Ackerbau, Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung

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Ackerbau, Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung
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Wulf Diepenbrock Frank Ellmer Jens Léon

Ackerbau, Pflanzenbau

und Pflanzenzüchtung

4., überarbeitete Auflage

68 Zeichnungen

21 Fotos

103 Tabellen



Inhaltsverzeichnis

Cover

Haupttitel

Die UTB-Reihe

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Impressum

Vorwort zur 4. Auflage

I Ackerbau

1Einführung

2Acker als Pflanzenstandort

2.1Boden

2.1.1Ackerbaulich relevante Bodeneigenschaften

2.1.2Bodenfruchtbarkeit

2.2Klima und Witterung

3Bodennutzungssysteme

3.1Historische Entwicklung

3.2Fruchtfolgen

3.2.1Fruchtfolgesystematik

3.2.2Anbaukonzentration

3.2.3Vorfruchtwirkungen

3.2.4Vorfruchtansprüche

3.2.5Fruchtfolgegestaltung und ackerbauliches Management

3.3Bodenbearbeitung

3.3.1Historische Entwicklung

3.3.2Bodenphysikalische Grundlagen

3.3.3Geräte und Verfahren der Bodenbearbeitung

3.3.4Bodenbearbeitung und Bodenschutz

3.4Düngung

3.4.1Organische Düngung

3.4.2Mineralische Grunddüngung

4Unkrautkontrolle

4.1Ackerunkräuter

4.2Schadwirkungen

4.3Integrierte Unkrautkontrolle

4.3.1Vorbeugende und ackerbauliche Maßnahmen

4.3.2Physikalische Unkrautkontrolle

4.3.3Chemische Unkrautkontrolle

5Nachhaltige Entwicklung im Ackerbau

5.1Integrierter Landbau

5.2Ökologischer Landbau

II Pflanzenbau

1Einführung

2Biologische Grundlagen des Pflanzenbaus

2.1Morphologie der Kulturpflanzen

2.2Ertragsbildung der Kulturpflanzen

2.3Qualität der Ernteprodukte

3Agrotechnische Grundlagen des Pflanzenbaus

3.1Arten- und Sortenwahl

3.2Saat

3.3N-Düngung

3.4Ernte

3.5Nacherntebehandlung und Lagerung

4Landwirtschaftliche Kulturpflanzen des gemäßigten Klimas

4.1Getreide

4.1.1Saatweizen, Weichweizen (Triticum aestivum L.)

4.1.2Spelzweizen, Dinkel (Triticum spelta L.)

4.1.3Durumweizen, Hartweizen (Triticum durum Desf.)

4.1.4Roggen (Secale cereale L.)

4.1.5Triticale (Triticosecale Wittm.)

4.1.6Gerste (Hordeum vulgare L.)

4.1.7Hafer, Saathafer, Spelzhafer (Avena sativa L.)

4.2Körnerleguminosen

4.2.1Erbsen (Pisum sativum L.)

4.2.2Ackerbohne (Vicia faba L.)

4.2.3Lupinen (Lupinus spec.)

4.2.4Sojabohne (Glycine max [L.] Merr.)

4.3Öl- und Faserpflanzen

4.3.1Winterraps (Brassica napus L. ssp. Oleifera (Metzg.) Sinsk.)

4.3.2Sonnenblume (Helianthus annuus L.)

4.3.3Lein (Linum usitatissimum L.)

4.3.4Hanf (Cannabis sativa L. ssp. sativa)

4.4Wurzel- und Knollenfrüchte

4.4.1Zuckerrübe (Beta vulgaris L. var. altissima Döll)

4.4.2Kartoffel (Solanum tuberosum L.)

4.5Ackerfutterpflanzen

4.5.1Mais (Zea mays L.)

4.5.2Ackergräser

4.5.3Luzerne (Medicago spec.)

