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Das Lob der Narrheit

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Doch stimmen Priester und Layen diesorts überein: wenn es um Einerndten zu thun ist, so ist alles ungemein wachsam, und die dahin gehörenden Gesetze sind jedermann bekannt; wenn sich aber etwas Lästiges zeigt, o da wirft Einer es weislich auf die Schultern des Andern; man sollte meynen, beym Ballspiele zu seyn. Wie Fürsten die Regierungssachen ihren Räthen, und diese wieder den Unterbeamten, übertragen: so überlassen die grossen Cleriker, aus Bescheidenheit, den Fleiß der Gottseligkeit ganz dem gemeinen Manne; dieser sendet ihn an die sogenannten Geistlichen, als ob er mit den geistlichen Geschäften nichts zu thun und durch das Taufgelübd zu nichts dergleichen verpflichtet wäre; die sogenannten Secularpriester wählen (als ob sie sich nicht Christo sondern der Welt gewidmet hätten) diese Last auf die Regularen; die Regularen auf die Mönche; die strengern müssen sie von den weniger strengen annehmen; alles fällt zuletzt auf die Bettelmönche; doch wissen auch diese es auf die Cartheuser zu schieben, bey welchen einzig die Frömmigkeit begraben liegt; denn wirklich liegt sie da so verborgen, daß schwerlich jemand sich wird rühmen können, etwas davon gesehen zu haben. Also weihen Päbste, die in der Gelderndte unermüdet sind, jene allzu apostolischen Arbeiten an die Bettelbrüder, diese wieder an solche, welche den Schafen alle Wolle abscheren.

Doch, hieher gehörts nicht, das Leben der Päbste und Priester durch die Musterung gehen zu lassen; man würde sonst denken, es sey mir um eine Satire, und nicht um eine Lobrede zu thun; und man würde auf den Argwohn gerathen, ich wolle gute Fürsten durch die Hechel ziehen, indem ich böse lobe. Ich habe aus keiner andern Ursache auf diese Dinge gedeutet, als daß man es desto deutlicher einsehen möge, kein Sterblicher könne ein wonnevolles Leben führen, so lang er nicht zu meinem Dienst eingeweiht ist, und in meiner Gunst steht. Denn, wie solle dieses möglich seyn, da selbst die rhamnusische Göttinn, die Beglückerinn aller menschlichen Dinge, mit mir so sehr unter dergleichen Decke liegt, daß sie sich jenen Weisen stets im höchsten Grade feindselig erwiesen, und hingegen den Narren auch im Schlaf alles Gute zugeschanzet hat. Ihnen, meine Herren, wird jener Timotheus bekannt seyn, der atheniensische Feldherr, den man das Glückkind zu nennen pflegte; von ihm kömmt das Sprüchwort her: „dem schlafenden Fischer hüpfen die Fische ins Garn“ und: „ihn begünstigt die Eule der Minerva“ von dem Weisen hingegen heißts „erst unter einem bösen Planeten gebohren; immer reutet er ein stolperndes Pferd; sein Gold ist Flitterwaare.“ Doch, genug gesprüchwörtelt; man möchte sonst glauben, ich habe den Adagienkasten meines Erasmus geplündert.

Ich lenke wieder ein. Die Göttinn des Glücks liebt die Schwindelköpfe, die Tollkühnen, die alles aufs Spiel setzen. Die Weisheit macht schüchtern; daher sieht man, wie die Weisen mit der Armuth kämpfen, den Magen voll Hungers, und den Kopf voll Winds haben, und ein verachtetes unberühmtes, verhaßtes Leben führen. Den Narren regnet das Geld zu; sie sitzen am Steuerruder; alles ist blühend bey ihnen. Wenn es einmal ein Glück ist, grossen Fürsten zu gefallen, und unter meinen Günstlingen, den mit Edelgesteinen behangenen Erdengöttern, seinen Wandel zu führen: was kann unnützers seyn, was von diesen Menschengeschöpfen mehr verabscheutes, als die Weisheit? Wenn es um Reichthümer zu thun ist, wie wird es um den Gewinn des sich auf der Weisheitsjagd vertändelnden Kaufmannes stehen! wenn ein Meineid ihm ein Stein des Anstosses ist? wenn er, auf einer Lüge ertapt, roth wird? wenn er sich um die Gewissensgrübeleyen der Weisen, über Diebstal und Wucher, nur ein Haar bekümmert. Wer sich nach den Ehrenstellen und Gütern der Kirche bestrebt, muß sich der Weisheit hurtig entschlagen, sonst wird jeder Esel, jeder Büffel, ihn überlaufen. Wenn Sie, meine Herren, eine Neigung zur Wollust haben, so lassen Sie sich berichten, daß ein Mädchen (ein solches wird Ihnen wohl im Kopfe stecken) einem Narren von ganzem Herzen gewogen ist, und den Weisen wie einen Scorpion verabscheut und flieht. Wenn es Ihnen um ein lustiges Leben zu thun ist, o so lassen Sie sich ja keinen Weisen mehr kommen, und wählen Sie sich lieber den ersten den besten Tummkopf zum Gefehrten. Kurz, wohin man sich immer wendet, an Päbste, Fürsten, Richter, Obrigkeiten, Freunde, Feinde, Hohe, Niedere, alles richtet sich nach dem Gelde. Freylich verachtet der Weise das Geld; aber, es läßt sich auch recht angelegen seyn, ihn zu fliehen.

