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Der Parasit, oder, die Kunst sein Glück zu machen

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Narbonne. Haben Sie vielleicht einen Verdacht?

Selicour. Ich unterdrücke ihn! Denn daß ich so etwas von Herrn Firmin denken sollte – Pfui! Pfui! Das wäre schändlich! Das ist nicht möglich!

Narbonne. So denk' ich auch! Der Mann scheint mir dazu viel zu rechtlich und zu bescheiden.

Selicour. Bescheiden, ja, das ist er!

Narbonne. Sie kennen ihn also?

Selicour. Wir sind Freunde.

Narbonne. Nun, was halten Sie von dem Manne?

Selicour. Herr Firmin, muß ich sagen, ist ein Mann, wie man sich ihn für das Bureau eigentlich wünscht – wenn auch eben kein Kopf, doch ein geschickter Arbeiter. Nicht zwar, als ob es ihm an Verstand und Kenntnissen fehlte – Keineswegs! Er mag viel wissen, aber man sieht's ihm nicht an.

Narbonne. Sie machen mich neugierig, ihn zu kennen.

Selicour. Ich hab' ihm schon längst darum angelegen, sich zu zeigen – aber vielleicht fühlt er sich für eine subalterne Rolle und für die Dunkelheit geboren. Ich will ihn indessen —

Narbonne. Bemühen Sie sich nicht! – Gegen einen Mann von Verdiensten kann unser Einer unbeschadet seines Rangs die ersten Schritte thun. – Ich selbst will Herrn Firmin aufsuchen. – Aber jetzt wieder auf unser voriges Thema zurück zu kommen, das dieser La Roche unterbrochen hat. —

Selicour (verlegen). Es ist schon etwas spät. —

Narbonne. Hat nichts zu sagen.

Selicour. Es wird auch jetzt die Zeit zur Audienz sein.

Narbonne (sieht nach der Uhr). Ja, wahrhaftig.

Selicour. Wir können es ja auf morgen —

Narbonne. Gut! Auch das!

Selicour. Ich will also —

Narbonne. Noch ein Wort —

Selicour. Was beliebt?

Narbonne. Ein Geschäft kann ich Ihnen wenigstens noch auftragen, das zugleich Fähigkeit und Muth erfordert.

Selicour. Befehlen Sie!

Narbonne. Mein Vorgänger hat durch seine üble Verwaltung ein Heer von Mißbräuchen einreißen lassen, die trotz aller unsrer Bemühungen noch nicht abgestellt sind. Es wäre daher ein Memoire aufzusetzen, worin man alle Gebrechen aufdeckte und der Regierung selbst ohne Schonung die Wahrheit sagte.

Selicour. Erlauben aber Euer Excellenz – eine solche Schrift könnte für ihren Verfasser, könnte für Sie selbst bedenkliche Folgen haben.

Narbonne. Das kümmert mich nicht – Keine Gefahr, keine persönliche

Rücksicht darf in Anschlag kommen, wo die Pflicht gebietet.

Selicour. Das ist würdig gedacht!

Narbonne. Sie sind der Mann zu diesem Werk – Ich brauche Ihnen weiter nichts darüber zu sagen. – Sie kennen das Uebel so gut und besser noch, als ich selbst.

Selicour. Und ich bin, hoffe ich, mit Ihnen darüber einerlei Meinung.

Narbonne. Ohne Zweifel. Dies Geschäft hat Eile. Ich verlasse Sie; verlieren Sie keine Zeit, es ist gerade jetzt der günstige Augenblick – ich möchte es wo möglich noch heute an die Behörde absenden. – Kurz und bündig – es kann mit Wenigem viel gesagt werden! Leben Sie wohl! Gehen Sie ja gleich an die Arbeit! (Er geht ab.)

Sechster Auftritt.

Selicour. Madame Belmont.

Mad. Belmont. Sind Sie allein, Herr Selicour? Ich wollte erwarten, bis er weggegangen wäre – er darf nichts davon wissen.

Selicour. Wovon ist die Rede, Madame?

