Comanchen Mond Band 2

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From the series: Comanchen Mond #2
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Da rief einer von ihnen mit krächzend klingender Stimme, weil er zu viel Rauch eingeatmet hatte: „Sollen sie nur kommen – wir werden sie schon gebührend empfangen, Herr Oberstleutnant!“



Der Bann war gebrochen. Smith ließ sein Pferd langsam zurücktreten, bis es direkt neben der Gatling stand. „Zielt über ihre Köpfe“, meinte er erschöpft; dann musste auch er husten. Ein Nicken der umstehenden Männer. Wieder hustend deutete Smith nach vorn, über die Bäume hinweg. Seine Stimme war etwas belegt. „Sie sollen sich einfach nur vor Angst die nackten Ärsche bescheißen!“



Die Männer lachten gezwungen, obwohl keinem von ihnen zum Lachen war. Vier von ihnen traten an die Gatling heran und begannen, sie zu bedienen. Die erste Feuerzunge wischte ratternd über die Masse aus Kavallerie und Indianern hinweg.



Die Comanchen stoppten, ließen ihre Mustangs auf der Hinterhand wenden, rissen sie zurück und ritten aus der vermeintlichen Schusslinie. Wieder ratterte die Gatling los, leere Patronenhülsen zur Seite spuckend. Von irgendwoher tauchte der Adjutant auf. Staubbedeckt glitt er stöhnend vom Pferd. Seine ganze Erscheinung sah ziemlich mitgenommen aus. Schweißflecken zeichneten seinen Rücken, die Uniformhose hing zerfleddert um seine Knie, Blut rann aus einem zerfetzten Ärmel. Mit einer Hand wischte er sich über die Augen, mit der anderen stützte er sich stöhnend an einen Baum. „Wir haben zwölf Verwundete, Sir; wir haben sie hinter einen der Hügel bringen können.“



Heftig atmend schaute er die Gatling an und schüttelte den Kopf. „Die richtet nicht viel aus. Die verdammte Bande ist viel zu schnell dafür – und unsere Männer sind mittendrin.“



Smith wollte etwas erwidern, als jemand brüllte: „Nicht schießen, nicht schießen!“ Vor ihnen kamen zwei ihrer Männer durch die Bäume auf sie zu. Fluchend ließen sie sich aus dem Sattel ins Gras hinuntergleiten. Einer hatte einen Pfeil in der Brust. Sein Kamerad half ihm, sich halb aufzurichten, und der Captain beugte sich über ihn. Leicht mit dem Kopf schüttelnd blickte er dann zu Oberstleutnant Smith. Der Trompeter stand stumm daneben, Schweißperlen auf der Stirn.



„Der ist tot, Sir“, meinte der Captain überflüssigerweise und zog die Nase schniefend hoch.



Smith nickte; das erkannte er auch. Sich an seinen Adjutanten wendend, sagte er: „Ich will genau wissen, was sich da vorn tut.“



Der Bericht war kurz und knapp. Die Comanchen hatten ihre Reiterei überrumpelt. Es war ihnen gelungen, sich zwischen sie und die flüchtenden Frauen und Kinder zu werfen. Alles war viel zu schnell gegangen und sie selbst nicht auf diese Art Angriff vorbereitet gewesen. Was mit der Pferdeherde sei, fragte Smith. Die hatten die verdammten Comanchen schon längst in Sicherheit gebracht. Weiß der Teufel, wie. „Könnten die Geschütze …?“, versuchte es Smith mit einem Vorschlag. Er war sichtlich ratlos.



„Können sie nicht.“ Der Adjutant schlug sich an die Seite, an der sonst immer sein Säbel hing. „Wir haben getan, was wir konnten; es ist vorbei, machen Sie sich das endlich klar.“



„Aber“, wollte Smith erneut einwenden, als etwas an ihm vorbeipfiff und in einem der Bäume hinter ihm einschlug. Zwei Herzschläge später wurde sein Oberarm von einem Streifschuss getroffen. Das Pferd unter ihm stieg, und er rutschte aus dem Sattel. Einer der Artilleristen sprang hinzu, griff nach dem Halfter und hielt es fest. Der Adjutant wollte Smith helfen, da krachte ein weiterer Schuss und verfehlte ihn nur knapp.



Unter der Hand, die Smith auf die Wunde an seinem Oberarm presste, sickerte Blut. „Woher, zum Teufel auch, kam das denn?“, japste er und blickte sich um. Sie waren hier außer Reichweite der Gewehre – eigentlich.



