Unerschütterlich im Glauben

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4. Die Zeit nach dem Studium


Nach meiner Rückkehr aus Europa als Reaktion auf den »Komm nach Hause«-Brief meines Bischofs wurde ich in einer Pfarrgemeinde eingesetzt, in der die Straßen in jenem Teil der Stadt nicht gepflastert waren, der als »Unteres Ende« bezeichnet wurde, und aus dem die Bessergestellten in andere Stadtteile weggezogen waren. Pfarrer Patrick Culleton war ein wahrer Gottesmann. Ich begann, einen Kurs in der Fastenzeit zu geben, und diese arme Kirche, auf die die anderen Gemeinden oben auf dem Hügel herabsahen, füllte sich bald mit Menschen. Einige Priester verboten später ihren Gemeindemitgliedern, ins »Untere Ende« zu gehen, »wo dieser junge Priester predigt. Bleibt in eurer eigenen Pfarrgemeinde.«

Soweit ich es beurteilen konnte, sollte nun mein Leben so aussehen. Ich war intellektuell veranlagt, liebte die Lehrtätigkeit, jetzt aber war ich Mitarbeiter in einer Gemeinde. In den Zeitungen erschienen Artikel gegen den Bischof. »Warum verschwendet er ein derartiges Talent? Nachdem Geld dafür ausgegeben wurde, einen Mann auszubilden, warum steckt man ihn in ›eine solche Gemeinde‹?« Ich bat meine Eltern, nie in Gesprächen Partei gegen den Bischof zu ergreifen. Ich beklagte mich nie, und ich kann aus ganzem Herzen versichern, dass das für mich der Wille Gottes war. Ich sollte meinen Wunsch nach einer intellektueller ausgerichteten Berufung vergessen und mich damit zufriedengeben, Kaplan zu sein. Das verschaffte mir großen Seelenfrieden. Es war für mich als junger Priester die erste Prüfung meines Gehorsams. Der Wille Gottes kam durch den Bischof als Nachfolger der Apostel zum Ausdruck und das genügte mir. Ich begann, im Beichtstuhl die Beichtenden zu bitten, täglich die heilige Messe zu besuchen, und stellte glücklicherweise fest, dass die Zahl der Gläubigen an der Kommunionbank sich von vier auf neunzig erhöhte. Eine Erneuerung der Pfarrgemeinde fand statt, und ich war glücklich darüber. Nach ungefähr einem Jahr rief mich der Bischof an: »Vor drei Jahren habe ich Bischof Shahan von der Katholischen Universität von Amerika versprochen, dass Sie Mitglied der Fakultät werden.« Ich fragte: »Warum ließen Sie mich nicht dorthin gehen, als ich aus Europa zurückkam?« – »Weil Sie dort so viel Erfolg hatten, wollte ich einfach sehen, ob Sie gehorsam sind. Also machen Sie sich jetzt davon. Sie haben meinen Segen.«

Ich wurde an die Theologische Fakultät der Katholischen Universität von Amerika in Washington berufen und dem Lehrstuhl für Apologetik zugeteilt. Der Ruf ging von Bischof Shahan aus, dem brillanten, begabten, heiligmäßigen Rektor der Universität. Am Ende des zweiten Jahres lud Bischof Shahan die Theologische Fakultät zu einer Besprechung ein. Wichtig für das Verständnis der Geschichte ist der Umstand, dass Bischof Shahan schwerhörig war. Er benutzte ein kleines Hörrohr, um Unterhaltungen folgen zu können, die in seiner Nähe stattfanden. Bei der Diskussion ging es um die Frage, ob das Graduiertenkolleg der Theologischen Fakultät, das es damals an der Universität bereits gab, eine Einrichtung für das Grundstudium eröffnen und Seminaristen aufnehmen sollte. Die Maßnahme wurde damit begründet, dass das Graduiertenkolleg der Theologischen Fakultät nur wenige Doktoranden hatte. Man ging davon aus, dass die Professoren nicht genügend ausgelastet und herausgefordert seien. Um das zu ändern, sollte diese Einrichtung für das Grundstudium verschiedene Kurse für Seminaristen anbieten.

Bevor wir zur Konferenz gingen, brachte fast jeder Professor Einwände gegen eine solche Idee vor. Aber das geschah, bevor wir an der Konferenz teilnahmen. Als der Bischof den Vorschlag vorgebracht hatte, streckte er der Reihe nach jedem Professor sein Hörrohr entgegen, um dessen Meinung zu erfahren. Zu meiner Überraschung stimmten alle dem Vorschlag des Bischofs zu.