Mad. Belmont. Wir wollen heute Abend ein kleines Concert geben, und meine Charlotte soll sich dabei hören lassen.

Selicour. Sie singt so schön!

Mad. Belmont. Sie geben sich auch zuweilen mit Versen ab? Nicht wahr?

Selicour. Wer macht nicht einmal in seinem Leben Verse!

Mad. Belmont. Nun, so machen Sie uns ein Lied oder so etwas für heute Abend!

Selicour. Eine Romanze meinen Sie?

Mad. Belmont. Gut, die Romanzen lieben wir besonders!

Selicour. Wenn der Eifer den Mangel des Genies ersetzen könnte —

Mad. Belmont. Schon gut! Schon gut! Ich verstehe.

Selicour. Und ich brauchte allerdings so ein leichtes Spielwerk zu meiner Erholung! – Ich bin die ganze Nacht aufgewesen, um Acten durchzugehen und Rechnungen zu korrigieren!

Mad. Belmont. Eine niederträchtige Beschäftigung!

Selicour. Daß ich mich wirklich ein wenig angegriffen fühle. – Wer weiß! Die Blume der Dichtkunst erquickt mich vielleicht mit ihrem lieblichen Hauch, und du, Balsam der Herzen, heilige Freundschaft!

Siebenter Auftritt.

Vorige. Robineau.

Robineau (hinter der Scene). Nu! Nu! Wenn er drinn ist, wird mir's wohl auch erlaubt sein. Denk' ich —

Mad. Belmont. Was gibt's da?

Robineau (im Eintreten). Dieses Bedientenpack bildet sich mehr ein als seine Herrschaft. – Ich will den Herrn Selicour sprechen.

Selicour. Ich bin's.

Robineau. Das will ich bald sehen. – Ja, mein Seel, das ist er! – leibhaftig – Ich seh' ihn noch, wie er sich im Dorf mit den Jungens herum jagte. – Nun seh' Er jetzt auch 'mal mich an – betracht' Er mich wohl. Ich bin wohl ein bischen verändert – Kennt Er mich?

Selicour. Nein!

Robineau. Ei, ei, ich bin ja des Robineau's Christoph, des Winzers, der die dicke Madelon heirathete, Seines Großvaters Muhme, Herr Selicour!

Selicour. Ach so!

Robineau. Nun – Vetter pflegen sich sonst zu umarmen, denk' ich.

Selicour. Mit Vergnügen. – Seid mir willkommen, Vetter!

Robineau. Großen Dank, Vetter!

Selicour. Aber laßt uns auf mein Zimmer gehen – ich bin hier nicht zu Hause.

Mad. Belmont. Lassen Sie sich nicht stören, Herr Selicour! Thun

Sie, als wenn ich gar nicht da wäre.

Selicour. Mit Ihrer Erlaubniß, Madame, Sie sind gar zu gütig! Man muß ihm sein schlichtes Wesen zu gute halten; er ist ein guter ehrlicher Landmann und ein Vetter, den ich sehr lieb habe.

Mad. Belmont. Das sieht Ihnen ähnlich, Herr Selicour!

Robineau. Ich komme so eben an, Herr Vetter!

Selicour. So – und woher denn?

Robineau. Ei, woher sonst als von unserm Dorf. – Dieses Paris ist aber auch wie zwanzig Dörfer. – Schon über zwei Stunden, daß ich aus dem Postwagen gestiegen, treib' ich mich herum, um Ihn und den La Roche aufzusuchen, Er weiß ja, Seinen Nachbar und Schulkameraden. – Nun, da find' ich Ihn ja endlich, und nun mag's gut sein!

Selicour. Er kommt in Geschäften nach Paris, Vetter?

Robineau. In Geschäften! Hat sich wohl! Ein Geschäft hab' ich freilich —

Selicour. Und welches denn?

Robineau. Je nun – mein Glück hier zu machen, Vetter!

Selicour. Ha! Ha!

Robineau. Nun, das Geschäft ist wichtig genug, denk' ich.

Selicour (zu Madame Belmont). Excusieren Sie.

Mad. Belmont. Er belustigt mich. Selicour. Er ist sehr kurzweilig.