„Das war keine der alten Schusswaffen, die die Indianer sonst so haben. Das war bestimmt das neue Modell einer Winchester. Möchte mal wissen, wo sie die herhaben“, schnappte der Adjutant und riss Smith die Uniformjacke von der Schulter. „Zum Glück nur ein Streifschuss, Sir“, stellte er fest, indem er sich sein Halstuch abband, um damit die Blutung zu stillen.



Der Oberstleutnant, dem seine Situation sichtlich peinlich war, rappelte sich wieder auf. „Eine der neuen Winchester?“ Ungläubig blickte er auf den provisorischen Verband. Die Umstehenden beachteten ihn nicht weiter. Sie waren in Deckung gegangen und lauschten. Der Kampflärm hatte wie mit einem Schlag aufgehört. Es war vorbei. Smith würde keine weitere Entscheidung mehr treffen müssen. Jedenfalls keine, die das Töten von Comanchen betraf. Ihr Kriegsgeschrei kam nur noch aus vereinzelten Kehlen – und ähnelte jetzt mehr einem Triumphgeheul. Ab und zu krachte noch ein Schuss.



„Ich habe nichts von Rückzug befohlen“, keuchte Smith, indem er versuchte, wieder in den Sattel zu steigen.



„Macht Euch nichts vor – wir können hier nichts mehr ausrichten“, versuchte ihm sein Adjutant klarzumachen. Es war die Wahrheit, so schmerzlich sie auch für ihn sein mochte. Smiths Kinnmuskeln mahlten. Doch jetzt überlegte er es sich, bevor er etwas sagte, das er im Nachhinein bereuen würde. Die Mienen der Männer, die ihn umstanden, bestätigten eindeutig die Meinung des Adjutanten.



„Haben wir Tote zu verzeichnen?“, fragte er, den Ärger hinunterschluckend. Seine Stimme war leise geworden.



„So viel ich weiß zwei, mit dem hier“, ergriff der Adjutant wieder das Wort. „Was mit den Comanchen ist, weiß ich nicht.“



„Wieso? Es wird doch sicher viele Tote bei denen gegeben haben?“



„Keine Ahnung, Oberstleutnant. Aber wenn, dann wissen wir es nicht. Sie nehmen die Toten mit, bevor sie sich zurückziehen.“



Smith betrachtete seinen Adjutanten mit einem seltsamen Blick. Er verstand das nicht. Warum sollten diese Wilden ihre Toten mitnehmen? Wollten sie sie etwa essen? Mit einem Seitenblick auf die überraschend hinter ihm wieder aufgetauchten Pawnee-Späher schwieg er jedoch. Völlig ruhig standen sie dort – sichtlich enttäuscht. Sie hatten die Armeemützen nicht mehr auf. Ihre Haare flatterten im aufkommenden Wind. Das war das Einzige, was sich an ihnen bewegte.



Ohne sie zu beachten – ja, als wären sie Luft – wandte sich der Captain der Artillerie an den Oberstleutnant. „Ah, die Pawnee sind ja auch wieder da. Dann ist es wirklich vorbei. Verlasst Euch darauf, Oberstleutnant. Die Comanchen sind auf und davon.“ Erst jetzt musterte er die Späher. In seinem Blick lag Verachtung. Er würde nie die Gründe verstehen, weshalb Indianer gegen Indianer kämpften.



Der Captain der Artillerie sollte Recht behalten. Was blieb, war ein aufgewühlter Kampfplatz. Tote, verendende Pferde und einige, sich aus ihrer Deckung endlich herauswagende verwundete Soldaten. Die Comanchen hatten niemanden ihrer Leute zurückgelassen – keine Verletzten, keinen einzigen Toten.



Während die Männer unter der Führung First Lieutenant Stone eilig, bevor die Sonne ganz verschwand, den Fluss entlangritten, fanden sie nicht mehr viel von den Tipis. An manchen Stellen lagen zerbrochene Stangen, einige Felle, Hausrat – weggeworfene Gegenstände, die es nicht wert waren, mitgenommen zu werden. Und Steine. Steine, mit denen die Büffelplanen der Tipis ringsum beschwert worden waren.



Die Kavallerie sammelte sich, nachdem der junge Trompeter auf Befehl des Oberstleutnants das Signal geblasen hatte. Langsam ritten sie zu dem wartenden Tross zurück. Vierzehn mehr oder weniger schwer Verwundete wurden unterdessen von zwei Sanitätern versorgt. Ein weiterer Mann würde es wahrscheinlich nicht überleben. Also drei Tote, musste Smith feststellen. Scheiße, dachte er und schluckte seinen Ärger hinunter. Beschämt über die offensichtlich erlittene Niederlage, die er als seine persönliche nahm, überlegte sich Oberstleutnant Smith reiflich, was in seinem Bericht stehen sollte. Dann – sich an einige, die in seinem Büro gelandet waren, erinnernd – beschönigte er ihn so, wie es alle anderen seiner Meinung nach sicher auch machten. Kein Wort von Niederlage. Er schrieb, dass es ihrem Einsatz zu verdanken war, ein Comanchenlager aufgescheucht zu haben – was so ja auch nicht unbedingt falsch war.



