Männerdämmerung

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Wenn das Reich Gottes auf den Plan tritt, bleibt nichts, wie es war. Da kommt Bewegung in die Routine und Farbe in das graue Alltagseinerlei. Hier wurde ein bis dahin völlig bedeutungsloses Leben zu einem Leben transformiert, welches in die Geschichte einging.

Und es geschah, als er in einer der Städte war, siehe, da war ein Mann voller Aussatz; und als er Jesus sah, fiel er auf sein Angesicht und bat ihn und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will. Sei gereinigt! Und sogleich wich der Aussatz von ihm (Lk 5,12-13).

Hier wendet sich das Schicksal für einen aussätzigen Mann. Ein solcher Lepröser war seinerzeit „lebendig tot“. Beherrscht von einer Krankheit, die ihn zu einem Außenseiter machte, zum entstellten „Zombie“, siechte er ohne jede Hoffnung in einer Kolonie von Seinesgleichen einem elenden Ende entgegen. Was aus einem Menschen wird, der zu jedermann Abstand halten muss und verpflichtet ist „Aussatz, Aussatz!“ vor sich her zu schreien, damit bloß keiner auch nur in seine Nähe kommen und sich womöglich infizieren würde, ist schwer vorstellbar. Ob irgendjemand von uns sich ausmalen kann, was es bedeutet, so total isoliert zu sein, wie dieser Aussätzige?

Nun, ehe wir abwinken, sollten wir uns die Klagen zahlloser Ehefrauen anhören, die wie im Chor ein Lied darüber singen können, dass ihr Mann so schrecklich unberührbar ist, sie nicht an sich ranlässt, ihr Herz vor ihnen verbirgt, ihnen nicht mitteilt, was wirklich in ihm vor sich geht und genau wie der Lepröse ständig nonverbal die Botschaft ausstrahlt: „Rühr mich nicht an! Lass mich in Ruhe! Lauf mir nicht hinterher!“ Viele Männer sind an eine Menge Isolation gewöhnt und spielen sehr gekonnt die Nummer „einsamer Wolf“. Und vielen wurde offenbar auch nicht beigebracht, wie das Wort „Kommunikation“ buchstabiert wird. Ihr Aussatz ist nicht äußerlich, sondern innerlich. Dort, in ihrem Inneren, sind sie krank an Unberührbarkeit, ohnmächtig und verwirrt – und darum geneigt, jeden anzuknurren, der sich ihnen nähert.

Und „Jesus streckte die Hand aus und rührte ihn an: ‚Sei rein!‘“ Wieder liest sich dieser kleine Satz so schnell, dass uns vielleicht nicht bewusst wird, welche ungeheure Dramatik darin liegt. Mit dieser Berührung tat Jesus sowohl das Undenkbare als auch das Verbotene! Diese Worte waren es, die für den Aussätzigen die „Reset-Taste“ auslösten und die Zeit auf null drehten. Für den Mann wendete sich das grauenhafte Lepra-Schicksal, brach ein neuer Tag an und eine neue Identität wurde ihm zuteil: Er wurde vom Aussätzigen wieder zu einem menschlichen Individuum. In einem Moment. DAS nenne ich Transformation. Das nenne ich eine Revolution Gottes. Die Macht Gottes stürzte die Herrschaft der Krankheit um und befreite den Mann dazu, wieder ein Mensch zu sein. Großartig!

Solange Männer die direkte Berührung mit Jesus und seine Macht über ihren unheilbaren Zustand nicht erleben, solange sie nicht erfahren, dass Jesus für sie das „Undenkbare und Verbotene“ tut, wird es keine Männerdämmerung geben und alles beim Alten bleiben.

Und es geschah an einem der Tage, dass er lehrte, und es saßen da Pharisäer und Gesetzeslehrer, die aus jedem Dorf von Galiläa und Judäa und aus Jerusalem gekommen waren; und des Herrn Kraft war da, damit er heilte. Und siehe, Männer bringen auf einem Bett einen Menschen, der gelähmt war; und sie suchten, ihn hineinzubringen und vor ihn zu legen. Und da sie nicht fanden, auf welchem Weg sie ihn hineinbringen sollten, wegen der Volksmenge, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn durch die Ziegel hinab mit dem Bett in die Mitte vor Jesus. Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben … (Lk 5,17-20).