4.5.4Ackerrotklee (Trifolium pratense L. var. sativum)

4.6Grünland

4.7Sonderkulturen und Nachwachsende Rohstoffe

4.7.1Sonderkulturen

4.7.2Nachwachsende Rohstoffe

5Bewertung der Landbewirtschaftung

III Pflanzenzüchtung

1Einführung

1.1Tätigkeitsfeld der Züchter

1.2Domestikation der Kulturarten

1.3Sortenwesen

2Biologische Grundlagen

2.1Mutation

2.2Sexuelle Rekombination

2.3Befruchtungsregulierung

3Populationsgenetik

3.1Allel- und Genotypfrequenz

3.2Fremdbefruchtung

3.3Selbstbefruchtung

 

4Quantitative Genetik

4.1Genetische Varianz

4.2Verwandtschaftliche Strukturen innerhalb der ­Population

4.3Heterosis

5Selektion

5.1Selektionserfolg

5.2Selektion auf mehrere Merkmale

6Biotechnologie

6.1Gewebekultur

6.2Genetische Transformation

6.3Transgene Pflanzen im Anbau

6.4Genetische Marker

7Zuchtmethodik

7.1Züchtungsverfahren

7.2Klonzüchtung

7.3Linienzüchtung

7.4Populationszüchtung

7.5Hybridzüchtung

Literaturauswahl

Über den Autor

Wulf Diepenbrock war von 1994 bis 2012 Professor für Speziellen Pflanzenbau an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, von 1996 bis 2000 dort Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät und von 2006 bis 2010 Rektor der Universität.

Frank Ellmer ist Universitätsprofessor für Acker- und Pflanzenbau am Albrecht

Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.

Jens Léon ist Universitätsprofessor für Speziellen Pflanzenbau und Pflanzen-

züchtung und Direktor des Institutes für Pflanzenbau der Rheinischen

Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Impressum

Bildquellen: Die Zeichnungen fertigte Artur Piestricow, Stuttgart, nach Vorlagen der Autoren. Alle anderen Abbildungen stammen, wenn nicht anders vermerkt, von den Autoren.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2005, 2016 Eugen Ulmer KG

Wollgrasweg 41, 70599 Stuttgart (Hohenheim)

E-Mail: info@ulmer.de

Internet: www.ulmer-verlag.de

Produktion: primustype Hurler GmbH, Notzingen | V2

UTB Band-Nr. 2629

ISBN 978-3-8252-4607-5 (Print)

ISBN 978-3-8463-4607-5 (E-Book)

Vorwort zur 4. Auflage

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage des Lehrbuchs „Ackerbau, Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung“ sind zehn Jahre vergangen. In dieser Zeit hat es sich als Standardwerk für die agrarwissenschaftlichen Studiengänge an den Universitäten und Hochschulen in Deutschland und darüber hinaus etabliert. Das Interesse der Leserschaft an den bisherigen drei Auflagen hat gezeigt, dass eine umfassende Kurzdarstellung der Lehrinhalte für Ackerbau, Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung für Studierende der Agrarwissenschaften und benachbarter Disziplinen ebenso wünschenswert wie hilfreich ist. Die Autoren haben daher für diese vierte Auflage das inhaltliche Kontinuum gewahrt. Die dynamischen Entwicklungen der vergangenen Jahre im Agrarbereich waren aber Anlass, Akzentverschiebungen, Neuerungen und Ergänzungen zu berücksichtigen.

Diese Neuauflage trägt dem Rechnung, ohne den Umfang des Buches wesentlich zu verändern. Ihr Zustandekommen haben Kollegen, Freunde und Leser unterstützt, indem sie Material bereitgestellt und Verbesserungsvorschläge gemacht haben. Dafür danken wir besonders Prof. Dr. F.-M. Chmielewski.

Ebenso danken wir dem Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, für die langjährige angenehme Zusammenarbeit, mit der auch diese Neuauflage ermöglicht wurde. Möge sie freundliche Aufnahme bei den agronomisch Interessierten finden.


Halle, Berlin, Bonn, im Frühjahr 2016W. DiepenbrockF. EllmerJ. Léon

I Ackerbau

1Einführung

Seitdem die Völker sesshaft geworden sind, betreiben sie Ackerbau. Der Anbau von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen als Nahrungsmittel für den Menschen, als Futter für die Nutztiere und als Rohstoffe zur Weiterverarbeitung ist die Grundlage für die Existenz der Menschheit überhaupt. Angesichts des weiteren raschen Wachstums der Weltbevölkerung und des Umstandes, dass etwa 800 Millionen Menschen ohne ausreichende Ernährung leben, kommt dem Ackerbau eine überragende politische, wirtschaftliche und humanitäre Bedeutung zu.

