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Kabale und Liebe

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Fünfte Scene

Saal beim Präsidenten.

Der Präsident, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite, und Secretär Wurm treten auf.

Präsident. Ein ernsthaftes Attachement! Mein Sohn? – Nein, Wurm, das macht Er mich nimmermehr glauben.

Wurm. Ihro Excellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen.

Präsident. Daß er der Bürgercanaille den Hof macht – Flatterieen sagt – auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert – das sind lauter Sachen, die ich möglich finde – verzeihlich finde – aber – und noch gar die Tochter eines Musikus, sagt Er?

Wurm. Musikmeister Millers Tochter.

Präsident. Hübsch – Zwar das versteht sich.

Wurm (lebhaft). Das schönste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu viel gesagt, neben den ersten Schönheiten des Hofes noch Figur machen würde.

Präsident (lacht). Er sagt mir, Wurm – Er habe ein Aug auf das Ding – das find' ich. Aber sieht Er, mein lieber Wurm – daß mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, daß ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das Mädchen ist schön, sagt Er; das gefällt mir an meinem Sohn, daß er Geschmack hat. Spiegelt er der Närrin solide Absichten vor? Noch besser – so seh' ich, daß er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen. Er kann Präsident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich!

das zeigt mir an, daß er Glück hat. – Schließt sich die Farce mit einem gesunden Enkel – unvergleichlich! so trink' ich auf die guten Aspecten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die Scortationsstrafe für seine Dirne.

Wurm. Alles, was ich wünsche, Ihr' Excellenz, ist, daß Sie nicht nöthig haben möchten, diese Bouteille zu Ihrer Zerstreuung zu trinken.

Präsident (ernsthaft). Wurm, besinn' Er sich, daß ich, wenn ich einmal glaube, hartnäckig glaube; rase, wenn ich zürne – Ich will einen Spaß daraus machen, daß Er mich aufhetzen wollte. Daß Er sich seinen Nebenbuhler gern vom Hals geschafft hätte, glaub' ich Ihm herzlich gern. Da Er meinen Sohn bei dem Mädchen auszustechen Mühe haben möchte, soll Ihm der Vater zur Fliegenklatsche dienen, das find' ich wieder begreiflich – und daß er einen so herrlichen Ansatz zum Schelmen hat, entzückt mich sogar – Nur, mein lieber Wurm, muß Er mich nicht mit prellen wollen. – Nur, versteht Er mich, muß Er den Pfiff nicht bis zum Einbruch in meine Grundsätze treiben.

Wurm. Ihro Excellenz verzeihen. Wenn auch wirklich – wie Sie argwohnen – die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so wäre sie es wenigstens nur mit den Augen und nicht mit der Zunge.

Präsident. Und ich dächte, sie bliebe ganz weg. Dummer Teufel, was verschlägt es denn Ihm, ob Er die Karolin frisch aus der Münze oder vom Bankier bekommt. Tröst' Er sich mit dem hiesigen Adel – wissentlich oder nicht – bei uns wird selten eine Mariage geschlossen, wo nicht wenigstens ein halb Dutzend der Gäste – oder der Aufwärter – das Paradies des Bräutigams geometrisch ermessen kann.

Wurm (verbeugt sich). Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger Herr.

Präsident. Überdies kann Er mit Nächstem die Freude haben, seinem Nebenbuhler den Spott auf die schönste Art heimzugeben. Eben jetzt liegt der Anschlag im Kabinet, daß, auf die Ankunft der neuen Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll. Er weiß, Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluß der Lady stützt – wie überhaupt meine mächtigsten Springfedern in die Wallungen des Fürsten hineinspielen. Der Herzog sucht eine Partie für die Milford. Ein Anderer kann sich melden – den Kauf schließen, mit der Dame das Vertrauen des Fürsten anreißen, sich ihm unentbehrlich machen – Damit nun der Fürst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die Milford heirathen – Ist Ihm das helle?

Wurm. Daß mich die Augen beißen – Wenigstens bewies der Präsident hier, daß der Vater nur ein Anfänger gegen ihn ist. Wenn der Major Ihnen eben so den gehorsamen Sohn zeigt, als Sie ihm den zärtlichen Vater, so dürfte Ihre Anforderung mit Protest zurückkommen.