Und er sprach zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf und nimm dein Bett auf und geh nach Hause! Und sogleich stand er vor ihnen auf, nahm auf, worauf er gelegen hatte, und ging hin in sein Haus und verherrlichte Gott. Und Staunen ergriff alle, und sie verherrlichten Gott und wurden mit Furcht erfüllt und sprachen: Wir haben heute außerordentliche Dinge gesehen (Lk 5,24-26).

Man stelle sich einmal vor, was die Worte Jesu für diesen gelähmten Mann bedeuteten. Für ihn, den Betreuungsfall, volle Pflegestufe, Inkontinenz, Kontraktionen, Schmerzen – dessen Tag darin besteht, dazuliegen und an die Decke zu starren, waren die Worte „Steh auf, nimm dein Bett und geh nach Hause!“ die Reset-Taste, die Stunde null, der Neuanfang des Lebens. Ein einziger Satz definierte sein Leben neu. In einem Moment verwandelte er sich vom Pflegefall zurück zum eigenständigen Individuum. Das Alte war nun vorbei, Neues war geworden. Und das nicht nur für den „Patienten“, auch für seine Familie und seine Freunde. Das ist Transformation. Das ist wirklich und wahrhaftig die Revolution des Evangeliums.

Wiederum können wir ohne Mühe die Situation des Gelähmten auf uns moderne Männer übertragen. Ist die Lähmung auch zumeist nicht äußerlicher Natur, so fühlen sich doch zahllose Männer genauso gehandicapt und bewegungsunfähig wie dieser „Pflegefall“. Sie wollen mit Kraft handeln und laufen, etwas Bedeutungsvolles tun und „Berge versetzen“, finden sich jedoch nach einem langweiligen Tag im Büro mit Chips und Bier im Fernsehsessel wieder, wo sie nur noch anderen Männern zuschauen, die mutig Heldentaten vollbringen. Aber selbst im TV verschwinden die Helden zusehends und machen Platz für die Heldinnen, die jetzt den Kampf um die Gerechtigkeit führen. Ach, hätten wir nur solche Freunde wie dieser Gelähmte, die uns vor die Füße Jesu legten! Dort würde auch unser Schicksal sich wenden, wenn wir die Worte hörten: „Mann, deine Sünden sind dir vergeben!“

Jesus vergibt uns die Sünden nicht, damit wir dieselben bleiben wie vorher mit einem etwas besseren Gewissen und der Hoffnung, einmal in den Himmel zu kommen. Wenn die Vergebung nicht das Alte entmachtet und das Neue ermächtigt, dann haben wir kein richtiges Verständnis von der Kraft des Evangeliums und dem Ziel, welches Gott mit der Vergebung der Sünden verfolgt. Vergebung ist kein Selbstzweck. Wenn wir nicht aufstehen aus unserem Leben der Ereignislosigkeit, des Aussatzes und der Lähmung und in der Kraft des Evangeliums von Jesus Christus andere Menschen werden, dann ist unsere Idee vom Christsein und der Sündenvergebung dringend korrekturbedürftig. Das Evangelium ist eine Revolution.

Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, ist es doch Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden … (Röm 1,16).

Was für ein „Heil“ ist hier gemeint? Dass wir alle dereinst einmal in den Himmel kommen? Das wird ja vielerorts so gepredigt. Aber die vier Freunde hatten Glauben für hier und jetzt und nicht erst für den Himmel. Dies bewiesen sie mit dem Abdecken des Daches ja sehr anschaulich und praktisch. Ihre Erwartung an Jesus war schon ohne Worte völlig klar. Sie brauchten das Heil jetzt, denn ihr Freund war jetzt gelähmt. Er brauchte die Heilung nicht erst später im Himmel, sondern hier auf Erden. Ein Evangelium, welches alle Leidenden auf das Jenseits vertröstet, ist makaber und nicht wirklich als ein „Evangelium“ zu bezeichnen. Das Evangelium ist Gottes Kraft jedem Glaubenden zum Heil. Es heißt nicht, es wird … sein, sondern „es ist“. Die Freunde des Gelähmten erlebten die Erfüllung von Römer 1,16. Das Evangelium war ihnen nicht Vertröstung auf später, sondern wirklich Gottes Kraft zum Heil ihres gelähmten Freundes.

