Erbrecht

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IV. Der Erbvertrag
1. Hintergrund

Neben dem Testament (einseitiges Rechtsgeschäft) kennt das Gesetz als Verfügung von Todes wegen den Erbvertrag. Bei ihm handelt es sich um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft von Todes wegen. Da sich der Erbvertrag weder als sachenrechtlicher Verfügungsvertrag noch als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft qualifizieren lässt, ist er ein Vertrag eigener Art (sui generis). Auf ihn findet das Schuldrecht keine Anwendung. Streng hiervon zu trennen ist aber eine im Rahmen des Erbvertrags eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung. Diese unterliegt den Vorschriften des Schuldrechts.

Der Erbvertrag kommt zwischen dem Erblasser und einer anderen Person zustande (§ 1941 Abs. 1 BGB). Anders als beim Testament, dessen einzelne Anordnungen der Erblasser jederzeit widerrufen kann, kann eine einzelne Verfügung im Erbvertrag geschlossen werden, die den Erblasser bereits zu Lebzeiten so bindet, dass er sie nicht mehr einseitig aufheben kann, sog. vertragsmäßige Verfügung. Diese Bindungswirkung, die eine Einschränkung der Testierfreiheit bedeutet, ist der Sinn des Erbvertrags. Unabhängig hiervon kann der Erblasser aber zu Lebzeiten über sein Vermögen unter Lebenden verfügen (§ 2286 BGB).

Der Erbvertrag setzt nur eine vertragsmäßige Verfügung voraus. Der Vertragspartner des Erblassers muss selbst keine Verfügung von Todes wegen treffen. Er muss auch nicht zwingend Erbe des Erblassers oder Vermächtnisnehmer werden. Denkbar ist also, dass der Erblasser den Erbvertrag zugunsten eines außenstehenden Dritten abschließt (§ 1941 Abs. 2 BGB). Treffen jedoch beide Vertragspartner Verfügungen von Todes wegen, sind beide als Erblasser anzusehen. Es liegt dann ein sog. gegenseitiger oder gemeinschaftlicher Erbvertrag vor.

2. Abschluss

Nach § 2275 Abs. 1 BGB muss der Erblasser bei Vertragsschluss unbeschränkt geschäftsfähig sein. Er muss den Vertragsschluss höchstpersönlich vornehmen und kann sich nicht vertreten lassen (§ 2274 BGB). Vertragspartner des Erblassers kann ein beliebiger Dritter sein. Anders als beim gemeinschaftlichen Testament muss es sich bei dem Vertragspartner des Erblassers also nicht um dessen Ehegatten oder dessen eingetragenen Lebenspartner handeln12). Der Vertragspartner des Erblassers, der selbst keine Verfügung von Todes wegen vornimmt, kann sich hingegen vertreten lassen. Für ihn gelten die allgemeinen Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit.

Hinsichtlich der Form des Erbvertrags ist § 2276 Abs. 1 BGB zu beachten: Der Vertragsschluss kann nur zur Niederschrift eines Notars erfolgen. Danach ist die gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsteile, insbesondere gemäß § 2274 BGB die persönliche Anwesenheit des Erblassers erforderlich. Verstößt der Erbvertrag gegen die gesetzliche Form, so ist er gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Es kommt aber eine Umdeutung nach § 140 BGB in ein einseitiges Testament oder in ein gemeinschaftliches Testament in Betracht, wenn die jeweils hierfür geltenden Voraussetzungen vorliegen.

3. Inhalt

Der Erbvertrag setzt mindestens eine vertragsmäßige Verfügung voraus. Nur


Erbeinsetzungen,


Vermächtnisse,


Auflagen und


die Wahl des anzuwendenden Erbrechts

können vertragsmäßig angeordnet werden (§ 2278 Abs. 2 BGB). Vertragsmäßig ist eine Verfügung dann, wenn der Erblasser sich zu Lebzeiten bindet, so dass er seine Verfügung nicht mehr einseitig widerrufen kann. Lässt sich dem Erbvertrag nicht eindeutig entnehmen, ob eine Verfügung vertragsmäßig oder einseitig sein soll, ist dies mithilfe der Auslegung zu ermitteln, indem nach dem erkennbaren Willen der Vertragsschließenden gefragt wird. Eine Vermutung dahingehend, dass eine Erbeinsetzung, die Anordnung eines Vermächtnisses oder einer Auflage bindend sein soll, besteht nicht. Zuwendungen an den Vertragspartner sind aber in der Regel als vertragsmäßig anzusehen13). Gleiches gilt für andere Verfügungen, wenn der Vertragspartner ein eigenes Interesse an der Verfügung hat14).