Die dafür nutzbaren natürlichen Ressourcen sind jedoch begrenzt und nicht wahlweise vermehrbar. Daher müssen insbesondere die Böden so bewirtschaftet werden, dass sie sowohl hohe Erträge in jeweils spezifischer Qualität erbringen als auch geschützt werden. Ackerbauliche Bodennutzung und Ressourcenschutz sind als Einheit zu sehen, denn nur so ist eine nachhaltige Entwicklung heutiger und zukünftiger Gesellschaften möglich.

In den wirtschaftlich entwickelten Nationen wird Ackerbau heute auf hohem agrotechnischem Niveau betrieben. Dies hat sich ab Anfang des 19. Jahrhunderts schrittweise herausgebildet, wobei insbesondere seit der Mitte des 20. Jahrhunderts bedeutende und rasche Fortschritte erzielt worden sind. Dazu zählen standortangepasste Fruchtfolgen, mit denen Krankheits- und Schädlingsbefall der Pflanzen auf biologischem Wege vorgebeugt und höchstmögliche Biomasseproduktion in leistungsfähigen Agrarökosystemen ermöglicht werden. Mit speziell entwickelten Maschinen und Geräten kann die erforderliche Bodenbearbeitung den jeweiligen Standortverhältnissen entsprechend differenziert durchgeführt werden. Über organische und mineralische Düngung werden Pflanzennährstoffe bereitgestellt, um die Nutzpflanzenbestände bedarfsgerecht zu versorgen. Die Konkurrenz durch unerwünschten Pflanzenwuchs wird mittels integrierter Unkrautkontrolle mechanisch und soweit erforderlich durch den Einsatz spezifischer herbizider Wirkstoffe begrenzt. Hochwirksame Pflanzenschutzmittel stehen bereit, um Beeinträchtigungen der Ertrags- und Qualitätsbildung durch Krankheiten und Schädlinge zu verhindern. Auf diese Weise ist es möglich geworden, unter den Standortbedingungen Mitteleuropas mehr als 10 t ha–1 Getreide (siehe Kap. II-4.1) zu erzeugen, über 5t ha–1 Raps (siehe Kap. II-4.3.1) und 10 t ha–1 Zucker (siehe Kap. II-4.4.1) zu ernten und gleichzeitig unbeabsichtigte und schädliche Nebenwirkungen auf die Umwelt zu vermindern.

Ihren Anfang nahm diese Entwicklung vor etwa 7000 Jahren in Mesopotamien, als erste ackerbauliche Tätigkeit mit primitiven Formen des gezielten Anbaus von Kulturpflanzen begann. Seither ist die Geschichte der Menschheit eng mit der Geschichte des Ackerbaus verbunden. Die überwiegende Zeit war dies extraktives Wirtschaften auf sehr niedrigem Niveau und beschränkte sich zunächst ausschließlich auf den Getreidebau. Um das Jahr 800 n. Chr. hatte sich in Mitteleuropa mit der Dreifelderwirtschaft ein Ackerbausystem herausgebildet, welches über die folgenden rund 1000 Jahre Bestand hatte. Seine Überwindung Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts ist verbunden mit der Entwicklung des Ackerbaus als Wissenschaft. In dieser Zeit der Aufklärung in Europa traten wissenschaftlich gebildete Persönlichkeiten auf den Plan, die erkannten, dass in der Förderung des Landbaus ein Schlüssel für die Verbesserung der Lebensverhältnisse lag. Einer von ihnen war der Arzt Albrecht Daniel Thaer (1752–1828). Er hat als erster das bis dahin über die Landwirtschaft vorhandene Wissen systematisiert und in zahlreichen Schriften niedergelegt. Mit seinem Hauptwerk „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft“ erlangte er den Ruf, Begründer der Agrarwissenschaften zu sein.

Albrecht Daniel Thaer – Kurzbiografie

Geb. 14. Mai 1752 in Celle, gest. 26.Oktober 1828 in Möglin bei Wriezen (heute Brandenburg).

