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Das Lob der Narrheit

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In die gleiche Classe gehören die, welche alles verachten, das nicht Jagd ist; und behaupten, sie empfinden in sich eine unbeschreibliche Wollust, so oft sie das heulende Gebrülle der Hörner und Hunde hören. Haben sie nicht etwann auch ihre Geruchskräfte so verfeinert, daß es ihnen deucht, der Hundsstall sey mit Zibeth durchduftet. Welches süsse Vergnügen, wenn es um die Zerreissung des Wildes zu thun ist! Bey Ochsen, Hämmeln, überläßt man diese Arbeit dem niedern Pöbel; hier darf nur der Junker Hand anlegen; mit entblößtem Haupte, gebogenen Knien, dem dazu gewiedmeten Waidemesser (sich hier eines gemeinen bedienen, würde strafwürdiges Verbrechen seyn) mit gewissen Geberden, trennt er gewisse Glieder, in einer gewissen Ordnung, religionsmäßig ab. Die umherstehende Gesellschaft, tief stillschweigend, verwundert sich inzwischen darüber, wie über etwas ganz neues, ob sie gleich solchem Schauspiele mehr als tausendmal beywohnte. Wer das Glück hat, etwas von dem Thiere zu kosten, der glaubt, daß er dadurch im Adel eine Stuffe höher gestiegen sey. Und doch gewinnen sie durch das geflissene Verfolgen des Wildes, und das Essen von demselben, anders nichts, als daß sie, ein königliches Leben zu führen vermögend, bald selbst in wilde Thiere ausarten.

Mit diesen haben jene viel ähnliches, die, durch unersättliche Bausucht hingerissen, das Runde viereckig, und das Viereckige rund machen. Sie wissen weder von Ziel noch Maaß, bis sie in die tiefe Armuth versunken, weder ein Haus noch etwas zu beissen, und brechen haben. Und bleibt ihnen denn gar nichts übrig? O ja; das Angedenken, daß sie einige Jahre in grosser Wollust verträumt haben.

Diesen kommen, meiner Einsicht nach, jene sehr nahe, die sich unterfangen, durch neue und geheime Künste, die Natur der Dinge zu ändern, und zu Wasser und Land ich weiß nicht was für einer fünften Kraft nachjagen. Diese weiden sich so königlich mit der süssen Hoffnung: daß sie weder Mühe noch Unkosten bereuen; mit wunderbarem Scharfsinn ergrübeln sie sich immer etwas neues, um sich zu täuschen und sanft einzuwiegen, bis sie von allem so entblöst sind, daß sie ihren Tigel kalt und leer müssen stehen lassen. Doch setzen sie ihre schmeichelnden Träume fort, und muntern Andere so viel möglich zu einer gleichen Wonne auf. Wenn sie endlich von aller und jeder Hoffnung verlassen sind, so schöpfen sie aus dem Sprüchgen „nach grossen Dingen gestrebt zu haben, ist Ruhms genug“ einen unvergleichlichen Trost. Und dann schmählen sie erbaulich auf die Kürze des Lebens, die so grosse Unternehmungen neidisch vereitle.

Noch steh ich im Zweifel, ob ich die Spieler für meine Zunftgenossen erkennen solle. Doch ists närrisch und lächerlich genug, zu sehen, wie Einigen, so oft sie die Würfel fallen hören, das Herz im Leibe hüpft und bebt. Wenn sie, durch die Hoffnung auf Sieg stets genarret, an der Spielklippe (kaum haben ehedem an dem lakonischen Vorgebürge Malea so viele gestrandet) Schiffbruch gelitten haben, und kümmerlich mit der Haut entronnen sind, so betrügen sie ehender sonst jedermann, als den Sieger, um ja Bidermänner zu bleiben. Was ist von jenen halbblinden Grauschädeln zu sagen, die zum Spielen ihre Augen mit Gläsern bewaffnen müssen? Von denen, welchen das gerechtigkeitliebende Chiragra die Finger gelähmt hat, die Andre bestellen, in ihrem Namen die Würfel zu werfen? Ein feiner Gespaß wär es freilich, wenn nur dieses Spiel sich nicht oft in Wuth verwandelte, und dann eine Sache für die Furien würde, nicht für mich.

