Magische Verbindung

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Im Brockhaus meines Onkels fand ich unter Kryptografie allerlei Vorschläge, die ich, wie ich mich jetzt erinnere, nachmachte, ich bastelte zum Beispiel verschiebbare Streifen mit Buchstaben, eine drehbare Scheibe und mehr. Bis heute ist sie für mich interessant, die Enigma, Einwegverschlüsselungen mit Modulen und Primzahlen, abgesehen von Vigenère und der Würfelverschlüsselung, als Doppelwürfel nicht zu knacken.

Dennoch hat mich alles wohl nicht sehr beeindruckt, bis heute scheint vieles von mir abzuprallen, doch einiges dringt durch.

Antworten von mir lassen meist mehrere Deutungen zu, manchmal wusste man nicht, war es Spaß oder Ernst. Zuweilen weiß ich es selbst nicht. So perlte wohl auch der Nationalsozialismus an mir ab.

Wissensdurst: Nach Mord ist Liebe, wenn nicht Liebe, dann Sexualität am einprägsamsten. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich mit L. den im wahrsten Sinne des Wortes kleinen Unterschied erkundete, wenn wir auch damit nichts anzufangen wussten, ist er mir noch gegenwärtig, ein vollkommen wissenschaftliches Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt, ohne Gedanken dahinter. Da ich aufgeklärt war, konnte ich nun auf alle Fragen meiner Schulkameraden überlegen antworten und dachte mir, ob damals bei R. vielleicht nicht doch Milch drin gewesen wäre.

Ich lese Bücher parallel, durch die sich ein roter Faden zieht, den ich verfolge. Das philosophische Lehrbuch von Jaspers hin und wieder, es sind mir zwei Dinge aufgefallen, einmal zu Augustin, über den J. schreibt, er überschreite den innersten Seelenpunkt, ich kann damit wenig anfangen, eher schon das über Kant Gesagte, der mit seinem Denken das natürliche Denken überschreite. Für mich ist es nicht möglich, mit Denken das Denken zu überschreiten, es ist genauso, als wolle ein Mensch sich selbst überschreiten. Er meint vielleicht, Kant sei mit seinem Denken in Regionen gelangt, die ein anderer noch nicht erreichte. Herr Lederman bringt die Dinge wesentlich plausibler und es lohnt sich, zwischendurch zu Hawkins und Poundstone, Nomen est Omen, zu kommen, es ist manchmal mehr als ein Pfundstein, was sie bieten. Manchmal habe ich auch meine Vorurteile, Menschen, die mir unsympathisch sind, deren Ansichten lehne ich von vornherein ab.

N.: Vorurteile waren immer schon dein Laster.

E.: Und wie soll man ohne Vorurteile zu einem Urteil kommen, frage ich dich, du Besserwisser.

»Wilhelm Meisters Lehrjahre« ist mal etwas anderes, ich hätte nicht so viel Verstecktes erwartet, vom großen Dichter.

Seine geliebte M. hatte er unverständlicherweise verlassen. War er sich der Folgen bewusst, die seine Zuneigung zu M. hatte? Der Df. hatte wohl einige Gewissenskonflikte, was er einem moralischen Publikum zumuten konnte, ohne selbst unmoralisch zu erscheinen. Derbe, anzügliche Szenen hatte er so verfremdet, dass keine Gefühle dabei aufkommen konnten, er hätte es gewagt, sie bei anderer Gelegenheit zu präsentieren.

