Günstig reisen mit Kindern

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From the series: Reisen mit Kindern
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Haustausch mit drei Kindern:

Familienurlaub, ohne Tourist zu sein

Text und Interview: Geraldine Friedrich

Urlaubsform: etwa 20 Haustausche in den vergangenen 10 Jahren

Beteiligte: Nina (41), Torsten (41), Rasmus (16), Lilith (6) und Clara (5)

Dauer: zwischen 3 Tagen und 4 Wochen

Reisedistanz: Belgien, Dänemark, England, Irland, Niederlande, USA

Reiseverkehrsmittel: Auto, Zug, Flug, je nach Reisedistanz

Kostenfaktor: Beim Haustausch bezahlen die Beteiligten die Unterkunft mit dem jeweils eigenen Heim, daher günstig. Die Anreisekosten hängen davon ab, mit wem man wo tauscht.

Vorbereitungszeit: Für den ersten Tausch sollte man mindestens zwei bis drei Monate einplanen, insbesondere wenn man eine der üblichen Haustauschplattformen nutzt.

Was reizt Sie am Haustausch?

Nina: Haustausch ist für mich ein wenig wie Weihnachtsgeschenke auspacken. Was verbirgt sich hinter der Haustür, die ich zum ersten Mal aufschließe? Das finde ich immer wieder aufregend, obwohl ich ja mittlerweile nach rund zwanzig Urlauben dieser Art sehr haustauscherfahren bin. Grundsätzlich gefällt mir an der Reiseform, dass ich in ein vollständig eingerichtetes Heim komme und in die Normalität einer anderen Familie eintauche. Für Kinder ist Haustausch tatsächlich wie Weihnachten, denn oft ist jede Menge Spielzeug vorhanden, das sie von zu Hause nicht kennen.

Haustausch schont doch auch die Urlaubskasse?

Das stimmt, das ist ein klares Argument für diese Reiseform. Ich tue mich allerdings schwer damit, diesen Aspekt in den Vordergrund zu stellen. Zum einen muss man der Typ dafür sein und erst einmal an das Gute im Menschen glauben. Jemand, der ständig darüber nachgrübelt, was gerade in seinem Haus passieren könnte, verbringt sicherlich keinen entspannten Urlaub. Zum anderen bedeutet ein Haustausch, zumindest wie ich ihn verstehe, im Vorfeld eine hohe Zeitinvestition. Sei es, dass man erst einmal einen geeigneten Tauschpartner findet, und wenn dies geschehen ist, für die Tauschpartner Listen mit Einkaufstipps und Bedienhinweise für das eigene Heim schreibt, kurz vor dem eigentlichen Tausch das Haus auf Vordermann bringt, vor der Abreise noch den Kühlschrank für die Gastfamilie füllt und die Betten frisch bezieht.

Wie finden Sie Ihre Tauschpartner und wie einfach ist das?

Wir sind Mitglied in zwei der bekannten Haustauschplattformen und bezahlen dafür monatlich etwa 20 Euro. Die zweifache Mitgliedschaft erhöht unsere Chancen auf gute Tauschpartner, da wir selbst nicht an einer der im Ausland sehr beliebten Locations wie München oder Berlin leben. Der Standort des eigenen Heims spielt eine sehr große Rolle. Tauschpartner in Berlin, London oder New York bekommen natürlich viel mehr Anfragen.

Wie schnell man einen Tausch tatsächlich organisieren kann, hängt davon ab, wie zeitlich flexibel man ist und wie attraktiv das eigene Tauschobjekt, sprich das eigene Heim. Ich finde es immer putzig, wenn ich lese: „Suche Tauschpartner in New York für Ostern zwischen 18. und 25. April.“ Das ist natürlich sehr unrealistisch. Wir leben in einem Dorf mit dreihundert Einwohnern, da muss man Kompromisse machen.

Wie erkennen Sie, ob ein Tauschpartner in Frage kommt?

Zuerst an der Reaktionszeit. Potenzielle Tauschpartner, die echtes Interesse an einem Tausch mit mir und meiner Familie haben, reagieren schnell. Wenn die Kommunikation stockend verläuft und eine Antwort erst Tage später kommt, ist das ein klares Indiz dafür, dass das Interesse nicht so groß ist oder der mögliche Tauschpartner noch diverse andere Eisen im Feuer hat. Wir haben ja ein Haus in einem sehr kleinen Ort auf dem Land, das muss der Tauschpartner schon wollen.