Hier aber kommen Leute meines Gelichters: Wunderdinge, teuschende Lügen, zu hören oder zu erzählen, macht ihre Freude aus. Unersättlich sind sie bei solchen Fabeleyen, wenn man von Gespenstern, Poltergeistern und tausenderley dergleichen Teufeleyen redet, die, je weiter sie sich von der Wahrheit entfernen, desto gieriger geglaubt werden, und desto nachdrücklicher die Ohren jücken machen. Und diese herrlichen Dinge dienen nicht nur zum Zeitvertreibe, sondern sind auch sehr einträglich: man frage gewisse Schwarzröcke.

In einer nahen Verwandschaft mit diesen stehen jene, die sich eine zwar närrische aber doch lustige Sparre in den Kopf gesetzt haben, nämlich, wer auf einen hölzernen oder gemahlten polyphemusmäßigen Christoph die Augen richte, werde selbiges Tages nicht ersäufen; oder, wer bey einer geschnitzten Barbara mit vorgeschriebenen Worten seinen Gruß abstatte, werde unbeschädigt aus der Schlacht kommen; oder, wer an gewissen Tagen, mit gewissen Wachskerzen, und gewissen kleinen Sprüchen, den Erasmus besuche, werde in kurzen reich werden. Sie haben ihren Georg, wie die Heiden ihren Herkules und Hippolytus hatten; mit Spangen und Bullen ist sein Pferd auf das andächtigste geziert; wenig fehlts, daß sie es anbeten; von Zeit zu Zeit macht man sich bey dem Ritter mit einem Geschenkchen beliebt: und, wenn man bey seiner ehernern Bickelhaube schwört, dünkt man sich was Grosses zu seyn.

Was soll ich von jenen sagen, welche sich bey erdichteten Ablaßversicherungen ihrer Verbrechen fein gütlich thun, und die Zeiträume, Jahrhunderte, Jahre, Monate, Tage, Stunden des Fegfeuers, nach der Sanduhr angeben, oder geometrisch und auf eine ganz zuverläßige Weise abmessen? Oder von jenen, die sich auf ein magisches Zedelein oder Gebetlein verlassen, das ein frommer Betrüger in einer wunderlichen oder eigennützigen Laune ausgesonnen hat, und die sich daraus ich weiß nicht was für Herrlichkeiten versprechen: Reichthümer, Ehrenstellen, Wollüste, Niedlichkeiten, stete Gesundheit, langes Leben, munteres Alter, und endlich in dem Himmel einen recht ausgezeichneten Platz, den sie doch erst so spät als möglich zu beziehen gedenken; das ist, wenn die Wollüste dieses Lebens, an die sie sich mit allen Kräften halten, ihnen doch endlich entwischen: dann wollen sie sichs gefallen lassen, an den Freuden der Himmelsbewohner Theil zu nehmen.

Mich deucht, ich sehe, wie ein Krämer, Soldat, Richter hier vermittelst eines kleinen aus seinem ganzen zusammengeraubten Vermögen genommenen Stückchen Gelds den Schandpful seines ganzen Lebens ein für allemal auszureinigen glaubt, so viele Meineide, Schandthaten, Trunkenheiten, Gezänke, Mördereyen, Teuschereyen, Treulosigkeiten, Verräthereyen: alles, denkt er, sey jetzt losgekauft, und so gut losgekauft, daß er nun auf der Lasterbahn getrost fortgehen könne.

Giebt es wohl närrischere, daß ist glücklichere Leute, als die, welche darum, weil sie täglich sieben Verse aus den Psalmen daher sagen, sich die höchste Glückseligkeit als etwas unfehlbares versprechen? Man glaubt, ein gewisser spaßhafter Dämon, der mehr prahlerisch als schlau gewesen, habe dem ihn teuschenden Bernhard diese Verse gewiesen.

Und solche Dinge, die so närrisch sind, daß ich beynahe selbst mich ihrer schäme, finden Beyfall, und zwar nicht nur bey dem Pöbel, sondern auch bey Leuten, die so vieles von Religion schwatzen, daß man bey ihnen einen ganz andern Witz vermuthen sollte.

Liesse sich hier nicht auch von dem reden, daß jede Gegend ihren besondern Schutzheiligen hat; und daß jedem Heiligen sein eigenes Geschäft, und seine eigene Verehrungsart, angewiesen ist: der eine hülft bey Zahnschmerzen; der andere springt den Gebährenden bey; ein dritter verschaft dies gestohlene wieder; ein vierter läßt den Seefahrer eine beglückte Reise machen; ein fünfter bewacht die Heerde, und so weiter, denn alles daher zu zählen, würde zu weit führen.

Es giebt Heilige, welche für sich allein vieles zu Stande bringen können; besonders die jungfräuliche Gottesgebährerinn, deren der gemeine Mann bald mehrers zuschreibt, als dem Sohne.