Auch wenn der Erbvertrag häufig Verfügungen zugunsten des Vertragspartners enthält, so ist dies nicht zwingend notwendig. Der Erbvertrag kann auch Verfügungen zugunsten eines am Vertrag nicht mitwirkenden Dritten enthalten. So kann dieser Dritte zum Erben eingesetzt werden oder zu seinen Gunsten ein Vermächtnis angeordnet werden.

Der Vertragspartner muss selbst keine Verfügung von Todes wegen treffen. Nehmen jedoch beide Vertragsschließenden Verfügungen von Todes wegen vor, so liegt ein gegenseitiger bzw. gemeinschaftlicher Erbvertrag i. S. des § 2298 BGB vor; es gibt zwei Erblasser (z. B. Eheleute bedenken sich gegenseitig).

Nach § 2299 BGB kann jeder Vertragsschließende im Erbvertrag auch einseitige Verfügungen von Todes wegen treffen. Liegt keine Erbeinsetzung, kein Vermächtnis und keine Auflage vor, so handelt es sich stets um eine einseitige Verfügung (§ 2278 Abs. 2 BGB). Eine einseitige Verfügung ist jederzeit widerruflich, denn für sie gilt nichts anderes als für eine testamentarische Anordnung (§ 2299 Abs. 2 Satz 1 BGB).

4. Bindungswirkung der vertragsmäßigen Verfügungen und Verfügungen unter Lebenden

Die Bindungswirkung der vertragsmäßigen Verfügung zeigt sich darin, dass sie nicht einseitig vom Erblasser widerrufen werden kann. Der Erblasser kann also für den Fall seines Todes sein Vermögen oder einzelne Vermögensgegenstände nicht einem anderen zuwenden. Die Bindungswirkung zeigt sich aber auch darin, dass eine frühere letztwillige Verfügung durch den Erbvertrag aufgehoben wird, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 Satz 1). Eine spätere Verfügung von Todes wegen ist unwirksam, wenn sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Fraglich ist indes, welche Rechtsfolgen es hat, wenn der Erblasser zu Lebzeiten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden über sein Vermögen verfügt. Auf diese Weise könnte der Erblasser nämlich eine erbvertragliche Bindung unterlaufen. Der erbvertraglich Bedachte hätte faktisch nur eine ausgehöhlte Rechtsposition inne.

Beispiel: Die Erblasserin E setzt in einem Erbvertrag ihre Tochter T zur Alleinerbin ein und ordnet ein Vermächtnis an, wonach ihr Sohn S die Wertpapiere erhalten soll. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem von E selbst genutzten Grundstück und Wertpapieren, deren Wert dem des Grundstücks entspricht. Als E zu der Auffassung gelangt, dass sie ihren Sohn S in dem Erbvertrag nicht ausreichend bedacht hat, schenkt sie ihm zu Lebzeiten das hälftige Grundstück. S wird als Miteigentümer zu 1/2 in das Grundbuch eingetragen.

Das Recht des Erblassers, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, wird durch den Erbvertrag nicht beschränkt, dies verlangt die ausdrückliche Regelung des § 2286 BGB. Der Erblasser ist also nur erbrechtlich gebunden. Zu Lebzeiten kann er wirksame Verfügungen vornehmen, etwa Grundstücke übereignen und Forderungen abtreten – und dies unabhängig davon, ob damit Rechte des erbvertraglich Bedachten beeinträchtigt werden. Ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der vom Erblasser vorgenommenen Verfügung ist es sogar, wenn der Erblasser diese in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen hat.

