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1.10.2 Das Landkarten-Gleichnis







Schon Farben sind Konstrukte





Tatsächlich beginnt diese konstruktive Phantasie schon auf der Ebene der Wahrnehmungen. So haben die von uns erlebten qualitativ unterschiedlichen Farben kein Pendant in der Realität. Die dem sichtbaren Licht entsprechenden elektromagnetischen Wellen verändern sich in ihrer Frequenz ganz allmählich und ohne qualitative Sprünge. Die unterschiedlichen Farbqualitäten werden also vom Gehirn hinzugefügt. Um uns die Orientierung zu erleichtern, malt das Gehirn die aus den überlebenswichtigen Eckkonturen entstehenden Landkarten mit Leuchtfarben aus, ganz so, wie wir als Kinder unsere Malhefte ausmalten.





Die Karte ähnelt nicht dem Land





Überhaupt: Landkarten. Damit haben wir eine Metapher, die weitere wichtige Aspekte verdeutlicht. Zunächst einmal werden wir bestätigt: Auch Landkarten ähneln in keiner Weise dem Land, das sie beschreiben. Es gibt zwischen dem Aufgedruckten und dem realen Land ein paar topologische Entsprechungen in Bezug auf wichtige »Eckkonturen«, das ist alles. Das eine ist eine gigantische Masse an Fels, Sand und Holz, und das andere ist nur ein kleines Stück Papier.





Spezialkarten für bestimmte Zwecke





Die Gegebenheiten der Karte werden durch Farben, Linien und Symbole in Bezug auf bestimmte Zwecke dargestellt und hervorgehoben. Für ein und denselben Landstrich kann das sehr verschieden ausfallen: Eine Autokarte unterscheidet sich von einer Wanderkarte, eine Karte der Bundeswehr von der eines Bergbaukonzerns. Und alle diese Karten haben eine gleiche relative Gültigkeit. Man kann nicht sagen, die eine sei besser als die andere, oder gar behaupten, dass eine von ihnen in einem absoluten Sinne wahr wäre.





Schubladenpyramiden der Abstraktion





Dies gleicht nun in mancher Hinsicht unserer begrifflichen Erkenntnis. Auch wir kartieren die Landschaft unserer Sinneswahrnehmungen mit Begriffen. Über bestimmte Elemente, die sich in irgendeiner Hinsicht ähneln, stülpen wir konkrete Begriffe wie eine umgekehrte Schublade. So wird beispielsweise über alles, was Federn hat, die Schublade mit dem Namen »Vogel« gestülpt. Mehrere solcher Basisschubladen werden dann unter die größere Schublade eines abstrakteren Begriffs gezwungen, so zum Beispiel Vogel, Säugetier und Fisch unter »Tiere«. Diese kommen dann neben den Pflanzen in die noch größere und abstraktere Schublade »Leben« – und so weiter. So bauen wir auf den Landschaften unserer Sinneswahrnehmungen Schubladenpyramiden, die von konkreten Begriffen zu immer nebulös-abstrakteren Begriffen aufsteigen.





Wahrheit relativ zum Zweck





Wie diese Bündelung von Sinnesempfindungen im Einzelnen erfolgt, hängt von den damit verfolgten Zwecken ab und ist auch von konstruktiver Willkür geprägt. Entsprechend verfügen unterschiedliche Sprachkulturen, Berufsgruppen und soziale Schichten über je eigene, mehr oder weniger spezifische Begriffskarten ihrer sinnlichen Wirklichkeit. So haben die Eskimos sehr viel mehr konkrete Begriffe zur Beschreibung von Schnee als Sie und ich. Die Buddhisten kennen besonders viele Begriffe für Bewusstseinszustände und die Restaurantkritiker sind sehr kreativ darin, Geschmacksvarianten zu beschreiben. Auch hier gilt wieder: Keine dieser Begriffskartierungen ist in einem absoluten Sinne besser oder wahrheitsnäher als die andere. Sie können immer nur einer relativen, kontextbezogenen Wahrheit näher sein, also besser geeignet in Bezug auf einen definierten Zweck.