Auf der Rückreise von Europa an Bord der SS Normandie, Juni 1936 (Fulton J. Sheen Archiv).

Da ich der jüngste Professor war, wurde ich zuletzt gefragt. Ich nahm das Hörrohr des Bischofs und sagte zu ihm: »Exzellenz, scheinbar soll das Niveau der Universität gesenkt werden, um der momentanen Situation gerecht zu werden, anstatt die Universität auf ein höheres Niveau zu bringen in Bezug auf das Graduiertenkolleg. Warum verbessern wir nicht das Niveau der Lehre am Graduiertenkolleg? Dann werden die Bischöfe aus dem ganzen Land ihre Priester hierherschicken.«

Ich saß am unteren Ende des Tisches, an dem auch der Bischof saß. Er nahm sein Hörrohr ab, rollte es auf wie eine zusammengerollte Schlange und stieß es über die ganze Länge des Tisches zu mir hinunter. Dann stand er auf und sagte mit gerötetem Gesicht: »Wenn ich an diese Universität keine Professoren bekommen kann, die mit meiner Meinung übereinstimmen, dann entlasse ich sie und hole mir Professoren, die mir zustimmen.« Und er verließ den Raum.

Die anderen Professoren kamen anschließend zu mir und sagten: »Nun, Sie haben sich jetzt selbst extrem geschadet. Erst seit einem Jahr sind Sie hier an der Universität und schon sind Sie zu einem Ausgestoßenen geworden.« Ich war äußerst besorgt, setzte die Vorlesungen die nächsten ein oder zwei Wochen lang fort, ohne von Bischof Shahan etwas zu hören. Eines Tages, als ich über den Rasen zu meiner nächsten Vorlesung ging, fuhr der Bischof in seinem Auto vorbei. Er hielt an und forderte mich auf, neben ihm Platz zu nehmen. Aber er sagte nichts. Er bedeutete mir, ihm in sein Büro zu folgen. Wir gingen in den zweiten Stock des McMahon Hörsaals hinauf, dann ging er in das Schlafzimmer, wo er seine Soutane, sein Brustkreuz und das Zingulum anlegte und seinen Pileolus aufsetzte. Anschließend kam er heraus und nahm auf einem Stuhl Platz.

Dann sagte er zu mir: »Knien Sie nieder, junger Mann.« Ich kniete vor ihm nieder, und er legte mir die Hände auf den Kopf und sagte: »Junger Mann, diese Universität hat in den letzten Jahren niemanden in ihre Reihen aufgenommen, dem es bestimmt wäre, mehr Licht und Glanz in ihr zu verbreiten als Sie. Gott segne Sie.«

An der Theologischen Fakultät gab es auch weiterhin Probleme, eines davon hatte mit dem neuen Rektor, Bischof James H. Ryan, dem Nachfolger von Bischof Shahan, zu tun. Der berühmte John A. Ryan, der so viel über soziale Gerechtigkeit geschrieben hatte, war damals Professor für Moraltheologie an der Universität. Er wollte Dr. Haas als Nachfolger an seinem Lehrstuhl bestimmen, der später Bischof wurde. Bischof Ryan führte den Vorsitz bei der Versammlung. Er sagte, es sei seine Pflicht, das Niveau der Universität zu erhalten. Dr. Haas hatte an der Universität in Philosophie promoviert, Bischof Ryan bestand jedoch darauf, dass die Professoren der Theologischen Fakultät ein Doktorat in Theologie erworben haben mussten, um den akademischen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn Dr. Haas somit nach Rom gehen würde, um eine Abschlussarbeit in Theologie vorzulegen und dort promoviert zu werden, würde Bischof Ryan seinem Ruf an die Theologische Fakultät zustimmen.