Nach § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe mit Eintritt des Erbfalls aber in den Fällen, in welchen der Erblasser die Schenkung mit Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen hat, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verlangen. Voraussetzung des Anspruchs ist die Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers. Ob der Erblasser mit Beeinträchtigungsabsicht gehandelt hat, hängt davon ab, ob die Vermögensdisposition des Erblassers durch ein anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse gerechtfertigt ist oder nicht15). In diesem Zusammenhang hat eine Abwägung der Interessen des Vertragserben an der uneingeschränkten Bindungskraft des Erbvertrags mit den Interessen des Erblassers an einer abweichenden Vermögensdisposition stattzufinden16). Nicht ausreichend ist, dass der Erblasser zu der Auffassung gelangt, er habe einen gesetzlichen Erben im Erbvertrag unzureichend bedacht, so dass nunmehr eine Korrektur über eine Schenkung erfolgen müsse17) oder dass der Erblasser durch eine lebzeitige Zuwendung für die Gleichbehandlung seiner Kinder sorgen möchte, die er nachträglich als ungerecht empfindet18). Jedenfalls wird eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen i. S. des § 1365 BGB als übermäßig angesehen19). Von Bedeutung ist darüber hinaus der Zeitpunkt der Schenkung: Erfolgte sie zu einem Zeitpunkt des sich abzeichnenden Todes des Erblassers, so triff die wirtschaftliche Last mehr den Erben als den Erblasser, während etwas anderes anzunehmen, wenn der Erblasser noch ein langes Leben zu erwarten hatte20). In folgenden Einzelfällen wurde hingegen ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers bejaht: übliche Gelegenheitsgeschenke zu Geburtstagen, Hochzeiten, Weihnachten solange es sich nicht um Übermaßschenkungen handelt, Schenkungen an Dritte, wenn sie aus mildtätigen Motiven heraus erfolgen und einen angemessenen Umfang nicht überschreiten21) sowie Schenkungen nur aus dem Ertrag des Vermögens, nicht dagegen zu Lasten der Substanz22).

 

Über § 2288 BGB wird auch der erbvertraglich bedachte Vermächtnisnehmer geschützt. Ihm stehen Ansprüche gegen den Erben und ggf. subsidiär gegen den Beschenkten zu. Voraussetzung der Ansprüche aus § 2288 BGB ist allerdings auch hier, dass der Erblasser jeweils mit Beeinträchtigungsabsicht gehandelt hat.

5. Beseitigung der Bindungswirkung von vertragsmäßigen Verfügungen

Da vertragsmäßige Verfügungen bindend sind, kann der Erblasser sie nicht jederzeit einseitig widerrufen. Gleichwohl gibt es Möglichkeiten die Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen zu beseitigen. Hierbei ist zwischen dem einverständlichen Handeln der Vertragspartner des Erbvertrags und dem einseitigen Handeln des Erblassers zu unterscheiden.


a) Einverständliche Aufhebung

Die Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen kann beseitigt werden, indem die Personen, die den Erbvertrag geschlossen haben, entweder die einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen oder den Erbvertrag als Ganzes durch einen (neuen) Vertrag aufheben (§ 2290 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Aufhebungsvertrag bedarf der für den Erbvertrag vorgeschriebenen Form (§ 2290 Abs. 4 BGB). Denkbar ist auch der Abschluss eines neuen, formwirksamen Erbvertrags mit einem abweichenden, i. S. von § 2258 Abs. 1 BGB widersprechenden Inhalt23).

Die Aufhebung des Erbvertrags erreicht der Erblasser auch dadurch, dass er gemeinsam mit seinem Vertragspartner den Erbvertrag aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung nimmt (§ 2300 Abs. 2 Satz 3 BGB i. V. mit § 2256 Abs. 1 BGB).

Wurde der Erbvertrag zwischen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern geschlossen, so können diese den Erbvertrag auch durch ein gemeinschaftliches Testament aufheben (§ 2292 BGB).

Sofern die vertragsmäßige Verfügung in einem Vermächtnis oder einer Auflage besteht, genügt ein Aufhebungstestament des Erblassers, welches zur Wirksamkeit der notariell zu beurkundenden Zustimmung des Vertragspartners bedarf (§ 2291 BGB).

b) Rücktritt vom Erbvertrag

Der Rücktritt vom Erbvertrag ist nicht frei möglich. Für den Rücktritt bedarf es eines Rücktrittsgrundes. Nach § 2293 BGB kann der Erblasser vom Erbvertrag zurücktreten, wenn er sich den Rücktritt im Vertrag vorbehalten hat. Das Recht zum Rücktritt von einer vertragsmäßigen Verfügung kann sich auch daraus ergeben, dass sich der Bedachte einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen würde (§ 2294 BGB). Eine solche Verfehlung ist etwa in einem Angriff auf das Leben des Erblassers zu sehen. Schließlich kann der Erblasser nach § 2295 BGB von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn seine Verfügung erfolgte, weil der Bedachte sich seinerseits verpflichtete auf Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten und diese Verpflichtung weggefallen ist.