Mir selbst ist es wichtig, dass wir das Haus oder das Apartment in einem sauberen Zustand übernehmen und mir dessen Einrichtung gefällt. Wenn ich auf den Fotos des Tauschpartners erkenne, dass es in einem kruden Mix zwischen Ikea und Gelsenkirchener Barock eingerichtet ist, kommt das für mich nicht in Frage. Ich möchte im Urlaub nicht schlechter wohnen als zu Hause, sonst verbringe ich keinen entspannten Urlaub.

Haben Sie auch schon negative Erfahrungen gemacht?

Einmal kamen wir in ein Haus auf Mallorca, da sah es aus, als hätte die Familie alles stehen und liegen lassen: die benutzte Kaffeetasse neben dem Kühlschrank, die getrockneten Nudelreste in der Spüle – schon beim Betreten des Hauses roch es nach nassem Hund. Bei ihrer Abreise haben sie wiederum auf eigene Kosten eine Putzfrau für unser Heim bestellt. Es muss schlimm ausgesehen haben. Die Putzfrau berichtete mir, sie habe sich, als sie unser Haus nach der Abreise unserer Tauschpartner betrat, erst einmal hingesetzt und geweint. Es war alles durcheinander, die Spüle stand voll von benutztem Geschirr, die Mülleimer waren nicht geleert, der Boden übersät mit Altpapier. Dies war allerdings Gott sei Dank eine Ausnahme.

Bei einem anderen Tausch mit einem sehr schönen Haus im Norden Englands hatten wir es mit genervten Nachbarn zu tun. Unsere Tauschpartnerin dort unternahm wohl einen Haustausch nach dem anderen und hat jedes Mal ihre Nachbarn als Ansprechpartner eingespannt. Grundsätzlich ist es eine gute Sache, die Nachbarn einzuweihen. Der Mann war sehr offen, die Frau jedoch von den vielen verschiedenen Tauschaktionen offensichtlich genervt. Und so gab es einige unerfreuliche Missverständnisse. So etwas trübt den Urlaubsspaß. Seitdem mache ich meine Vorstellungen vor einem Haustausch sehr deutlich und bespreche lieber ein Detail zu viel als zu wenig.

Was legen Sie vorab alles fest?

Ich habe mittlerweile eine Liste angelegt, auf der alle Punkte im Detail stehen und die ich immer wieder modifiziere. Beispielsweise, dass jeder Duschgel, Shampoo und Bodylotion für den Tauschpartner zur Verfügung stellt, das erspart gerade bei Flugreisen enorm Gewicht. Oder dass jeder Tauschpartner dem anderen den Kühlschrank für die ersten ein bis zwei Tage füllt, damit er sich nach der Ankunft schnell ein Willkommensmenü kochen kann und nicht sofort einkaufen muss. Das sind zwar nur Kleinigkeiten, aber die erleichtern beiden das Ankommen und wirken einfach nett. Außerdem erhält man einen kleinen Crashkurs in die lokalen Essgepflogenheiten.

Was passiert, wenn etwas kaputt geht?

Bislang waren es nur Kleinigkeiten, ich habe versehentlich Badvorleger meiner Tauschpartner mit Bleichmittel ruiniert. Als ich den Schaden bezahlen wollte, haben diese nur abgewunken. Umgekehrt habe ich auch schon zwei Strafzettel für meine Gastfamilie bezahlt. Ich sehe das entspannt. Über den Garantiefonds der Tauschbörse sind Schäden, die weder Haftpflicht- noch Hausratversicherung bezahlen, in einer Höhe von bis zu 2.500 Euro abgesichert.

Und was passiert, wenn der Tauschpartner in den USA kurzfristig absagt, die eigenen Flüge aber bereits gebucht sind?

Man schließt den Vertrag ja immer mit dem Tauschpartner, nicht mit der Tauschbörse. Für den Fall, dass der Tauschpartner einen bereits vereinbarten Haustausch kurzfristig aufgrund von Unfall, Krankheit oder Todesfall in der Familie absagt, kann man eine spezielle Versicherung abschließen. Sie kostet 20 Euro jährlich und deckt zusätzliche Kosten für die Unterkunft bis zu 2.000 Euro ab. Die Kosten für Flugstornierungen werden allerdings nicht übernommen. Heißt konkret: In so einem Fall fliegt man zur ursprünglich vereinbarten Zeit, die Tauschbörse versucht vor Ort einen anderen Tauschpartner zu finden, und falls das nicht klappt, bekommt man 80 Prozent der Übernachtungskosten im Hotel bis insgesamt maximal 2.000 Euro bezahlt. Wir haben kürzlich spontan eine Gastfamilie aufgenommen, deren Tauschpartner absagen musste. Diese Versicherung bietet meines Wissens ausschließlich HomeLink.