Was ist alles, das die Menschen sich von dergleichen Heiligen erbeten, anders als Thorheit? Wohlan! unter so vielen Gedächtnißtafeln, mit welchen man die Wände und Gewölber der Tempel gelübdsmäßig dick behangen findet, hat man je eine gesehen, die aus Dankbarkeit von jemanden dahin verehret worden, der durch ein Wunder der Narrheit entflohen, oder auch nur um ein Haar weiser geworden ist? Einer hat sich glücklich durch Schwimmen gerettet; ein Anderer ward durch den hohlen Leib gestochen, und ist noch bey Leben; ein Anderer ist, indem die übrigen fochten, glücklich und tapfer durch die Flucht entronnen; ein Anderer kam an den Galgen, durch Kraft eines die Diebe begünstigenden Heiligen zerriß der Strick, und nun fährt er im Liebeswerke fort, diejenigen zu erleichtern, welche durch zu vieles Geld beschwert sind; ein Anderer durchbrach die Mauer des Kerkers, und ist in Freyheit; ein Anderer ist, zum grossen Verdrusse des Arztes, das Fieber bald losgeworden; einem Andern ward ein vergifter Trank gegeben; er verursachte aber den Tod nicht, sondern half glücklich einer Verstopfung ab; nur machts seiner guten Ehefrau wenig Freude, und sie ärgert sich über ihre vergebliche Mühe und Unkosten; ein Anderer schmiß mit dem Wagen um, ritt aber mit den Pferden gesund nach Hause; auf einen Andern fiel der Schutt einer einstürzenden Mauer, schlug ihn aber nicht todt; ein Anderer, der mit einer Frau tändelte, ward von dem Manne derselben überrascht, log sich aber durch einen listigen Einfall los. Niemand bezeigt sich dafür dankbar, daß er von der Narrheit befreit worden.

O meine Herren! wenig Verstand haben, ist etwas so angenehmes, daß die Sterblichen sich ehender alles verbäten, als die Narrheit. Aber warum sollt ich mich auf das Meer des Aberglaubens hinauswagen? Wenn ich gleich hundert Zungen hätte, hundert Mäuler, eine eiserne Stimme, so würd ich doch nicht alle Gestalten der Thorheit entwickeln, alle Namen der Narrheit durchlaufen können. In dem Leben der Christen, ist durchgehends alles von Wahnsinn vollgepfropft; und die Herren im schwarzen Kleide begnügen sich nicht nur, es so gehen zu lassen, sondern tragen auch noch das Ihrige wacker dazu bey; wohl wissend, daß sich dabey allemal ihre Rechnung werde finden lassen.

Ein Weiser, der mir von Herzen mißfällt, wirft sich zum ungebetenen Prediger auf, und spricht so, wie die Sache an sich selbst ist: „Du wirst kein böses Ende nehmen, wenn du gut lebst; deine Sünden werden dir vergeben werden, wenn du, der du die Sache mit einem stückchen Gelds richtig machen willt, dein gethanes Böse verabscheust, weinest, wachest, betest, fastest, und dein ganzes Thun und Lassen änderst; der Heilige wird dir gewogen seyn, wenn du seinem Leben nacheiferst.“ O meine Herren! wenn dieser Weise Ihnen mit dergleichen Geplauder in den Ohren liegt, bewaffnen sie sich wohl, wenn es Ihnen um Ihre Gemüthsruhe zu thun ist.

 

In diese Zunft gehören auch die, welche bey guter Gesundheit pünktlich verordnen, mit welchem Gepränge ihre Leiche solle bestattet werden; sie bestimmen die Zahl der Fackeln, der Leidtragenden, der Sänger, der Lohnheuler; gerad als sie selbst noch Augenzeugen dieses Schauspieles seyn würden; oder als ob es ein Schandflecke für den Verstorbenen wäre, wenn man seinen Leichnahm nicht prächtig einscharrte; sie sind damit so beschäftigt, als ob sie, gleich den Aedilen im alten Rom, das Volk mit Schauspielen und Mahlzeiten versehen müßten.