Begriffe vereinfachen und ermöglichen Vorhersagen





Warum tun wir das eigentlich? Welchen Nutzen hat Begriffsbildung? Nun, zunächst vereinfacht es die Welt erheblich: Alles, was ähnlich ist, kommt in eine Schublade, wird gleichgemacht und bekommt das gleiche Wortetikett. Sodann werden durch Verallgemeinerung Vorhersagen auf Unbekanntes ermöglicht. Man nutzt das Prinzip: Was sich in bestimmten Aspekten ähnlich ist, wird sich wahrscheinlich auch in anderen Aspekten ähnlich verhalten. Stellen Sie sich vor, ein Stamm von Steinzeitjägern habe den Begriff »Vogel« gebildet (alles was Federn hat). Bei einem bestimmten Vogel entdecken sie, dass er Eier legt, die man essen kann. Jetzt verallgemeinern sie, suchen bei allen Vögeln Eier und werden fündig. Dies ist der große Nutzen, den begriffliches Denken bringt.





Überverallgemeinerung





Die Steinzeitmenschen haben auch gelernt, dass Vögel wegfliegen, wenn man ihnen zu nahe kommt. Nun begegnet einer der Jäger einem ihm unbekannten Vogel, sagen wir, einem Strauß. Doch der fliegt nicht weg, sondern schlägt dem Eierdieb schwere Wunden. Dies nun ist die Falle der Überverallgemeinerung (»Übergeneralisierung«): Was sich in manchen Aspekten ähnelt, verhält sich eben nicht

zwangsläufig

 auch in allen anderen Aspekten gleich.







1.10.3 Das Kippbild-Gleichnis







Begriffe bestehen aus Bedeutung und Wortmarke





Begriffe bestehen also aus einer Schublade mit gleichgemachten Dingen darin und einem Namensetikett darauf. Die Bedeutung des Begriffs liegt in der Schublade, der Name ist nur ein auswechselbares Lautmuster (ob man »Vogel« sagt oder »bird«, ist egal). Das Problem: Wenn wir miteinander sprechen, dann rufen wir uns nur die Wortnamen zu. Die bedeutungsgefüllten Schubladen aber bleiben in unseren Köpfen. Entgegen weit verbreiteten Alltagsüberzeugungen wird beim Sprechen keine Bedeutung ausgetauscht. Kommunikation ist also kein Informationsaustausch, auch wenn klassische Wissenschaftskonzepte das anders sehen.



Betrachten Sie einmal

Abbildung 3

, ein sogenanntes Kippbild. Sie können darin entweder eine alte oder eine junge Frau erkennen. Das macht deutlich:





Bedeutung klebt nicht wie ein Abziehbild auf den Außendingen, sie wird innerhalb unserer subjektiven Wirklichkeit erzeugt und den Außendingen quasi zugewiesen, ihnen aufprojiziert.







Kommunikation als wechselseitige Anregung zu Bedeutungserzeugung





Ähnliche Phänomene gibt es auch in der Sprache: Das Wörtchen »Bank« kann eine Fluss-Untiefe, eine Sitzgelegenheit oder ein Geldinstitut meinen. Weder Bilder noch Worte tragen oder übertragen also Bedeutung. Doch warum kommunizieren wir dann miteinander? Wie ist Verstehen eigentlich möglich? Ja, gibt es das überhaupt?



Bei Kommunikation passiert Folgendes: Wir regen uns wechselseitig zur Erzeugung von Bedeutung an

.

 Verstehen ist, wenn diese Bedeutungserzeugungen einander ausreichend ähnlich sind. Und wann ist dies nun wieder gegeben? Wenn die Gesprächspartner ähnliche Begriffskartierungen ihrer Wirklichkeit haben, wenn sie also über ähnlich aufgebaute Begriffspyramiden verfügen und in den Begriffsschubladen in etwa das Gleiche drin ist. Und – letzte Frage – wie kommen Menschen zu solchen ähnlichen Begriffskarten? Nun, indem sie ähnlich leben und intensiv zusammenarbeiten. Durch die wechselseitigen Korrekturen beim Zusammenwirken in der gleichen Umgebung kommt es zu Angleichungen der Begriffskarten: Bring mir mal die Flachzange!, befiehlt der Meister dem Lehrling. Du Depp, das Ding heißt Kombizange.