Dies zu verstehen ist für uns sehr wichtig. Das Evangelium will erlebt werden. Es will zur Anwendung kommen. Es ist „Gottes Kraft zum Heil“! Jesus ging in dieser Kraft umher und brachte überall, wohin er kam, diese Kraft mit, die das Schicksal der Menschen wendete und ihr Leben transformierte. Das ist die Kraft des Heiligen Geistes, die nicht erst im Himmel wirkt, sondern die hier und heute Verlierer zu Gewinnern macht, Aussätzige zu Menschen und Gelähmte zu Laufenden.

Jesus von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und Kraft gesalbt hat, der umherging und wohltat und alle heilte …, denn Gott war mit ihm (Apg 10,38).

Ein Evangelium ohne die Salbung mit Heiligem Geist und Kraft ist ein anderes Evangelium als das der Heiligen Schrift. Dies muss uns dringend klar werden, damit wir nicht am Eigentlichen vorbeigehen und uns mit einem kraftlosen Imitat abgeben. Paulus warnt uns ganz ausdrücklich davor, zwar eine „Form der Gottseligkeit zu haben, aber deren Kraft zu verleugnen“ (vgl. 2. Tim 3,5). Das Evangelium bedeutet in seiner Essenz: „Gott selbst kommt in Christus Jesus zu uns mit Heiligem Geist und Kraft, um in unser Leben Wohltat und Heilung zu bringen.“ Und wenn wir das empfangen haben, dann können wir es auch weitergeben.

Die erlebte Güte Gottes an einem gelähmten Mann versetzte die Menschen damals in völliges Erstaunen und ließ sie Gott verherrlichen. Dies sind die Reaktionen, die dem „richtigen“ Evangelium normalerweise folgen. Dass Menschen gelangweilt in Kirchenbänken sitzen und die Predigt „über sich ergehen lassen“ ist in vollkommener Weise unbiblisch und dem Evangelium gänzlich zuwider. Wenn wir an solch einen verkehrten Zustand auch noch so sehr gewöhnt sein mögen, macht es die Sache nicht besser, sondern umso schlimmer. Dass wir uns erlauben, ein Evangelium zu verkündigen, welches keine Kraft mehr zu bieten hat für die Kranken und Zerbrochenen, ist ein Unding. Eine solche Verkündigung ist nicht in Einklang zu bringen mit der Schrift; wir müssen sie dazu schon sehr verbiegen und verdrehen. Paulus, als der größte Theologe aller Zeiten, erläutert uns ja die rechte Verkündigung des Evangeliums in 1. Korinther 2,4-5 folgendermaßen:

Meine Rede und meine Predigt bestand nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruhe.

 

Deutlicher kann es nicht gesagt werden. Hier gibt es nur ein Entweder-oder. Entweder es ist die gottgemäße Predigt, die sich erweist in Geist und Kraft wie bei Jesus auch – oder es ist eine menschengemachte Predigt, die sich in philosophisch-theologischen Betrachtungen ergeht, die aber nicht die transformatorische Kraft hat, ein Leben zu verwandeln.

Denn unser Evangelium erging an euch nicht im Wort allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewissheit … (1Thess 1,5).

Heutzutage haben wir die Kanzeln voll von Worten menschlicher Weisheit, die einen entsprechenden „Glauben“ erzeugen, der keinerlei Kraft hat, keinerlei Herrlichkeit aufweist und keinerlei Heil bringt. Paulus aber will ausdrücklich, dass der Glaube der Predigthörer auf Gottes Kraft beruht.

