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Die Mumie von Rotterdam

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Das Mädchen drängte ihn fort. Sie waren im Begriff die Cajüte zu verlassen, als heulend und schreiend Philippintje hereinstürzte und mit den Gebehrden einer Wahnsinnigen ihre Gebieterin umklammerte.

»Wir sind verloren, wir werden erschossen und erstochen, wir werden, wie die Schiffsleute sagen, geentert werden!« jammerte sie. »Du, Clötje, und ich, und wenn sie uns geentert haben, die Satanskinder aus Hispania, so machen sie uns katholisch und wir kommen in das Unglück, vor dem wir, wie vor einem Höllenspuk davon gelaufen sind. Was helfen mir alle Dukaten, wenn mich der Spanier hat, mich und meine unsterbliche Seele? O wäre ich wieder daheim bei Herrn Tobias und bei dem Schiwa, bei den gefüllten Caffeeschachteln, bei den chinesischen Theebüchsen und den kanarischen Zuckerhüten! Ich wollte ja nimmer wieder, wie ich bisher gethan, manches Pfund der edeln Waare heimlich mitgehen heißen und es dem Domine zutragen. Vergieb mir meine Sünden, Herr, und führe mich glücklich wieder heim zu den Theebüchsen und dem Schiwa!«

Sie wußte nicht mehr was sie sprach. Sie sank mit gefalteten Händen auf das Polster der Cajütenbank zurück und betete in unverständlichen Tönen fort.

»Alle zu Hauf!« erklang in diesem Augenblicke Jansens Stentorstimme auf dem Verdecke. »Zeigt ihnen die Geusenflagge, damit die spanischen Hunde sehen, mit wem sie es zu thun haben!«

Dieser Ruf bewog Clelia, sogleich die Cajüte zu verlassen und auf das Verdeck zu eilen. Cornelius wollte sie unterstützen; sie lehnte es ab und stieg rasch und ohne alle Hülfe, die Treppe hinauf. Während Cornelius zu seinem Freunde flog, um diesen zu befragen, wie er ihm auf die beste Weise nützen könne, blieb Clelia in der Cajütenthüre stehen und sah mit ruhigem, unerschrockenem Blicke auf die Umgebungen. Sie fühlte sich über sich selbst erhoben, es dünkte ihr, sie sey jetzt edler und besser, als früher. Die Blässe, die auf dem schönen, ruhigen Antlitz lag, gab ihr etwas Ueberirdisches. Alles um sie herum war in der lebendigsten Bewegung. Schießbedarf wurde herbeigetragen, Gewehre wurden ausgetheilt, Beckje ging zu jedem Einzelnen der Schiffsbemannung, schenkte ihm ein Glas Genever ein und ermunterte die Leute. Die Gestalt des Mädchens, die sich in der Cajütenthüre so ruhig und furchtlos zeigte, machte einen besondern Eindruck auf die rohen Männer. Sie betrachteten sie mit Bewunderung, sie machten einander auf die liebliche Erscheinung aufmerksam und wenn die kühne Todesverachtung noch durch irgend Etwas hätte erhöht werden können, so wäre es durch den Gedanken gewesen, daß sie, indem sie für Freiheit und Vaterland kämpften, auch zugleich eine so wunderbare weibliche Schönheit zu beschützen hatten.

Indessen suchten Clelia’s Blicke das feindliche Schiff und fanden es. Still und drohend lag es in einer geringen Entfernung. Es schien sehr leicht gebaut, die Segel waren eingerefft, die Stückpforten noch verschlossen. Man mochte auch dort durch die plötzliche Begegnung der bewaffneten Barke überrascht worden seyn und noch in Zweifeln schweben, mit wem man es eigentlich zu thun habe. Ein verwirrtes Gedränge war auf dem Verdecke zu bemerken. Es unterlag keinem Zweifel, daß die Schebecke an Bemannung und Streitkräften der Syrene überlegen sey. Auch war sie gewiß ein schnellerer Segler, als diese. Die spanische Flagge wehete lustig am Vordertheile und diese Verwegenheit in einem Binnenwasser der vereinigten Generalstaaten, erfüllte Jansens Leute mit Wuth.

»Das Geusenzeichen auf! Laßt den Besen sehen, der die Meere fegt von den spanischen Don’s!« riefen mehrere ungeduldige Stimmen dem Bootsmanne zu, der fluchend umherrannte und im Eifer keinen Besen finden konnte.