Der Rücktritt kann nur durch eine persönliche, notariell zu beurkundende Erklärung des Erblassers gegenüber dem Vertragspartner erfolgen (§ 2296 Abs. 2 BGB). Der Rücktritt führt zur Unwirksamkeit der von ihm betroffenen vertragsmäßigen Verfügung. Bei einem Erbvertrag, in welchem auch der andere Vertragsschließende eine vertragsmäßige Verfügung getroffen hat (sog. gegenseitiger Erbvertrag), führt die Unwirksamkeit der einen vertragsmäßigen Verfügung wegen des inneren Zusammenhalts der beiderseitigen Verfügungen in der Regel zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags (§ 2298 BGB). Mit dessen Unwirksamkeit treten in der Regel auch einseitige Verfügungen außer Kraft (§ 2299 Abs. 3 BGB).

c) Anfechtung des Erbvertrags

Der Erblasser, dem der jederzeitige Widerruf einer vertragsmäßigen Verfügung verwehrt ist, kann deren Bindungswirkung dadurch beseitigen, dass er den Erbvertrag aufgrund der §§ 2078, 2079 BGB selbst anficht (§ 2281 Abs. 1 BGB). Da ein bloßer Motivirrtum zur Anfechtung berechtigt, können z. B. enttäuschte Erwartungen des Erblassers über das künftige Verhalten der bedachten Person24) oder über den harmonischen Verlauf der Ehe mit dem Bedachten25) einen Anfechtungsgrund bilden26). Dabei müssen nicht nur ausdrücklich genannte Vorstellungen vorliegen, sondern auch unbewusste Vorstellungen des Erblassers und solche, die auf als selbstverständlich angenommenen Voraussetzungen beruhen, können enttäuscht werden, was ggf. zur Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB berechtigt27).

Zur Anfechtung bedarf es darüber hinaus einer persönlichen, notariell zu beurkundenden Erklärung des Erblassers gegenüber dem Vertragspartner (§ 143 Abs. 1 und 2 BGB), nach dessen Tod bei Verfügungen zugunsten eines Dritten gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2281 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr ab Kenntnis des Irrtums bzw. Beendigung der Zwangslage § 2283 Abs. 1 und 2 BGB.

Die Anfechtung kann nach dem Erbfall auch durch einen Dritten erfolgen; nämlich durch den, dem der Wegfall der angefochtenen Verfügung von Todes wegen unmittelbar zustatten käme (§ 2080 BGB). Ist das Anfechtungsrecht des Erblassers aber erloschen, so kann der Dritte auch nicht mehr anfechten (§ 2285 BGB).

V. Das gemeinschaftliche Testament
1. Hintergrund und Bedeutung

Das Gesetz stellt Eheleuten, aber auch gleichgeschlechtlichen Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem gemeinschaftlichen Testament eine besondere Testamentsform zur Verfügung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Eheleute und eingetragene Lebenspartner häufig eine gemeinsame Nachlassplanung vornehmen, und zwar dergestalt, dass sowohl für den Tod des ersten Ehegatten/Lebenspartners als auch für den Tod des zweiten gemeinsam entwickelte, aufeinander abgestimmte Verfügungen von Todes wegen greifen sollen.

Dem Gesetz lassen sich weder eine Definition des gemeinschaftlichen Testaments noch dessen Rechtsfolgen klar entnehmen. Gleichwohl ist anerkannt, dass das gemeinschaftliche Testament letztwillige Verfügungen beider Beteiligten enthalten muss. Jeder trifft für sich eine Verfügung von Todes wegen. Das gemeinschaftliche Testament ist also ein einheitliches Testament, das für den Tod beider Ehegatten (also für zwei Erbfälle) gilt28). Eine gemeinsame Testamentsurkunde ist allerdings nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass jeder der beiden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner im Zeitpunkt der Errichtung weiß und will, dass er mit dem anderen gemeinsam verfügt und dies in irgendeiner Weise in der Urkunde angedeutet ist. Gibt es Ver­fügungen in einer gemeinsamen Urkunde oder auf einem Blatt, so ist in aller Regel von einem gemeinschaftlichen Testament auszugehen29). Hat jeder der Testierenden seinen letzten Willen formwirksam in einem eigenen Schriftstück niedergelegt, so muss zumindest der Wille beider zum gemeinschaftlichen Testieren angedeutete sein. Hiervon wird bei der Verwendung des Wortes „wir“, der Bestimmung eines „gemeinsamen Erben“ oder gleich lautender Regelungen für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ ausgegangen30).