Robineau. Peter, der Kärrner, meinte, der Vetter habe sich in Paris seine Pfeifen gut geschnitten. – Als er noch klein war, der Vetter, da sei er ein loser Schelm gewesen; da hätt's geheißen: Der verdirbt nicht – der wird seinen Weg schon machen! – Wir hatten auch schon von Ihm gehört; aber die Nachrichten lauteten gar zu schön, als daß wir sie hätten glauben können. Wie wir aber nicht länger daran zweifeln konnten, sagte mein Vater zu mir: Geh hin, Christoph! Suche den Vetter Selicour in Paris auf! Die Reise wird dich nicht reuen – Vielleicht machst du dein Glück mit einer guten Heirath. – Ich, gleich auf den Weg, und da bin ich nun! – Nehmen Sie mir's nicht übel, Madame! Die Robineaus gehen gerade aus; was das Herz denkt, muß die Zunge sagen – und wie ich den lieben Herrn Vetter da so vor mir sah, sehen Sie, so ging mir das Herz auf.

Mad. Belmont. Ei, das ist ganz natürlich.

Robineau. Hör' Er, Vetter, ich möchte herzlich gern auch mein Glück machen! Er weiß das Geheimniß, wie man's anfängt; theil' Er mir's doch mit.

Selicour. Sei immer rechtschaffen, wahr und bescheiden! Das ist mein ganzes Geheimniß, Vetter, weiter hab' ich keins. – Es ist doch alles wohl zu Hause?

Robineau. Zum Preis Gottes, ja! Die Familie gedeiht. Der Bertrand hat seine Susanne geheirathet; sie wird bald niederkommen und hofft, der Herr Vetter wird zu Gevatter stehen. Es ist alles in guten Umständen, bis auf Seine arme Mutter. – Die meint, es war' doch hart, daß sie Noth leiden müsse und einen so steinreichen Sohn in der Stadt habe.

Selicour (leise). Halt's Maul, Dummkopf!

Mad. Belmont. Was sagt er von der Mutter?

Selicour (laut). Ist's möglich? Die tausend Thaler, die ich ihr geschickt, sind also nicht angekommen? – Das thut mir in der Seele weh! – Was das doch für schlechte Anstalten sind auf diesen Posten – Die arme, gute Mutter! Was mag sie ausgestanden haben!

Mad. Belmont. Ja wohl! Man muß ihr helfen.

Selicour. Das versteht sich! Sogleich bitte ich den Minister um

Urlaub – es ist eine gerechte Forderung. Ich kann darauf bestehen —

Die Pflicht der Natur geht allen andern vor – Ich eile nach meinem

Ort – in acht Tagen ist alles abgethan! – Sie hat sich nicht in Paris niederlassen wollen, wie sehr ich sie auch darum bat! Die liebe alte

Mutter hängt gar zu sehr an ihrem Geburtsort.

Robineau. So kann ich gar nicht aus ihr klug werden; denn zu uns sagte sie, sie wäre gern nach Paris gekommen, aber der Vetter habe es durchaus nicht haben wollen!

Selicour. Die gute Frau weiß selbst nicht immer, was sie will! – Aber sie nothleidend zu wissen – ach Gott! Das jammert mich und schneidet mir ins Herz.

Mad. Belmont. Ich glaub's Ihnen wohl, Herr Selicour! Aber Sie werden bald Rath geschafft haben. Ich gehe jetzt und lasse Sie mit Ihrem Vetter allein. – Glücklich ist die Gattin, die Sie einst besitzen wird. Ein so pflichtvoller Sohn wird gewiß auch ein zärtlicher Gatte werden! (Ab.)

Achter Auftritt.

Selicour und Robineau.

Robineau. Meiner Treu, Herr Vetter, ich bin ganz verwundert über Ihn – eine so herzliche Aufnahme hätt' ich mir gar nicht von Ihm erwartet. Der ist gar stolz und hochmüthig, hieß es, der wird dich gar nicht mehr erkennen!