Dr. John A. Ryan stimmte dem Vorschlag, Dr. Haas zur Promotion nach Rom zu senden, bevor er an die Theologische Fakultät berufen wurde, nicht zu. Daraus entwickelte sich eine Spannung zwischen der Theologischen Fakultät und dem Rektor. Es war eine Frage von Ryan vs. Ryan. Letztlich verfasste die Theologische Fakultät ein Schreiben gegen Ryan, den Rektor. Kopien dieses Briefs wurden an mehrere Bischöfe und an Mitglieder des Kuratoriums gesandt. Bevor das Schreiben versandt wurde, erhielt jeder Professor der Theologischen Fakultät die Aufforderung, es zu unterzeichnen. Ich weigerte mich. Ich hielt es für unfair, eine Beschwerde über den Rektor der Universität an die Bischöfe zu senden, bevor er selbst angehört worden war. Ich schlug vor: »Warum können wir nicht, bevor wir den Brief versenden, ein Gespräch mit dem Rektor vereinbaren, bei dem ihm die Vorwürfe zur Kenntnis gebracht werden, die Sie formuliert haben, und ihm die Möglichkeit geben, darauf zu reagieren? Wenn er das nicht kann, dann versenden Sie den Brief, allerdings werde ich das Dokument nicht unterzeichnen, ohne dass Sie James H. Ryan die Möglichkeit gegeben haben, Rede und Antwort zu stehen.«

Am nächsten Tag hing am Schwarzen Brett der Theologischen Fakultät ein Aushang, dass sämtliche Seminare von Dr. Fulton J. Sheen an der Theologischen Fakultät ausgesetzt wurden. James H. Ryan, der Rektor, kannte den Grund – dass ich ihn nämlich verteidigt hatte. Er versetzte mich daraufhin an die Philosophische Fakultät, wo ich dann mehr als zwanzig Jahre lang lehrte.

In den Sommermonaten, die auf diesen Zwischenfall folgten, reiste ich nach Rom und war eines Abends zum Abendessen bei Kardinal Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., eingeladen. Er war damals Kardinalstaatssekretär. Am nächsten Morgen besuchte ich ihn in seinem Büro. Er sagte zu mir: »Bitte erzählen Sie mir, was Sie über die Universität wissen und über die Opposition gegen den Rektor, James H. Ryan.« Ich antwortete: »Eminenz, bitte erlassen Sie es mir, einen Kommentar über die Universität und ihren Rektor abzugeben.« Daraufhin ließ der Kardinal das Thema fallen und zog aus einem Stapel mehrere deutsche Zeitungen heraus, die er vorzulesen und zu übersetzen begann. Über eine Stunde lang äußerte er sich mit beträchtlicher Heftigkeit gegen Hitler und den Nationalsozialismus.

Als ich nach einer Stunde das Büro des Kardinalstaatssekretärs verließ, wartete draußen kein anderer als Rektor James H. Ryan. Er fragte einen der Anwesenden nach dem Namen der Person, in deren Gesellschaft der Kardinalstaatssekretär eine solch lange Zeit verbracht hatte. Man sagte ihm, es sei Msgr. Fulton J. Sheen gewesen.

 

Was glauben Sie, musste wohl James H. Ryan gedacht haben, als er einige Zeit später von seiner geliebten Universität in das Erzbistum Omaha versetzt wurde? Hatte jemand in Rom sich negativ über ihn geäußert? Das musste ja dann wohl der Professor gewesen sein, der über eine Stunde lang mit dem Kardinalstaatssekretär gesprochen hatte. Bei Gott beteuere ich, dass ich mit Kardinal Pacelli nie über die Universität oder über Bischof Ryan gesprochen hatte, doch die Geschichte, dass ich es getan hätte, machte die Runde. Das Gerücht verbreitete sich so weit, dass Erzbischof McNicholas von Cincinnati später, als mein Name als möglicher Universitätsrektor fiel, dazu meinte: »Ich würde Sheen nicht einmal die Leitung einer Hundehütte anvertrauen.« Er war so erbittert wegen meines angeblichen unfairen Verhaltens gegenüber Bischof James H. Ryan, dass er beim Nationalen Eucharistischen Kongress in Cleveland, bei dem als Sprecher Mr Scott aus Los Angeles, Gouverneur Al Smith und ich auftraten, aufstand – er hatte mit uns in der Second Base15 des Stadions gesessen –, quer über das Innenfeld ging und das Baseballstadion verließ, um sich meine Rede nicht anhören zu müssen.

Ich wusste, dass er immer der Meinung war, ich hätte dem Rektor großes Unrecht zugefügt, indem ich mich bei Kardinal Pacelli über ihn beklagt hätte. Da ich jedoch ein reines Gewissen hatte, machte ich es mir zur Angewohnheit, Erzbischof McNicholas jedes Jahr einen Besuch abzustatten, wenn ich in Cincinnati Vorlesungen hielt. Er begrüßte mich immer herzlich, und jedes Gespräch endete, wie es unter Priestern üblich sein sollte. Das war allerdings nicht das einzige Zwischenspiel in den langen Jahren, in denen ich lehrte und Vorlesungen hielt.