Heutzutage kann ein Romancier auch die erotischen Erlebnisse schildern, wobei das Wie seine schriftstellerische Qualität zeigt. Ich wage es einfach, es mag Vermessenheit sein, die Decke der Heuchler wegzuziehen und die Ereignisse zu schildern, wie sie wirklich waren. Hinter der Schilderung der Bekanntschaft W.s mit der späteren Frau M. verbirgt sich weitaus mehr. Er berichtet: Ich sah sie zum ersten Mal auf dem mit Stroh bedeckten Bauernwagen, ein junges Mädchen, eskortiert von grobschlächtigen Soldaten, was ihre Anmut besonders hervorhob, den daneben sitzenden Jüngling in Ketten nahm ich nur so nebenbei wahr. Vielleicht handelte es sich um ein Diebespaar, das man gefangen hatte, war mein erster Gedanke. Meine Neugier wurde erregt, als ich ihre bis über das Knie entblößten Beine sah und ihr junges Gesicht von wirren Haaren umrahmt. Ich erkundigte mich nach den Ursachen ihrer Gefangennahme, es gelang mir, wie bekannt ist, ihr wenigstens aus dieser Situation zu helfen. Beim Abendessen im Gasthaus, in das ich sie mitnahm, zu ihren Eltern wollte sie nicht, erzählte sie mir Einzelheiten dieser unverschuldeten Situation. Das Paar hatte sich in der Nacht vor ihrer Flucht heimlich verlobt, sie wollten den Unannehmlichkeiten entgehen, die ihnen ihre Familie bereitete, ihre Stiefmutter gönnte ihr den Jüngling nicht, auf den sie selber ein Auge geworfen hatte. Ihre rührende Hilflosigkeit, die zierliche Figur mit einem Busen, dessen verlockende Rundung ich wahrnahm, wenn sie sich zuweilen darbot, erweckten in mir ein verständliches Verlangen. Der Wein lockerte ihre Anspannung, ich forschte in den braunen Augen, um zu ergründen, wie viel Sympathie sie mir entgegenbrächte. Als ich sie die Treppe hinaufbegleitete, wagte ich es, sie zu umfassen, sie erwiderte meine Küsse überraschend leidenschaftlich. Der Abschied an meiner Zimmertür dauerte länger, denn ich merkte, wie ihr angespannter Körper sich unter meinen Händen lockerte. War es ein Verlangen, das sie kaum hatte stillen können, als man sie brutal aus dem Bett gerissen und verhaftet hatte? Ich zog sie in mein Zimmer. Allmählich erwachten ihre Sinne unter meinen Liebkosungen, die durch die Ereignisse völlig darniedergelegen hatten. Die nächsten zwei Tage war Herr Me. noch immer in Haft, so hatten wir Gelegenheit, unseren Leidenschaften zu huldigen. In der ersten Nacht war sie, wie ich merkte, fast noch jungfräulich, ich machte sie erst richtig zur Frau.

Ein halbes Jahr später traf ich sie mit einem schwellenden Bäuchlein, verheiratet mit Herrn Me. Inzwischen war ich mit Phi. sehr vertraut, was Frau Me. gar nicht gefiel. Dann erschien Mi. auf dem Plan, ein junges Mädchen mit kohlschwarzem Haar, nicht voll entwickelt, aber mit kräftigen Gliedern, deren Geschichte wir von einem jungen Mann der Seiltanzgruppe erfahren werden. Diese trat im gleichen Ort auf wie die unsrige. Ich sah, wie der Prinzipal das Mädchen misshandelte, weil es nicht auftreten wollte, schritt ein und kaufte es kurzerhand. Das Mädchen gehörte mit ihrem Vater zu dieser Truppe, er war vor kurzem gestorben. Sie war von dem Prinzipal im Eiertanz ausgebildet, bei dem sie mit verbundenen Augen zwischen ausgelegten Eiern, ohne sie zu zerbrechen zu der Melodie einer Geige tanzen musste.

Der Prinzipal, ein vierzigjähriger athletischer Mann mit schwarzem Bart und lockigem Haar, benutzte zu ihrer Ausbildung eine Peitsche, mit der er zuweilen ihre Schenkel unter dem Röckchen strich. Als sie den Tanz beherrschte, nahm er sie zur Belohnung in den Arm. Es blieb nicht dabei. Sie bemerkte, dass sie bald Macht über ihren Lehrer bekam. Seine Frau vergnügte sich mit dem hübschen Seiltänzer, sodass er sich Mi. ungestört widmen konnte, die, von ihrem Temperament hin- und hergerissen zwischen Begierde und Abneigung, sich ihm ab und zu verweigerte. Er wurde eifersüchtig auf den jungen Tänzer der Truppe, von dem er annahm, dass Mi. ihn gern hatte. Letztendlich verweigerte sie einmal den Eiertanz, worauf der Prinzipal böse geworden war.