Die sechs Pawnee verfolgten die Spuren, die die Travois hinterlassen hatten, noch eine Weile – allerdings in gebührendem Abstand. Von einer Nachhut der Comanchen gesichtet, flüchteten sie eiligst zurück. Oberstleutnant Smith beschloss, ein Lager vor dem Geröllfeld aufzuschlagen. Dort richteten sich die Soldaten ein. Wo die Pferdeherde der Comanchen noch kurz zuvor gegrast hatte, brachte die Artillerie ihre Geschütze und die Wagen unter. Sie waren eine eigene, eingeschworene Truppe und zogen es vor, etwas entfernt von der Kavallerie zu kampieren.



Das geräumige Zelt des Oberstleutnants stellte man vor der Senke auf – gegenüber einer knorrigen, mächtigen Eiche. Er teilte eigenhändig die Wachen ein, und der Captain machte es ebenso auf der anderen Seite des Flusses. Bald loderten überall Feuer und erhellten die beginnende Nacht. Genügend Holz fand sich überall, zumal die Haubitzen ganze Bäume umgemäht hatten. Kleine Trupps von Soldaten kauerten neben den Feuern, teilten Proviant, Tabak und Whiskey miteinander. Natürlich drehten sich die Gespräche um den vorangegangen Kampf. Manch einer protzte mit seinen Taten, aber die meisten zogen sich erst einmal in sich zurück und schwiegen – besonders die Neulinge unter ihnen, die so genannten Zeitsoldaten. Nach einer kurzen lückenhaften Ausbildung waren sie nach Westen verfrachtet worden. So aber hatten sie sich das nicht vorgestellt. Die hartgesottenen Indianerkämpfer unter ihnen lachten, machten derbe Späßchen mit ihnen. Sie kannten noch ganz andere Geschichten – gruselige Geschichten, die sie jetzt hervorkramten. Darin war von grauenhaften Foltermethoden die Rede, angeblich mit eigenen Augen gesehen.



Immer wieder – heimlich und von den anderen unbeobachtet – suchte der eine oder andere in der Dunkelheit nach Anzeichen von Comanchen. Unsicher durchforschten ihre Blicke die Dunkelheit. Waren sie wirklich fort? War der Spuk vorbei? Hinter jedem Schatten, jedem flackernden Licht oder einem unbekannten Geräusch witterten sie eine neue Gefahr. Noch trauten die wenigsten von ihnen dem Frieden. Nur langsam kehrte Ruhe ein.

 



Im Zelt des Oberstleutnants wurde im Kreis der Offiziere geredet und unmäßig gezecht. Sie waren erleichtert, so glimpflich davongekommen zu sein, obwohl das niemand zugegeben hätte. Auch Gelächter ertönte zuweilen. Insgeheim fragte sich Smith, was wohl Mackenzie zu seiner Aktion sagen würde. Zwar war es ihm gelungen, die Comanchen in die Flucht zu schlagen – doch war das wirklich so? Das änderte nichts am Zweck seiner Mission. Die noch immer frei herumstreifenden Comanchen zu töten – das wäre es gewesen. Sie gehörten umgebracht oder in die Reservate verfrachtet. Sie waren und blieben eine ständige Gefahr für Texas, also mussten sie weg.