Präsident. Zum Glück war mir noch nie für die Ausführung eines Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: es soll so sein! einstellen konnte. – Aber seh' Er nun, Wurm, das hat uns wieder auf den vorigen Punkt geleitet. Ich kündige meinem Sohn noch diesen Vormittag seine Vermählung an. Das Gesicht, das er mir zeigen wird, soll Seinen Argwohn entweder rechtfertigen oder ganz widerlegen.

Wurm. Gnädiger Herr, ich bitte sehr um Vergebung. Das finstre Gesicht, das er Ihnen ganz zuverlässig zeigt, läßt sich eben so gut auf die Rechnung der Braut schreiben, die Sie ihm zuführen, als derjenigen, die Sie ihm nehmen. Ich ersuche Sie um eine schärfere Probe. Wählen Sie ihm die untadelichste Partie im Lande, und sagt er Ja, so lassen Sie den Secretär Wurm drei Jahre Kugeln schleifen.

Präsident (heißt die Lippen). Teufel!

Wurm. Es ist nicht anders! Die Mutter – die Dummheit selbst – hat mir in der Einfalt zu viel geplaudert.

Präsident (geht auf und nieder, preßt seinen Zorn zurück). Gut!

Diesen Morgen noch.

Wurm. Nur vergessen Ew. Excellenz nicht, daß der Major – der Sohn meines Herrn ist!

Präsident. Er soll geschont werden, Wurm.

Wurm. Und daß der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen Schwiegertochter zu helfen-Präsident. Den Gegendienst werth ist, Ihm zu einer Frau zu helfen? – Auch das, Wurm!

Wurm (bückt sich vergnügt). Ewig der Ihrige, gnädiger Herr! (Er will gehen.)

Präsident. Was ich Ihm vorhin vertraut habe, Wurm! (Drohend.) Wenn Er plaudert-Wurm (lacht). So zeigen Ihr' Excellenz meine falschen Handschriften auf. (er geht ab.)

Präsident. Zwar bist du mir gewiß! Ich halte dich an deiner eigenen Schurkerei, wie den Schröter am Faden.

Ein Kammerdiener (tritt herein). Hofmarschall von Kalb-Präsident.

Kommt wie gerufen. – Er soll mir angenehm sein. (Kammerdiener geht.)

Sechste Scene

Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmacklosen Hofkleid, mit Kammerherrnschlüsseln, zwei Uhren und einem Degen, Chapeaubas und frisiert à la Hérisson. Er fliegt mit großem Gekreisch auf den Präsidenten zu und breitet einen Bisamgeruch über das ganze Parterre. Präsident.

Hofmarschall (ihn umarmend). Ah guten Morgen, mein Bester! Wie geruht? wie geschlafen? – Sie verzeihen doch, daß ich so spät das Vergnügen habe – dringende Geschäfte – der Küchenzettel – Visitenbillets – das Arrangement der Partieen auf die heutige Schlittenfahrt – Ah – und dann mußt' ich ja auch bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen.

Präsident. Ja, Marschall, da haben Sie freilich nicht abkommen können.

Hofmarschall. Oben drein hat mich ein Schelm von Schneider noch sitzen lassen.

Präsident. Und doch fix und fertig?

Hofmarschall. Das ist noch nicht Alles. – Ein Malheur jagt heut das andere. Hören Sie nur!

Präsident (zerstreut). Ist das möglich?

Hofmarschall. Hören Sie nur! Ich steige kaum aus dem Wagen, so werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, daß mir – ich bitte Sie! – der Gassenkoth über und über an die Beinkleider spritzt. Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gotteswillen in meine Lage, Baron! Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es – und in dem Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte! – Was fällt mir bei? Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in die Kutsche. Ich in voller Carrière nach Haus – wechsle die Kleider – fahre zurück – Was sagen Sie? – und bin noch der erste in der Antichambre – Was denken Sie? – Präsident. Ein herrliches Impromptu des menschlichen Witzes – Doch das beiseite, Kalb – Sie sprachen also schon mit dem Herzog?

Hofmarschall (wichtig). Zwanzig Minuten und eine halbe.

Präsident. Das gesteh' ich! – und wissen wir also ohne Zweifel eine wichtige Neuigkeit?

Hofmarschall (ernsthaft, nach einigem Stillschweigen). Seine Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye Biber an.

Präsident. Man denke! – Nein, Marschall, so hab' ich doch eine bessere Zeitung für Sie – Daß Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen gewiß etwas Neues?

Hofmarschall. Denken Sie! – Und das ist schon richtig gemacht?