Ja, meine Herren, wenn man einmal anfängt, mich zu loben, so verliert man Maaß und Ziel; und doch muß jede Rede einmal zu Ende gehen. Auch ich werde zu reden aufhören, aber dann erst, wenn ich mit wenigem werde gezeigt haben, es fehle nicht an grossen Schriftstellern, die mich durch Feder und Leben berühmt gemacht haben; sonst würd ich blos eine arme Närrinn zu seyn scheinen, die niemanden als sich gefällt; auch würden die Herren Gesetzdrechsler es mir zur Schande rechnen, daß ich nicht citiere. Nun denn, nach ihrem Beyspiele will in das Kreuz und in die Quer citieren. Erstlich hab ich weiß nicht wo gelesen, „wo es am Wesentlichen fehle, sey das Scheinbarste das beste.“ Auch der Schuljugend selbst pflegt man es einzuschärfen, „gelegentlich den Narren zu spielen, sey grosse Weisheit.“ Schon hieraus wird man den Schluß ziehen können, um die Narrheit müsse es etwas vortrefliches seyn, weil auch ihr täuschender Schatte, und ihre blosse Nachahmung, von den Gelehrten so sehr herausgestrichen wird. Horaz, der sich selbst ein fettes und glänzendes Schwein aus Epikurs Heerden betittelt, sagts recht ehrlich heraus, „in die Weisheit müsse sich Narrheit mischen,“ nur hätt er der Narrheit nicht das Lumpenwörtchen „kurzdaurend“ vorhersetzen sollen. Eben dieser sagt auch, „schicklich den Narren zu treiben, macht Vergnügen;“ und „besser ists, ein Narr und Tölpel zu scheinen, als Weise zu seyn, und ausgezischt zu werden.“ Homer trachtet seinen Telemach wo möglich bis in den Himmel zu erheben, und doch nennt er ihnen zuweilen einen närrischen Jungen; und ein gutes Zeichen für jeden ist es, den die Dichter mit diesem Beynamen beehren. Was enthält die heilige Ilias anders, als den Zorn närrischer Könige und Völker? Cicero redet mein Lob frey heraus, da er sagt „die Welt ist ganz mit Narren bevölkert.“ Und wer weiß nicht, daß jedes Gute um soviel vortreflicher sey, um so viel ausgedehnter es ist?

Vielleicht stehen diese Schriftsteller bey den Christen in schlechten Rufe; ich will daher, wenn man es für gut findet, mein Lob auch auf Stellen der heiligen Schrift steuern oder gründen. Euch aber, ihr Herren Theologen, muß ich zuvor in Demuth um Erlaubniß dazu bitten; und weil ich ein schweres Werk beginne, und es vielleicht ein Verbrechen wäre, die Musen von ihrem Helikon, eine so weite Strecke, zum zweytenmale herab zu bemühen, insonderheit da ihnen mein Gegenstand etwas fremd seyn möchte: so wirds vielleicht verträglicher seyn, daß mitlerweil, alldieweil ich die Rolle eines Theologen spiele, und mich durch so dörnichte Wege hindurchreisse, die Seele des Scotus, spitziger als ein Igel oder Stachelschwein, in meine Brust wandere, aber sich bald wieder wegdrolle, wohin es ihr dann belieben wird, wenn es auch auf den Rabenstein seyn sollte.

Möcht ich mein Gesicht ändern, und mich recht theologisch aufstutzen können! Ich fürchte aber anbey auch, man werde mich eines Diebstals beschuldigen, daß ich so vieles theologisches Zeug aus meiner Ficke hervorziehend, die Schränke der grundgelehrten Männer heimlich geplündert habe. Man hat sich aber nicht groß zu verwundern, wenn ich in meinem langen und genauen Umgange mit den Theologen, etwas erhascht habe; dann hat nicht auch jener Holzbock, der Gott Priapus, beym Lesen seines Herrn und Meisters, einige griechische Wörter bemerkt und im Gedächtnisse behalten? und Lucians Hahn, der lange unter den Menschen lebte, hat er nicht auch wie ein Mensch geplaudert? Wohlan denn; Glück zum Unternehmen!