15 Die Second Base oder 2B ist die zweite Station auf dem Baseballfeld, die ein Runner berühren muss, um einen Punkt zu erzielen (Anm. d. V.).

5. Lehrtätigkeit und Vorträge


Mehr als 25 Jahre lang war ich als Lehrender tätig. Diese Laufbahn begann nicht erst, als ich an die Theologische Fakultät der Katholischen Universität von Amerika berufen wurde, sondern bereits in England, als ich gebeten wurde, am Priesterseminar der Erzdiözese Westminster, dem St. Edmund’s College in Ware, Theologie zu lehren. Gleichzeitig arbeitete ich für meine Zulassung als außerordentlicher Professor an der Katholischen Universität Löwen. Ich sollte meine Lehrtätigkeit im Fach Dogmatik beginnen, obwohl mein Fachgebiet die Philosophie war. Obwohl ich viele Vorlesungen in Theologie an der Katholischen Universität Löwen und später am Angelicum und an der Gregoriana in Rom belegt hatte, war ich doch im wahrsten Sinne des Wortes ein Anfänger.

Einer meiner Freunde und ein hochgeschätzter Kollege von mir war der Priester Ronald Knox, der zum katholischen Glauben konvertiert und dessen Vater der anglikanische Erzbischof von Birmingham war. Er war ein Oxford-Absolvent und lehrte Heilige Schrift und Griechisch am Seminar. Später übersetzte er die gesamte Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen ins Englische. Ein weiterer Kollege war Dr. Messenger, der mit mir in Löwen studiert hatte und in einem Frauenkloster ungefähr drei Kilometer vom Seminar entfernt lebte.

Jeden Tag verfasste Ronald Knox für seine Studenten ein lateinisches Gedicht, das die Ereignisse des Vortags thematisierte. Ein Zwischenfall, der ihm reiches Potenzial bot, war die Explosion der »Starlight«-Anlage im Seminar. Es handelte sich dabei um eine Art Leuchtgas, das in den geräumigen Toiletten gelagert wurde. Starlight-Gas pflegte in unsere Butter und unser Brot einzudringen, sodass wir es ständig zu uns nahmen. Von allen Nächten, an denen die Starlight-Anlage in einem englischen Priesterseminar in die Luft gehen sollte, wurde von den Starlight-Göttern die Nacht zum St.-Patrick’s-Tag gewählt. Wir hörten in der Nacht die Explosion. Als wir am St.-Patrick’s-Tag aus dem Fenster sahen, entdeckten wir, dass der Rasen des Seminars mit Toilettenschüsseln übersät war. Knox verfasste darüber ein brillantes Gedicht, doch der letzte Vers ärgerte Dr. Messenger besonders: Fragorem nuntius audivit (»Der Bote [im Englischen ›messenger‹] hörte die Explosion«).

Ich steckte viel Arbeit in die Vorbereitung der Vorlesungen, die ich für die Studenten im vierten Jahr hielt. An jenem Tag sollte die Vorlesung mit dem Titel »Theandrische Handlungen« stattfinden. Eine theandrische Handlung ist eine Handlung, in welcher sowohl die göttliche als auch die menschliche Natur unseres Herrn beteiligt ist. Ein Beispiel wäre, dass er Staub nahm, ihn mit Speichel vermischte, ihn auf die Augen des Blinden auftrug und diesen so heilte. Allerdings wird kein theologisches Thema dieser Art den Studenten so klar vermittelt, denn das Geschäft eines Professors besteht darin, die einfachen, gewöhnlichen Dinge des Lebens kompliziert darzustellen!

Ich verbrachte Stunden mit der Lektüre von Bonaventura, Thomas von Aquin, Suárez, Billot und anderen Theologen. Als ich den Seminarraum betrat, hätte ich eine theandrische Handlung nicht einmal dann erkannt, wenn sie sich vor meinen Augen abgespielt hätte, so verwirrend fand ich das Thema – trotzdem hielt ich eine Stunde lang eine Vorlesung. Beim Verlassen des Seminarraums hörte ich, wie ein Diakon zu einem anderen sagte: »Also Dr. Sheen ist ein ganz außerordentlicher Dozent, ganz außerordentlich.« Ich fragte ihn: »Was habe ich denn gesagt?« Und in tadellosem britischem Akzent gab er kurz zurück: »Ich weiß nicht recht.« Und ich antwortete: »Ich auch nicht.« An jenem Tag erfuhr ich, dass man manchmal, wenn man verwirrt ist, fälschlicherweise für gelehrt gehalten wird.