Mi. schien mich zu verehren. Sie traute sich jedoch nicht, sich zu offenbaren. Einmal, als ihr Kopf in meinem Schoß ruhte, spürte ich, wie ihr Mund meine Männlichkeit berührte, die sogleich Kontur annahm. Durch die dünne Seidenhose musste sie es deutlich wahrnehmen. Sie fing an zu zittern. Mir kam der Gedanke, dass ihr der Vorgang vertraut sein musste, und hob sie auf meinen Schoss, neugierig, das Gleiche bei ihr zu bewirken.

Die Reaktion blieb nicht aus. Dabei hatte ich erkundet, dass sie trotz ihrer Jugend schon Bekanntschaft mit dem gemacht haben musste, was sie bei mir gefühlt hatte. Ich war nicht in der Lage, ihr offensichtliches Verlangen zu stillen, denn jeden Augenblick konnten wir gestört werden. Am Abend bei einer Feier biss sie mich in den Arm, weil ich mich Phi. widmete. Es dämmerte mir, dass sie eifersüchtig sei und war nicht erstaunt, ihren biegsamen Körper und ihre festen Brüstchen später in meinem Bett zu finden. Ich löschte das in Flammen stehende Juwel mehrere Male zu ihrem Frohlocken.

Der Gesellschaft blieb unser Tun lange Zeit verborgen, Mi. verstand sich so zu verhalten, dass alle sie als wunderlich bezeichneten.

Die Geschichte vom jungen Seiltänzer erzählt.