Was raten Sie Neulingen, die ihre Wohnung oder ihr Haus tauschen wollen?

Auf den Bauch hören, sei es bei der Frage, ob man wirklich bereit ist für einen Haustausch, oder auch beim konkreten Tauschobjekt. Im Zweifel sollte man sich nicht von einem vermeintlich attraktiven Ziel dazu hinreißen lassen, das einem nicht besonders zusagt. Lieber etwas länger suchen, und dann das Richtige wählen.

Vorteile der Reiseform Haustausch:

 Sie ist günstig, da man die Unterkunft mit dem eigenen Heim bezahlt. Daher bleibt mehr Budget für die Anreise und für Ausflüge vor Ort.

 Eine Tauschwohnung ist vollständig eingerichtet, gerade für Kleinkinder ist die vorhandene Infrastruktur wie Wickeltisch, Töpfchen, Kindersitz etc. ideal.

 Das Eintauchen in die Normalität einer anderen Familie gibt einem weniger das Gefühl, Tourist zu sein, häufig ist der soziale Anschluss zu Nachbarn oder Freunden der Tauschpartner inklusive.

Nachteile der Reiseform Haustausch:

 Für einen gelungenen Haustausch beider Partner ist eine sehr gründliche Vorbereitung erforderlich. Das kostet Zeit und manchmal auch Nerven.

 Durch gute Vorbereitung kann man weitgehend böse Überraschungen ausschließen, eine hundertprozentige Sicherheit gibt es aber nie.

 Die Reiseform eignet sich nicht für Kontrollfreaks, die stets Angst um das eigene Heim haben.

Erholung oder Abenteuer?

Beides. Die Ankunft ist immer Abenteuer, der Aufenthalt in den eigenen vier Wänden, wenn auch nur geliehen, ist erholsamer als im Hotelzimmer.

Das würden wir beim nächsten Mal anders machen:

Nichts, dank der rund zwanzig Haustausche haben wir unsere Vorgehensweise weitgehend optimiert.

Der ultimative Reisetipp für den Haustausch:

Wichtige, persönliche Dokumente, Laptops und besondere, wertvolle Gegenstände vor dem Tausch in ein separates Zimmer räumen und dieses abschließen.

 

Über meine Erfahrungen schreibe ich auf www.butterzart.com/blog/haustausch/.

Spartipps:

Gerade bei Tauschpartnern, die per Flugzeug anreisen, sich über unnötigen Ballast wie Shampoo und Duschgel verständigen. Auch der Tausch des Autos ist möglich und spart Geld, erfordert aber vorab eine gründliche Klärung mit der Versicherung.

Allgemeine Infos:

www.haustauschferien.com

www.homelink.com

Fazit: Haustausch ist und bleibt für uns eine unserer Lieblings-Reiseformen.

Sehnsuchtsziel Budapest:

Städtetrip mit Kleinkind und Großeltern

von Nadine Kraft

Urlaubsform: Kurzurlaub mit Großeltern in einer Ferienwohnung

Beteiligte: Reinhard (54), Nadine (35), Bente (1,5), Hannelore (56) und Norbert (60)

Dauer: 5 Tage

Reisedistanz: rund 700 Kilometer Luftlinie Berlin – Budapest

Reiseverkehrsmittel: Flugzeug, vor Ort Taxi und öffentlicher Nahverkehr

Kostenfaktor: mittel, durchschnittlich ca. 150 Euro pro Tag für Restaurantbesuche, Lebensmittel und Eintrittsgelder, 230 Euro pro Flug und 500 Euro für eine etwa 130 Quadratmeter große Wohnung mit 3 Schlafzimmern, pro Person etwa 480 Euro für den gesamten Urlaub. Für Bente war der Flug bis auf Steuern und Flughafengebühren gratis.

Vorbereitungszeit: kurz; Flüge und Ferienwohnung frühzeitig (etwa ein halbes Jahr vorher) buchen spart Geld.