Selicour (nachdem er wohl nachgesehen, ob Madame Belmont auch fort ist). Sage mir, du Esel! Was fällt dir ein, daß du mir hier so zur Unzeit über den Hals kommst!

 

Robineau. Nun, nun! Wie ich Ihm schon sagte, ich komme, mein Glück zu machen!

Selicour. Dein Glück zu machen! Der Schafskopf!

Robineau. Ei, ei, Vetter! Wie Er mit mir umgeht; ich lasse mir nicht so begegnen.

Selicour. Du thust wohl gar empfindlich – schade um deinen Zorn —

Von seinem Dorf weg nach Paris zu laufen! Der Tagdieb!

Robineau. Aber was das auf einmal für ein Betragen ist, Herr Vetter! – Erst der freundliche Empfang und jetzt diesen barschen Ton mit mir! – Das ist nicht ehrlich und gerade gehandelt, nehm' Er mir's nicht übel, das ist falsch – und wenn ich das weiter erzählte, wie Er mit mir umgeht – 's würde Ihm schlechte Ehre bringen! Ja, das würd' es!

Selicour (erschrocken). Weitererzählen! Was?

Robineau. Ja, ja, Vetter!

Selicour. Untersteh dich, Bube! – Ich will dich unterbringen – ich will für die Mutter sorgen. Sei ruhig, ich schaffe dir einen Platz, verlaß dich darauf!

Robineau. Nun, wenn Er das —

Selicour. Aber hier können wir nicht davon reden! Fort! Auf mein

Zimmer!

Robineau. Ja, hör' Er, Vetter! Ich möchte so gern ein recht ruhiges und bequemes Brod. Wenn Er mich so bei der Accise unterbringen könnte.

Selicour. Verlaß dich drauf; ich schaffe dich an den rechten Platz.

– Ins Dorf mit dem dummen Dorfteufel über Hals und Kopf. – (Ab.)

Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

La Roche und Karl Firmin begegnen einander.

La Roche. Ich suchte Sie schon längst. – Hören Sie! – Nun, ich hab'

Wort gehalten – ich hab' ihn dem Minister abgeschildert, diesen

Selicour.

Karl. Wirklich? Und es ist also vorbei mit ihm? Ganz vorbei?

La Roche. Das nun eben nicht! – noch nicht ganz – denn ich muß Ihnen sagen, er hat sich herausgelogen, daß ich da stand, wie ein rechter Dummkopf – Der Heuchler stellte sich gerührt, er spielte den zärtlichen Freund, den Großmüthigen mit mir, er überhäufte mich mit Freundschaftsversicherungen und will mich bei dem Bureau als Chef anstellen.

Karl. Wie? Was? Das ist ja ganz vortrefflich! Da wünsche ich

Glück.

La Roche. Für einen Glücksjäger hielt ich ihn; ich hatte geglaubt, daß es ihm nur um Stellen und um Geld zu thun wäre; für so falsch und verrätherisch hätte ich ihn nie gehalten. Der Heuchler mit seinem süßen Geschwätz! Ich war aber sein Narr nicht und hab' es rundweg ausgeschlagen!

Karl. Und so sind wir noch, wo wir waren? Und mein Vater ist nicht besser daran, als vorher?

La Roche. Wohl wahr – aber lassen Sie mich nur machen! Lassen Sie mich machen!

Karl. Ich bin auch nicht weiter. In den Garten hab' ich mich geschlichen, ob ich dort vielleicht meiner Geliebten begegnen möchte. – Aber vergebens! Einige Strophen, die ich mir in der Einsamkeit ausdachte, sind die ganze Ausbeute, die ich zurückbringe.

La Roche. Vortrefflich! Brav! Machen Sie Verse an Ihre Geliebte! Unterdessen will ich die Spur meines Wildes verfolgen :der Schelm betrügt sich sehr, wenn er glaubt, ich habe meinen Plan aufgegeben.

Karl. Lieber La Roche! Das ist unter unserer Würde. Lassen wir diesen Elenden sein schmutziges Handwerk treiben und das durch unser Verdienst erzwingen, was er durch Niederträchtigkeit erschleicht.