In der Begebenheit der Heilung des Gelähmten lesen wir: „Und des Herrn Kraft war da, um zu heilen …“ Bei unseren heutigen „Wortgottesdiensten“ fragt man sich, ob überhaupt jemand merken würde, wenn „des Herrn Kraft“ da wäre, um zu heilen. Und selbst wenn es jemand merken sollte, ob er dann wohl in der Lage wäre, mit dieser Kraft zu kooperieren? Würde wohl ein Pastor seine vorbereitete Schriftauslegung zur Seite legen und der Kraft Raum geben, zu tun, was sie tun will – vorbei an seiner Agende, Liturgie und Gewohnheit? Selbst in den Freikirchen, die hohen Wert auf eine persönliche Beziehung zu Jesus legen, wird kaum mit dem Ereignis des Reiches Gottes gerechnet. Und so verwandeln sich die Menschen nicht, sondern bleiben dieselben. Für Männer, die den Weg der Transformation gehen müssen, weil ihnen ihr Herz einfach keine andere Wahl mehr lässt und ihre Sehnsucht nach der Realität des Reiches Gottes und der Kraft des Heiligen Geistes unerträglich groß geworden ist, müssen diese Zusammenhänge klar und deutlich werden, sonst treten sie auf der Stelle und es ändert sich nichts. Die Lähmung bleibt erhalten.

Und danach ging er hinaus und sah einen Zöllner, mit Namen Levi, am Zollhaus sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach. Und Levi machte ihm ein großes Mahl in seinem Haus; und da war eine große Menge von Zöllnern und anderen, die mit ihnen zu Tisch lagen (Lk 5,27-29).

Bei Jesus werden Ungerechte – wie die Zöllner, die seinerzeit der Inbegriff von Korruption und „institutionalisierter Ungerechtigkeit“ waren – zu Gerechten. Für Levi war, wie für die anderen Männer in den Bibelstellen von Lukas 5 zuvor auch, die Stunde null gekommen, als Jesus ausgerechnet auf seiner Arbeitsstelle auftaucht. Er wurde für Levi zu einem neuen Anfang … und zum Anlass einer neuen Feier in seinem Haus. Die Wirkung Jesu auf die „Ungerechten“ war durchschlagend. Immer wieder lesen wir in den Evangelien von Jesu Begegnungen mit den Zöllnern – und immer wieder sehen wir ihre erstaunlich positive Reaktion auf diese Begegnungen. Sensationell für sie war die hohe „Berührbarkeit“, die Jesus mit ihnen einging. Wahrscheinlich hatte noch kein Schriftgelehrter jemals bei Matthäus im Büro vorbeigesehen, und sicherlich war noch nie ein Pharisäer über die Schwelle des Hauses eines Zöllners geschritten, ganz zu schweigen davon, mit solchen Verbrechern zu essen!

Jesus hatte mit alledem keinerlei Schwierigkeiten, war er doch für die Ungerechten gekommen, die ihn brauchten, und nicht für die Gerechten, die ihn nicht brauchten. Im „Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner“ (vgl. Lk 18,9-10) geht Jesus so weit, einen Pharisäer als Typus für die Selbstgerechten und einen Zöllner als Typus für die Ungerechten einander gegenüberzustellen und zu zeigen, wie Gott die Erkenntnis des Zöllners, dass er sich nicht selbst rechtfertigen kann und Gnade braucht, als viel besser bewertet als die Aufzählung aller frommen Leistungen des Pharisäers, der seiner Meinung nach eigentlich gar keine Gnade brauchte.

Männer auf dem Weg der Verwandlung in das Bild Christi hören auf, sich endlos zu rechtfertigen und zu erklären. Sie verlangen stattdessen nach mehr Gnade. Für sie ist nicht die Kirche, sondern ihr Arbeitsplatz und ihr Zuhause der Ort, wo sie Jesus begegnen, weil sie ihm immer, unbedingt und überall begegnen wollen. Er ist ihr Leben. Das Leben in einen frommen und einen profanen Teil zu zertrennen, kommt für sie nicht mehr in Frage.

Übrigens: Der hebräische Name von Levi ist Matthäus. Der Zöllner Levi wurde zum Apostel Matthäus (vgl. Mk 2,14; Lk 5,27) und schrieb ein Evangelium. Das ist Transformation.