»Da habt Ihr die Flagge!« schrie Beckje’s feine Stimme dazwischen, indem sie aus der Küche einen alten Borstenbesen heraufreichen ließ. »Laßt sie rasch auffliegen! Wir wollen, denk’ ich, diesen Schebecken-Caper damit hinwegfegen, daß ihm die Lust vergehen soll, jemals wieder den Biesbosch zu befahren.«

Die gefürchtete Geusenflagge, wie spottweise von den Holländern selbst der Besen genannt wurde, flog klappernd am Maste empor und schwebte nach wenigen Augenblicken fest an dessen Spitze. In gespannter Erwartung, welchen Eindruck diese Erscheinung auf dem feindlichen Fahrzeuge hervorbringen würde, vergingen mehrere Minuten. Mit gedämpfter Stimme sagte während dieser Zeit Jansen zu seinem Freunde:

»Es steht uns ein harter Kampf bevor! Die Schebecke ist stärker, wie wir, sie hält mehr aus und ihre Mannschaft zählt wohl das Doppelte der meinigen. Ich mag nicht Reißaus vor ihr nehmen und könnte es nicht, wenn ich auch wollte. Ihre Segel überholen die unserigen, ihr ganzer Bau ist auf Geschwindigkeit eingerichtet. Wenn das Schiff, das wir vor dem Essen, als einen schwarzen Punkt weit hinter uns sahen, noch zeitig herankommt, so haben wir gewonnen Spiel und der Don muß streichen und sich ergeben auf Gnade und Ungnade. Aber der Teufel weiß, wo es steckt! Im Biesbosch kann man keine Viertelstunde weit sehen vor lauter Inseln und Inselchen.«

»Besinne dich, Jansen!« versetzte in großer Aufregung Cornelius. »Giebt es nicht irgend eine Kriegslist, ein kühnes Wagstück, wodurch wir die Uebermacht des Feindes zu Schanden machen könnten? Uebertrag es mir! Bei der Asche Oraniens! Es soll dich nicht gereuen.«

»Wenn es Abend wäre,« erwiederte nachdenklich der Capitän der Syrene, »dann wäre etwas zu thun, dann wollten wir den Don anbrennen und braten in seinem eigenen Fette. Ich habe griechisches Feuer, Petarden und Brandkränze, die kein Wasser löscht – aber es ist nichts! Am hellen Tage können sie uns nichts helfen.«

Jetzt blitzte es auf aus einer der Stückpforten der Schebecke. Eine Kanonenkugel tanzte über die Wellen hin und flog dicht am Vordertheile der Barke vorbei. Der dumpfe Schall des Geschoßes donnerte durch die Lüfte.

»Der Don ist aus seiner Trägheit erwacht;« rief Jansen: »gebt Acht, er wird uns gleich noch mehr zu hören geben.«

Und so geschah es auch. Mitten aus dem Getümmel, das auf dem feindlichen Schiffe herrschte, während nun die übrigen Stückpforten sich aufthaten und blitzende Gewehre sich am Bord zeigten, schallten in gebrochenem Holländisch, durch das Sprachrohr, die Worte herüber:

»Ergebt Euch, Ihr Lumpen! Streicht Eueren Besen, daß wir ihn zu Ruthen für Euch gebrauchen oder wir bohren Euch in den Grund, wo Ihr die Fische aus ihren Schlupfwinkeln fegen könnt!«

»Soll ich antworten?« fragte der Bootsmann, ein kleiner untersetzter Bursche, mit einer ungeheuren Schmarre im Gesichte, die von der Stirn dicht neben dem schielenden linken Auge hinweg bis zum Kinne lief, seinen Capitän. Jansen machte nur eine bejahende Bewegung mit der Hand und sogleich lag der Bootsmann mit halbem Leibe auf dem größten der Böller, richtete ihn und stand dann rasch auf, um die brennende Lunte zur Hand zu nehmen.

»Das soll ihm wohl bekommen!« sagte er grimmig in sich hineinlachend. »Wie die Frage, so die Antwort.«

Er hieb auf, der Böller entladet sich mit einem Getöse, das dem einer Canone gleich kam. Noch verbarg der aufsteigende Dampf die Wirkung des Schußes, als er sich aber zerstreut hatte, sah man, daß der wackere Schütz die Seitenwand des feindlichen Schiffes, gerade auf der Spitze ihrer Wölbung getroffen hatte. Loßgerißene Planken trieben in den Wellen, ein verwirrter Menschentumult an einem Punkte, auf dem Verdeck der Schebecke, ließ vermuthen, daß die Kugel weiter gedrungen sey und auch unter der Mannschaft Tod und Verwüstung verbreitet habe.

