Adalwulf

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Daniela Dittel

Adalwulf

aus der Dose

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Adalwulf

Zu Hause

Der Wunsch

Knurrhahn

Griesgram

Der Diebstahl

Der Leuchtturm

Der nackte Gockel

Flip

Der 'Wald der Schlafenden'

Der leuchtende Baum

Salome

Der 'Schwarze Tümpel'

Die 'Goldene Kichererbse'

Das neue Zuhause

In der Nacht

Impressum neobooks

Adalwulf

Flora, genannt Flo, rannte wie ein Wirbelwind von der Schule nach Hause. Sie war sehr spät dran und ihr Mitschüler Mike war schuld daran gewesen. Dieser hatte ihr nämlich den Füller geklaut und den hatte sie sich erst wieder besorgen müssen.

Leider zeigte Frau Zimmer, die Klassenlehrerin, kein Verständnis, als die Sechsjährige ihren Mitschüler vor das Schienbein trat. Für diese gewalttätige Aktion forderte Frau Zimmer Flora auf, sich bei Mike zu entschuldigen.

Verlegen rieb sich Flora mit der einen Hand am Ohr, während sie Mike die andere hin streckte und ein halbherziges 'Entschuldigung!' über ihre Lippen presste. Natürlich ging ihr schlechtes Verhalten nicht ohne Bestrafung aus. Dafür erhielt sie eine Stunde nachsitzen.

«Oh, wie bin ich wütend», schnaubte Flo ärgerlich, als sie in die nächste Gasse abbog. Sie musste die Abkürzung nach Hause nehmen, durch die eklige Dreckgasse. Hier war es düster und unheimlich. Stinkender Dampf stieg aus den Kanaldeckeln empor und überall lag Abfall, der achtlos neben, anstatt in die Mülltonnen geworfen wurde.

«Schnell nach Hause», schimpfte Flo und legte noch einen Zahn zu. Ihre blonden, langen Haare wehten ihr ins Gesicht und nahmen ihr für einen kurzen Moment die Sicht. Sie strauchelte und fiel mitten hinein in einen Berg aus Müll.

Ihr grünes Sommerkleid war verdreckt und ihre Knie waren aufgeschürft und bluteten leicht. Tränen der Wut stiegen dem Mädchen in die Augen, die sie mit dem Arm wegwischte. Dann griff sie zornig nach einer nahe liegenden Dose und warf diese gegen die nächste Hauswand.

Es tat einen gewaltigen Knall und Flo riss erschrocken ihre blauen Augen auf. Die Dose hatte sich durch den Aufprall geöffnet und ein grelles Licht strahlte heraus. Es wurde so hell, dass Flo sich mit den Händen die Augen schützen musste. Sie blinzelte durch die Finger und sah Nebel emporsteigen. Ein riesiger dunkler Schatten schwebte darüber. Flos Herz pochte bis zum Hals und ihre Knie schlotterten, obwohl sie auf dem Boden hockte.

Plötzlich ertönte eine tiefe Stimme: «Ich bin Adalwulf, ein mächtiger Geist aus der Dose. Wer mich befreit, dem steh’ ich bereit. Einen Wunsch nenne mir und ich erfülle ihn dir. Ist es getan, so gehe ich fort, bleibt nur zu wissen an welchen Ort?»

Die Stimme verstummte.

Eine ganze Weile saß Flo verängstigt da und rührte sich nicht. Nichts passierte. Langsam spähte sie durch die Finger und hielt gespannt den Atem an. Was sie dort oben sah, war wunderschön!

Es war ein Hund mit großen goldenen Flügeln. Er hatte die sanftesten grauen Augen der Welt. Sein Fell schimmerte im Licht wie ein blasser Regenbogen.

«Perlmutt. Dein Fell glänzt wie Perlmutt!», flüsterte Flo.

Da der Hund schwieg, musterte sie ihn eingehend. Er sah aus wie ein Labrador. Nur war er nicht schwarz.

«Du siehst aus wie ein Engel. Bist du ein Engel aus dem Hundehimmel?», fragte sie fasziniert das schwebende Geschöpf.

Der Hund senkte seinen Blick und lächelte. Er schwebte hinab bis knapp vor den Boden, schleckte sich würdevoll über die Pfote und sprach mit geduldiger Stimme: «Das ist ein schöner Gedanke, aber ich bin ein mächtiger Geist. Meine Gebieterin, du hast mich aus meiner Dose befreit. Dafür werde ich dir einen Wunsch erfüllen.»

«Ich habe aber so viele Wünsche. Ich weiß nicht welchen ich nehmen soll. Da muss ich erst etwas genauer darüber nachdenken», stellte Flo fest.

Erfreut über die neue Gesellschaft, blickte Flo in die gutmütigen Augen des Hundes, tippte sich mit dem Zeigefinger an ihre Lippen und schlussfolgerte: «Ich muss dich wohl mit nach Hause nehmen. Aber wie soll ich dich meinen Eltern erklären?»