Lukas 5 ist nur ein Kapitel der Evangelien. In zahlreichen anderen Kapiteln finden wir weitere Berichte, wie Menschen die transformatorische und revolutionäre Kraft des Reiches Gottes erlebten. Hier in Lukas 5 sehen wir diese Kraft im Leben verschiedener Männer am Werk. Nicht, dass wir nicht ebenso Kapitel mit Berichten darüber finden könnten, wie Jesus Frauen berührte, aber uns interessiert in diesem Buch die Berührung von Männern. Es gibt für uns eine Berührung mit der Kraft des Evangeliums und nicht nur mit frommen Worten und Regeln. Es gibt für uns eine Berührung mit dem Geist, der die Toten lebendig macht, und nicht nur „Buchstaben, die uns töten“ (vgl. 2 Kor 3,6). Darum ist Lukas 5 für mich so aufschlussreich und bedeutsam für die Männerdämmerung. Wenn ich die Beispiele in diesem Kapitel lese, schlägt mein Herz höher und ich weiß bis in mein Innerstes hinein, dass es dies ist, was ich brauche und meine Brüder ebenso. Ich fürchte, wir wurden an eine Darstellung des Evangeliums gewöhnt, welche nicht die Kraft hat, uns wirklich und machtvoll zu verwandeln. Für viele von uns ist das Evangelium nichts weiter als eine gedankliche Konstruktion, eine Sammlung lehrreicher Geschichten, eine Doktrin, der man zustimmt und dadurch dann irgendwie Christ ist. Aber das ist weder wahr noch das, was wir brauchen. Wir brauchen einen Gott, der genau so an uns handelt, wie er an jenen Männern in Lukas 5 handelte. Die Erfahrung eines solchen „Erweises des Geistes und der Kraft“ wird jeglicher frommer Routine und Langeweile ein drastisches Ende bereiten und das Element der Erschütterung in unser Leben bringen, ohne das es nun einmal keine wirkliche Veränderung gibt.

In Apostelgeschichte 4 lesen wir etwas in diesem Zusammenhang sehr Interessantes über das „Gebet der Gemeinde“, welches sie betete, nachdem die Apostel um Jesu willen von den Oberen Jerusalems heftig angegriffen worden waren und man ihnen geboten hatte, nicht weiter öffentlich vom „Reich Gottes“ und dem „Namen Jesu“ zu sprechen. Sie beteten damals, bis der Heilige Geist so mächtig auf sie fiel, dass die Erde buchstäblich bebte. Ich bin mir sicher, dass bei solchen Gebetsversammlungen keine Langeweile aufkommt! Wo der Geist ist, da ist Erschütterung, da kommen die Dinge in Bewegung und da wird die lähmende Furcht überwunden. Dies sind die typischen Kennzeichen des Reiches Gottes bzw. des Evangeliums.

Die große Gefahr für uns liegt darin, uns an völlig andere Zustände als das „ganz Normale“ zu gewöhnen und sie zu akzeptieren. Den Teufel, den wir akzeptieren, können wir nicht austreiben! In den gängigen Gebetsversammlungen der Gemeinden finden sich kaum Männer. Ihre Idee von Gebet fasst sich in Worten wie „langweilig, immer das Gleiche, ermüdend“, o. ä. zusammen. Dass der Heilige Geist sie erschüttern und durchdringen will, ist ihnen noch nie in den Sinn gekommen. Alles geht sehr gesittet und geplant vor sich. Darum denken sie, auch Gott sei nichts anders als „langweilig, immer gleich, ermüdend“ und dergleichen. Männer müssen ein wachsames Auge auf ihre Umgebung und deren Einfluss auf sie haben. Nicht in allem, wo „Gebet“ draufsteht, ist auch Gebet drin; nicht in allem, was sich „christlich“ nennt, ist auch Christus drin. Die Männerdämmerung beginnt mit einem Aufwachen und Augenöffnen der Männer, einem neuen Hinschauen und Wahrnehmen, was eigentlich wirklich los ist.

Das wohl gängigste, moderne Bild für Transformation ist die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling. Wenn wir das mit der Metamorphose der Raupe zum Schmetterling nicht kennen würden, würden wir wohl kaum glauben, dass diese beiden dasselbe Tier sind.