»Backbord und Fockmast!« jubelte Jansen. »Noch vier solcher Pillen dem Don in das Unterdeck geworfen und er muß daran glauben. Aber er kommt näher, er will sich die heißen Brocken mit den Fingern aus der Suppe holen, die wir ihm kochen.«

Wirklich hatte der Spanier seine Stellung verlassen und rückte über Schußweite vor. Dann erfolgte eine volle Lage seines Geschützes, dicker Rauch umgab beide Fahrzeuge und als dieser von einem Lüftchen, das sich eben erhob, langsam zur Seite getrieben war, sah man die Schebecke im Begriffe sich zu wenden, um auch aus den Stücken des anderen Bordes Verderben auf ihren Gegner zu schleudern.

»Er meint es gut mit uns!« rief der Capitän der Syrene. »Aber wendet auch! Zeigt ihm die Spitze, daß seine Kugeln in die leere Luft fahren!«

Während dieses Mannoeuver rasch und pünktlich vollzogen wurde, warf Jansen einen forschenden Blick auf sein Schiff. Zu seiner Beruhigung fand er, daß die erste Begrüßung des Feindes diesem durchaus keinen Schaden zugefügt hatte. Es schien ihm gleich Anfangs, als gingen die Schüße der Schebecke zu hoch und er wußte aus Erfahrung, daß die Spanier in der Regel schlecht trafen, weil sie zu bequem waren, genau zu zielen.

Indessen hatte sich ein dunkles Gewölk über den zwei streitenden Schiffen zusammengezogen. Dem Lüftchen, das eben noch leicht geweht, folgten einige heftige Windstöße, in gleicher Richtung wurden die Fahrzeuge von den höher schwellenden Wogen aus der Nähe der Inseln auf die freie Wasserfläche getrieben.

Cornelius flog auf dem Verdecke hin und her, vertheilte Geld unter die Leute und befeuerte ihre Kampflust. Da fiel sein Auge auf die Thüre, die zu der Cajüte führte. Noch immer stand hier in ruhiger Haltung Clelia und hatte die Blicke auf die Bewegung des feindlichen Schiffes gerichtet.

»Ich beschwöre Euch, geht hinab!« sagte er drängend zu der Geliebten. »Euere Gegenwart lähmt meinen Muth, Euer Anblick macht mich erbeben; dagegen wird der bloße Gedanke, Euch in der Nähe zu wissen, für Euch zu kämpfen, mich begeistern und unüberwindlich machen. Noch einmal, geht hinab! Ihr seyd ein lockendes Ziel für das Geschoß des Feindes, Ihr könnt ja doch hier nicht nützen, Ihr könnt nur hindern.«

 

»Gut!« erwiederte Clelia, dieses einsehend. »Ich gehe hinab, aber nur in der Erwartung, daß mir die Verwundeten zur Pflege nachgesendet werden.«

»Die ganze Affaire hat wahrscheinlich nicht viel zu bedeuten;« sprach Cornelius, mehr um jede etwa erwachende Besorgniß der Geliebten zu zerstreuen, als weil er selbst daran geglaubt hätte. »Das befreundete Fahrzeug, das wir in der Ferne uns folgen sahen, kann mit jedem Augenblicke eintreffen und dann wird der Spanier alle Segel aufsetzen und so rasch, als möglich das Weite suchen.«

»Das ist zweifelhaft;« antwortete sehr ruhig Clelia. »Wir haben nur auf den Augenblick zu denken und müssen der Gegenwart dienen, jeder nach seinen Kräften.«

Mit diesen Worten wandte sie sich von dem Junker und stieg langsam die enge Treppe hinab.

»Herrliches Mädchen!« sagte dieser für sich, indem er ihr entzückt nachsah. »Wie sehr habe ich dich verkannt! Wie sehr habe ich gegen dich gesündigt! Mußte denn erst mein Vergehen die tief liegende Stärke deines Characters, deine Geisteskraft, vor der ich mich gern beuge, hervorrufen?«

Diese Betrachtungen wurden durch die Kanonenschüße der Schebecke, die jetzt schnell aufeinanderfolgten, unterbrochen. Sie war durch ihre wohlausgeführte Wendung der Syrene näher gekommen. Als aber die Spanier bemerkten, daß diese ihnen jetzt nur den Vorsteven zur Zielscheibe ihrer Geschoße darbot, gaben sie ihr nicht die beabsichtigte ganze Lage, sondern bestrichen sie mit einzelnen Schüßen, die aber, wenn sie trafen, unschädlich an den starken eichenholzenen Seitenwänden hinschwirrten.