Fünf Jahre später traf ich einen ehemaligen Studenten des St. Edmund’s College, der jetzt als Priester in der Diözese Manchester tätig war. Er erkundigte sich danach, was ich jetzt mache. Als ich ihm sagte, dass ich jetzt an der Katholischen Universität von Amerika in Washington lehre, dachte er kurz nach und sagte: »Ich hoffe, dass Sie jetzt ein besserer Lehrer sind als damals.« Aber vielleicht kann zu meinen Gunsten gesagt werden, dass ich mein didaktisches Potenzial erst an den Engländern ausprobierte, bevor ich es bei meinen amerikanischen Landsleuten einsetzte.

Als ich die Bedingungen für den Grad des außerordentlichen Professors von Löwen erfüllt hatte, stattete ich Kardinal Mercier einen Besuch ab. »Eminenz, Sie waren immer ein brillanter Lehrer. Könnten Sie mir bitte einige Ratschläge zum Thema Lehrtätigkeit geben?« – »Zwei Ratschläge gebe ich Ihnen: Bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Bleiben Sie informiert darüber, was die moderne Welt beschäftigt. Lesen Sie ihre Dichtung, ihre Geschichtsschreibung, ihre Literatur. Behalten Sie Architektur und Kunst im Auge. Hören Sie ihre Musik und erleben Sie ihre Aufführungen im Theater. Und dann versenken Sie sich tief in den heiligen Thomas und in die Weisheit der Alten – so werden Sie dazu in der Lage sein, ihre Irrtümer zu widerlegen. Der zweite Rat: Zerreißen Sie Ihre Aufzeichnungen am Ende jedes Jahres. Nichts zerstört das intellektuelle Wachstum eines Lehrenden so sehr wie das Aufbewahren seiner Notizen und die Wiederholung desselben Kurses im folgenden Jahr.«

Ich versuchte, den weisen Ratschlägen des Kardinals zu folgen. Zusätzlich zu dem Bemühen, auf dem Laufenden zu bleiben, was das zeitgenössische Denken betraf, nahm ich mir auch vor, nie dasselbe Seminar zweimal abzuhalten. Als ich an der Philosophischen Fakultät zu lehren begann, unterrichtete ich Natürliche Theologie. Dabei stellte ich fest, dass ich einige Aufzeichnungen wieder verwendete, die ich schon einmal benutzt hatte, und mich deshalb intellektuell nicht weiterentwickelte. Daraufhin beschloss ich, jedes Jahr einen anderen Kurs zu geben, der aber immer einen Bezug haben sollte zur Natürlichen Theologie und zur Existenz und Natur Gottes. Die Kurse variierten also im Laufe der Jahre. Es gab einen Kurs über Geschichtsphilosophie, im nächsten Jahr einen über die Philosophie des Marxismus, dann über Religionsphilosophie, Wissenschaftsphilosophie und so weiter. Und sie alle wurden gehalten im Licht des Denkens des heiligen Thomas von Aquin.

Um mich auf diese neuen Themen vorzubereiten – ich war noch nicht wirklich bewandert darin –, begab ich mich jedes Jahr im Sommer nach London und verbrachte die zweite Junihälfte, die Monate Juli und August sowie den ersten Teil des Septembers damit zu lesen und mich für den bevorstehenden Kurs im kommenden Jahr vorzubereiten. Morgens, abends und an den Wochenenden hatte ich jeweils meinen Einsatz als Hilfspfarrer in der St.-Patrick’s-Kirche am Soho Square. Zusätzlich zu dieser zurückgezogenen Vorbereitung im Britischen Museum wendete ich auch wenigstens sechs Stunden zusätzlich für die Vorbereitung jeder einzelnen Vorlesung auf. Es ist leicht möglich, dass sich ein Professor ohne konstante Anregungen und weiteres Studium in einen staubtrockenen Intellektuellen verwandelt.

Ein perfektes Beispiel für einen Philosophen, der stecken blieb, ist Immanuel Kant. Nie verließ er die Stadt Königsberg. Er erzählte jedes Jahr, und zwar immer am selben Tag, denselben Witz. Dieser lautete: »Warum gibt es im Himmel keine Frauen?« Kants Antwort war: »In der Heiligen Schrift steht, im Himmel sei eine Stille von einer halben Stunde gewesen.« Kant unternahm jeden Tag denselben Spaziergang mit einer Pünktlichkeit, dass die Hausfrauen von Königsberg ihre Uhren danach stellen konnten. An einem Tag fiel der Spaziergang aus, und zwar als eines von Rousseaus Werken erschien, das Kants Einstellung stark veränderte und dazu führte, dass er sich der praktischen Vernunft zuwandte. Aber das ist ein anderes Thema.