Wahrscheinlich würde einen eine Raupe, der man sagt, Schmetterlinge seien einst Raupen gewesen, für völlig übergeschnappt erklären. Raupen kriechen, Schmetterlinge fliegen! Unterschiedlicher kann es nicht sein.

Wir wollen nicht mit Gottes Hilfe bessere Raupen werden, wir wollen Schmetterlinge werden. Wir wollen nicht das Alte optimieren, sondern ablegen und Neues anziehen: Flügel zum Fliegen im Wind des Geistes (vgl. Joh 3,8). Wir brauchen die zahllosen Facetten einer Reich-Gottes-Revolution, wie sie nur der Geist Gottes wirken kann. Wir werden dabei vom Kriechen zum Fliegen, vom Wiederholen zum Überwinden, vom Verwalten zum Ermächtigen und vom Christentum zu Christus gelangen. Diesen Weg zu gehen, ist eine große Herausforderung und bedarf eben einer wirklichen Transformation, da wir im Modus des Altgewohnten und Traditionellen diesen Weg niemals gehen werden und unfähig zum Fliegen, Überwinden, Ermächtigen und der wirklichen Begegnung mit dem wirklichen Christus bleiben, dessen Anblick uns von Herrlichkeit zu Herrlichkeit in sein Bild umgestaltet.

Wenn wir etwas anderes haben wollen, als wir bisher hatten, müssen wir auch andere werden, als wir bisher waren. Viele aber wollen die Alten bleiben und trotzdem das Neue haben. Sie wollen die neue Saat unter das alte Kraut säen und wundern sich, dass das Neue vom Alten erstickt wird (vgl. Lk 8,14). Sie wollen den neuen Wein in die alten Schläuche füllen und wundern sich, dass die altgewohnten Strukturen die Dynamik des neuen Weines nicht aushalten und bersten (vgl. Lk 5,37). Also lehnen sie den neuen Wein ab. Seine Dynamik ist zu bedrohlich für das kirchliche System. Er ist zu lebendig.

So wundert es nicht, dass auch Jesus seinerzeit vom religiösen System abgelehnt wurde. Er war definitiv zu lebendig, zu unberechenbar und ein einziger Störfaktor für die „heilige Ordnung“. Er rief die Leute nicht zurück zur (alten) Ordnung, sondern verkündete das Ende der alten Ordnung, also Revolution. Die sprengte den gewohnten Rahmen und postulierte die Notwendigkeit einer Transformation. Diese würde niemals in der Kraft des Gesetzes (die menschliche Bemühung, Gottes Gebote zu halten) geschehen, sondern nur in der Kraft des Geistes.

Jesus spricht die revolutionären Worte über den Geist auf dem „großen Laubhüttenfest“ der Juden so aus:

Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, aus dessen Leibe werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Dies aber sagte er von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten … (Joh 7,37-39).

Hier geht es um eine neue Ordnung, die die alte Ordnung überwindet. Das Neue des Geistes ist nicht das Alte des Gesetzes mit ein wenig frischer Schlagsahne oben drauf. Der Heilige Geist unterstützt uns nicht, den alten Weg besser gehen zu können, sondern er unterstützt uns, ihn zu verlassen und einen ganz anderen Weg zu gehen. Dies scheinen viele Christen nicht zu verstehen. Sie rufen den Geist in ihr altes System hinein und machen ihn dort zu einem nicht fassbaren dritten Wesen der Dreieinigkeit in ihrer musealen Liturgie. Nein, der Weg des Gesetzes und der Weg des Geistes sind unvereinbar miteinander. „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (vgl. 2 Kor 3,6). Nur der Geist befähigt uns, zu Jesus zu kommen und von ihm zu trinken, bis Ströme lebendigen Wassers von uns fließen und wir damit zu Quellen Gottes in einer dürstenden Welt verwandelt werden.

Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt (Joh 4,14).

Wenn das Reich Gottes zu uns kommt – in dem Namen Jesu und in der Kraft des Heiligen Geistes –, dann verwandelt es alles. Auch uns. Dies muss uns klar sein, wenn wir beten: „Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden!“ (Mt 6,10).

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