Ob ich gleich eile, so viel mir möglich ist, so kann ich doch jene nicht übergehen, die zwar vor dem niedersten Schuflicker nichts voraus haben, und sich doch auf den blossen Titel des Adels ich weiß nicht was Wundergrosses einbilden. Der Eine will von dem Aeneas abstammen; der Andere von dem Brutus: und ein Dritter von dem König Arthur. Sie hängen prahlerisch allerorten geschnitzt und gemahlte Bilder ihrer Ahnen auf; sie berufen sich auf derselben Namen und Beynamen, und sind selbst stummen Bildsäulen ähnlich; noch weniger werth, als die Thiere, die ihren Wappen zu Schildhaltern dienen. Doch führen sie, dank sey es ihrer holden Selbstliebe, ein ganz glückliches Leben; und an ebenso grossen Narren fehlts nicht, die diese Art von edlen Thieren für halbe Götter ansehen.

Warum red ich aber nur von einer oder der andern Art von Narren! die Selbstliebe zaubert ja allerorten auf tausenderley wunderbare Weise dergleichen recht glückliche Geschöpfe hervor. Etwann sieht man einen, mit dem die Natur es noch wohl gemeinet hätte, wenn er von ihr blos mit einem Affengesichte wäre begabet worden, und er deucht sich schöner zu seyn, als Nireus es beym Homer ist. Ein Anderer, so bald er vermittelst seines Zirkels zwo oder drey Linien ziehen kann, glaubt, daß er es mit dem Euklides aufnehmen könnte. Hier ist einer, der sich zur Musik so gut schickt, wie der Esel zur Harfe; doch glaubt er sich im Stande zu seyn, mit einem Hermogenes in die Wette zu singen, ob man gleich das Gekrähe des die Hänne betretenden Hahnes musikalischer findet, als sein Gekrächze.

Lustig ists, wenn man auf das Betragen einer andern Art von Wahnsinnigen acht hat: aller der Gaben und Geschicklichkeiten, die ihre Bedienten besitzen, rühmen sie sich, als ob es die ihrigen wären. Hieher gehört jener glückliche Reiche beym Seneca: wenn er ein Geschichtchen erzählen wollte, hatt er immer Knechte zur Seiten, die ihm die Namen einflüsterten; er war von einer so schwächlichen Leibesbeschaffenheit, daß es leicht gewesen wär, ihn zu Boden zu hauchen; und doch beredet er sich, im Stande zu seyn, sich in den Streit der Klopffechter zu mischen; denn er hatte ja zu Hause starke Bengels, denen er Muß und Brod gab.

Es würde sich der Mühe nicht lohnen, wenn ich viele Worte über die verlieren wollte, die von Künsten und Wissenschaften Profession machen. Sie besitzen eine besondere Selbstliebe: ehender thun sie verzicht auf ihr ganzes väterliches Erbgütchen, als auf ein Früchtchen ihres Genies. Schauspieler, Musicanten, Redner, Poeten, lieben sich selbst um so viel heftiger, um so viel ungelehrter sie sind. Was auch noch so abgeschmackt ist, findet immer einen Gaumen, dem es behagt; es giebt Leute, denen selbst das Häßliche sich anpreist: denn (wie oft soll man es noch sagen) die meisten Menschen sind Narren. Also darf man nur recht unwissend seyn, um sich selbst herrlich zu gefallen, und von vielen bewundert zu werden. Einfältig müßte man seyn, wenn man der sogenannten wahren Gelehrtheit nachwerben wollte: dieses würde hoch zu stehen kommen: und was würde die Ausbeute seyn? schüchtern und menschenscheu würde man werden, und bald aller Welt mißfallen.

Wie die Natur einzelne Menschen behandelt, so behandelt sie auch ganze Völkerschaften; jeder hat sie ihre besondere Eigenliebe eingeimpft. Die Britten machen hauptsächlich Anspruch auf eine schöne Leibesgestalt, die Musik, und eine niedlich besetzte Tafel. Die Schotten schmeicheln sich mit Adel, königlicher Abkunft, und scharfsinniger Disputierkunst. Die Franzosen behaupten, eine gute Lebensart müsse man bey ihnen erlernen; besonders aber in Paris die Theologie. Die Italiäner brüsten sich auf ihre Gelehrtheit und Beredsamkeit; und daher schmeicheln sie sich, daß sie einzig nicht Barbaren seyn; insonderheit maaßen sich die Römer dieser Glückseligkeit an; sie wiegen sich zum süssen Traum ein, daß sie noch im alten Rom leben. Die Venetianer triumphieren wegen ihrem Adel. Die Griechen prahlen, sie seyen die Erfinder der Künste und Wissenschaften, und behängen sich mit den Titeln ihrer alten berühmten Helden. Die Türken, samt allen dem übrigen Barbarengeschmeisse, schreien, die ächte Religion lasse sich nur bey ihnen finden; und sie lachen höhnisch über Christen, als Abergläubige. Gütlich thun die Jüden sich noch heut zu Tage mit der Erwartung des Messias, und sind dabey so standhaft, als sie es in Bewahrung der Schriften ihres Moses sind. Die Spanier wollen die berühmtesten Kriegsleute seyn. Die Germanier spiegeln ihre großen Körper und ihre Bekanntschaft mit magischen Künsten.