La Roche. Weg mit diesem Stolz! Es ist Schwachheit, es ist

Vorurtheil! – Wie? Wollen wir warten, bis die Redlichkeit die Welt regiert – da würden wir lange warten müssen. Alles schmiedet Ränke!

Wohl, so wollen wir einmal für die gute Sache ein Gleiches versuchen.

– Das geht übrigens Sie nichts an. – Machen Sie Ihre Verse, bilden

Sie Ihr Talent aus, ich will es geltend machen, ich – das ist meine

Sache!

Karl. Ja, aber die Klugheit nicht vergessen. – Sie haben sich heute übel ertappen lassen.

La Roche. Und es wird nicht das letzte Mal sein. – Aber thut nichts! Ich schreite vorwärts. Ich lasse mich nicht abschrecken, ich werde ihm so lange und so oft zusetzen, daß ich ihm endlich doch Eins beibringe. Ich bin lange sein Narr gewesen, jetzt will ich auch ihm einen Possen spielen. Lassen wir's den Buben so forttreiben, wie er's angefangen, so werde ich bald der Schelm und Ihr Vater der Dummkopf sein müssen!

Karl. Man kommt!

La Roche. Er ist es selbst!

Karl. Ich kann seinen Anblick nicht ertragen. In den Garten will ich zurückgehen und mein Gedicht vollenden. (Ab.)

La Roche. Ich will auch fort! Auf der Stelle will ich Hand ans Werk legen. Doch nein – es ist besser, ich bleibe. Der Geck glaubte sonst, ich fürchte mich vor ihm!

Zweiter Auftritt.

Selicour und La Roche.

Selicour. Ach, sieh da! Finde ich den Herrn La Roche hier?

La Roche. Ihn selbst, Herr Selicour!

Selicour. Sehr beschämt, wie ich sehe.

La Roche. Nicht sonderlich.

Selicour. Ihr wüthender Ausfall gegen mich hat nichts gefruchtet —

Der Freund hat seine Bolzen umsonst verschossen.

La Roche. Hat nichts zu sagen.

Selicour. Wahrlich, Freund La Roche! So hart Sie mir auch zusetzten

– Sie haben mir leid gethan mit Ihren närrischen Grillen.

La Roche. Herr Narbonne ist jetzt nicht zugegen. – Zwingt Euch nicht!

Selicour. Was beliebt?

La Roche. Seid unverschämt nach Herzensgelüsten.

Selicour. Sieh doch!

La Roche. Brüstet Euch mit Eurem Triumph. Ihr habt mir's abgewonnen!

Selicour. Freilich, es kann Einen stolz machen, über einen so fürchterlichen Gegner gesiegt zu haben.

La Roche. Wenn ich's heute nicht recht machte, in Eurer Schule will ich's bald besser lernen.

Selicour. Wie, Herr La Roche? Sie haben es noch nicht aufgegeben, mir zu schaden?

La Roche. Um eines unglücklichen Zugs willen verläßt man das Spiel nicht!

Selicour. Ein treuer Schildknappe also des ehrlichen Firmins! – Sieh, sieh!

La Roche. Er muß dir oft aus der Noth helfen, dieser ehrliche Firmin.

Selicour. Was gibt er dir für deine Ritterschaft?

La Roche. Was bezahlst du ihm für die Exercitien, die er dir ausarbeitet?

Selicour. Nimm dich in Acht, Freund Roche! – Ich könnte dir schlimme

Händel anrichten.

La Roche. Werde nicht böse, Freund Selicour! – Der Zorn verräth ein böses Gewissen.

Selicour. Freilich sollte ich über deine Thorheit nur lachen.

La Roche. Du verachtest einen Feind, der dir zu schwach scheint.

Ich will darauf denken, deine Achtung zu verdienen! (Geht ab.)

Dritter Auftritt.

Selicour allein.