Ich war seit einem Jahr bei der Truppe und kannte auch den schwarzen Teufel, den Vater von Mi., der als Feuerfresser und -spucker großes Aufsehen erregte, Degen verschluckte und seine Tochter dabei durch brennende Reifen Salti schlagen ließ. Nachdem er gestorben war, nahm sich der Prinzipal des Mädchens an und lehrte sie den Eiertanz. Ich jonglierte mit Bällen, Reifen, Tellern und Gläsern beim Tanz auf dem Seil und erntete großen Beifall bei jungen Mädchen und Frauen in Stadt und Land, die mich nach den Vorstellungen oftmals einluden. Die Mädchen waren meist sehr jung und doch keine Jungfrauen mehr, wie ich merkte, denn wiederholt endete das Treffen mit Liebeleien. Ab und zu traf ich doch mal eine, die ihre Jungfernschaft mehr oder weniger gern hergab. Natürlich warf ich auch ein Auge auf Mi., die mir bezaubernd schön erschien. Sie hatte auch Interesse am Seiltanz, so dass ich sie lehrte, wie man am besten die Balance hält, und bewunderte hierbei ihren geschmeidigen Körper mit den Rundungen, die heranzureifen begannen. Dem Prinzipal blieb dies auch nicht verborgen, als er jedoch einmal im dämmrigen Flur unter ihren Rock griff, entschlüpfte sie ihm geschickt. Was er beabsichtigte, war mir klar, darum passte ich nun auf wie ein Luchs. Beim nächsten Mal hielt er sie so fest, dass es ihm gelang, was er wollte. Als sie nach anfänglichem Sträuben still hielt, wusste ich, dass er sein Ziel gefunden hatte, er lockerte seinen Griff und schon entkam sie ihm wieder. An eine Verfolgung war nicht zu denken, denn drinnen und draußen waren die anderen. Alles dies machte mich eifersüchtig. Zu wagen, was er versucht hatte, traute ich mich nicht. Einmal, als ich es nicht mehr aushalten konnte, klopfte ich an ihre Kammer, nannte meinen Namen und sie ließ mich ein, es war schon spät, ein Öllämpchen brannte, sie saß im Hemd vor dem Waschtisch und band ihre kohlschwarzen Haare zusammen, sie wollte gerade auf ihr Bett, einen Strohsack, der weiß bezogen und mit Decken versehen war. Hinter einem Vorhang waren ihre Kleider. Als ich sie so verlockend da sitzen sah, überkam mich das Verlangen, sie zu liebkosen, aber im Gegensatz zu meiner sonst forschen Art fehlte mir der Mut, obwohl die Gelegenheit da war und ich bei unseren Übungen zuweilen vermutete, dass sie nichts dagegen habe. Als ich noch überlegte, klopfte es an die Tür, die Stimme des Prinzipals ertönte: »Mi.!«. Sie erstarrte, sah mich erschrocken an und antwortete nicht. Ich hatte keine Lust, von ihm hier überrascht zu werden und flüchtete hinter den Vorhang in die Kleider. Wieder kam seine Stimme etwas lauter, sie antwortete mit »Ja« und öffnete die Tür. Er trat ein und musste sie gleich gefasst haben, denn ich hörte sie vor Anstrengung keuchen, als wenn sie sich wehrte, der Stuhl wurde umgestoßen und seine Stimme ertönte: »Komm schon, ich will dich doch nur wieder ein bisschen kitzeln.« Das brachte mich so auf, dass ich beinahe hinter dem Vorhang hervorgestürzt wäre, doch im letzten Augenblick siegte die Vernunft, dem Bären wäre ich unterlegen gewesen und meine Stelle los. Hier entkam sie ihm nicht. Durch einen Schlitz sah ich ihn, den Rücken mir zugewandt, wie er Mi. festhaltend, ihr Hemd bis über die Hüften gestreift, streichelte. Sein Körper verdeckte sie bis auf ihre rechte Seite, nur ihr schwarzes Haar war über seiner linken Schulter sichtbar. Mit seinem Bein hatte er die ihren ein wenig auseinandergezwungen. Sie ließ es geschehen. Wie mir meine Erfahrung sagte, konnte sie nicht lange ruhig bleiben, bald bewegte sich ihre Hüfte unruhig hin und her, dann versagten die Beine den Dienst. Er ließ nicht locker, bis sie tief seufzte, ihr Kopf drehte sich von einer Seite zur anderen, es schüttelte sie die Lust, sie ließ sich danach wie betäubt auf das harte Bett legen. Enttäuscht von ihrem Verhalten dachte ich, sie ist auch keine Jungfrau mehr. Schnell hatte er sich seiner Sachen entledigt, man sah bei ihm, was er beabsichtigte und wieder überkam mich eine Wut. Behutsam, um sie nicht aus ihrem Traum zu reißen, streifte er ihr das Hemd hoch, sodass man die kleinen Kegel der Brust mit den rosa Pfeilspitzen und ihrer schwellenden Basis sah. Er fasste vorsichtig ihre Beine, um besser zum Ziel zu kommen. In diesem Augenblick öffnete sie die Augen, erkannte die Situation und sprang auf. Er ergriff sie, legte sie, die ihn mit den Beinen trat und mit den Händen von sich hielt, wieder hin, er hatte große Mühe, sie zu kreuzigen. Es kam mir der Gedanke, dass es ihr Spaß bereitete, ihn zu reizen, wie ich es bei manchen Damen erlebt hatte. Nach wenigen Minuten hörte das Geplänkel auf. Sie lag ohne Regung, die Augen geschlossen da, er neben ihr und begann von neuem mit dem was vorher zum Erfolg geführt hatte. Diesmal ergab sie sich ihrer Lust. In der Ruhe danach, er musste wohl, von ihr unbemerkt, vor ihrer Pforte stehen, führte er aus der Ruhe heraus seinen blitzschnellen Stoß, bei ihrem unterdrückten Schrei konnte man annehmen, dass einer Jungfrau die erste Liebe eingeimpft wurde. Sein Balsam linderte wohl ihren Schmerz, es ging weiter und schon sah ich, wie sie ihre Beine aufstellte und sich zaghaft mitbewegte. Neben seinem hörbaren Atem kamen dann auch ihre immer höheren Töne, die sich wiederholten, bis er mit einem Krächzen abebbte. Kaum merklich bewegte er seinen Triebling in ihr weiter, Mi.s Körper schauderte eine ganze Weile. Dann half er ihr auf die Beine, es waren weder von ihm noch von ihr die erwarteten Spuren zwischen den Schenkeln zu sehen. Offensichtlich hatte sie der dicke Knüppel nur durch seine Dehnung erschreckt. Auch jetzt ragte der Bezwinger mit noch voller Spannkraft aus seinem schwarzen Gehege. Dies entging ihr nicht. Er setzte sich auf den Stuhl, zog sie auf seinen Schoß und fasste ihre Brüstchen von hinten. Sie stützte eine Hand auf seinen Schenkel, mit der anderen bewerkstelligte sie die Pfählung. Ihr Gesicht spiegelte zuerst die in dieser Sitzung ungewohnte Fülle wider, erst vorsichtig bewegte sie sich auf und ab, wurde dann mutiger, bis er sich streckte und ihren Lohn tief in sich in Empfang nahm. Sie blieb im Sattel, sank ein wenig zusammen und wenn überhaupt nötig erholte er sich schnell, um dann ihr endgültig so zuzusetzen, dass sie sich nicht mehr halten konnte. Alles bewies mir, dass das Häutchen schon länger zerrissen worden war und sie in der Sache Bescheid wusste. Ich hatte eine halbe Stunde voller Qualen erlebt. Er drehte sie zu sich, mit seinem gekräuselten schwarzen Pullover kitzelte er ihre Brüstchen, sie richtete, wenn auch erst nach einiger Zeit, das auf, was sie umgebracht hatte und bot ihm verführerisch ihr glitzerndes rotes Paradies an. Sie geriet außer Rand und Band, ich musste voller Neid anerkennen, wie er sie so geschickt überzeugte. Beide waren erschöpft und schienen einzuschlafen. Die Gelegenheit nahm ich wahr, heimlich hinauszuschleichen. Beim Eiertanz am nächsten Morgen war sie nicht so glücklich und zerbrach ein Ei, er beschimpfte sie nicht. Sie war mit ihren Reizen freigiebiger als gewöhnlich, zeigte nicht nur ihre Brüstchen, sondern, wie zufällig, mehr. Wenn sich das herumsprach, nahm er an, kämen noch mehr Zuschauer.