Wir wollen nicht weiter gehen. Es liegt am Tage, wie viele Wollust die Eigenliebe allen und jeden Sterblichen verschaffe. Sie hat eine Gesellschafterinn, die Schmeicheley. Wirklich, wenn man sich der Eigenliebe ergiebt, was thut man anders, als daß man sich selbst schmeichelt; daß man sich selbst eben die Gefälligkeit erweist, mit welcher man sich zuweilen in die Gunst Anderer setzt. Heut zu Tag ist freylich die Schmeicheley in einen bösen Ruf gekommen; aber bey wem? bey Leuten, die mehr auf die Wörter sehen, als auf die Dinge selbst. Sie stehen in dem Wahne, Ehrlichkeit könne mit Schmeicheley nicht wohl bestehen. Damit sie lernen mögen, wie gröblich sie sich irren, sollte man sie bey vernunftlosen Thieren zu Schule schicken: Was ist schmeichelhafter als der Hund? und was ist zugleich getreuer als er? was ists, das sich mit Possirlichkeiten gefälliger machen kann, als das Eichhörnchen? und doch ists ein Freund des Menschen. Sind etwann Löwen, Tiger, Panterthiere, große Menschenfreunde, weil sie sich nicht einschmeicheln?

O ja, es giebt eine sehr schädliche Schmeicheley, durch welche zuweilen ein Treuloser, oder ein Spötter, einen Einfältigen ins Verderben zu locken trachtet. Die meinige hingegen entspringt aus einer gewissen Gutmüthigkeit und Aufrichtigkeit; sie kömmt der Tugend weit näher, als ein gewisses rauhes, mürrisches, unschickliches, und schwerfälliges Wesen; sie flößt den Niedergeschlagenen einen Muth ein, tröstet die Traurenden, muntert die Trägen auf, macht die Tummen munter, erleichtert die Kranken, besänftigt die Wütenden, stellt die Liebe wieder her, macht die Persönlichkeit dauerhaft, locket die Jugend zum lernen an, belustigt die Alten, ermahnt und unterrichtet die Fürsten auf eine glimpfliche Weise, indem sie dieselben blos zu loben scheint; kurz, sie bringts zu Stande, daß jeder sich seiner mehr freut, und sich selbst mehr liebt; und dieses macht bey der Glückseligkeit gewiß die Hauptsache aus.

Was kann dienstfertiger seyn, als wenn zween Esel wechselweise einander kratzen? Ich habe nicht nöthig, erst zu sagen, daß ein solches Betragen einen grossen Theil der gelobten Beredsamkeit ausmacht, einen grössern der Arzeneykunst, und den grösten der Dichtkunst; daß in derselben auch alles bestehe, was das gesellschaftliche Leben aufs lieblichste durchwürzen kann. Aber betrogen werden (sagen die Weisen) ist ja ein grosses Elend. Nicht betrogen werden (sag ich) ist das allergröste. Man kann nicht ärger ausschweifen, als wenn man sich in Kopf setzt, die Glückseligkeit des Menschen besteh in den Dingen selbst. Vom Wahne hängt sie ab; denn in dem menschlichen Wesen ist alles so dunkel, einander so entgegengesetzt, daß nichts sich deutlich wissen läßt; wie meine Akademiker es sehr richtig bemerkt haben; und hierinn erwiesen sie sich gewiß nicht als stolze Philosophen. Wenn sich auch je etwas wissen läßt, so benimmt es nicht selten dem Leben seine Freude. Der Mensch ist einmal so: Schminke ist ihm reizender als Wahrheit.

Wenn sich jemand hievon durch eine deutliche und handgreifliche Erfahrung überzeugen will, so stell er sich nur unter einen Predigtstuhl, und sehe, wie alles (sobald darauf etwas Ernsthaftes verhandelt wird) schläft, gähnt, hustet, sich schneizt, vor Eckel erblaßt; wenn hingegen der Kanzelschreier (ich irre mich, Redner wollte ich sagen) nach Gewohnheit ein altes Weibermärlein anfängt, erwacht alles, richtet sich auf, spitzt gierig die Ohren. Und wenn die Rede auf einen Heiligen kömmt, von dem mehr dichterisches und heldenmäßiges zu erwarten steht, zum Exempel, einen Georg, einen Christoph, eine Barbara, o dann ist man mit einer grössern Andacht bereit, als wenn man nur mit einem Petrus und Paulus, oder auch Christus, unterhalten wird! Aber hier ist davon die Rede nicht.