Präsident. Unterschrieben, Marschall – und Sie verbinden mich, wenn Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch präparieren und den Entschluß meiner Ferdinands in der ganzen Residenz bekannt machen.

Hofmarschall (entzückt). O mit tausend Freuden, mein Bester! – Was kann mir erwünschter kommen? – Ich fliege sogleich – (Umarmt ihn.)

Leben Sie wohl – in drei Viertelstunden weiß es die ganze Stadt.

(Hüpft hinaus.)

Präsident (lacht dem Marschall nach). Man sage noch, daß diese Geschöpfe in der Welt zu nichts taugen – Nun muß ja mein Ferdinand wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen. (Klingelt – Wurm kommt.) Mein Sohn soll hereinkommen. (Wurm geht ab, der Präsident auf und nieder, gedankenvoll.)

Siebente Scene

Ferdinand. Präsident. Wurm, welcher gleich abgeht.

Ferdinand. Sie haben befohlen, gnädiger Herr Vater-Präsident. Leider muß ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden will – Laß Er uns allein, Wurm! – Ferdinand, ich beobachte dich schon eine Zeitlang und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich sonst so entzückt hat. Ein seltsamer Gram brütet auf deinem Gesicht. Du fliehst mich – du fliehst deine Zirkel – Pfui! – Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausschweifungen vor einer einzigen Grille. Überlaß diese mir, lieber Sohn! Mich laß an deinem Glück arbeiten und denke auf nichts, als in meine Entwürfe zu spielen. – Komm! umarme mich, Ferdinand!

Ferdinand. Sie sind heute sehr gnädig, mein Vater.

Präsident. Heute, du Schalk – und dieses Heute noch mit der herben Grimasse? (Ernsthaft.) Ferdinand! – Wem zu lieb hab' ich die gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zu lieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen? – Höre, Ferdinand! – Ich spreche mit meinem Sohn – Wem hab' ich durch die Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht – eine Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das Messer der Welt verberge! Höre! sage mir, Ferdinand! Wem that ich Dies alles?

 

Ferdinand (tritt mit Schrecken zurück). Doch mir nicht, mein Vater? Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht fallen? Beim allmächtigen Gott! es ist besser, gar nicht geboren zu sein, als dieser Missethat zur Ausrede dienen!

Präsident. Was war das? Was? Doch ich will es dem Romanenkopfe zu gut halten! – Ferdinand! – ich will mich nicht erhitzen, vorlauter Knabe – Lohnst du mir also für meine schlaflosen Nächte? Also für meine rastlose Sorge? Also für den ewigen Scorpion meines Gewissens? – Auf mich fällt die Last der Verantwortung – auf mich der Fluch, der Donner des Richters – Du empfängst dein Glück von der zweiten Hand – das Verbrechen klebt nicht am Erbe.

Ferdinand (streckt die rechte Hand gen Himmel). Feierlich entsag' ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.

Präsident. Höre, junger Mensch, bringe mich nicht auf! – Wenn es nach deinem Kopf ginge, du kröchest dein Lebenlang im Staube.

Ferdinand. O, immer noch besser, Vater, als ich kröch' um den Thron herum.

Präsident (verbeißt seinen Zorn). Hum! – Zwingen muß man dich, dein Glück zu erkennen. Wo zehn Andre mit aller Anstrengung nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzigsten Major. Ich hab' es durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen und in das Ministerium eintreten. Der Fürst sprach vom Geheimenrath – Gesandtschaften – außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir! – Die ebene Straße zunächst nach dem Throne – zum Throne selbst, wenn anders die Gewalt so viel werth ist, als ihr Zeichen – das begeistert dich nicht?

Ferdinand. Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die Ihrigen sind – Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders, als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt. – Thränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln – Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben. – Präsident. Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung wieder! – Schade nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das Lernen ist! – Doch – dies seltne Talent nicht einrosten zu lassen, will ich dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst. – Du wirst dich entschließen – noch heute entschließen – eine Frau zu nehmen.

Ferdinand (tritt bestürzt zurück). Mein Vater?

Präsident. Ohne Complimente. – Ich habe der Lady Milford in deinem Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß du ihr Bräutigam bist!

Ferdinand. Der Milford, mein Vater?

Präsident. Wenn sie dir bekannt ist-Ferdinand (außer Fassung). Welcher Schandsäule im Herzogthum ist sie das nicht! – Aber ich bin wohl lächerlich, lieber Vater, daß ich Ihre Laune für Ernst aufnehme? Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine privilegierte Buhlerin heirathete?