Als Sohn eines kurfürstlichen Hofarztes studierte er ab 1770 Medizin in Göttingen und beschäftigte sich während dieser Zeit mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Fragen. 1774 promovierte er „Über das Verhalten des Nervensystems bei Fieberkranken“. Danach praktizierte Thaer drei Jahrzehnte als Arzt in Celle. Nach anfänglicher Begeisterung für den Arztberuf wurde er unzufrieden und suchte Ausgleich als Gärtner, Blumenzüchter und Botaniker; dies brachte ihn schließlich zum landwirtschaftlichen Pflanzenbau. Ab 1786 baute er vor der Stadt Celle einen landwirtschaftlichen Gutsbetrieb auf, den er schrittweise zur Versuchs- und Musterwirtschaft umwandelte. Dort richtete er 1802 ein erstes landwirtschaftliches Lehrinstitut ein. 1804 siedelte er nach Preußen über, errichtete auf dem Gut Möglin eine 300 ha umfassende Musterwirtschaft und eröffnete dort 1806 ein neues Lehrinstitut. Ab 1811 hielt er als a. o. Professor für Kameralwissenschaften landwirtschaftliche Vorlesungen an der neugegründeten Berliner Universität. Ab 1819 führte das Institut den Titel „Königlich preußische Akademie des Landbaus“. Sie hatte nach Thaers Tod noch bis 1861 Bestand.

Thaers wissenschaftliches Hauptwerk ist das Buch „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft“ (Bd. 1–4, Berlin 1809–1812), in dem er erstmalig die Teilgebiete der Landwirtschaft zu einem wissenschaftlichen Lehrgebäude zusammengefasst hat (Böhm 1997).

Thaer hat erstmals in Mitteleuropa akademische Lehranstalten des Landbaus gegründet und dort junge Landwirte nach wissenschaftlichen Prinzipien unterrichtet. Aus dieser Schule gingen zahlreiche Vertreter hervor, welche die Agrarwissenschaften in verschiedenen Bereichen weiterentwickelten. Dazu zählt neben anderen der Agrikulturchemiker Carl Philipp Sprengel (1787–1859), der als erster die Mineralstoffernährung der Pflanzen beschrieb. Darauf aufbauend vermochte der Chemiker Justus von Liebig (1803–1870) mit seinem epochemachenden Werk „Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie“ (1840) die Grundprinzipien der Pflanzenernährung und Düngung zu entwickeln.

Justus von Liebig – Kurzbiografie

Geb. 12. Mai 1803 in Darmstadt, gest. 18. April 1873 in München.

Als Sohn eines Drogisten und Farbenhändlers geboren, verließ er mit 14 Jahren das Gymnasium und arbeitete als Apothekerlehrling. 1819 begann er in Bonn mit dem Studium der Chemie, das er 1821 in Erlangen fortsetzte. 1822 ging er nach Paris, um im Laboratorium des berühmten Chemikers Gay-Lussac zu arbeiten. 1823 promovierte er an der Universität Erlangen. Er wurde 1824 zum a. o. Professor für Chemie an die Universität Gießen berufen und 1825 zum o. Professor ernannt. Dort richtete er ein chemisches Laboratorium für experimentellen Unterricht ein, das sich innerhalb weniger Jahre zur bedeutendsten Lehr- und Forschungsstätte auf dem Gebiet der Chemie in Deutschland entwickelte. Aufgrund seiner außerordentlichen Begabung als Lehrer und seiner epochemachenden Forschungsergebnisse war Liebig alsbald ein weltberühmter Chemiker. 1852 folgte er einem Ruf des Königs Maximilian II. von Bayern nach München, wo ihm ein Forschungsinstitut an der Universität neu errichtet wurde. Seit 1859 war er Präsident der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München.

Liebig war auf vielen Gebieten der theoretischen und angewandten Chemie tätig. Sein wissenschaftliches Hauptwerk im Bereich der Landwirtschaft ist das Buch „Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie“ (Braunschweig 1840), in dem er vor allem die Theorie von der Mineralstoffernährung der Pflanzen niederlegte (Böhm 1997).

Die wissenschaftliche Ackerbaulehre basiert heute auf den fortgeschrittenen Erkenntnissen der Bodenkunde, der Agrarklimatologie sowie der Ökologie und integriert Aspekte der Pflanzenernährung und der Phytomedizin ebenso wie der Agrartechnik. Sie stellt somit eine integrative Disziplin dar und behandelt die allgemeinen Grundlagen für den landwirtschaftlichen Pflanzenbau.