Vermittelst des Wahnes läßt sichs, ohne so grossen Aufwand zur Glückseligkeit kommen. Was die Dinge selbst betrift, so hat man oft grosse Mühe, sich auch nur die geringsten derselben anzuschaffen: man denke nur, was für Schweiß schon die Grammatik ausgetrieben hat. Zum Wahne, die zur Glückseligkeit noch weit mehr beyträgt, gelangt man sehr leicht. Dort ist einer, dem seine faulen Fische, von welchen ein Anderer die Nase zuhält, recht königlich schmecken; gewiß ist er dabey glücklich; und dieses wäre da nicht, wenn man ihm den köstlich-bereiteten und frischen Störfisch, vor dem ihm aber eckelt, aufgetischt hätte. Jemand hat eine von Herzen häßliche Frau, findet sie aber schön wie Venus; ists ihm nicht einerley, ob sie ist, wie sie ist, oder ein Muster der Schönheit wäre. Jener hat eine Tafel, darauf ein elendes Geschmire ist, hält sie aber für die Arbeit eines Apelles oder Zeuxis, und kann sie nicht genug bewundern; ist er nicht glücklicher, als ein Anderer, der wirklich ein Stück von der Hand dieser Künstler mit schwerem Geld erkauft hat, aber dabey kein so grosses Vergnügen in sich fühlt.

Ich kenne einen Menschen, der die Ehre hat, mein Namensverwandter zu seyn; er verehrte seiner Braut etliche falsche Demante, und beredete sie (das Bereden verstand er meisterhaft) sie seyen nicht nur ächt, sondern auch von einem unschätzbaren Werthe. Man sage mir einmal, was gieng dem Mädchen ab? sie weidete an den Gläschen Augen und Herz, als ob sie einen grossen Schatz in ihrem Besitze hätte. Inzwischen hatte der Mann sich einen grossen Aufwand erspahrt, und machte sich des Irrthums seines Weibchens zu Nutze; sie war ihm um kein Haar weniger verbunden, als ob er ihr das allerkostbarste geschenkt hätte.

Plato dichtet: in einer Höhle sitzen Leute, welche nur die Schattenbilder verschiedener Dinge sehen, und bewundern; sie verlangen weiter nichts, und sind treflich mit ihrem Zustande zufrieden. Nun, was hat der Weise, der sich aus der Höhle heraus schleicht, und das Wesentliche jener Bilder angafft, vor jenen voraus? Wenn der Schuflicker Mycillus, von dem uns Lucian eine Erzehlung macht, und der sich im Traume ein reicher Mann zu seyn einbildete, stets so geträumt hätte, so wird er keine Ursache gehabt haben, sich ein anderes Glück zu wünschen. Zwischen Narren und Weisen ist also höhstens dieses der Unterschied, daß jene die glücklichern sind; denn, ihre Glückseligkeit kömmt sie höher nicht zu stehen, als daß sie dieselbe mit einem kleinen Gedanken erkaufen; und anbey leben sie in einer grossen Gesellschaft; ein herrlicher Vortheil! denn nichts ist so gut, daß es Vergnügen macht, wenn man es einzig für sich haben muß. Der Weisen giebt es sehr wenig; und noch nicht ausgemacht ists, ob sich wirklich einer finden lasse. Griechenland zählt, inner vielen Jahrhunderten, ihrer sieben; aber, beym Herkules sey es geschworen! wenn man die Sache genauer erforschen will, so will ich des Todes seyn, wenn man nur die Hälfte, nur den Drittel eines Weisen findet.

Unter den vielen Dingen, durch die Bachus sich sein Lob verdient, ist hauptsächlich dieses, daß er aus dem Gemüthe die Sorgen wegschwemme; es dauert aber nur eine kleine Weile; denn kaum ich das Räuschlein ausgeschlafen, so stellt sich der Gram über Hals und Kopf wieder ein. Mit der Wohlthat, durch die ich segne, hat es eine ganz andere Beschaffenheit: durch eine gewisse stete Berauschung, die man sich ohne Entgeld anschaft, setz ich das Gemüth in immerwährende Wonne.