Anders als der Erbvertrag, der sowohl Verfügung von Todes wegen als auch Vertrag ist, weist das gemeinschaftliche Testament keine Vertragselemente auf. Es ist allein als Testament i. S. der §§ 2229 ff. BGB zu qualifizieren, so dass die Regelungen zum Testament Anwendung finden, sofern nicht die Sonderreglungen der §§ 2265 ff. BGB greifen. Eine notarielle Beurkundung, wie sie für den Erbvertrag vorgesehen ist, ist nicht notwendig. Es besteht sogar eine Formerleichterung gegenüber § 2247 BGB, denn nach § 2267 Satz 1 BGB genügt zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Im Vergleich zu vertragsmäßigen Verfügungen eines Erbvertrags ist die Bindungswirkung sog. wechselbezüglicher Verfügungen nicht so stark. Sie sind frei widerruflich, solange beide Ehegatten noch leben. Für die Form des Widerrufs bedarf es jedoch, wie beim Rücktritt vom Erbvertrag, der notariell beurkundeten Widerrufserklärung gegenüber dem anderen Ehegatten (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit § 2296 BGB).

2. Inhalt
a) Die Einsetzung von Schlusserben

Die Testierenden können sich in dem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden ein Dritter den Nachlass (sog. Schlusserbe) erben soll. Häufig werden die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt31). Die Schlusserbeneinsetzung kann auf zweierlei Weise erfolgen:


Die Schlusserbeneinsetzung kann in der Weise vorgenommen werden, dass der überlebende Ehegatte hinsichtlich des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten nur Vorerbe und der Dritte Nacherbe wird. Der Dritte ist dann nicht nur Nacherbe des Erstversterbenden, sondern zugleich Erbe des Letztversterbenden. Da die Vermögensmasse des Nachlasses von der des als Vor­erbe erbenden Ehegatten getrennt bleibt, also die des Erstversterbenden nicht mit der des Vorerben verschmilzt, spricht man vom Trennungsprinzip.

Beispiel: Die Eheleute Martin (M) und Frieda (F) haben zwei Kinder Klaus (K1) und Karin (K2). In einem gemeinschaftlichen Testament setzen sie sich jeweils zu Alleinerben ein und bestimmen, dass der Alleinerbe nur Vorerbe und die gemeinsamen Kinder Nacherben werden sollen. Sie bestimmen ferner, dass Erben des Letztversterbenden die gemeinsamen Kinder werden sollen. Verstirbt M, so stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:


F ist Vorerbin. Als solche unterliegt sie bezüglich des Nachlasses des M den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB, während sie über ihr eigenes Vermögen frei verfügen kann. Bis zum Tod der F bleiben die Vermögensmassen (Vermögen des M und Vermögen der F) getrennt.

K1 und K2 sind Nacherben des M. Sie erben das Vermögen des M erst, wenn F stirbt. Dann erben sie aber nicht nur das Vermögen des M, sondern auch das der F als Vollerben.

Erfolgt die Schlusserbeneinsetzung aber in der Weise, dass der überlebende Ehegatte nicht nur Vorerbe wird sondern uneingeschränkter Erbe, dann verschmilzt das Vermögen des Erstversterbenden mit dem seines überlebenden Ehegatten zu einer Einheit. Diese Einheit geht auf den Dritten als Schlusserben über. Insofern wird dieser Weg als Einheitsprinzip bezeichnet.