 

2Acker als Pflanzenstandort

Die ackerbauliche Bodennutzung mit dem Ziel der Gewinnung von pflanzlichen Produkten ist stets ortsgebunden und unterliegt somit den jeweiligen natürlichen Standortverhältnissen. Diese ergeben sich aus den Wechselbeziehungen zwischen den Bodenbedingungen einerseits sowie von Klima und Witterung andererseits und stehen unter dem Einfluss der räumlichen Lage, der Exposition des Geländes sowie spezieller ökologischer Gegebenheiten.

Beim Boden ist zwischen natürlichen und kultürlichen Faktoren zu unterscheiden. Natürliche Faktoren sind die Bodentextur, die Horizontabfolge im Profil, die Tiefe des durchwurzelbaren Raumes sowie die von der Bodentextur abhängige Fähigkeit zur Speicherung von Wasser und Nährstoffen. Kultürlich beeinflusst sind hingegen in gewissen Grenzen die Bodenstruktur und damit der Wasser-, Luft- und Wärmehaushalt, der Gehalt an organischer Bodensubstanz, die Gehalte an mineralischen Makro- und Mikronährstoffen sowie die Bodenreaktion. Aber auch das Auftreten von bodenbürtigen Schaderregern kann unter dem Einfluss von Kulturmaßnahmen des Ackerbaus stehen. Aus dem Zusammenwirken aller dieser Faktoren resultiert letztlich die Fähigkeit von Böden, Pflanzenbeständen als Wuchsort zu dienen und deren Ertragsbildung zu ermöglichen. Auf dieses als Bodenfruchtbarkeit bezeichnete Phänomen müssen daher auch die vielfältigen ackerbaulichen Maßnahmen ausgerichtet werden.

Der Ackerbau ist sehr stark vom Wetter abhängig. Dies ist nahezu unkalkulierbar und durch große zeitliche und räumliche Unterschiede gekennzeichnet. Allerdings weist das Wettergeschehen trotz kurzfristiger Wechsel doch systematische Züge auf, die sich im typischen Jahresgang der Witterung an einem Ort und in großräumigen Unterschieden äußern. Es ist daher zwischen dem Klima eines Ortes und der jeweils konkreten Witterung in einem Jahr zu unterscheiden. Unter Klima versteht man die für einen Ort oder eine Landschaft typische Zusammenfassung aller bodennahen Zustände der Atmosphäre und Witterung, welche Boden, Pflanzen, Tier und Mensch beeinflussen und die sich während eines längeren Zeitraumes einzustellen pflegen.

Aufgabe des Ackerbaus ist es, geeignete Bodennutzungssysteme für die naturgegebenen Standortverhältnisse zu etablieren und mit angepassten Kulturmaßnahmen die bestmögliche Nutzung der Standortfaktoren für die Ertrags- und Qualitätsbildung zu fördern.

2.1Boden

Der Boden gehört zu den wichtigsten Existenzgrundlagen der Menschheit. Der weitaus überwiegende Anteil der Nahrungsmittel wird auf terrestrischen Böden erzeugt. Mit seinen vielfältigen Funktionen, insbesondere der Filter- und Pufferfunktion, beeinflusst er aber auch die Qualität des Trinkwassers, das zu 70% durch den Boden gefiltert wird.

Ein Boden ist Teil der belebten obersten Erdkruste. Er weist eine räumliche Gliederung auf und ist nach unten durch festes oder lockeres Gestein und nach oben durch eine Vegetationsdecke bzw. durch die Atmosphäre begrenzt. Besonders markant und für den Ackerbau maßgebend ist die Vielgestaltigkeit von Böden. Dies resultiert aus unterschiedlichsten Gesteins- und Relief- sowie Klima- und Vegetationsverhältnissen. Unter dem Einfluss der Nutzung verändern sich die Böden.

Ein Boden besteht aus Mineralien unterschiedlicher Art und Größe sowie organischen Stoffen. Diese festen Bodenbestandteile sind abwechselnd mit Hohlräumen angeordnet und bilden auf diese Weise ein bestimmtes Bodengefüge. Das Hohlraumsystem besteht aus Poren unterschiedlicher Form und Größe und ist mit Wasser und darin gelösten Salzen oder Gasen bzw. mit Luft erfüllt. Der Boden stellt somit ein Dreiphasensystem aus festen, flüssigen und gasförmigen Komponenten dar. Vertikal ist ein Boden in Horizonte gegliedert, welche im oberen Bereich streuähnlich sind und in der Tiefe gesteinsähnlicher werden. Horizontal geht ein Boden gleitend in benachbarte andere Böden über. In Landschaften stehen die Böden untereinander durch Stofftransporte in Verbindung. Zusammen mit der darüber liegenden bodennahen Atmosphäre und den Organismen bilden sie Ökosysteme in Form gemeinsamer Wirkungsgefüge.