Man wird mir keinen der Sterblichen aufweisen können, der nicht dieses oder jenes meiner Freygebigkeit zu verdanken hätte; da andere Gottheiten ihre Gaben nur diesen oder jenen auf eine parteyische Weise zutheilen. Bachus läßt nicht allerorten den edlen und angenehmen Wein wachsen, der die Sorgen verjagt, und dabey man sich in süsser Hoffnung zum reichen Manne trinkt. Nur selten macht Venus schön, und Merkur noch seltener zum beredten Manne. Herkules ist sehr sparsam, wenn es aufs Reichmachen ankömmt. Der homerische Jupiter setzt nicht jedermann auf den Thron. Oft gewährt Mars keinem der streitenden Heere den Sieg. Schon ein mancher ist mit einem langen Gesichte von dem Dreyfusse des Apollo weggeschlichen. Der saturnische Jupiter donnert oft. Phöbus schießt zuweilen pestilenzialische Pfeile. Neptun verschlingt mehr Menschen, als er rettet. Wenn ich hier von einem Afterjupiter, einem Pluto, einer schadenfrohen Ate, und andern dergleichen Rache- und Krankheitsstiftern, reden wollte, so würde man nicht Götter an ihnen erkennen, sondern Henker.

 

Ich einzig, die Narrheit, bin eine so gute Närrinn, daß ich bereitwillig mit meinen Wohlthaten jedermann zu Diensten stehe. Man hat nicht nöthig, mich durch Gelübde zu bestechen; ich erzörne mich nicht; begehre kein Aussöhnungsopfer, wenn man sich bey meiner Verehrung in dieser oder jener Ceremonie verfehlt hat; bringe nicht Himmel und Erden in Verwirrung, wenn man die übrigen Götter zu Gaste bittet, mich aber zu Hause sitzen läßt, wo mir kein Opferdunst mit seinen Wolgerüchen in die Nase steigen kann. Um die übrigen Götter ist es etwas so mürrisches, daß es bald besser und sicherer ist, man lasse sie in Ruhe das seyn, was sie sind, als daß man trachte, sich bey ihnen einzuschmeicheln. Es steht um sie beynahe, wie um Leute, die so wunderlich und über jede Kleinigkeit so empfindlich sind, daß es behaglicher ist, keinen Umgang mit ihnen zu haben, als sich mit ihnen bekannt zu machen.

Aber niemand (heißt es) opfert der Narrheit, oder errichtet ihr einen Tempel. O ja (ich habe hierüber bereits mein Herz ausgeschüttet) über eine solche Undankbarkeit verwundere ich mich ein wenig; doch deut ich es, nach der mir angebohrnen Gutmüthigkeit aufs beste aus; und im Grunde: warum sollt ich nach solchen Ehrerweisungen lüstern seyn? was soll mir ein Körnchen Weihrauchs, etwas Gebackenes, ein Bock, ein Schwein? Alle Sterblichen dienen mir ja allerorten auf eine Weise, von welcher selbst die Theologen sagen, daß sie weit die vorzüglichste sey. Nein, nein, ich beneide die Diana nicht, daß man ihr Menschenblut zum Versöhnopfer darbringt; ich glaube, daß ich aufs andächtigste verehrt werde; wenn man mich (und allerorten, und von jedermann, geschieht es ja) ins Herz aufnimmt, und sich in allem Thun und Lassen nach meiner Anweisung einrichtet.

Auch bey den Christen findet sichs ziemlich selten, daß sie auf eine solche Weise ihre Heiligen verehren. Wie groß ist nicht die Menge derer, welche der jungfräulichen Gottgebährerinn eine Wachskerze anzünden, und das am hellen Mittage, da sie ganz unnütz ist! Hingegen, wie wenige derer, die ihr durch ein keusches und sittsames Leben, und durch Liebe zu himmlischen Dingen, nachzueifern trachten! Und doch wäre dieses der ächteste sich auch den Himmelsbewohnern anpreisende Gottesdienst.