 

Ich war eifersüchtig und rächte mich, indem ich die Prinzipalin, die mich mochte, noch öfters besuchte. Wenn er mit Mi. beschäftigt war, hatten wir auch das Vergnügen.

Ich erzählte ihr alles, die natürlich ihre Rachsucht an mir ausließ, wie ich an ihr.

Abends war ich neugierig, ob er Mi. besuchte, dann konnten wir uns ungestört lieben. So ging es einige Zeit. Manchmal horchte ich an Mi.s Tür, einmal machte sie sich lustig über sein Unvermögen, kurz darauf jedoch sang sie in den höchsten Tönen. Trotz des Vorwurfs, dass er mit Mi. schlafe, einigten sich Prinzipalin und Prinzipal. Er wusste sicher auch von unserem Verhältnis. Die Prinzipalin wurde schwanger, eine heikle Sache, denn sie hatte sich ihrem Mann verweigert. Mich wurmte die Neugier, wer denn wann Mi. defloriert hatte, konnte es aber weder ahnen noch herausfinden. Der Prinzipal jedenfalls nicht..

Bewundernswert für mich, Herr Balzac, wie kann man nur so viel Wissen gut verwebt vermitteln. Katharina von Medici, Karl IX., der Dachhüpfer, die Zeitläufte, die Ortskenntnisse haben mich gefesselt. Zuweilen allerdings braucht er ein ganzes Buch, um am Ende eine Modeste um ihre Jungfräulichkeit zu bringen, bewundernswert ist die akribische Beschreibung von Vätern, die ihre Liebe zu Töchtern oder zur Alchemie in den Ruin getrieben hat, und von exzentrischen Malern und Musikern.

N.: Daran solltest du dir ein Beispiel nehmen, wie man den Charakter der Personen zeichnet, ihre Gefühle offenlegt und damit ihre Handlungen rechtfertigt, sie gegenüberstellt und sie dadurch Konflikten aussetzt, die Spannung erzeugen, um sie mit einer Katastrophe oder einem Happy End zu lösen.