»Auf die Leeseite!« erklang jetzt des holländischen Capitäns Commandoruf. »Wir wollen ihnen eine Anzahl eiserner Erbsen zuschicken, die ihnen den Appetit verderben soll. Herrmanneke,« schrie er nach dem Bootsmann hin, »richte schnell die Stücke. Dein Auge ist fest und wohin es sieht, ist’s schon so gut, als wenn getroffen wäre!«

Während das finstere Gewölk, das sich vor einigen Minuten erst über den Häuptern der Streitenden gezeigt hatte, nach und nach den ganzen Horizont einnahm und die Tageshelle in beginnende Dämmerung verwandelte, wurde den Befehlen Jansens eilige Folge geleistet. Beckje, die zwar diesesmal keinen thätlichen Antheil am Kampfe nahm, trug doch durch ihre Scherze, durch ihre immerwährend heitere Miene und durch Erquickungen, welche sie vertheilte, Viel zur Erhaltung und Belebung der allgemeinen Kampflust bei. Sie begann jetzt mit heller, klingender Stimme, die auf dem ganzen Verdeck vernommen wurde, das Lied zu singen:

 
»Die Geusen wollen jagen
auf den hispanschen Don,
doch wo sie nach ihm fragen,
lief er schon längst davon!«
 

Jansen und die Schiffsleute wiederholten die zwei letzten Zeilen im Chor. Eben als sie die zweite Strophe begonnen hatte:

 
»Der Spanier kann fischen,
doch fangen kann er nichts,«
 

lag die Syrene mit der Länge ihres Bordes der Schebecke gegenüber, flammende Blitze fuhren aus den donnernden Böllern und über den Dampf hinweg, den die Dicke der Atmosphäre auf die Wellen niederdrückte, sah man Spieren und Segelwerk der Schebecke zerrißen in den Lüften flattern. Ein allgemeines Jubelgeschrei erklang auf dem holländischen Fahrzeuge.

»Zurück!« donnerte Jansens Stimme dazwischen. »Wir sind ihnen zu nahe gekommen. Geben sie uns jetzt eine Lage, so sind wir verloren.«

Als wolle die Natur der Syrene zu Hülfe kommen, wälzte sich jetzt eine große Welle zwischen sie und den Spanier, und warf sie weit von dem Gegner ab.

»Es gibt Sturm!« sagte Cornelius, der neben Jansen stand, zu diesem. »Der Himmel will nicht haben, daß wir den Don nehmen oder er uns.«

»Nein, nein!« antwortete der Capitän. »Das ist nur vorübergehend. Hier halten sich die Wetter nicht. Sie eilen der offenen See zu.«

Während Jansen sprach, wendeten sich seine Blicke nicht von dem Gegner ab. Es war ziemlich düster geworden, aber das scharfe Auge eines Seemanns konnte doch erkennen, daß die feindliche Schebecke bedeutend gelitten hatte. Zu seinem Erstaunen vergingen einige Minuten, ohne daß sie aufs Neue anfing zu feuern. Als aber jetzt plötzlich eins, zwei Segel zwischen ihrem Tauwerk sich entrollten, vom Winde gefaßt wurden und das leichte Fahrzeug blitzschnell in gerader Richtung auf die Syrene zustürmte, erkannte er mit einemmale ihre drohende Absicht.

»Alle zu Hauf’!« gebot seine gewaltige Stimme. »Die Schurken wollen entern. Sie sehen, daß sie an unsern Nüssen sich die Zähne ausbeißen, während wir die ihrigen mit leichter Mühe knacken. Büchsen und Piken herbei! Alles zum Vorsteven! Das Steuer scharf gehalten, daß sie nur an der Spitze fassen können! Backbord und Bramsegel!« sagte er mit gedämpfter Stimme zu Cornelius. »Die Geschichte kann arg werden! Ihrer sind mehr, als wir, und Mann gegen Mann sind die Spagnols bissige Hunde.«

»Höre Jansen!« versetzte, von einem kühnen Gedanken ergriffen, Cornelius. »Jetzt lass’ mich ein Stückchen nach meiner Art versuchen. Gib mir die Jölle, die am Steuerbord anhängt, vier kühne Bursche und dein Brandwerk. Es ist dunkel genug zu einem Handstreiche. Während der Don anlegt und alle seine Leute auf einem Punkte zum Entern herbeidrängen, fahre ich unbemerkt auf seine andere Seite und heize ihm ein, daß er seine Schebecke bald für einen Backofen ansehen soll.«