Der Prediger schreibt im ersten Capitel: „die Zahl der Narren ist unendlich.“ Nun, sollte die unendliche Zahl nicht alle Sterblichen in sich schliessen; ausser einige wenige; aber, wer ist so glücklich gewesen, diese zu sehen? Noch offenherziger sagt Jeremias im zehnten Capitel, die Sache heraus: „durch ihre Weisheit sind alle Menschen zu Narren geworden.“ Gott einzig legt er Weisheit bey, und wirft den Menschen überhaupt die Narrheit zum Erbtheile hin. Kurz vorher hatte er gesagt „der Mensch rühme sich nicht in seiner Weisheit.“ Warum, ehrlicher Jeremia, soll der Mensch sich nicht in seiner Weisheit rühmen? Auf diese Frage würd er anders nichts sagen, als: weil er keine Weisheit besitzt. Ich komme wieder auf den Prediger. Da er ausruft: „Eitelkeit der Eitelkeiten; alles ist eitel,“ so wird wohl niemand glauben, daß er dadurch etwas anders habe andeuten wollen, als was bereits gesagt worden: das menschliche Leben sey ein bloses Narrenspiel. Dieses legt dem auf mich verfertigten und bereits angeführten Lobspruche des Cicero seine Stärke bey: es wimmle alles von Narren. Wenn jener weise Mann ferner sagt: „der Narr ändert sich wie der Mond, der Weise bleibt wie die Sonne“ was sagt er dadurch anders, als: das ganze Menschengeschlecht sey närrisch, und Gott allein gebühre der Titel eines Weisen? denn, durch den Mond versteht man die menschliche Natur; durch die Sonne hingegen Gott, die Quelle alles Lichtes. Christus stimmt in dem Evangelium diesem bey, da er sagt, man müsse Gott allein gut nennen; nun, wenn jeder Unweise ein Narr, jeder Gute aber ein Weiser ist, wie die Stoiker lehren, so folgt nothwendig, daß alle Sterblichen närrisch sind.

Salomon sagt im fünfzehnten Capitel seiner Sprüche: „die Narrheit macht dem Narren Freude;“ er gesteht es also rund heraus, ohne die Narrheit habe dieses Leben nichts angenehmes. Hieher gehört auch dieses: „wo viele Weisheit ist, da ist viel Schmerzen; und wo viel Verstand ist, grämt man sich sehr.“ Eben hievon redet auch dieser vortrefliche Prediger, im siebenden Capitel: „das Herz der Weisen ist bey der Traurigkeit; das Herz der Narren bey der Freude.“ Es war ihm nicht genug, daß er sich mit der Weisheit bekannt machte, nein, er wollte zugleich mich kennen. Wer mir auf mein Wort nicht glauben will, der höre seine Worte des ersten Capitels: „ich habe mein Herz darauf gesetzt, zu wissen was Klugheit und Lehre, was Irrthümer und Narrheit seyen.“ Hier ist zu bemerken, daß er aus Ehrerbietung für die Narrheit sie zuletzt genennet hat; denn der Prediger schreibt (und bekanntermaassen ist dieses die Predigerweise) der, welcher an Würde der erste ist, solle die letzte Stelle einnehmen; und hiemit stimmt das evangelische Gebot überein.

 

Daß die Narrheit der Weisheit vorzuziehen sey, sagt auch deutlich jener Ecclesiasticus, wer er immer gewesen, in seinem vier und vierzigsten Capitel. Doch nein, meine Herren, ich werde seine Worte nicht ehender anführen, als bis Sie mir (beym Herkules sey es geschworen) gewisse Einleitungsfragen, wie es beym Plato die machen, welche sich mit dem Socrates unterreden, richtig beantwortet haben. Nun, schickt sichs besser, etwas seltenes und kostbares zu verbergen, als etwas gemeines und geringes? Wie! Sie schweigen? Gut! wenn Sie gleich mäusestill da stehen, so soll das Sprüchwort der Griechen für Sie antworten: „Den irdenen Wasserkrug läßt man an der Thür stehen.“ Nein, niemand versündige sich durch Verspottung dieses Sprüchworts; wir finden es bey dem von unsern Meistern göttlich verehrten Aristoteles. Würde, meine Herren, einer von Ihnen Narrs genug seyn, seine Edelgesteine und sein Geld auf die Strasse hinaus zu legen? Im innersten Zimmer, in den geheimsten Winkeln eiserner Küsten, werden Sie es verschlüssen; was Sie öffentlich liegen lassen, muß wirklich ein Quark seyn. Wenn man also das Kostbare verschließt, und das Schlechte öffentlich liegen läßt: folgt nicht deutlich, die Weisheit, die er zu verbergen verbietet? Nun möge man seine eigenen Worte hören. „Der Mensch, der seine Narrheit verbirgt, ist besser, als der Mensch, der seine Weisheit verbirgt.“