Für meine Mutter war Budapest immer eine Art Sehnsuchtsziel. Irgendwann zu tiefsten DDR-Zeiten war sie einmal dort gewesen. Seither schwärmt sie von der Stadt an der Donau, wie es sonst nur wohlmeinende Reiseführer vermögen. Die Wärme. Die Donau. Die Altstadt. Ach! Es waren wohl ihre Träumereien, die mich für Budapest einnahmen. Ich habe viele Bücher von Sandor Marai gelesen, dem großen Erzähler der Ungarn, der Jahrzehnte im Exil auf die Wende wartete, dabei großartige Werke verfasste – und erst nach seinem Tod zu Ehren kam. Mit seinen autobiografischen Büchern über das Budapest des frühen 20. Jahrhunderts fütterte ich meine eigene Sehnsucht nach dieser angeblich schönsten Stadt Europas. Nicht zuletzt ist es auch den Ungarn zu verdanken, dass unsere Mauer fiel. Dafür hatten sie unseren Besuch verdient.

Es brauchte allerdings fast zwanzig Jahre der Nachwendezeit, bis wir endlich aufbrechen. Die fünftägige Fahrt im Mai wird zu einem doppelten Experiment: Wir gehen zum ersten Mal mit unserer knapp anderthalbjährigen Tochter auf Städtereise. Und wir nehmen die Großeltern mit. Bisher hatte ich es tunlichst vermieden, mit meinen Eltern auf Reisen zu gehen. Zu unterschiedlich sind unsere Bedürfnisse, zu verschieden die Interessen. Mein kleines Kind hat mich aber milde gestimmt, ich bin bereit, mich ganz auf diese neue Erfahrung einzulassen. Zudem hege ich die Hoffnung, dank mitreisender Babysitter auch ein wenig Freizeit zu bekommen.

Die erste Ernüchterung erleben wir direkt nach der Landung. Die rund zwanzigminütige Fahrt vom Flughafen in unsere Altstadtwohnung geht über eine zum Teil sechsspurige Magistrale, die die angrenzenden Stadtviertel mit ihren heruntergekommenen Wohnblocks einfach zerschneidet. Von goldenen Kuppeln, der blauen Donau und den herrschaftlichen Altstadthäusern weit und breit keine Spur. „Das sieht schlimmer aus als früher bei uns“, sagt mein Vater nur lapidar. Der Rest schweigt.

Wir finden unsere Sprache wieder, als wir das marmorne Treppenhaus betreten, das zu unserer Ferienwohnung führt. Mit staunenden „Ahs“ und „Ohs“ durchschreiten wir den großzügigen Aufgang, von dem im Geviert um einen Innenhof die Wohnungen abgehen. Schon immer heißt es über die Budapester, sie zögen ins Mauseloch, um ihre herrschaftlichen Wohnungen an Touristen zu vermieten. Und so ist es wohl geblieben, was sicher auch an den hohen Preisen in der Stadt liegt. Ein Glück für uns. Denn ein Hotel kommt für uns als reisende Großfamilie nicht in Frage. Wir wollen am Abend gemütlich beim Tokajer, dem legendären Weißwein aus der gleichnamigen nordungarischen Stadt, klönen, während das Kind schläft. Über einen Ferienhausanbieter haben wir im Internet eine große Wohnung in der Leopoldstadt gemietet. Dieser nördlich der eigentlichen Innenstadt gelegene Stadtteil ist bebaut mit großzügigen Wohnblocks aus dem 19. Jahrhundert. Dort haben zahlreiche Ministerien und Verwaltungen ihren Sitz.

Das großbürgerliche Ambiente in unserer Ferienwohnung endet an der Eingangstür. Das Interieur ist bis auf den Flügel – Musik ist für die Ungarn ein essenzieller Bestandteil des Lebens – eher zweckmäßig und postsozialistisch schlicht. Die Lage jedoch entschädigt für alles: Neben uns die Freiheitsbrücke (nicht zu verwechseln mit der weltberühmten Kettenbrücke), die zweistöckige Große Markthalle (Nagy Vásárcsarnok) mit Lebensmittelständen, Schnellimbissen und Souvenirlädchen und in Sichtweite das Gellértbad, ein wahrer Badetempel im schönsten Jugendstil. Das wenige, was an altem Interieur in der Wohnung vorhanden ist, lässt uns bald schmunzeln: Knarrend ob des alten Parketts verabschieden wir uns abends hinter unsere üppigen Flügeltüren. Bis wir morgens vom ersten Klo-Gänger ebenso knarrend wieder geweckt werden. „So haben wir wenigstens genug Zeit für die Sehenswürdigkeiten“, kommentiert meine Mutter gut gelaunt die familieninterne Ruhestörung.