Oberstleutnant Smith hatte soeben seinen geschönten Bericht beendet. Zwar war er ein penibler Mann, aber für ihn stand mehr auf dem Spiel: seine militärische Zukunft. Für ihn war das hier sein erster und letzter Einsatz im äußersten Westen gewesen. Mit einem Blick auf den sachgemäßen Verband, der jetzt seinen Oberarm zierte, seufzte er. Das Büro, das ihm bisher nur als einengender und langweiliger Arbeitsplatz vorgekommen war, erschien ihm plötzlich als der willkommenste Ort auf Erden. Mit dem niedrigen Sold musste er sich eben abfinden. Immer noch besser, als hier draußen von einem Gewehr getroffen zu werden, dessen Herkunft zweifelhaft war. Sollte Mackenzie doch Recht behalten – er jedenfalls sah sich nun hier fehl am Platz. Selbstkritisch stellte er fest, das alles völlig unterschätzt und seine eigenen Fähigkeiten überschätzt zu haben. Ein klein wenig plagte ihn auch sein Gewissen, denn oft schon war er sich mit hochrangigen Offizieren, die er auf Empfängen und Bällen getroffen hatte, einig gewesen, was die Beurteilung eines Mackenzie betraf. Hinter seinem Rücken hatten sie sich nur herablassend über den Oberst und jetzigen Kommandanten der Forts Concho und Richardson geäußert. Ja, sogar seine Kompetenz hatten sie angezweifelt. Was seine Kriegsführung anbelangte, war Smith in das verächtliche Lachen eines herausgeputzten, blondgelockten Schönlings wie Custer eingefallen – ohne eigentlich zu wissen, worüber er da lachte. Welche Ironie. Was wusste er denn schon von Indianerkämpfen? Er hatte gerade selber erfahren müssen, was es bedeutete, als Theoretiker gegen Indianer zu kämpfen. Jetzt, nach dieser einen Erfahrung, nahm er sich vor, in Zukunft nicht mehr alles zu glauben, was manch ein großspuriger Schwätzer so von sich gab. Und die Berichte, die die Öffentlichkeit zu lesen bekam, waren sicher genauso geschönt wie sein eigener. Dieser Westen hier war verdammt noch mal das Letzte, was er sich als Kommandeur eines Armeeverbands vorstellen konnte.



Nachdem die betrunkenen Offiziere das Zelt verlassen hatten, saß er noch lange grübelnd über seinem abgeschlossenen Bericht. Er hatte sich einen warmen Mantel übergezogen, denn die Nächte hier waren kalt. Eine zusätzliche Patrouille zu der eingeteilten Wache sollte die ganze Nacht hindurch das Lager umrunden. Wie eine Herde Rinder, um die die Cowboys leise ritten, ging es ihm durch den Kopf. Aber statt nach Wölfen oder Viehdieben hielten sie nach Comanchen Ausschau. Am nächsten Morgen bei hellem Tageslicht sollte die weitere Umgebung noch einmal gründlich abgesucht werden. Vielleicht fand man ja doch noch etwas – Verletzte vielleicht oder sogar Tote?



Seufzend zog er den Mantel enger um sich. Ein letzter Rundgang durch das Lager stand noch an, das war er seinen Männern schuldig. Im Grunde genommen wollte er nur sein Ansehen aufpolieren, denn er wusste wohl, welchen Eindruck er bei vielen von ihnen hinterlassen hatte.



Vier von seinen sechs Pawnee-Spähern sollten ihn dabei begleiten, obwohl er noch immer kein großes Vertrauen zu ihnen empfand. So sehr er sie auch verabscheute – die Tonkawa-Scouts, die Mackenzie immer begleiteten und die ihm dieser angeboten hatte – waren ihm noch mehr zuwider. Zu gut erinnerte er sich an die wilden Geschichten, die man über sie erzählte – haarsträubende Geschichten, die von Kannibalismus und Fressgelagen mit Teilen getöteter Gefangener handelten. Smith schüttelte sich voller Abscheu. Egal, ob das nun stimmte oder nicht – er jedenfalls glaubte es. Warum um alles in der Welt sich Mackenzie mit ihnen abgab, ja, ihnen sogar sein eigenes Leben und das seiner Männer anvertraute, blieb ihm ein Rätsel. Da verließ er sich doch lieber auf diese Pawnee-Scouts, obwohl ihm bei ihrem Anblick nicht gerade wohl war. Dass sie auf einmal wieder ihre Armeemützen trugen, weil sie nicht sofort von eventuel herumstreifenden Comanchen als Pawnee erkannt werden wollten, machte es für ihn nicht gerade besser. Und doch konnte er sich nicht über sie beklagen. Während des Ritts nach Fort Concho waren sie ihm nicht einmal zu nahe gekommen; immer hatten sie Abstand gehalten, was ihm nur recht gewesen war. Wenn auch ihre Manieren manchmal zu wünschen übrig ließen – ihm gegenüber blieben sie immer höflich. Kein Anzeichen von Feindseligkeit, während er selbst sein Misstrauen nicht ablegen konnte.