Ferner, warum sollte mir nach einem Tempel verlangen, da mir (wenn ich mich nicht irre) die ganze Welt zum schönsten dient? So lange noch Menschen sind, wirds mir an Verehrern nicht fehlen. Eine solche Närrinn bin ich nicht, daß ich nach steinernen und mit Farben überschmierten Bildern lüstern seyn sollte; solche Dinge sind blos Abhaltungen von einer ächten Verehrung, indem Leute, die nichts als Fleisch und Blut sind, die Zeichen für die Heiligen selbst nehmen und anbeten; und dann geht es uns wie denen, die durch ihre eigenen Statthalter vertrieben werden. Ich halte dafür, mir seyen eben so viele Bildsäulen errichtet, als es Sterbliche giebt, die, wenn sie es auch selbst nicht meynen, lebhafte Bilder von mir sind. Ich beneide die übrigen Götter nicht, wenn die Einen in diesem, und die Andern in jenem Winkel der Welt, und zwar an gesetzten Tagen angebetet werden: zum Exempel Phöbus in Rhodus, Venus in Cypern, Juno in Argos, Minerva in Athen, Jupiter auf dem Olymp, Neptun zu Tarent, Priapus in Lampsokus; die ganze Welt wird stets fortfahren, mir weit treflichere Opfer darzubringen.

Es könnte das Ansehen haben, ich sey verwägen genug, die Wahrheit vorbey zu gehen. Lasset uns aber das Leben der Menschen etwas näher betrachten, um an den Tag zu bringen, wie vieles die Menschen, vom höchsten Range bis zum niedersten, mir zu verdanken haben, und wie hoch sie mich auch wirklich schätzen. Wir wollen nicht das ganze Leben eines jeden durchgehen, welches viel zu weit führen würde, sondern nur das Leben der vornehmsten berühren, wo es dann leicht seyn wird, den Schluß auch auf die übrigen zu machen.

Was den gemeinen Pöbel betrift, so steht er augenscheinlich auf meinen Seiten: er zeigt sich allerorten in so vielerley Gestalten der Narrheit, täglich sinnt er diesorts so viele neue Moden aus, daß tausend Demokritusse nicht zureichend wären, sie gebührend zu belachen; und noch ein Demokritus wäre nöthig, um über diese tausend zu lachen. Man würde keinen Glauben finden, wenn man es sagen sollte, wie lustig sich täglich die Götter über die Menschengeschöpfe machen. Die Götter bringen ihre nüchteren vormittägigen Stunden damit zu, daß sie zanksüchtigen Menschen, die sich bey ihnen Raths erholen, Verhör ertheilen, und auf die Gelübde horchen, die man an sie richtet; wenn einmal der Nektar ihnen in den Kopf gestiegen ist, und sie zu nichts Ernsthaftem mehr aufgelegt sind, so setzen sie sich auf das äusserste Vorgebürg des Himmels, und begaffen mit ausgestrecktem Halse das Thun und Lassen der Menschen. Von einem angenehmern Schauspiele wissen sie nichts. O welch eine Schaubühne, auf welcher sich so vielerley Narren drängen! Auch ich setze mich zuweilen in den Kreis der poetischen Götter.

Dieser ist sterblich in ein Mädchen verliebt; und wie weniger er geliebt wird, desto rasender liebt er. Jener vermählt sich mit der Morgengabe, nicht mit der Tochter. Dieser führt gefällig seine Gemahlinn einem Andern selbst zu. Jener bewacht sie aus Eifersucht wie ein zweyter Argus. O welche thörichte Dinge sagt und thut nicht dieser in seiner Trauer! Leute, die besser nicht sind als Possenreisser, bezahlt er, um das Trauerspiel stattlich auszuführen. Jener weint beym Grabe seiner Stiefmutter. Dieser jagt alles, was er immer aufbringen kann, durch die Gurgel, um ja bald verhungern zu müssen. Jenem behagt nichts besser, als schlafen, und nichts thun. Es giebt Leute, die in Betreibung der Geschäfte Andere schwitzen und keichen, indem sie die ihrigen vernachlässigen. Es giebt Andere, die Geld aufnehmen, um ihre Schulden abtragen zu können; beym fremden Gelde dünken sie sich so lange reich zu seyn, bis sie ihren ganzen übrigen Bettel den Gläubigern überlassen müssen. Es fehlt an solchen nicht, die alles vollauf haben, und arm leben, um ihren Erben Reichthümer zu hinterlassen. Um eines kleinen und ungewissen Gewinnes willen durchfährt Einer alle Meere, sein mit keinem Gelde zu ersetzendes Leben den Wellen und Winden anvertrauend. Ein Anderer will lieber sein Glück im Kriege suchen, als zu Hause sicher, ruhig, und gemächlich leben. Man glaubt, der leichteste Weg, reich zu werden, sey, sich bey kinderlosen Alten einzuschmeicheln; oder bey einem steinreichen Mütterchen, Hahn im Korbe zu seyn. Beide machen, daß die auf sie achthabenden Götter von Herzen lachen, wenn sie in eben den Stricken, die sie Andern legen, selbst gefangen werden.