Die heiligen Bücher schreiben auch der Narrheit ein aufrichtiges Gemüth zu, alldieweil der Weise meynt, daß niemand ihm zu vergleichen sey. Einmal versteh ich es so, was der Prediger im zehnten Capitel sagt. „Wenn der Narr auf der Strasse geht, so glaubt er, weil er närrisch ist, jeder, der ihm begegnet, sey ein Narr.“ O welche Redlichkeit! er achtet jeden so gut als sich; er, da jedermann hohe Gedanken an sich selbst hat, theilt seinen Ruhm mit jedermann. Ein so grosser König schämte sich auch dieses Beynamens nicht, da er im dreißigsten Capitel sagt: „Ich bin der Närrischste unter den Menschen.“ Und auch Paulus, der Heidenlehrer, bezeugt in seinem Brief an die Corinther, daß er sich den Titel eines Narren sehr wohl gefallen lasse: „als ein Narr (spricht er) sag ich es; mehr als irgend ein anderer“ als ob er sichs zur Schande rechnete, an Narrheit übertroffen zu werden. Freylich widersprechen mir einige Nasenweise, die sich mit ihrem Griechischen brüsten, die heut zu Tage, recht krähenmäßig, die Augen so vieler Theologen auspicken, und ihren Auslegungsquark Andern aufdringen wollen; und hier kann mein Erasmus (den ich oft aus Hochachtung nenne) Anspruch, wo nicht auf die erste doch auf die zweyte Stelle machen. Ja (rufen sie), sich so auf die angeführte Stelle zu beziehen, ließ sich wirklich von niemanden als von der Narrheit erwarten; der Apostel hatte was ganz anders im Sinn, als ihm hier angeträumt wird; in diesen Worten ist es ihm nicht darum zu thun, daß man ihn für närrischer als Andere halten solle, sondern er sagt: „sie sind Diener Christi, und auch ich bin es;“ und sich gleichsam rühmend, daß er den übrigen nicht nur gleich sey, sondern sie diesorts noch übertreffe, setzt er hinzu, „noch mehr als sie.“ Damit man aber nicht denken möge, er sage dieses aus Stolze, verwahrt er sich durch den Zusatz, er habe thöricht geredet. „Als ein Unweiser (spricht er) sag ich es,“ denn bekanntermaßen haben die Narren das Vorrecht, Dinge zu reden, an denen man sich aus ihrem Munde nicht ärgert.

Was Paulus, da er das obige geschrieben, bey sich gedacht habe, überlaß ich diesen Herren, es auszufechten. Ich trete in die Fußtapfen der grossen, fetten, dicken und den meisten Beyfall erhaltenden Theologen; denn (beym Jupiter!) ein grosser Theil der Lehrer will lieber mit diesen irre gehen, als mit jenen griechischen, lateinischen, und hebräischen Dreyzünglern den richtigen Weg einschlagen. Auf ihre Reden achtet man so wenig als auf ein Krähengewäsche; insonderheit da ein ruhmvoller Theolog1 (dessen Namen ich mit Vorbedacht verschweige, damit nicht eine griechische Krähe das „der Esel bey der Leyer“ spöttisch ausrufe) diese Stelle theologisch-meisterhaft erklärt. Mit den Worten „als ein Unweiser sag ich es; ich bin es mehr als sie“ fängt er ein neues Capitel an; und mit einem dialectischen Meisterzuge fügt er einen neuen Abschnitt bey; und dieses auf folgende Weise, dabey ich seine eigenen Worte nicht nur formaliter sondern auch materialiter anführen will: „Als ein Unweiser sag ich es,“ daß ist wenn ich euch als Narr vorkomme, indem ich mich den falschen Aposteln an die Seite setze, so werdet ihr mich noch für närrischer halten, daß ich ihnen den Weg ablaufe. Aber bald darauf fällt der gute Mann, der kein eisenmässiges Gedächtniß haben muß, auf etwas ganz anders.