»Respect!« erwiederte Jansen, indem er mit großen Augen auf ihn herabblickte. »Du verdientest ein Seemann zu seyn! Wenn dir der Streich gelingt, Cornelius, so ziehe ich meine Mütze vor dir und will nie mehr spotten über die Landkrebse.«

Er rief, während die angeordnete Haltung der Syrene mit der größten Pünktlichkeit bewerkstelligt wurde und sie der herannahenden Schebecke immer das Vordertheil zukehrte, Herrmanneke, den verwegenen Bootsmann, herbei und noch drei andere Matrosen, die er als die tollkühnsten der Mannschaft kannte. Piken und scharfgeladene Hakenbüchsen wurden von den übrigen in wilder Eil herbeigeschleppt. Nur wenige Worte flüsterte Jansen dem Bootsmanne und seinen Cameraden zu. Dann eilten diese, die gebräunten Gesichter zu einem grimmigen Lächeln verziehend, mit Cornelius an der Spitze nach dem Steuerborde. Niemand, als der Mann am Ruder bemerkte, wie sie leise an den Borden des Schiffes in die Jölle hinabglitten, wie der letzte von ihnen einen großen Kasten, mit einem Deckel von Eisenblech verwahrt, hinabschaffte und dann mit einer raschen Bewegung nachfolgte. Die Jölle stieß ab und näherte sich, indem die flachgehaltenen Ruder kaum hörbar über die Wellen hinschlugen, und ihr eigenes Schiff sie den Augen der Feinde verbarg, der Schebecke, die nun in wenigen Augenblicken die Enterhaken nach der Syrene auswerfen konnte. Das schwarze Gewölk am Himmel senkte sich drohender herab, es ward in diesem Augenblicke düsterer, als bisher, die gespannteste Erwartung verkündete sich in der allgemeinen Stille auf beiden Schiffen.

Jansens scharfes Auge bewachte jede Bewegung der Gegner. Er sah, wie ihre Absicht einzig und allein darauf gerichtet war, an Bord seines Fahrzeuges zu gelangen, um hier durch ihre Uebergewalt den Sieg zu erringen. Er erkannte, daß der entscheidende Augenblick gekommen sey.

»Feuer!« gebot seine Donnerstimme und die wohlbedienten Hakenbüchsen trafen in dieser Nähe so sicher, daß in der vordern Reihe der Spanier mehrere todt oder verwundet niederstürzten. Aber dieses Mißgeschick vermehrte nur die Wuth der andern. Mit fürchterlichem Gebrüll warfen sie die Enterhaken in den Vordertheil der Syrene; die Schiffe hingen aneinander, ein Haufe grimmiger Gestalten drang mit gehobenen Aexten und Säbeln von der Schebecke an Bord des holländischen Fahrzeugs. Der kräftige Jansen und seine kühnen Leute setzten ihnen den entschlossensten Widerstand entgegen.

»Hinab mit den Schurken! In die Wellen mit den Don’s!« schrie er und sein Arm schleuderte jeden, der sich ihm näherte, unwiderstehlich in die Flut. Aber immer stürmten neue Haufen heran und er sah nun ein, daß er die Anzahl der Gegner zu gering geschätzt hatte. Schon mußten die Holländer vor der drängenden Menge weichen, schon waren einige von ihnen gefallen und Jansen erkannte, daß er mit seinen Leuten unmöglich das Schiff halten könne – da stieg plötzlich ein weißlicher Dampf von dem Mittelborde der Schebecke auf und wurde im Fluge weniger Secunden zum dicken schwarzen Rauche, dem sogleich die ausbrechende Flamme folgte. Die Anzahl der angreifenden Feinde verminderte sich. Viele von ihnen eilten hin, um das Feuer zu dämpfen. Jansen und die seinigen drangen wieder vor.

»Sieg! Sieg! Oranien hoch! Die Geusen hoch!« jubelte Beckje, von der Höhe des Cajüten-Verdecks, die sie, um das Ganze überblicken zu können, eingenommen hatte. Die Mannschaft der Syrene stimmte ein. Vor ihrem neubelebten Muthe flohen die Gegner auf ihr brennendes Schiff zurück. Jansen packte mit Riesenkraft den letzten Spanier, der fliehend die Syrene verlassen wollte, und schleuderte ihn hinter sich auf das Verdeck.