Böden sind Lebensraum für vielfältige Organismen, die in Mikroflora, Mikrofauna, Mesofauna und Makrofauna unterteilt werden. In Abhängigkeit von Art und Größe kommen in der Ackerkrume je m2 einige Hundert bis zu mehreren Milliarden Organismen vor. In den Böden haben sie ganz wesentliche Funktionen. Diese sind unter anderem das Einarbeiten organischer Rückstände, das Mischen von organischen und mineralischen Stoffen und die Krümelbildung, das Stabilisieren von Bodenaggregaten durch Vernetzung, die Mineralisierung organischer Stoffe und das Freisetzen von Nährstoffen, die Bildung von Huminstoffen, die Förderung der chemischen Verwitterung, die Bindung von Luftstickstoff, aber auch die Eindämmung von Krankheitserregern und der biologische Abbau von Bioziden. In Abbildung I-1 ist ein Bodenkrümel schematisch dargestellt.


Abb. I-1 Bodenkrümel mit Pflanzenwurzeln und Bodentieren sowie vergrößerter Krümeloberfläche (Vökt et al. 1991, zit. in Keller et al. 1997)

Die Krümeloberfläche ist mit organischer Substanz angereichert. Auf und in dieser Hülle spielt sich ein großer Teil des Bodenlebens ab. Hier finden sich Bakterien, Pilzhyphen, Collembolen etc. Die Wurzelspitzen der Pflanzen dringen nicht in den Krümel ein, sondern umfassen ihn. Lediglich die Wurzelhaare dringen ein und nehmen Wasser und Nährstoffe auf.

Den Kultur- wie den Wildpflanzen bieten die Böden als Wurzelraum eine Matrix zur Verankerung sowie Versorgung mit Wasser, Sauerstoff und Nährstoffen. Das Angebot an Wasser, Sauerstoff und Nährstoffen im Wurzelraum ergibt sich aus dem Vorrat und der Verfügbarkeit. Begrenzend können dabei die Durchwurzelbarkeit sowie die Leitfähigkeit des Wurzelraumes für Flüssigkeiten und Gase sein.

Böden wirken schließlich als Puffer gegenüber den verschiedensten Umwelteinflüssen. Sie filtern Schadstoffe ab und ermöglichen so die Bildung von sauberem Grundwasser. Dabei werden sie allerdings auch selbst belastet. Aufgrund dieser vielfältigen Funktionen gehören die Böden zu den kostbarsten Gütern der Menschheit und ihre schonende Bewirtschaftung muss daher oberstes Ziel im Ackerbau sein.

Aus ackerbaulicher Sicht ist ein Boden zusammenfassend wie folgt zu charakterisieren:

Der Boden ist der oberste Teil der Erdkruste. Er wird durch Verwitterung, Humusbildung, Verlagerungsprozesse und Gefügebildung geprägt. Er stellt ein dynamisches mehrphasiges System aus festen anorganischen und organischen Teilen unterschiedlicher Größe, Wasser und Luft dar, welches durch Bodenorganismen belebt ist. Er wird durch Umwandlung, Verlagerung, Bindung und Freisetzung von Stoffen und Energie gekennzeichnet, steht durch Stoff- und Energieaustausch mit seiner Umgebung in Wechselwirkung und entwickelt sich in Abhängigkeit von Naturfaktoren und unter dem Einfluss der Nutzung. Er weist eine vertikale Gliederung in Horizonte mit unterschiedlicher Zusammensetzung und verschiedener Struktur sowie einen horizontalen Wechsel auf. Er dient den Pflanzen als Standort, vermittelt Wasser, Nährstoffe, Sauerstoff und Wärme an die Pflanzenwurzeln und ermöglicht so die Nutzung der Sonnenenergie, des Kohlendioxids und der Niederschläge für den Pflanzenbau. Seine wichtigste Eigenschaft ist die Bodenfruchtbarkeit (nach Kundler 1989).