Aber, was hab ich nöthig mich ängstlich auf ein einzelnes Beispiel zu berufen? Die Theologen haben sich ja augenscheinlich das Recht verschaft, den Himmel, daß ist die heilige Schrift, wie der Schuster das Leder auszudehnen. Beym Paulus widersprechen sich gewisse Worte der Schrift, die sich an den Stellen, daraus sie gezogen sind, nicht widersprechen; wenn man den fünfzüngigen (griechisch, lateinisch, hebräisch, chaldäisch, und Dalmatisch redenden) Hieronymus Glauben zustellen kann. Zum Exempel, der Apostel sah in Athen die Aufschrift eines Altars; er verdreht sie zum Behufe des christlichen Glaubens; indem er alles das wegläßt, was seiner Sache hätte nachtheilig seyn können, und nur diese Worte „dem unbekannten Gott“ und zwar auch geändert, anführt; die ganze Aufschrift lautete also: „Den Göttern von Asia, Europa und Afrika, den unbekannten und fremden Göttern.“ Nach diesem Beyspiele, wie mich deucht, richten sich unsre heutige Theologen; hier und da klauben sie vier oder fünf Wörtchen zusammen, und auch diese, wenn es nöthig ist, drehen sie so lang herum, bis sie dabey ihren Vortheil finden, wenn gleich das Vorhergehende und Folgende nichts dazu hülft, oder ihm wohl gar gerade widerspricht. Dieses thun sie mit einer so glücklichen Unverschämtheit, daß oft die Rechtsgelehrten auf die Theologen eifersüchtig werden.

Worinn sollt es ihnen jetzt nicht gelingen? Jener grosse Theolog (bald hätt ich ihn wieder genannt, wenn der Esel bey der Leyer mich nicht nochmals abgeschreckt hätte) hat ja aus einigen Worten des Lucas eine Meynung herausgeleiert, die mit dem Sinne Christi so verträglich ist, wie das Feuer mit dem Wasser. Da sich die äusserste Gefahr näherte, eine Zeit, in welcher getreue Anhänger sich am geflissensten erweisen, ihren Gönnern beyzustehen, und nach bestem Vermögen auf ihrer Seiten zu streiten, da fragte Christus seine Jünger, die er lehren wollte, sich auf keine solche äusserlichen Vertheidigungsmittel zu verlassen, ob sie je an etwas Mangel gehabt haben, da er sie ohne Reisegeld ausgesandt hatte; da sie weder mit Schuhen zur Vertheidigung wider Dornen und Steine, noch mit einem Reisesack und Nahrungsmittel zur Abtreibung des Hungers versehen gewesen. Nein, sagten sie, nie hatten wir Mangel. Jetzt aber, sprach er, wer einen Beutel und Sacke hat, nehm ihn; und wer kein Schwerdt hat, kaufe eines, wenn er gleich deßwegen seinen Rock verkaufen müßte. Da Christus stets die Sanftmuth, Verträglichkeit und Verachtung des Lebens einschärfte, so ist hier seine Meynung nicht schwer zu finden; nämlich, um seine Gesandten jetzt noch mehr zu entwaffnen, sagt er ihnen, sie sollen sich nicht nur der Schue und des Sackes entschlagen, sondern auch den Rock wegwerfen, um das evangelische Geschäft desto hurtiger und ungehinderter betreiben zu können; sie sollen sich nichts anschaffen, als ein Schwerdt; nicht ein solches, mit welchem Räuber und Mörder zu würgen pflegen, sondern das Schwerdt des Geistes, das bis in das Innerste der Seele dringt, und daraus alle Leidenschaften so ausrottet, daß nichts als Frömmigkeit in dem Herzen herrscht.

Man sehe aber, wie jener Theolog die Sache zu verdrehen weiß: das Schwerdt erklärt er für die Vertheidigung gegen die Verfolgung; durch den Sack versteht er einen zureichenden Vorrath von Lebensmitteln; als ob Christus seine Meynung ändernd, weil es das Ansehen haben könnte, er habe seine Gesandten nicht stattlich genug ausgerüstet, über seine vorige Anordnung einen Widerruf thue. Also hätte er seiner vorigen Aussprüche vergessen: sie werden selig seyn, wenn man sie schmähe, schimpfe, peinige; sie sollen den Bösen nicht widerstehen; denn die sanftmüthigen seyen selig, nicht die trotzigen; sie sollen die Vögel und die Lilien zum Beyspiele nehmen; jetzt sollen sie sich wohl hüten, die Reise ohne Schwerdt anzutreten; ehender sollen sie ihre Kleider verkaufen. Wie er also meynt, daß unter dem Worte Schwerdt alles verstanden werde, das zur Abtreibung eines feindlichen Angriffes dienlich seyn kann: also versteht er durch Beutel und Sack alle Lebensbedürfniß.