E.: Ich bin nicht so vermessen, mich Schriftsteller zu nennen, um diesem Anspruch gerecht zu werden, fehlt mir die Fähigkeit und die Neigung zur Weitschweifigkeit. Viele, die sich so nennen, stellen wirklich nur die Schrift.

N.: Sag doch einfach: Dir fehlt das Talent!

E.: Wenn du Recht hast, hast du Recht. Was ist der Unterschied zwischen Fähigkeit und Talent? Aber was treibt dich, mir zu folgen?

N.: Ich will dich nicht enttäuschen, einer muss es ja lesen.

E.: Ganz vergessen habe ich alles, was in der Bäckerei und Konditorei so um mich war, einige Dinge sind mir unvergesslich, so die kleinen Holzkisten, die, mit fettundurchlässigem Papier ausgeschlagen, Nougat enthielten, von dem ich, wenn es zur Herstellung feiner Torten und Schnitten gebraucht wurde, immer etwas abbekam, ebenso die Kistchen mit den in Lagen geschichteten kandierten Früchten, die ich noch heute wahnsinnig gern esse, die dicken Sultaninen, die ich den Korinthen vorziehe, natürlich auch die besten Pralinen, die von den Vertretern zum Probieren gereicht wurden. Mein Weg durch die Backstube wurde immer belohnt, K. nahm die Spritztüte, die, mit Sahne gefüllt, gerade zur Torte gebraucht wurde, und ich bekam einen Mund voll davon.

Auch erinnere ich mich daran, wenn mein Großvater ohne Fluchen, doch sehr betroffen, Brötchen aus dem Ofen förderte, die aus Pompeji zu kommen schienen, weil man nicht aufgepasst hatte, sie im rechten Moment herauszuholen. Ein großer Verlust.

Meine jährlich wiederkehrende Aufgabe war es, den weißen gefüllten Flieder aus dem M.-Garten zu holen, der immer höher auf seinen gedrehten Ästen wuchs, und natürlich den violetten, ein paar Meter davon entfernt, so viel ich fassen konnte. Außer Reichweite, eine Leiter hatte ich nicht, waren die Röschen des Rotdorns, die ich so gern hatte, so gern wie Proust den Weißdorn. Die Liebe meiner Großmutter galt den Moosröschen, deren schüchterne Blüten in Moos verpackt waren, im Gegensatz zu den protzigen Großen.

Die Mittelschule war für mich eine Pflichtübung, der ich keinen besonderen Wert beimaß, im Gegensatz zu meiner Mutter, die immer darauf achtete, dass »mal etwas aus mir werde«, am besten Arzt. Unterbewusst habe ich wohl auch danach gestrebt, es gab aber wichtigere Dinge. Ab 1939 schienen ihr meine Anstrengungen nicht mehr zu genügen, sie meinte mich in einem Internat besser aufgehoben und sie sah sich nach einem geeigneten um.

Mein Zeugnis für die Zeit Ostern 1940 bis Herbst 1940.

Verhalten in der Schule: gut

Beteiligung am Unterricht: E. muss lebhafter mitarbeiten.

Religion:

Deutsch: ausreichend

Französisch:

Lateinisch: ausreichend

Geschichte: befriedigend

Erdkunde: ausreichend

Rechnen: befriedigend

Raumlehre: ausreichend

Biologie: befriedigend

Algebra:

Physik: befriedigend

Zeichnen: ausreichend

Musik: befriedigend

Handschrift: ungenügend (Kommentar später: nicht lateinische und deutsche Buchstaben mischen.)


Aden 15. November 1940
Der Rektor Der Klassenlehrer
K. G.

(Der Klassenlehrer war mir nicht wohlgesinnt, aus verständlichen Gründen, wie ich erwähnte.)

Gesehen: F. G.