Um auf die frühen Jahre des Lehrens zurückzukommen: Nach dem Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 1928, in dem es viel Fanatismus gegen die katholische Kirche gab, beschlossen die Bischöfe, dass an der Katholischen Universität von Amerika ein Studienfach für Apologetik eingeführt werden sollte. Ich wurde vom Rektor, Bischof Corrigan, gebeten, einen Lehrplan für diese Kurse zu entwerfen. Ich legte den Plan in Form einer Pyramide an: Im unteren Teil befanden sich Themen wie Journalismus, Medien, Kommunikation, Religionspsychologie und weiter oben die mehr theologischen Themen, die sich auf die Verteidigung der Kirche bezogen. Der Rektor war zufrieden mit dem Plan und bat mich, hierfür Professoren zu suchen. Mir wurde die Erlaubnis gewährt, europäische Professoren auszuwählen. Ich fragte nach: »Habe ich die Befugnis, ihnen zu sagen, dass sie eingestellt sind?« – »Ja, wenn Sie Männer finden, die Sie für qualifiziert halten.« – »Wie hoch wird ihr Gehalt sein?« Und es wurde ein Betrag festgesetzt. Ich reiste nach Europa und fand rund zehn qualifizierte Professoren aus England, Frankreich und Deutschland – sie alle sprachen Englisch – als künftigen Lehrkörper für das neue Studienfach Apologetik.

Ich telegrafierte dem Rektor, berichtete ihm von den Professoren, die ich ausgesucht hatte, und bat ihn, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen und sie zu bitten, die Professuren anzunehmen. Bis August hatten sie noch nichts vom Rektor gehört und selbst im September noch nichts. Nun wurde ich mit Telegrammen von diesen Professoren überschwemmt: »Was ist aus dem Vorschlag geworden? Sollen wir an die Universität kommen?« Mir wurde bewusst, dass der Rektor nichts unternommen hatte, um sie einzustellen. Deshalb sandte ich ein Telegramm an alle Professoren und teilte ihnen mit, dass ich meine Kompetenzen überschritten hätte und sie deshalb um Verzeihung bitte.

Im Jahr darauf bestellte der Rektor mich wiederum ein und sagte: »Ich möchte, dass Sie die Leitung für das neue Studienfach Apologetik übernehmen.« Ich lehnte höflich ab – mir war klar, dass er den Zwischenfall des Vorjahres bereits vergessen hatte. Ein Studienfach mit einem Lehrstuhl für Apologetik kam nie zustande.

Viele Jahre lang war der Dekan der Philosophischen Fakultät Pater Ignatius Smith, ein Dominikaner, der nicht nur ein fantastischer Lehrer war, sondern auch ein berühmter Prediger. Mein Seminar fand immer nachmittags um vier Uhr statt. Bevor ich den Seminarraum betrat, der direkt neben dem von Dr. Smith lag, ging ich zu ihm und besuchte ihn für zehn Minuten. Er verließ mit mir den Raum und erzählte mir auf dem Weg zu meinem Seminarraum eine lustige Geschichte – sodass ich lachend dort ankam. Meine Verbindung mit Dr. Smith, die jahrelang währte, war eine der glücklichsten meines Lebens.

 

Einmal wurde ich von einer Fachschaft eingeladen, Teil der Prüfungskommission zu sein und die Seminaristen zum Abschluss des S. T. B. (Sacrae Theologiae Baccalaureus) zu prüfen. Da ich mich auf die Schnelle nicht an die Daten der frühen Konzile und anderer Details dieser Art erinnern konnte, musste ich anders vorgehen. Den ersten Studenten, der hereinkam, fragte ich: »Würden Sie zugestehen, dass als Folge der Ursünde eine Störung im Universum eintrat: Die Tiere wurden wild, Disteln wuchsen, und der Mensch musste sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen?« – »Ja«, war seine Antwort. »Wenn Sie also einräumen, dass es zu einer allgemeinen Störung der Natur als Folge der Erbsünde kam – warum ist Gott dann Mensch geworden? Warum haben wir keinen Pantheismus anstelle einer Menschwerdung Gottes? Warum hat Gott sich nicht in die gesamte Natur eingelassen, die sich gegen ihn aufgelehnt hatte?« Die anderen Professoren protestierten, weil die Frage unfair sei, und man bat mich, den Prüfungsausschuss zu verlassen. Meine Verteidigung lautete: »Ich wollte lediglich herausfinden, ob der Student denken kann.« Die Antwort, die ich von ihm erhofft hatte, war: Da die niedere Natur durch den Menschen gefallen war, war es angemessen, dass die gesamte niedere Natur auch durch den Menschen mit Gott versöhnt werden sollte. Deshalb kam es zur Menschwerdung Gottes und nicht zum Pantheismus.