Was bei solchen konkreten Begriffen noch einfach ist und gut gelingt, wird beim Aufstieg in die Höhen immer abstrakterer Begriffe zunehmend schwierig. Entsprechend häufen sich hier auch die Missverständnisse. Sie müssen nur einmal beobachten, wie viel aneinander vorbeigeredet wird, wenn bei Fernsehdiskussionen wildfremde Menschen aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen aufeinandertreffen und über globale Themen diskutieren.










Abb. 3: Junge Frau oder alte Frau?





Je ähnlicher sich Menschen sind und je länger und intensiver sie zusammengearbeitet haben, desto besser sind die Voraussetzungen für eine gelingende Kommunikation. Übereinstimmungen in Geschlecht, Alter, Kultur, sozialer Schicht und Beruf sind dem gegenseitigen Verstehen förderlich.









1.10.4 Wissenschaft und Religion







Was Wissenschaft leistet





Wie die Instrumentenflug-Metapher deutlich macht, haben wir keinen direkten Zugang zur Realität, nicht mit unseren Sinnen und auch nicht mit den Mitteln der Wissenschaft. Entsprechend stellte der Physik-Nobelpreisträger Eugen Wigner fest, dass sich die Physik nicht mit der Realität befasse, sondern mit Regelmäßigkeiten zwischen Ereignissen. Die Wissenschaft beschäftigt sich also ausschließlich mit dem, was innerhalb unseres Wirklichkeits-Cockpits stattfindet. Sie versucht, Gesetzmäßigkeiten im Verhalten der unterschiedlichen Instrumentenanzeigen herauszufinden, Modelle dafür zu entwickeln und diese nach Möglichkeit mathematisch zu formulieren.





Letzterklärungen über das, was sich außerhalb des Cockpits zuträgt, oder in irgendeinem Sinne absolute Wahrheiten kann die Wissenschaft nicht liefern. Und das gilt prinzipiell.







Grenzen von Wissenschaft





Die Gesetze der klassischen Mechanik schienen absolut wahr, bis die Relativitätstheorie zeigte, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen gelten. Und auch die Relativitätstheorie wird sich nach Vereinigung mit der Quantenmechanik als eine nur relative Wahrheit entpuppen. Kein Physiker kann wirklich sagen, was Materie ist und wo sie herkommt. Die Urknalltheorie ist ein mathematisches Modell und einem intuitiven Verstehen nicht zugänglich. Nehmen Sie einmal zwei Magneten in die Hände und spüren Sie bewusst die Kräfte, die da ohne materielle Vermittlung wirksam werden. Ist das nicht verrückt? Wird uns dieses Mysterium durch mathematische Gleichungen verständlicher? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht einfach nichts? Wir werden es nie erfahren.

 



Wenn wir aber zu Letzterklärungen und absoluten Wahrheiten keinen Zugang haben, dann bleibt nur eine Erkenntnis: Wahr ist, was hilft.





Auch die Vernunft führt zum Glauben





Ein solches pragmatistisches Wahrheitskriterium aber lässt sich durchaus über den engeren Cockpit-Bereich ausdehnen. Wahr wären danach jene Annahmen über den Urgrund der Welt, die uns am besten beim Leben helfen. Für die meisten Menschen auf dieser Welt ist dies ganz eindeutig ein religiöses Weltbild. Die wissenschaftlichen Studien zeigen übereinstimmend, dass Menschen, die einem positiven religiösen Glauben anhängen, glücklicher, erfolgreicher und gesünder sind als Menschen, für die dies nicht gilt.



Wenn wir also prinzipiell nichts wissen über den Urgrund der Welt – warum sollten wir dann glauben, dass wir allein sind in einem kalten und toten Universum, dass mit dem Tode alles verloren und zu Ende ist und dass dies alles ganz schrecklich und furchtbar wäre? Dies ist ein irrationaler Glaube wie jeder andere auch. Warum nicht davon ausgehen, dass der Urgrund der Welt positiv ist, dass auch unser Leiden einen für uns verborgenen Sinn hat und dass es nach dem Verschwinden unseres Körpers für unseren Geist irgendeine Form von Fortbestand gibt? Warum den positiven Urgrund des Seins nicht Gott nennen?