Ihre Wahl fiel auf die Franckeschen Stiftungen, in die ich mit zwölf Jahren kam. Eine vollkommen neue Welt. Zur Vorbereitung auf die Oberrealschule FOR musste ich jedoch erst noch einmal die Mittelschule der Stadt Halle besuchen, ein Bild in der Zeitung zeigt mich in einem Bericht über die Sommerferien dort auf der Schulbank.

Beim Abschied von meiner Mutter vergoss sie Tränen, sie ahnte wohl, dass ich endgültig G. den Rücken gekehrt hatte und schon so jung zur Selbstständigkeit erzogen wurde. Der Schnellzug mit den imposanten Lokomotiven sollte nun für Jahre die einzige Verbindung zu ihr bleiben. Eichenberg – Halle a. d. Saale. Die Franckeschen Stiftungen, mit einer Mauer umgeben, jedoch mehr ein Schutz nach außen als ein Pferch für uns, waren mir ohne Befremden sogleich vertraut.

Ich machte mir keine Gedanken, wer August Hermann Francke gewesen war, meine Mutter hatte wohl den Prospekt studiert.

»Das Anstaltsgelände beträgt 73 Morgen, ferner befinden sich im Eigentum der Franckeschen Stiftungen: 2 Güter, 2 Gärtnereien, 150 Morgen Streuländereien, Buchdruckerei (gegr. 1710), Verlag (gegr. 1701) v. Cansteinsche Bibelanstalt (gegr. 1710), Apotheke (gegr. 1698).

Unter anderem wird in diesem Prospekt auch ein Erziehungsziel genannt:

Charakterbildung, gegründet auf den Grundsätzen des Nationalsozialismus und auf dem evangelischen Christentum.

Deshalb:

1. Erziehung zur Gemeinschaft in Stubengruppen durch Ämterverwaltung und Kameradschaftspflege. Wer befehlen soll, muss zuvor gehorchen lernen.

2. Alle Heimschüler und -schülerinnen gehören zu den Gliederungen der Hitlerjugend, Dienst auf den stiftischen Sportplätzen in den stiftischen Turnhallen und den von den Stiftungen besonders eingerichteten Räumen. Dienstzeit angepasst an die Heimordnungen usw., offensichtlich ein kluges Alibi.

Es hat wohl nicht funktioniert mit der Hitlerjugend in den Räumen und Anlagen der Stiftungen, denn wir wurden in verschiedene Einheiten in der Stadt integriert, gingen nie zum Dienst und wenn einmal unter Drohungen, dann in Zivil, gefragt, warum wir keine Uniform anzögen, sagten wir, unsere Eltern hätten kein Geld, sie zu kaufen. Einmal, als es wohl dem Gebietsführer zu bunt wurde, kündigte er an, mit dem Motorrad zu kommen und uns zu holen. Als er vorfuhr, wurde ihm das Eisentor vor der Nase zugeschlagen, im obersten Stock des Pädagogiums hatten wir uns an den Fenstern platziert und riefen im Chor: »Schweine-Ernst raus!« Es wurde nach einiger Zeit geraunt, die Stiftungen sollten zu einer Napola umgewandelt werden, was daran richtig war, weiß ich nicht. Unsere Motivation zur Opposition ist mir damals nicht klar geworden, heute meine ich, es war der Geist der Institution, unauffällig auf uns übertragen von unseren Lehrern und Erziehern.

 

Eine Schizophrenie bestand insofern – oder war es eine Tradition im Sinne des alten Mackensen, des Husarengenerals des Ersten Weltkriegs? –, dass sich die meisten freiwillig zum Dienst in Marine oder Luftwaffe meldeten. Irgendwie steckte es an, wenn ein Fliegerleutnant oder Kapitän der Marine, ehemalige Senioren, uns besuchten. In diesem Sinne waren wir militaristisch beeinflusst, unter dem Motto »Verteidigung des Vaterlandes«.

Ich bewarb mich jedoch für die Laufbahn eines Marinesanitätsoffiziers. Um es vorwegzunehmen, als es 1945 so weit war, galt dies nicht mehr, man wollte Kämpfer und so wurde ich zur Prüfung zum Seeoffiziersanwärter einbestellt.