Beispiel: Die Eheleute Matthias (M) und Frauke (F) haben zwei Kinder Knut (K1) und Karla (K2). In einem gemeinschaftlichen Testament setzen sie sich jeweils zu Alleinerben als Vollerben ein und bestimmen, dass Schlusserben des Letztversterbenden die gemeinsamen Kinder werden sollen. Verstirbt M, so stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:


F wird Vollerbin des M. Das Vermögen des M verschmilzt mit dem der F. K1 und K2 sind hingegen enterbt. Ihnen stehen lediglich Pflichtteilsansprüche gegen F zu. Mit dem Tod der F werden die Kinder Schlusserben.

Welche Rechtsfolge die Ehegatten wollten, ob sie sich für das Trennungsprinzip oder das Einheitsprinzip entschieden haben, ist in der Praxis oftmals nicht eindeutig zu beantworten. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Vermögen des einen Ehegatten auf seine Verwandten und das des anderen auf dessen Verwandten im Schlusserbfall übergehen soll, so ist von dem Trennungsprinzip mit Vor- und Nacherbfolge auszugehen. Anders ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn die Ehegatten ihr Vermögen nicht als getrennte Vermögensmassen ansehen, sondern als Einheit und dem Überlebenden keinerlei Beschränkungen des Nachlasses auferlegen wollen. Letztlich kann auf die wichtige Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. Danach ist im Zweifel vom Einheitsprinzip auszugehen.

 

Ob die Ehegatten das Trennungs- oder das Einheitsprinzip gewollt haben, hat Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht. Ist vom Trennungsprinzip auszugehen, so hat das als Nacherbe eingesetzte Kind (Abkömmling) nur dann ein Pflichtteilsrecht, wenn es die Einsetzung zum Nacherben aus­schlägt (§ 2306 Abs. 2 und Abs. 1 BGB). Die Ausschlagung der Nacherbschaft kann der Nacherbe mit dem Vorerbfall, also schon vor dem Eintritt des Nacherbfalls vornehmen. Die Erbschaft verbleibt dann dem Vorerben (§ 2142 Abs. 2 BGB).

Liegt den testamentarischen Anordnungen dagegen das Einheitsprinzip zugrunde, so hat das als Schlusserbe eingesetzte Kind (Abkömmling), welches im Hinblick auf den ersten Erbfall ja enterbt worden ist, unmittelbar Pflichtteilsansprüche gegen den überlebenden Ehegatten. Um dies zu verhindern, wählen die Ehegatten häufig eine sog. Pflichtteilsstrafklausel. Danach wird das Kind, das nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil fordert, beim zweiten Erbfall, also dem Erbfall des längerlebenden Ehegatten auf den Pflichtteil gesetzt. Der überlebende Ehegatte kann mithin neu testieren, er ist an die Einsetzung des Kindes (Abkömmlings) nicht mehr gebunden.

In gemeinschaftlichen Testamenten findet sich häufig zusätzlich zu der gegenseitigen Einsetzung zum Alleinerben eine sog. Wiederverheiratungsklausel. Diese sieht vor, dass der überlebende Ehegatte im Fall der Wiederheirat sein Alleinerbrecht verliert und entweder die gesetzliche Erbfolge gilt oder der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten an die gemeinsamen Kinder fällt. Hintergrund der Regelung ist, dass den Abkömmlingen im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten ihr Anteil am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten bereits zu Lebzeiten des Überlebenden zugewendet werden soll, da der Nachlass sowohl tatsächlich als auch rechtlich (durch Hinzukommen des neuen Ehegatten und etwaiger Abkömmlinge als Pflichtteilsberechtigten) geschmälert werden kann32). Die Rechtsfolgen einer solchen Wiederverheiratungsklausel sind umstritten und bereiten in der Praxis häufig Schwierigkeiten, insbesondere bei Zugrundelegung des Einheitsprinzips. In der Wiederverheiratungsklausel ist eine konstruktive Vor- und Nacherbschaft zu sehen33). Heiratet der überlebende Ehegatte, so soll sein Erbrecht (teilweise) enden, und die gemeinsamen Abkömmlinge sollen ihre Anteile am Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten als dessen Erben erhalten34). Die Vollerbeneinsetzung des längerlebenden Ehegatten steht demnach unter der auflösenden Bedingung seiner Wiederheirat. Diese ist zugleich aufschiebende Bedingung der Einsetzung der bisherigen Schlusserben zu Nacherben und dem längerlebenden Ehegatten als befreiten Vorerben.

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