«Das ist gar kein Problem!», meinte Adalwulf. «Ich kehre zurück in meine Dose, bis du, meine Gebieterin, mir deinen Wunsch nennen kannst. Dann rufst du mich bei meinem Namen und ich werde dir wieder erscheinen.»

Noch bevor Flo etwas sagen konnte, verschwand er samt Licht und Nebel in seiner Dose. «Adalwulf, so ist mein Name. Merke ihn dir gut,» rief er ihr noch zu.

Die Gasse wurde düster und unheimlich wie zuvor. Eilig griff Flo nach der Dose und rannte schnell nach Hause.

Zu Hause

Flo öffnete mit lautem Gepolter die Wohnungstür und stürmte an der Küche vorbei, in der ihre Mutter gerade einen frisch gebackenen Kuchen aus dem Ofen holte.

Während sie ungestüm die Treppe hinauf stürzte rief ihre Mutter sie zurück.

«Halt Flora Fribo. Wo kommst du her und was ist mit dem Mittagessen?»

Sie stand, die Arme verschränkt, im Türrahmen und musterte ihre Tochter eindringlich.

«Mami, ich habe es eilig», erwiderte Flo und stieg eine Stufe weiter.

«Flora, nichts kann so eilig sein, dass man auf sein Essen verzichtet. Komm her, es gibt Pfannkuchen», befahl ihre Mutter und ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging zurück in die Küche.

«Und zieh deine Schuhe aus», rief sie noch.

Mürrisch trottete Flo die Treppe hinab. Sie folgte ihrer Mutter, stellte die Dose auf den Tisch und zog sich die Schuhe aus.

«Nicht doch in der Küche», rügte ihre Mutter sie. «Bring die Schuhe dahin, wo sie hingehören.»

Mit einem demütigen Seufzer stellte Flo ihre Schuhe in den Flur.

Gerade noch rechtzeitig kehrte sie in die Küche zurück, denn ihre Mutter war gerade im Begriff die Dose in den Müll zu schmeißen.

«Nein, nicht!», schrie Flo entsetzt. «Das ist doch eine Zauberdose.»

Ihre Mutter besah sich die verbeulte Dose genau, dann hielt sie sie an ihr Ohr und schüttelte kräftig. Doch es war nichts zu hören. Sie warf Flo einen verschmitzten Blick zu und fragte neugierig: «Und was genau zaubert sie?»

Flo rieb sich verlegen ihr Ohrläppchen bis es sich rot färbte. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens entschied sie sich für die Wahrheit. Ihre Augen verengten sich, als sie leise flüsterte: «Da steckt ein Wunsch für mich drin.»

Zuerst weiteten sich die Augen ihrer Mutter überrascht, bevor sich dann ein Grinsen auf ihrem Gesicht breit machte und sie zurück flüsterte: «So so, ein Wunsch für dich. Und was, wenn ich fragen darf, wünschst du dir?»

«Genau das ist das Problem. Ich weiß es nicht. Ich habe doch so viele Wünsche, aber welcher ist mir der Wichtigste?» antwortete Flo und schüttelte ratlos den Kopf.

«Iss erst einmal einen leckeren Pfannkuchen mit Sahne, vielleicht kommt die Entscheidung dann ganz von alleine», beschloss ihre Mutter und tätschelte Flos Kopf.

Flo verdrückte gerade ihren zweiten Pfannkuchen, als ihre Mutter sich neben sie setzte. Sie suchte nach den richtigen Worten.

«Ich muss dir etwas sagen, Flo,was dir ganz und gar nicht gefallen wird», begann ihre Mutter zögerlich. «Der kleine Buchladen um die Ecke, der vom alten Petersen, wird geschlossen. Schon in Kürze», fuhr sie fort und streichelte ihrer Tochter tröstend über den Rücken.

Flo hätte sich vor Entsetzen fast an ihrem Essen verschluckt. Sie ließ das Besteck fallen und starrte ihre Mutter ungläubig an.

«Es tut mir Leid, Flo. Herr Petersen ist schon alt und findet keinen Nachfolger, der seinen Buchladen weiterführen kann», erklärte ihre Mutter.

«Das ist so gemein!», stellte Flo aufgebracht fest. «Gibt es jetzt keine Vorlesestunden mehr?»

Ihre Mutter nickte langsam mit dem Kopf.

«Aber wer liest mir dann die spannenden Abenteuergeschichten vor?», fragte Flo mit weinerlicher Stimme.

«Flora, sei nicht traurig. Ich kann dir auch Geschichten vorlesen. Und bald schon kannst du selbst lesen. du gehst doch schon in die erste Klasse», tröstete sie ihre Mutter.

«Das ist aber nicht das selbe. Keiner kann so fantastisch vorlesen wie Herr Petersen.»

 

Flo ergriff enttäuscht die verbeulte Dose und stürmte schluchzend die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

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