In Gedanken versunken ritt er im Schritttempo mit vier von ihnen an der Senke vor dem Geröllfeld vorbei. Der Mond beleuchtete einen Teil des unten wachsenden Gesträuchs. Die alte, knorrige Eiche warf ihren Schatten lang auf den Boden. Irgendwie sah alles hier gespenstisch aus. Gerade wollte Smith zum Fluss hin abbiegen, da machte ihn der Pawnee mit den Pockennarben auf etwas aufmerksam und hob lauschend den Kopf. Jetzt hörte er es auch. Irgendwo von dort oben, von den Felsen her, kam ein unterdrückter Schrei. Kurz danach folgte ein unheimliches Wimmern, das jäh abbrach. Mit gespannten Gesichtern lauschten sie in die Stille der Nacht. Doch da weiter nichts mehr passierte, schüttelte Smith nur den Kopf. „Vielleicht ein Raubtier? Ein Puma?“ Seine Stimme klang verhalten, als hätte er Angst, dass ihn jemand hörend könnte. In Wahrheit war ihm der Schreck durch Mark und Bein gefahren.



Die Pawnee lauschten weiter. Einer von ihnen verzog spöttisch den Mund. „Nein“, sagte Narbengesicht, „Baby. Hören an wie Baby.“



Entsetzt weiteten sich Smiths Augen. Der Pawnee nickte und wiederholte herausfordernd: „Baby. Comanchen-Balg. Píh-rau. Du nicht kennen Schrei von Puma? Ich, Pawnee-Mann, kennen gut.“



„Gehst du da jetzt hoch, um nachzusehen?“ Oberstleutnant Smith stellte diese Frage mit voller Absicht, um sich für seinen Tonfall zu rächen. Er kannte ihre Furcht vor den Comanchen ja jetzt. Der Pawnee würde das nicht wagen, davon war er überzeugt. Ein Blick aus seinen dunklen Augen ließ ihn erschauern. „Nein, ich hab nur einen Scherz gemacht“, sagte er deshalb schnell; er wollte den Scout nicht verärgern. „Ich will heute Nacht keine Alleingänge mehr“, setzte er erklärend hinzu. „Wenn dort oben noch Comanchen stecken, dann können sie nicht weg. Und ein Kind? Ein Baby? Dort oben sitzen sie in der Falle, sie können nirgendwo anders hin, als hier runter. Und Pferde werden sie wohl auch nicht dort oben haben. Hier wimmelt es nur so von unseren Männern; und sollten sie über den Wald abhauen wollen – da sind ebenfalls unsere Leute.“



„Falle gut, Pawnee passen auf.“ Wie, um seine Worte zu bekräftigen, blieb er mit verschränkten Armen auf seinem Pferd sitzen.



Smith betrachtete ihn zweifelnd. Aber dieser sture Hund meinte es tatsächlich ernst. Oben blieb es weiterhin still. Smith nickte, als würde er diesen Einfall befürworten. Langsam machte er sich mit den drei anderen Pawnee wieder auf den Weg ins Truppenlager. Leutselig, nicht mehr an den eben erlebten kleinen Zwischenfall denken wollend, unterhielt er sich mit den Männern, die noch vor ihren Zelten saßen.



Der Wache haltende Pawnee mit dem Pockennarbengesicht saß still und aufmerksam auf seinem Pferd. Das Geröllfeld über ihm lag im Dunkeln. Später, als kleine Steine herunterkullerten, suchte er zwar nach der Ursache, konnte aber nicht viel erkennen, dafür hätte er schon nach oben klettern müssen. Sich selber beruhigend, gab er sich damit zufrieden, dass es vielleicht nur der Wind gewesen war oder ein kleines Tier. Doch der Schrei klang ihm immer noch in den Ohren. Das war nicht der Wind gewesen. Misstrauisch blieb er auf seinem Posten. Das Lager vor ihm glich einem lärmenden Haufen Soldaten, die auch zu dieser späten Stunde nicht zur Ruhe kamen. Der Weiße Mann ist ein großer Dummkopf, sagte er sich. Überall brannten Feuer; man konnte die Männer ganz deutlich sehen, die sich gegenseitig zutranken oder einträchtig beieinander saßen und Karten spielten. Erzählungen, die meisten davon völlig übertriebene eigene Heldentaten gegen ihnen unterlegene Indianer – machten weiter die Runde. Oberstleutnant Smith ließ sich großmütig an manchem Feuer nieder und hörte sich diese Geschichten an. Doch, dachte er ein über das andere Mal, wenn er in die strahlenden Gesichter seiner Männer blickte – eigentlich war das hier ja gar keine Niederlage gewesen. Alles in allem vielleicht sogar ein kleiner Sieg. Schließlich war es ihnen gelungen, alle Comanchen von hier zu vertreiben. Jawohl, das hatten sie. Warum nicht einfach behaupten, dass sie ihre Toten mitgenommen haben? Der eine oder andere Augenzeuge ließ sich doch wohl finden? Wer so