Das Staunen wieder lernen





Wir müssen uns immer wieder eines vor Augen halten: Wir wissen nichts, gar nichts. Wir wissen nicht, ob das Leben nur eine Art Traum ist, ob über uns selbst hinaus überhaupt noch jemand existiert (philosophisch: Solipsismus) oder ob der Film

Matrix

 recht hat, in dem die von den Menschen erlebte Wirklichkeit nur eine Computersimulation ist. Wir wissen es wirklich nicht. Wenn Ihnen all das oder die Weltbilder der Religionen vielleicht unwahrscheinlich vorkommen, liegt das nur daran, dass Sie sich an die Sichtweise des westlichen atheistischen Positivismus gewöhnt haben. (Der Positivismus meint, es existiere nur das, was man anfassen kann.) Es ist Gewöhnung, sonst nichts. Wenn Sie sich von dieser Gewöhnung durch Verstehen wieder befreien, wird Ihnen klar: Die Wahrnehmung magnetischer Kräfte oder die Flug-Kapriolen, die eine Stubenfliege vor Ihrer Nase ausführt, all dies ist genau besehen nicht weniger wundersam als der Gedanke, dass Ihre Seele nach dem Tode fortexistiert.



Wir sollten das Staunen wieder lernen: Pater Anthony de Mello hat es folgendermaßen formuliert: »Zu Beginn unseres Lebens betrachten wir die Wirklichkeit als Wunder, aber nicht mit dem intelligenten Staunen der Mystiker, sondern mit dem gestaltlosen Staunen des Kindes. Danach vergeht das Wunder und macht der Langeweile Platz, weil wir die Sprache entwickeln mit ihren Wörtern und Begriffen. Danach, hoffentlich, können wir, wenn wir Glück haben, wieder zum Wunder zurückkehren.« (de Mello 2004, S. 151)





Wissenschaft und Religion ergänzen sich





Man könnte also sagen: Religiosität ist zwar nicht wissenschaftlich, wohl aber vernünftig. Wissenschaft und Religion schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich. Wissenschaft befasst sich mit den Vorgängen im Cockpit unserer Wirklichkeit; die Religion mit den Vorgängen außerhalb dieses Cockpits. Wichtig ist nur: Die Wissenschaft muss ihre Grenzen erkennen und die Religionen müssen aufhören, Dogmen in Bezug auf das Cockpit-Innere zu formulieren.



Hören wir zum Abschluss noch Albert Einstein, der eine ähnliche Auffassung von Religiosität vertrat: »Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös.« (zit. n. Jammer 1995, S. 53)





Innere Befreiung





Vor diesem Hintergrund heißt innere Befreiung:



• die Relativität unserer Sichtweisen zu erkennen,



• die gewohnheitsmäßige Bindung an sie zu lösen,



• Alternativen aufzubauen



• und zu lernen, mit hoher Flexibilität die jeweils förderlichste Sichtweise zu etablieren (die förderlichste Geisteshaltung einzunehmen).



Religiöse Vorstellungen können außerordentlich förderliche Geisteshaltungen sein – nicht umsonst gab und gibt es sie in allen Kulturen und zu allen Zeiten.








1.11 Facetten des Leids







Kindheit im Flow





Bei Tieren und kleineren Kindern ist das

Selbst

 noch weitestgehend unreflektiert in den Strom des Seins eingebunden. Ein solches

Selbst

 kennt Schmerz und negative Gefühle nur dann, wenn im Hier und Jetzt reale Auslöser dafür vorliegen. Das kann beispielsweise eine Wunde sein, Hunger, Kälte oder ein gefährliches Raubtier. Ansonsten genügen sich Tiere und Kinder oft selbst oder befinden sich im Flow. All dies ändert sich, sobald ein begrifflich reflektierendes

Ich

-Bewusstsein ins Spiel kommt.





Das

Ich

-Bewusstsein bewertet und intendiert. Es erzeugt Soll-Vorstellungen in Bezug auf die Umwelt und das eigene Verhalten, bewertet das Ist und übt Druck aus in Richtung Soll.







