das die Eingeborenen ihrem bösen Geschick und den Gräueln des Pabstthums überließe, Verrath genannt werden könnte.«

»Wir haben den fremden Priestern vorgeworfen« entgegnete Nelson ruhig, »daß sie uns geschimpft und unsere Religion geschmäht haben; machen wir es besser, wenn wir von Gräueln des Pabstthums reden? Ich bedauere das Eindringen jener fremden Lehre, die unsere Beichtkinder irre machen, und Zweifel bei ihnen erwecken muß, aber ich möchte sie nicht mit dem Schwert bekämpft, möchte das Schwert nicht in unserer eigenen Mitte geschliffen sehen.«

»Daß Bruder Nelson die neue Lehre nicht mit dem Schwert bekämpft sehen möchte, hat er allerdings schon bewiesen,« sagte Mr. Rowe.

»In dem was ich gethan, steh' ich vor meinem Gott gerechtfertigt,« erwiederte Nelson, ohne ein Zeichen von Bitterkeit, »der Menschen Urtheil muß ich mich unterwerfen.«

»Wehe über Israel!« seufzte da der ehrwürdige Mr. Brower und schüttelte trauernd mit dem Kopf, »das ist die kalte Gluth, die fremde Herzen erwärmen will, und nicht einmal im Stande ist, das eigene Feuer hell und lohend anzufachen. Wehe über die Säumigen, die da zögern und die Stunden zählen zum Tag, und nicht wirken wollen so lang es noch Nacht ist; wehe über die Zaghaften am Tage des Gerichts, und wie Gottes Donner noch mahnend an der Erde Vesten rüttelt, wird er ihnen ein Zornesruf in den Ohren sein!«

Mr. Mörenhout der das Gespräch, oder vielmehr den Streit der Geistlichen mit kaum zu zähmender Ungeduld bis jetzt angehört, und sich gewaltsam hatte zurückhalten müssen, seinem Unwillen nicht Luft zu machen, dabei aber noch immer hoffte eine vernünftigere Ueberlegung doch Raum gewinnen zu sehen, mußte nach den letzten Worten des fanatischen Priesters jeden solchen Glauben schwinden lassen, und nur noch einen letzten Versuch zu machen sagte er mit gezwungener Ruhe, der man aber das Gewaltsame wohl anmerken konnte:

»Und so weigern Sie sich denn, meine Herren, den Frieden mit Frankreich aufrecht zu erhalten? – weigern sich dem Volk das Gefährliche, ja das Wahnsinnige solcher Handlung vorzustellen?«

»Weigern, Herr Consul,« unterbrach ihn Rowe entrüstet, »wir haben Nichts mit der Politik dieses Landes zu thun – mit jedem derartigen Antrag muß ich Sie an die Königin selber weisen.«

Mörenhout wollte noch etwas erwiedern – er öffnete schon den Mund und that einen Schritt auf den Missionair zu, der sich dem gereizten Blick des Mannes mißtrauisch aber doch muthig entgegenstellte; dann aber, wie sich eines Besseren besinnend, drehte er sich scharf auf seinem Absatz herum, blieb einen Moment, den vorn ausdehnenden Platz mit den Blicken überfliegend stehen, winkte nach einer Stelle hinüber, wo Tati und Utami mit dem jetzt zu ihnen gekommenen Paofai standen, und schritt dann, während sich ihm die drei Häuptlinge anschlossen, rasch und heftig mit ihnen gesticulirend, am Strand hinauf.

 
4Die Engländer und Amerikaner nennen alle Arten von Fahrzeugen weiblich und wie der Matrose behauptet aus einem allerdings nicht gerade schmeichelhaften Grund für das schöne Geschlecht: weil die Takelage, Segel etc. mehr koste als alles Uebrige.
5Gumbo's, der Spottname der Franzosen in Louisiana, nach einem dort bereiteten Lieblingsgericht derselben.