Präsident. Noch mehr! Ich würde selbst um sie werben, wenn sie einen Fünfziger möchte – Würdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn sein wollen?

Ferdinand. Nein! So wahr Gott lebt!

Präsident. Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe-Ferdinand. Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich nicht länger in einer Vermuthung, wo es mir unerträglich wird, mich Ihren Sohn zu nennen.

Präsident. Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft würde nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem dritten Orte zu wechseln?

Ferdinand. Sie werden mir zum Räthsel, mein Vater. Distinction nennen Sie es – Distinction, da mit dem Fürsten zu theilen, wo er auch unter den Menschen hinunterkriecht?

Präsident (schlägt ein Gelächter auf).

Ferdinand. Sie können lachen – und ich will über das hinweggehen, Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen Körper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor den Fürsten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde? Präsident. Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?

Ferdinand. Ich beschwöre Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie können durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glücklich nicht werden, als Sie ihn unglücklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern. – Meine Ehre, Vater – wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein leichtfertiges Schelmenstück, mir das Leben zu geben, und ich muß den Vater wie den Kuppler verfluchen.

Präsident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft). Brav, lieber Sohn. Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der besten Frau im Herzogthum würdig. Sie soll dir werden – noch diesen Mittag wirst du dich mit der Gräfin von Ostheim verloben.

Ferdinand (aufs Neue betreten). Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz zu zerschmettern?

Präsident (einen lauernden Blick auf ihn werfend). Wo doch hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird?

Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim könnte jeden Andern zum Glücklichsten machen. (Vor sich in höchster Verwirrung.)

Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine Güte.

Präsident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stürzt auf ihn zu und küßt ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung – Vater! meinen heißesten Dank für Ihre herzliche Meinung – Ihre Wahl ist untadelhaft – aber – ich kann – ich darf – bedauern Sie mich – ich kann die Gräfin nicht lieben!

Präsident (tritt einen Schritt zurück). Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler – Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot? – Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest? – Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann fährt er auf und will fortrennen).

Präsident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? (Der Major kehrt zurück.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fürst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig. – Wenn du mich zum Lügner machst, Junge – vor dem Fürsten – der Lady – der Stadt – dem Hof mich zum Lügner machst – Höre, Junge – oder wenn ich hinter gewisse Historien komme? – Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?

Ferdinand (schneeblaß und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiß nichts, mein Vater!

Präsident (einen fürchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es was ist – und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt – Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fängt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist – Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.)

Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betäubung). Ist er weg? War das eines Vaters Stimme? – Ja! ich will zu ihr – will hin – will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten – Nichtswürdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst – Im Angesicht des versammelten Adels, des Militärs und des Volks – Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands – Ich verwerfe dich – ein deutscher Jüngling! (Er eilt hinaus.)

Zweiter Akt

Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha, zur linken ein Flügel.

Erste Scene

Lady in einem freien, aber reizenden Negligé, die Haare noch unfrisiert, sitzt vor dem Flügel und phantasiert; Sophie, die Kammerjungfer, kommt von dem Fenster.

Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist aus – aber ich sehe noch keinen Walter.

Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal macht). Ich weiß nicht, wie ich mich heute finde, Sophie – Ich bin noch nie so gewesen – Also du sahst ihn gar nicht? – Freilich wohl – Es wird ihm nicht eilen – Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Brust – Geh, Sophie – Man soll mir den wildesten Renner herausführen, der im Marstall ist. Ich muß ins Freie – Menschen sehen und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum.

Sophie. Wenn Sie sich unpäßlich fühlen, Milady – berufen Sie Assemblee hier zusammen. Lassen Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hombretische vor Ihren Sopha setzen. Mir sollte der Fürst und sein ganzer Hof zu Gebote stehen und eine Grille im Kopfe surren?

Lady (wirft sich in den Sopha). Ich bitte, verschone mich! Ich gebe dir einen Demant für jede Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen kann! Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren? – Das sind schlechte, erbärmliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein warmes herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreißen, als sähen sie eine Geist – Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich leichter als mein Filet regiere! – Was fang' ich mit Leuten an, deren Seelen so gleich als ihre Sackuhren gehen? Kann ich eine Freude dran finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiß, was sie mir antworten werden? Oder Worte mit ihnen zu wechseln, wenn sie das Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein? – Weg mit ihnen! Es ist verdrießlich, ein Roß zu reiten, das nicht auch in den Zügel beißt. (Sie tritt zum Fenster.)