Also versteht dieser Dolmetscher des Geistes Gottes die Apostel mit Ober- und Untergewehr, um soldatenmäßig den Gekreuzigten zu predigen; auch läßt er es ihnen an Reisegepäcke und Mundproviant nicht fehlen, damit sie nicht genöthigt seyen, auch das schlechteste Gasthaus mit hungerndem Magen zu verlassen. Der Mann läßt sichs auch nicht anfechten, daß auf den Befehl, ein Schwerdt zu kaufen, bald ein anderer erfolgte, der das Schwerdt einstecken hieß; auch daß es nie erhört worden, daß die Apostel sich wider Angriffe der Heiligen des Schwerdtes und Schildes bedient haben; etwas, das sie ohne Zweifel gethan hätten, wenn ihnen dazu ein Befehl wäre gegeben worden.

Ein Anderer2, den ich aus Hochachtung nicht nenne, und der ein sehr berühmter Mann ist, macht aus den bey dem Habakuk vorkommenden Häuten, das ist Gezelten der Midianiten, die Haut des lebendiggeschundenen Bartholemäus.

Neulich wohnt ich, wie ich es oft thue, einer theologischen Disputation bey; jemand kam mit der Frage angestochen, auf welche Schriftstelle sichs gründe, daß man einen Ketzer ehender durch Feuer und Schwerdt als durch Vernunftgründe besiegen müsse. Ein saurer Graukopf, an dem schon die gerümpfte Stirn den Theologen verrieth, schrie auf eine hämische Weise, dieses Gesetz hat ja Paulus gegeben, da er sprach: „einen ketzerischen Menschen meide, nachdem du ihn etlichemal ermahnet hast.“ Nachdem er diese Worte mit grossem Nachdrucke verschiedenemal wiederholet hatte, und jedermann im Zweifel war, was sich doch in des Mannes Kopfe müsse zugetragen haben, ließ er sichs endlich gefallen, sich näher zu erklären. Um diese seine Erklärung zu verstehen, müssen Sie meine Herren wissen, daß der Mann latein geredet habe, und, „meide“ in dieser Sprache heisse devita; nun spaltete der verschmitzte Mann dieses Wort, und schrie: heißt es nicht ausdrücklich de vita „aus dem Leben weg“ und ists nicht klar, daß man die Ketzer verbrennen und die Asche in die Luft streuen müsse?

Einige lachten; doch fehlt es auch an solchen nicht, denen diese Erklärung recht theologisch zu seyn schien. Weil sich aber doch noch Ungläubige finden lassen, ließ sichs unser unbesiegbare Held gefallen, den Knoten mit einmal zu zerschneiden, indem er sprach: Merket auf; es steht geschrieben, einen Maleficanten soll man nicht leben lassen; nun ist jeder Ketzer ein Maleficant; und folglich, und so weiter. Alle Anwesenden bewunderten des Mannes Scharfsinn, und fielen seiner Meynung mit Haut und Haaren bey; keinem träumte auch nur, daß das Gesetz von Zauberern rede, die hier durch Maleficanten verstanden werden; sonst müßte man auch jeden Hurer und Trunkenbold, die ja auch Maleficanten oder Uebelthäter sind, mit dem Tode bestrafen.

Bin ich aber nicht närrisch, daß ich mich bey Dingen verweile, deren es so unzählbar giebt, daß sie in den tausend von dem Chrysippus und dem Didymus geschriebenen Bänden nicht Raum finden könnten. Nur dieses möcht ich mir ausgebeten haben: da man es jenen Meistergelehrten nicht übel nimmt, wenn sie zuweilen einen Fehlschluß thun, so hoff ich, man werde für mich auch, deren theologische Einsichten noch auf sehr schwachen Füssen stehen, Nachsicht haben, wenn ich nicht alles haarklein abgezirkelt habe.