„Ich muss jetzt was essen.“ Dieser Satz, so oder in Varianten formuliert, wird zum ständigen Begleiter – und sorgt für Ernüchterung Nummer zwei. Reist man mit Kleinkind und nicht gar so fitten Großeltern, muss gefühlt alle halbe Stunde jemand eine Pause machen. Mein Mann braucht einen Kaffee, was in Budapest dank der beinahe an Wiener Verhältnisse heranreichenden Caféhausdichte kein Problem ist. Mein Vater braucht was zu essen, meine Mutter was zu trinken und dann auch gleich ein Klo. Meine Tochter hat die Hose voll, will plötzlich laufen lernen, hat Hunger oder ist müde.

Nach dem ersten Tag ist meine Laune am Nullpunkt angelangt. Außer der Markthalle, in der wir für viel Geld einen ungarischen Gulasch zum Mittag essen und für den Abend Salami, Brot, Tomaten, Paprika und Wein erstehen, haben wir noch nicht sehr viel gesehen von der schönsten Stadt Europas. Ich fühle Zeitdruck, Anpassungsdruck und den Wunsch nach Einsamkeit. Ich will Jugendstil und Eklektizismus sehen, mich über den Luxusboulevard Andrássy út treiben lassen, hier im Café klönen und dort mit Leuten ins Gespräch kommen. Auch das Haus des Terrors besuchen und mehr über die Regime in Ungarn erfahren. Doch nichts und niemand spielt mit: die Ungarn nicht, denn irgendwie sind sie immer gehetzt unterwegs und wirken unnahbar. Und meine Familie schon gar nicht. Meine Mutter arbeitet zwar eine Art Gedächtnisprotokoll ab – Burgberg mit Fischerbastei, Parlament, Margareteninsel, die Künstlerstadt Szentendre –, doch die Wege dorthin lässt sie uns planen. Auf Ausflüge allein haben meine Eltern keine Lust und aufs abendliche Babysitten auch nicht so recht.

In der ersten Nacht beschließe ich, alle Erwartungen abzulegen und einfach mitzumachen. Denn abreisen kann ich nicht. Und mit schlechter Laune durch eine sommerlich-warme Stadt zu watscheln, ist auch keine Option. Und plötzlich ist alles ganz einfach. Wegen unseres Kindes sind wir viel zu Fuß unterwegs, genießen das Dasein im Freien, erleben die Stadt in Slow Motion und sogar abseits der ausgetretenen Pfade, meistens auf der Suche nach preiswerten Restaurants oder Spielplätzen. Angenehmer Nebeneffekt für meinen Mann: Weil er unsere Tochter viel in der Kraxe durch die Stadt trägt, lässt er zwei Kilo Bauchspeck in Budapest. Der Wanderrucksack fürs Kind wird unser bester Reisebegleiter. Auf Augenhöhe mit uns Erwachsenen ist unsere Tochter deutlich geduldiger als im Buggy. Derart unterwegs entlocken wir zudem sogar dem ein oder anderen Budapester auch mal ein Lächeln oder ein paar Sätze.

Am Ende sträuben wir uns nicht mal mehr gegen eine Dampferfahrt nach Szentendre – für mich der Inbegriff von Rentnerreisen. Ein Strom von anderen Touristen zieht uns durch die verwinkelten Gassen und an gepflegten Häuserfassaden der barocken Kleinstadt am Donauknie entlang. Wir suchen die Kunsthandwerker und finden immer gleiche, gestickte Tischdecken, kitschige Keramik und allerlei Krimskrams. Wir suchen ein preiswertes, einheimisches Restaurant und landen zusammen mit all den anderen Ausflüglern unter einem Schatten spendenden Schirm mitten auf dem Marktplatz. Das Essen ist gut, wie eigentlich immer. Aber auch teuer. Wie eigentlich auch immer.

Als meine Mutter allerdings auch noch Gödöllő, der Sommerresidenz von Sissi, einen Besuch abstatten will, streiken mein Mann und ich. Wir haben genug Barockes in Szentendre gesehen und wollen nicht noch einen Tag außerhalb der Stadt verlieren. Der gemeinsame Nenner ist mit der Margareteninsel gefunden, mitten in der Stadt und im Fluss gelegen. Der größte Teil der Insel ist schlicht ein weitläufiger, autofreier Park, den die Budapester zur Erholung und zum Sporttreiben nutzen. Es gibt zahlreiche Sportanlagen und ein Freibad. Für unsere Tochter bietet sich endlich ausgiebig Zeit, die ersten Schritte zu perfektionieren. Und für mich? Auf der Insel berühren wir mein Lieblingsthema. In früheren Jahrhunderten lebten dort verschiedene christliche Orden. Ich streife durch die Ruinen, erkläre meiner Familie, wie die Klöster dereinst funktionierten, und bin ausnahmsweise einmal ganz bei mir.