Sie wollen den Firmin zum Gesandten haben. – Gemach, Kamerad! – So weit sind wir noch nicht. – Aber Firmin betrug sich immer so gut gegen mich. – Es ist der Sohn vermutlich – der junge Mensch, der sich mit Versen abgibt, ganz gewiß – und dieser La Roche ist's, der sie hetzt! – Dieser Firmin hat Verdienste, ich muß es gestehen, und wenn sie je seinen Ehrgeiz aufwecken, so kenne ich Keinen, der mir gefährlicher wäre. – Das muß verhütet werden! – Aber in welcher Klemme sehe ich mich! – Eben diese beiden Firmins wären mir jetzt gerade höchst nöthig, der Vater mit seinen Einsichten und der Sohn mit seinen Versen. – Laß uns fürs erste Nutzen von ihnen ziehen, und dann schafft man sie sich schon gelegentlich vom Halse.

Vierter Auftritt.

Firmin der Vater und Selicour.

Selicour. Sind Sie's, Herr Firmin? Eben wollte ich zu Ihnen.

Firmin. Zu mir?

Selicour. Mich mit Ihnen zu erklären —

Firmin. Worüber?

Selicour. Ueber eine Armseligkeit – Lieber Firmin, es ist mir ein rechter Trost, Sie zu sehen. – Man hat uns veruneinigen wollen.

Firmin. Uns veruneinigen?

Selicour. Ganz gewiß. Aber es soll ihnen nicht gelingen, hoff' ich.

Ich bin Ihr wahrer und aufrichtiger Freund, und ich hab' es heute bewiesen, denk' ich, da dieser tollköpfige La Roche mich bei dem

Minister anschwärzen wollte.

Firmin. Wie? Hätte der La Roche —

Selicour. Er hat mich auf das abscheulichste preisgegeben.

Firmin. Er hat seine Stelle verloren. – Setzen Sie sich an seinen

Platz.

Selicour. Er ist ein Undankbarer! Nach allem, was ich für ihn gethan habe – Und es geschehe, sagte er, um Ihnen dadurch einen Dienst zu leisten. – Er diente Ihnen aber schlecht. Da er mir zu schaden suchte. – Was will ich denn anders, als Ihr Glück? – Aber ich weiß besser, als dieser Brauskopf, was Ihnen dient. Darum habe ich mir schon ein Plänchen mit Ihnen ausgedacht. – Das lärmende Treiben der Bureaux ist Ihnen verhaßt, das weiß ich; Sie lieben nicht, in der geräuschvollen Stadt zu leben. – Es soll für Sie gesorgt werden, Herr Firmin! – Sie suchen sich irgend ein einsames stilles Plätzchen aus, ziehen einen guten Gehalt, ich schicke Ihnen Arbeit hinaus, Sie mögen gern arbeiten, es soll Ihnen nicht daran fehlen.

Firmin. Aber wie —

Selicour. Das sind aber bloß noch Ideen, es hat noch Zeit bis dahin. – Glücklich, der auf der ländlichen Flur seine Tage lebt! Ach, Herr Firmin! So wohl wird es mir nicht! Ich bin in die Stadt gebannt, ein Lastthier der Verhältnisse, den Pfeilen der Bosheit preisgegeben. Auch hielt ich's für die Pflicht eines guten Verwandten, einen Vetter, der sich hier niederlassen wollte, über Hals und Kopf wieder aufs Land zurück zu schicken. – Der gute Vetter! Ich bezahlte ihm gern die Reisekosten – denn, sagen Sie selbst, ist's nicht unendlich besser, auf dem Land in der Dunkelheit frei zu leben, als hier in der Stadt sich zu placken und zu quälen? —

Firmin. Das ist meine Meinung auch. – Aber was wollten Sie eigentlich bei mir?

Selicour. Nun, wie ich sagte, vor allen Dingen mich von der Freundschaft meines lieben Mitbruders überzeugen – und alsdann – Sie haben mir so oft schon aus der Verlegenheit geholfen; ich verhehle es nicht, ich bin Ihnen so viel – so Vieles schuldig – mein Posten bringt mich um – mir liegt so Vieles auf dem Halse – wahrhaftig, es braucht meinen ganzen Kopf, um herum zu kommen – Sie sind zufrieden mit unserm Minister?