 

Endlich komm ich wieder auf den Paulus. Indem er von sich selbst redet, spricht er: „Ihr pfleget die Thoren mit Geduld zu ertragen – nehmet auch mich als einen Thoren an – ich rede nicht nach Gott, sondern wie in Thorheit – wir sind Narren um Christi Willen.“ Man hat gehört, wie der grosse Mann zum Lobredner der Narrheit wird. Ja, öffentlich fordert er zur Narrheit auf, als zu der nothwendigsten und heilsamsten Sache: „Wer unter euch weise zu seyn scheint, der werde ein Narr, damit er weise werde.“ Beym Lucas werden zween Jünger, zu denen Jesus sich auf dem Wege gesellt, von ihm Narren genennt. Noch mehr verwundere ich mich darüber, daß Paulus das Herz hat, Gott selbst etwas von Narrheit zuzuschreiben: Gottes Narrheit ist besser als der Menschen Weisheit. „Der Ausleger Origines will nicht, daß man diese Narrheit der Meynung der Menschen beylege; wie auch nicht die Stelle das Wort des Kreuzes ist Narrheit bey denen, die verlohren gehen.“

Warum bemühe ich mich aber, die Sache ängstlich durch so viele Zeugnisse zu unterstützen? In den mystischen Psalmen sagt Christus gerade heraus zum Vater: „Dir ist meine Thorheit bekannt.“ Es geschicht nicht von ungefehr, daß Gott an den Narren ein so herzliches Wohlgefallen hat; die Ursache wird wohl diese seyn: Bey den grösten Fürsten sind die, welche allzuklug und scharfsichtig sind, verdächtig und verhaßt; also traute Cäsar dem Brutus und Cassius nicht, setzte aber kein Mißtrauen in den nassen Bruder Antonius; Nero konnte den Seneca nicht leiden; Dionysius den Plato nicht. Hingegen machen ihnen die Dickköpfichten und Unweisen ein grosses Vergnügen. Gleicherweise verabscheut und verdammt Christus durchgehends jene Weisen, die sich auf ihre Klugheit was grosses einbilden. Paulus giebt es deutlich zu verstehen, wenn er sagt: „was närrisch vor der Welt ist, das hat Gott gewählt – es hat Gott gefallen, durch Narrheit die Welt zu erhalten;“ die Welt, die durch Weisheit nicht zu verbessern war. Ja, Gott selbst spricht durch den Mund des Propheten: „ich will die Weisheit der Weisen verderben, und die Klugheit der Klugen zernichten.“ Auch hat Christus Gott gedankt, daß er das Geheimniß des Heils den Weisen verborgen, und den Unmündigen (nach der Kraft der Grundsprache, den Narren) geoffenbaret habe, die er den Weisen entgegensetzt.

Hieher gehört auch, daß Christus in dem Evangelium durchgehends, den Pharisäern, Schriftgelehrten und Gesetzerklären, den Krieg ankündigt, und hingegen den ungelehrten Pöbel in seinen Schutz nimmt; denn das „wehe euch Schriftgelehrten Pharisäern“ wird zuletzt anders nichts sagen wollen, als „wehe euch Weisen.“ Kindern, Weibern, Fischern, war er vorzüglich gewogen.

Unter den Thieren gefielen ihm die vorzüglich, welche von der Klugheit des Fuchses am weitesten entfernt sind. Er wählte sich einen Esel bey seinem Einzuge, und hätte sich, wenn es ihm beliebt hätte, eben so sicher dazu eines Löwen bedienen können. Der heilige Geist kam in der Gestalt einer Taube herab, nicht eines Adlers oder Geiers.

Ferner nimmt die heilige Schrift oft Gleichnisse von Hirschen, Rehen und Lämmern her. Die zur Unsterblichkeit Auserwählten werden Schafe genannt; nun giebts nichts dümmers als dieses Thier; und schon beym Aristoteles steht ein Schafskopf in keinem grossen Ruhme. Christus schämt sich nicht, für den Hirten einer solchen Heerde gehalten zu werden; und Johannes bezeugt, daß es ihm gefallen habe, wenn man ihn ein Lamm nennte „siehe das Lamm Gottes.“ Und so wird er im Buche der Offenbarung oft betitelt.

Was heißt alles dieses anders, als die Menschen, auch die Frommen, seyen Narren? Christus, um der Narrheit der Sterblichen zu Hülfe zu kommen, da er die Weisheit des Vaters war, habe selbst etwas von dieser Art mit des Menschen Natur angenommen, da er in seinen Geberden als ein Mensch erfunden worden? so wie er auch um der Sünde abzuhelfen, zur Sünde geworden; und abhelfen wollte er ihr blos durch die Thorheit des Kreuzes; sich auch nur tummer und ungelehrter Apostel bedienend, denen er fleisig Narrheit empfiehlt, sie von der Weisheit abschreckend, indem er ihnen Kinder, Lilien, Senfkörner, Sperlinge, zum Muster der Nachahmung anpreist; tumme und verstandlose Geschöpfe, die blos durch den natürlichen Instinkt, ohne Kunst und Sorge fortdauern. Er will, daß sie sich nicht darum bekümmern sollen, was sie von den Grossen der Welt reden wollen; er verbietet ihnen, den Zeiten und ihren Veränderungen nachzuforschen, damit sie sich in nichts auf eigene Klugheit sondern ganz auf ihn verlassen mögen.