Sophie. Aber den Fürsten werden Sie doch ausnehmen, Lady? Den schönsten Mann – den feurigsten Liebhaber – den witzigsten Kopf in seinem ganzen Lande!

Lady (kommt zurück). Denn es ist sein Land – und nur ein Fürstenthum, Sophie, kann meinem Geschmack zur erträglichen Ausrede dienen – Du sagst, man beneide mich. Armes Ding! Beklagen soll man mich vielmehr! Unter Allen, die an den Brüsten der Majestät trinken, kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem großen und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet – Wahr ist's, er kann mit dem Talisman seiner Größe jeden Gelust meines Herzens, wie ein Feenschloß, aus der Erde rufen. – Er setzt den Saft von zwei Indien auf die Tafel – ruft Paradiese aus Wildnissen – läßt die Quellen seines Landes in stolzen Bögen gen Himmel springen, oder das Mark seiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen – Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, gegen ein großes, feuriges Herz groß und feurig zu schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schönes Gefühl exequieren? – Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne; und was helfen mich tausend beßre Empfindungen, wo ich nur Wallungen löschen darf?

Sophie (blickt sie verwundernd an). Wie lang ist es denn aber, daß ich Ihnen diene, Milady?

Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt wirst? – Es ist wahr, liebe Sophie – ich habe dem Fürsten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe ich frei behalten – ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth ist – über welches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch über den Spiegel ging – Trau' es mir zu, meine Liebe, daß ich es längst gegen diesen armseligen Fürsten behauptet hätte, wenn ich es nur von meinem Ehrgeiz erhalten könnte, einer Dame am Hof den Rang vor mir einzuräumen.

Sophie. Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern?

Lady (lebhaft). Als wenn es sich nicht schon gerächt hätte? – Nicht jetzt noch rächte? – Sophie! (Bedeutend, indem sie die Hand auf Sophiens Achsel fallen läßt.) Wir Frauenzimmer können nur zwischen Herrschen und Dienen wählen, aber die höchste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die größere Wonne versagt wird, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.

Sophie. Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt hören wollte!

Lady. Und warum, meine Sophie? Sieht man es denn dieser kindischen Führung des Scepters nicht an, daß wir nur für das Gängelband taugen?

 

Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an – diesen wilden Ergötzungen nicht an, daß sie nur wildere Wünsche in meiner Brust überlärmen sollten?

Sophie (tritt erstaunt zurück). Lady!

Lady (lebhafter). Befriedige diese! Gib mir den Mann, den ich jetzt denke – den ich anbete – sterben, Sophie, oder besitzen muß.

(Schmelzend.) Laß mich aus seinem Mund es vernehmen, daß Thränen der Liebe schöner glänzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm Haar, (feurig) und ich werfe dem Fürsten sein Herz und sein Fürstenthum vor die Füße, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die entlegenste Wüste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an).

Himmel! Was machen Sie? Wie wird Ihnen, Lady?

Lady (bestürzt). Du entfärbst dich? – Hab' ich vielleicht etwas zu viel gesagt? O so laß mich deine Zunge mit meinem Zutrauen binden – höre noch mehr – höre Alles-Sophie (schaut sich ängstlich um). Ich fürchte, Milady – ich fürchte – ich brauch' es nicht mehr zu hören.

Lady. Die Verbindung mit dem Major – Du und die Welt stehen im Wahn, sie sei eine Hof-Kabale – Sophie – erröthe nicht – schäme dich meiner nicht – sie ist das Werk – meiner Liebe!

Sophie. Bei Gott! Was mir ahnete!

Lady. Sie ließen sich beschwatzen, Sophie – der schwache Fürst – der hofschlaue Walter – der alberne Marschall – Jeder von ihnen wird darauf schwören, daß diese Heirath das unfehlbarste Mittel sei, mich dem Herzog zu retten, unser Band um so fester zu knüpfen! – Ja! es auf ewig zu trennen! auf ewig diese schändlichen Ketten zu brechen! – Belogene Lügner! Von einem schwachen Weib überlistet! Ihr selbst führt mir jetzt meinen Geliebten zu! Das war es ja nur, was ich wollte – Hab' ich ihn einmal – hab' ich ihn – o dann auf immer gute Nacht, abscheuliche Herrlichkeit-