Quellen falscher Soll-Vorstellungen





Die Inhalte dieser Soll-Vorstellungen speisen sich aus den unterschiedlichsten Quellen. Da sind die Maßgaben unserer Gene in Form der ererbten Bedürfnisse, die wir dann oft gedanklich zu schwer erfüllbaren Wunschbildern übersteigern. Da sind außerdem von bestimmten Interessengruppen geprägte soziale Normen, die wir verinnerlichen und die uns dann antreiben. Doch all diese Quellen und Instanzen haben nicht in erster Linie zum Ziel, uns ein glückliches und sinnerfülltes Leben zu bescheren. So werden wir oft von ihren Soll-Vorgaben versklavt – in Richtung von Zielen, die unserem eigentlichen

Selbst

 fremd sind. Diese falschen Soll-Vorstellungen amalgamieren sich dann noch mit falschen Ist-Vorstellungen, die aus falschem Wissen resultieren, zu einer begrifflichen Scheinwirklichkeit. Aus den Diskrepanzen zwischen der Realität und dieser Scheinwirklichkeit ergeben sich dann vielfältige Spannungen und negative Überraschungen, die Leid erzeugen.





Leid ist, Illusionen zu haben.







Teufelskreise





Das sich aufblähende

Ich

 baut nun Druck auf, um der widerspenstigen Realität diese Illusionen abzutrotzen. Unter Beteiligung von Teufelskreisen kommen nun vielfältige Prozesse in Gang und geraten außer Kontrolle, die aus negativen Gefühlen Leid machen – wir hatten dies schon am Beispiel meines Skiurlaubs besprochen.



Lassen Sie uns die wichtigsten dieser Prozesse nunmehr im Einzelnen diskutieren:







1.11.1 Unsere irrlichternde Aufmerksamkeit und die evolutionäre Prägung auf das Negative







Evolutionärer Negativismus





Wie geht es Ihnen – machen auch Sie immer wieder die Erfahrung, dass Sorgen eine sehr hilfreiche und Schutz spendende Sache sind? Immer, wenn Sie sich Sorgen über mögliche Katastrophen machen, treten diese nicht ein. Aber vielleicht liegt das einfach daran, dass wir uns viel zu viele Sorgen machen, dass wir regelrecht auf der Suche sind nach möglichen Bedrohungen. Für unsere Vorfahren hatte das sicher Überlebensvorteile. Deshalb hat der Aufmerksamkeitsfokus vieler Menschen eine Tendenz, nach dem Negativen zu suchen und alles von der schwärzesten Seite zu betrachten. Dem Räderwerk der Evolution geht es um unseren Schutz und die Ausbreitung unserer Gene, nicht um unser Glück. Aus dieser Sicht ist es besser, sich wegen hundert nichtexistenter Gefahren die Seele zu zermartern, als eine einzige reale Gefahr zu übersehen. Es ist besser, sich selbst hundertmal zu unterschätzen und übervorsichtig zu sein, als sich ein einziges Mal zu überschätzen und das Leben zu verlieren.



Diese Einstellung hört sich dann beispielsweise so an: »Das wird nicht klappen. Das werde ich nicht schaffen. Dieses Angebot ist zu gut, es muss irgendwo einen Haken haben. Diese und jene Katastrophe – sie werden gewiss schon bald eintreten.« Und so weiter. Da kann einer übers Wasser gehen, aber wir sagen: Er kann nicht schwimmen.





Sorgen aus der Zeitmaschine





Hinzu kommt, dass die meisten Menschen eine schlechte Kontrolle über den Fokus ihrer Aufmerksamkeit haben. Da können wir uns hundertmal vornehmen, an diesen oder jenen wunden Punkt nicht mehr zu denken – schon bald beginnt die Grübelei von Neuem. Die Imaginationskraft des menschlichen Denkens ermöglicht es unserem Bewusstsein zudem mühelos, die Zeitbarriere zu überspringen. Was hat man uns in der Vergangenheit nicht alles angetan. Immer wieder findet unser irrlichternder Aufmerksamkeitsfokus alte Verletzungen, über die wir uns dann erneut aufregen oder gar in Hass hineinsteigern. Immer wieder gelingt es unserer Fantasie, schreckliche Zukunftsszenarios

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