Zu lehren begeisterte mich. Ich liebte es, weil es so viel mit der Weitergabe des göttlichen Wortes zu tun hatte. Häufig kam mir an der Universität der Gedanke: »Warum haben wir Dozenten einen Kündigungsschutz, Fußballtrainer jedoch nicht?« In den Hörsälen und Seminarräumen kann es Mittelmäßigkeit geben. Ein Fußballtrainer, der keine Mannschaft zusammenstellen und trainieren kann, die gewinnt, kann gehen. Alte Generäle werden allmählich vergessen – schlechte Lehrer und Dozenten werden jedoch einfach weitergereicht. Lehren besteht häufig darin, dass ein Inhalt aus den Aufzeichnungen des Lehrers in die Aufzeichnungen des Studenten hinüberwechselt, ohne dass er mit dem Verstand von auch nur einem der beiden in Berührung gekommen wäre.

Ich fühlte mich den Studenten gegenüber zutiefst moralisch verpflichtet. Deshalb verbrachte ich so viel Zeit mit der Vorbereitung jeder Vorlesung. In einem Zeitalter sozialer Gerechtigkeit gerät ein Umstand leicht aus dem Blick: die moralische Pflicht der Professoren, ihren Studenten für die Studiengebühr, die sie bezahlen, einen angemessenen Gegenwert zu liefern. Das bezieht sich nicht nur auf die Lehrmethode, sondern auch auf den Inhalt. Ein Lehrer, der selbst nichts mehr lernt, ist kein Lehrer. Lehren ist eine der erhabensten Berufungen auf Erden, denn letztlich besteht der Sinn und Zweck aller Bildung in der Erkenntnis der Wahrheit und der Liebe zu ihr.

Einige Praktiken, die nach meiner Beobachtung für den Lehrbetrieb wichtig sind, lauten wie folgt: Meine erste Regel war: Nie hinsetzen. Im Sitzen entfacht man kein Feuer. Wenn die Studenten für das einstehen sollten, was ich ihnen vermittelte, dann sollte ich auch für sie stehen bleiben.

Ich habe Tausende Vorlesungen und Vorträge gehalten, aber kaum einmal habe ich einen schriftlich niedergeschrieben – weder für Studenten noch für ein größeres Publikum. Weder im Hörsaal noch im Seminarraum oder von der Kanzel las ich von Notizen ab, wobei ich immer daran denken muss, was eine alte irische Frau über einen Bischof gesagt hatte, der seine Rede ablas: »Um Himmels willen, wenn er selbst sich nicht daran erinnern kann, wie kann er das von uns erwarten?«

Würde man eine Umfrage unter Zuhörern anstellen, die Rednern zuhören, die ihre Rede ablesen, dann würde wohl entdeckt, dass die meisten an etwas anderes denken. G. K. Chesterton bemerkte nach einem Besuch in Amerika: »Meine letzte amerikanische Reise bestand darin, Menschen, die mir nie irgendetwas angetan hatten, nicht weniger als neunzig Vorträge aufzudrängen.« Auch ich stellte fest: Selbst wenn ich Vorträge ohne Skript hielt, begannen Frauen – sobald ich sagte »Abschließend lässt sich festhalten« – ihre Schuhe anzuziehen. Jedenfalls war die Vortragstätigkeit eine gute Vorbereitung für Rundfunk und Fernsehen.