Gott, der Baumeister der Welt, verbietet den ersten Menschen, von dem Baume der Erkenntniß nur das geringste zu kosten; gerade, als ob dieses für die Glückseligkeit ein Gift wäre. Paulus spricht deutlich, daß das Wissen etwas aufblähendes und schädliches sey. Bernhardus, wenn ich mich nicht irre, nahm ihn zum Muster, da er den Berg, den Lucifer nach einer Meinung zu seinem Wohnsitze gewählt, den Berg der Erkenntniß nennt. Vielleicht verdient auch dieses zum Beweise angeführt zu werden, daß die Narrheit bey den Himmelsbewohnern in Gunst stehe: man beruft sich auf sie, wenn man Verzeihung wegen einen Fehler erhalten will; der Weise weiß wohl, daß er nicht Vergebung finde, wenn er etwas verfehlt hat; und was thut er in solchem Falle? er giebt vor, daß er sich gleich einem Narren betragen habe. Wenn Aaron (wenn ich mich recht erinnere, im vierten Buche des Moses) die Sünde seines Weibes abbittet, so spricht er: „ich bitte dich, mein Herr, rechne uns diese Sünde nicht zu, die wir thöricht begangen haben.“ Auch Saul bittet den David also um Vergebung: „es liegt ja klar am Tage, daß ich thöricht gehandelt habe.“ David selbst trachtet sich also bey Gott einzuschmeicheln: „ich bitte dich, Herr, nimm das Verbrechen von deinem Knechte weg, denn wir haben thöricht gethan,“ als ob er keine Vergebung hätte erhalten können, wenn er nicht Narrheit und Unwissenheit vorgeschützt hätte.

Das überzeugendeste ist dieses: da Christus am Kreuze für seine Feinde bath, sprach er: „Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun.“ Ihre Unklugheit hält er für ihre beste Entschuldigung. Also schrieb Paulus an den Timotheus: „Gott erwieß sich mir barmherzig, weil ich es im Unglauben unwissend that.“ Was heißt das „unwissend“ anders, als er habe es aus Narrheit und nicht aus Bosheit gethan? Und sieht man hier nicht zugleich, nur unter dem Schutze der Narrheit sey ihm Barmherzigkeit wiederfahren? Auch dient hieher die Stelle (ich führe sie aus Vergeßlichkeit etwas spät an) des mystischen Psalmdichters: „Gedenke nicht der Uebertretungen meiner Jugend und meiner Unwissenheiten.“ Haben Sie es bemerkt, meine Herren, daß er seine Jugend vorschützt, die mich zur steten Gefehrtinn hat, und seine Unwissenheiten, wo die gebrauchte mehrere Zahl die Grösse seiner Thorheit andeutet.

Damit ich mich nicht ins Unendliche vertiefe, will ich nur überhaupt dieses sagen: Es scheint wirklich, die christliche Religion stehe mit der Narrheit in einer Art von Verwandtschaft und vertrage sich mit der Weisheit ganz und gar nicht. Wie! man verlangt Beweise hierüber? Hier sind sie: Erstlich; Kinder, Greisen, Weiber, Blödsinnige, haben vorzüglich ein Vergnügen an Kirchlichen Gebräuchen und Ceremonien; sie drängen sich stets am nächsten zu den Altären; und zwar blos durch einen Naturtrieb. Anbey waren die ersten Stifter der Religion wunderbare Freunde der Einfalt und geschworne Feinde der Gelehrtheit. Endlich giebt es keine tümmere Stocknarren, als die, in denen die Flamme der christlichen Frömmigkeit lichterloh brennet; sie werfen ihr Geld reichlich aus, achten keine Beschimpfung, lassen sich betrügen, machen keinen Unterschied zwischen Freunden und Feinden, verabscheuen die Wollust, mästen sich mit Fasten, Wachen, Weinen, Arbeiten, Grümmungen; sind des Lebens überdrüssig, wünschen sich nichts als den Tod; kurz, es scheint, selbst der gemeine Menschenverstand könne keinen Eindruck mehr in sie machen; es ist, als ob sich ihr Geist um eine andere Herberge umgesehen, und seinen Leib verlassen habe. Und was ist dieses anders als Wahnsinn? Nein, es ist sich eben nicht groß darüber zu verwundern, daß es schien, die Apostel seyen voll süssen Weins; und daß es den Richter Festus deuchte, Paulus rase.

1Nicolaus de Lyra.
2Jordanus.