»Den behalten wir zum Andenken an diesen Tag!« rief er. »Jetzt die Enterhaken weg, die Schiffe von einander! Der Spagnol mag allein zur Hölle fahren!«

Im Fluge des Augenblicks wurden seine Befehle ausgeführt. Alles griff zu den Rudern. Mit einer Schnelligkeit, als hätte sie Flügel, entfernte sich die Syrene aus der gefahrdrohenden Nähe der aufflammenden Schebecke. Aller Blicke hingen an dem Schiffe, dessen entsetzliche Lage das Angstgeschrei der Mannschaft verkündigte. In diesem Momente brachen sich die Wolken, die Sonne strahlte vom Himmel herab. Jansen sah, wie die Schaluppe der Schebecke ausgesetzt wurde, um wahrscheinlich die Bemannung aufzunehmen. Das Feuer griff weiter um sich, es wüthete schon in dem Tauwerk und den Masten. »Möchten sie sich retten!« wünschte Jansen, dessen Mitleidsgefühl größer war, als der Haß, den er auf die Spanier geworfen hatte. Aber er mußte sehen, wie die Schaluppe, als sie die Oberfläche des Wassers berührte, umschlug und von den Wellen fortgerissen wurde. Ein herzzerreißender Schrei der Verzweiflung klang von dem spanischen Schiffe herüber. Zu gleicher Zeit wurde aber Jansens Aufmerksamkeit von einem andern Gegenstande gefesselt. Hinter der nächsten Insel bewegte sich mit schwellenden Segeln und die Flagge der vereinigten General-Staaten entfaltend, ein stattlicher Kutter hervor.

»Zu spät!« sagte Jansen unwillig für sich. »Eine Viertelstunde früher und Alles wäre anders gekommen!«

Eine zarte Hand faßte die seinige. Er wandte sich um. Zwischen zwei schwer verwundeten, am Boden liegenden Matrosen, stand Clelia. Ihre Gesichtszüge waren verstört, ihre Blicke irrten unruhig umher, ihre Hand bebte. Sie holte schwer Odem, sie schien mit Gewalt die Kraft der Rede aufbieten zu müssen.

»Wo ist Cornelius?« stöhnte sie aus tiefer Brust. »Ich suche ihn allenthalben; ich finde ihn nirgends!«

»Sturm und Windstille!« rief außer sich Jansen, der in dem Drange der Ereignisse seines Freundes vergessen hatte. »Ihm verdanken wir unsere Rettung. Er hat die Schebecke angezündet. Er war darauf oder – er ist noch dort!«

Seine Blicke flogen wild über die Wasserfläche. Nirgends war die Jölle zu sehen. Einen Augenblick lang trieb der Wind die Rauchwolke zur Seite, welche die Schebecke umgab. Die Aussicht hinter ihr wurde frei, auch dort keine Spur des Nachens, der das Verderben zu dem feindlichen Fahrzeuge getragen hatte! Todtenbleich stand Clelia, mit schlaff herabhängenden Armen, die großen trockenen Augen starr auf das brennende Schiff geheftet. Ihre Hände und Arme zitterten, sonst schien die ganze Gestalt starr, regungslos erhalten durch die allgewaltige Spannung, die sich ihres Innern bemächtigt hatte.

»Wir müssen es wagen, wir müssen ihn retten!« schrie Jansen mit einer Stimme, die Alle ergriff. »Die Ruder bewegt! Noch einmal an die Schebecke!«

Da flammte von der Oberfläche des Wassers ein ungeheurer Blitz empor zum heiter gewordenen Himmel. Eine schwarze, breite Rauchwolke stieg rasch auf von der Stelle, wo man so eben die Schebecke gesehen hatte. Dann folgte ein entsetzliches Krachen, der Himmel verdunkelte sich, die Wellen geriethen in Gährung, Todtenstille herrschte auf der Syrene. Als die finstere Rauchwolke sich vertheilt hatte, waren nur noch einzelne Trümmer des spanischen Schiffes zu erblicken, mit denen die Wellen spielten. Das Jammergeschrei derer, die noch vor einer Stunde lebensfroh und kräftig auf ihr gewaltet, war im Todeskampfe verstummt, des Schiffes stolzer Bau vernichtet.

 

In tiefer Ohnmacht lag Clelia neben dem erstarrten Jansen. Ruhig und majestätisch zog der Kutter über den bewegten Wellenspiegel heran.