Wenn ich Vorlesungen oder Vorträge vorbereitete, recherchierte ich zuerst zum betreffenden Thema. Dann ordnete ich das Recherchierte, indem ich, wenn möglich, mich auf einige klare Punkte konzentrierte. Der nächste Schritt bestand darin, mir dieses Material so sehr anzueignen, dass ich es den Studenten oder dem Publikum leicht vermitteln konnte. Das geschah durch einen Lernprozess, der wie folgt beschrieben werden könnte: Ich lernte den Vortrag von innen nach außen, nicht von außen nach innen. Ich eignete mir den Vortrag nicht dadurch an, dass ich meine Notizen über die Recherche durchlas. Ich schrieb aus der Erinnerung das nieder, was ich davon im Gedächtnis behalten hatte. Dann glich ich dies mit den Notizen meiner Recherche ab, um festzustellen, wie gut ich mir die Punkte angeeignet hatte. Das Papier, auf welchem ich vorab die Vorlesung oder den Vortrag zusammengefasst hatte, wurde zerrissen. Ein neuer Entwurf nach dem anderen wurde aufgesetzt und vernichtet. Ich wiederholte diesen Prozess immer wieder, um nicht zuzulassen, dass auch nur das winzigste Stückchen Papier meinen lebendigen Geist an die Kandare nahm.

So wie eine Mutter nicht das Kind ihres Schoßes vergessen kann, so kann auch ein Sprecher das Kind seines Geistes nicht vergessen. Warum sollte ein lebendiger Geist sich Forschungsoder Recherchenotizen unterwerfen? Was ist – abgesehen nur von ihrer Genauigkeit – so heilig an Aufzeichnungen? Der Geist kann ja diese Genauigkeit in sich aufnehmen. Wie häufig ich mir diese Punkte aufschrieb oder sogar mir selbst vortrug, hing von der Schwierigkeit des Themas oder von meinem Gedächtnis ab. Schließlich gelangte ich dann zu dem Punkt, an dem mir das Material wirklich zu eigen war. Es war wie verdaute Nahrung, nicht Nahrung aus dem Supermarktregal. Deshalb habe ich für einen Vortrag, eine Vorlesung oder eine Predigt nie Notizen benutzt.

Es war weniger wahrscheinlich, dass ich eine Sache vergaß, wenn ich diese Methode anwandte. Allerdings erinnere ich mich, dass ich einmal die Bühne für eine Fernsehaufzeichnung betrat und meine Ansprache komplett vergessen hatte. Ich machte ein paar spaßige Bemerkungen über das Vergessen und versuchte währenddessen, mich an das Thema meines Vortrags zu erinnern. Schließlich war es dann wieder da.

Ein tragischer Gedächtnisaussetzer ereignete sich beim Eucharistischen Kongress in Dublin. Wenn es je einen Augenblick in meinem Leben gab, an dem ich alles richtig machen wollte, dann beim Eucharistischen Kongress: weil er in Dublin stattfand, weil es ein Eucharistischer Kongress war und weil meine Großeltern mütterlicherseits nicht aus Bessarabien kamen. Wie üblich sprach ich ohne Aufzeichnungen, und ich war von meinem Thema so erfüllt, dass ich Gedanken benutzte, die in meinem Geist aufblitzten. Ein solcher Blitz, der mir in jenem Augenblick spontan brillant vorkam, war: »Irland hat nie einen anderen König anerkannt als Christus und keine andere Königin als Maria.« Das Publikum brach in nicht enden wollenden Applaus aus. In diesem Augenblick hatte ich eigentlich die Absicht gehabt, ein Gedicht von Joseph Mary Plunkett vorzutragen, ein Gedicht, das ich so gut kannte wie das »Gegrüßet seist du, Maria«:

Ich sah sein Blut auf der Rose,

und in den Sternen den Glanz seiner Augen.

Während ich das Gedicht vortrug, dachte ich nicht an die Worte. Ich gab mir vielmehr selbst innerlich ein paar Ohrfeigen. Ich sagte immer wieder zu mir: Egal wie brillant du eine Bemerkung findest, vermeide alles, was einen politischen Anstrich hat. Das hier ist ein Eucharistischer Kongress! Ich ohrfeigte mich innerlich so kräftig, dass mir, als ich beim neunten Vers des Gedichts anlangte, dieser nicht mehr einfiel. Ich sagte zum Publikum: »Tut mir leid, ich habe das Gedicht vergessen.« Tausende und Abertausende irischer Kinnladen klappten vor Enttäuschung herunter, und wenn eine irische Kinnlade herunterklappt, kracht es. Dann schoss mir eine Zeile von Patrick Henry durch den Kopf. Nicht jene, welche die meisten kennen. Patrick Henry sagte im Laufe seines Lebens auch: »Wenn Sie bei einer Rede Schwierigkeiten haben, dann stürzen Sie sich in die Mitte eines Satzes und vertrauen auf den allmächtigen Gott, dass er Sie zum anderen Satzende bringt.«