Ich hätte gern noch den Zoo mit Botanischem Garten besucht – die Tiere als Attraktion für das Kind, die Gebäude im Sezessionsstil für die Eltern – und einen Badetag in einem der Thermalbäder eingelegt. Schließlich brodeln unter Budapest mehr als hundert heiße Quellen. Beim nächsten Mal. Denn ein Wiedersehen muss einfach sein.

Vorteile dieser Reiseform:

 Für umfangreiche Entdeckungen waren fünf Tage mit Kind und Großeltern im Schlepptau zu wenig. Um von der Stadt einen Eindruck und Lust auf ein Wiedersehen zu bekommen, reicht es. Auch war die gemeinsame Zeit nicht zu lang und der Babysitter zumindest theoretisch immer dabei. Das viel gepriesene Nachtleben allerdings ist für junge Eltern trotzdem kein Magnet.

 Eine große Wohnung in zentraler Lage ist für eine Familie die günstigste und angenehmste Variante des Wohnens. Allein die Tatsache, dass es solche Wohnungen zu erschwinglichen Preisen gibt, spricht für einen Urlaub in Budapest. Zudem spart man sich lange Anfahrten aus der Peripherie zum Stadtbummel, kann zwischendurch in die Wohnung zurückkehren und abends gemeinsam kochen (was Geld spart) und zur Ruhe kommen (was die Nerven schont).

 Für einen Wein in einem der gemütlichen Restaurants am Donauufer kann man abends die Wohnung auch mal verlassen. Wenn die Babysitter mitspielen.

Nachteile dieser Reiseform:

 Stadturlaub mit Kleinkind und Großeltern heißt vor allem für die dazwischen hängende Generation: Verzicht üben. Denn Rücksicht muss man nicht nur auf die Bedürfnisse des Kindes, sondern auch auf die der Großeltern nehmen. Es dauert einige Zeit, bis man den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden hat.

 Die Kombination „relativ kurze Reisedauer und Städtetrip“ macht den Urlaub vergleichsweise teuer.

Erholung oder Abenteuer?

Eher Abenteuerurlaub, denn es war nicht nur unsere erste Städtereise mit Kind, sondern auch mit Großeltern.

Das würden wir beim nächsten Mal anders machen:

Vorher klären, wer klassische Sehenswürdigkeiten will und wer abseits ausgetrampelter Touristenpfade auf Entdeckungsreise gehen möchte, öfter mal getrennte Wege gehen. Ganz klar vorab festlegen, wie viel Babysitter-Dienst die Großeltern tatsächlich leisten wollen. Für eine erste gemeinsame Reise ist es sicher auch von Vorteil, ein schon etwas bekanntes Reiseziel zu wählen.

Der ultimative Reisetipp für Reisen mit Großeltern und Kleinkind:

Die Margareteninsel mitten in der Stadt und der Donau gelegen. Der weitläufige Park hat ein paar sehenswerte Ruinen, nette Restaurants und Spielmöglichkeiten für Kinder. Immer wieder kann man Blicke auf die Silhouette der Stadt werfen.

Spartipps:

 Zahlreiche Sehenswürdigkeiten in Budapest kann man gratis besichtigen, etwa das Parlamentsgebäude, die St. Stephans-Basilika oder die Ungarische Nationalbank (Treppenhaus und Eingangshalle, Wandmalereien und Kacheln im Jugendstil). Oft sind die Fassaden in den Straßen Sehenswürdigkeit genug.

 

 Für Kinder gibt es fast immer Ermäßigungen, auch Familienpreise sind üblich. Wenn es in den Restaurants kein spezielles Kinderessen gibt, werden die normalen Portionen durchaus geteilt.

 In den meisten Thermalbädern (Gellért, Király, Lukács, Rudas, Széchenyi) bekommt man tagsüber einen Teil des Eintrittsgeldes zurück, wenn man das Bad innerhalb von zwei bzw. drei Stunden wieder verlässt.

Allgemeine Infos:

www.ungarn-tourismus.de

Fazit:Stadturlaub mit Großeltern und Kleinkind würden wir erst einmal nicht mehr machen. Als Mittelgeneration bleiben unsere eigenen Bedürfnisse zu sehr auf der Strecke.

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