Firmin. Ich bewundere ihn.

Selicour. Ja, das nenn' ich einmal einen fähigen Chef! Und wahrlich, es war auch die höchste Noth, daß ein solcher an den Platz kam, wenn nicht alles zu Grunde gehen sollte. – Es ist noch nicht alles, wie es soll, sagte ich ihm heute – wollen Sie, daß alles seinen rechten Gang gehe, so müßten Sie ein Memoire einreichen, worin alles, was noch zu verbessern ist, mit der strengsten Wahrheit angezeigt wäre. – Diese meine Idee hat er mit Eifer ergriffen und will eine solche Schrift unverzüglich aufgesetzt haben. – Er trug sie mir auf – aber die unendlichen Geschäfte, die auf mir liegen – in der That, ich zittre, wenn ich an einen Zuwachs denke —

Firmin. Und da rechnen Sie denn auf mich – nicht wahr?

Selicour. Nun ja, ich will's gestehen!

Firmin. Sie konnten sich diesmal an keinen Bessern wenden!

Selicour. O das weiß ich! Das weiß ich!

Firmin. Denn da ich so lange Zeit von den Mißbräuchen unter der vorigen Verwaltung Augenzeuge war – so habe ich, um nicht bloß als müßiger Zuschauer darüber zu seufzen, meine Beschwerden und Verbesserungspläne dem Papiere anvertraut – und so findet sich, daß die Arbeit, die man von Ihnen verlangt, von mir wirklich schon gethan ist! – Ich hatte mir keinen bestimmten Gebrauch dabei gedacht – ich schrieb bloß nieder, um mein Herz zu erleichtern.

Selicour. Ist's möglich? Sie hätten —

Firmin. Es liegt alles bereit, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen.

Selicour. Ob ich das will! O mit Freuden! – Das ist ja ein ganz erwünschter Zufall!

Firmin. Aber die Papiere sind nicht in der besten Ordnung!

Selicour. O diese kleine Mühe übernehm' ich gern – noch heute Abend soll der Minister das Memoire haben – Ich nenne Sie als Verfasser, Sie sollen den Ruhm davon haben.

Firmin. Sie wissen, daß mir's darauf eben nicht ankommt! Wenn ich nur Gutes stifte, gleichviel, unter welchem Namen.

Selicour. Würdiger, scharmanter Mann! Niemand läßt Ihrem bescheidnen Verdienst mehr Gerechtigkeit widerfahren, als ich. – Sie wollen mir also die Papiere —

Firmin. Ich kann sie gleich holen. Wenn Sie so lange verziehen wollen.

Selicour. Ja, gehen Sie! Ich will hier warten.

Firmin. Da kommt mein Sohn – Er kann Ihnen unterdessen Gesellschaft leisten – Aber sagen Sie ihm nichts davon – hören Sie! Ich bitte mir's aus!

Selicour. So! Warum denn nicht?

Firmin. Aus Ursachen.

Selicour. Nun, wenn Sie so wollen! Es wird mir zwar sauer werden,

Ihre Gefälligkeit zu verschweigen. – (Wenn Firmin fort ist.) Der arme

Schelm! Er fürchtet wohl gar, sein Sohn werde ihn auszanken.

Fünfter Auftritt.

Karl. Selicour.

Karl (kommt, in einem Papier lesend, das er beim Anblick Selicours schnell verbirgt). Schon wieder dieser Selicour – (Will gehen.)

 

Selicour. Bleiben Sie doch, mein junger Freund! – Warum fliehen Sie so die Gesellschaft?

Karl. Verzeihung, Herr Selicour! – (Für sich.) Daß ich dem Schwätzer in den Weg laufen mußte!

Selicour. Ich habe mich schon längst darnach gesehnt, Sie zu sehen, mein Bester! – Was machen die Musen? Wie fließen uns die Verse? – Der gute Herr Firmin hat allerlei dagegen, ich weiß aber, er hat Unrecht. – Sie haben ein so entschiednes Talent! – Wenn die Welt Sie nur erst kennte – aber das wird kommen! Noch heute früh sprach ich von Ihnen —