Harry in love

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Simon verzog das Gesicht abermals zu einer Grimasse. „Es ist wohl meine gerechte Strafe …“, erwiderte er. Anabel machte daraufhin ein besorgtes Gesicht. Simon lächelte sanft. „… aber ich werde es überleben. Danke für das Eis.“

Gebannt sahen alle dem Treiben von Simon und Anabel zu, als plötzlich die eingetretene Stille vom Piloten des Privatjets unterbrochen wurde und er die Herrschaften zum Boarding aufforderte.

Während alle aufsprangen und dem Piloten im Gänsemarsch folgten, ergriff Harry Isabels Hand und blieb mit ihr allein zurück. Sogleich zog er sie in seine Arme und küsste sie innig zur Begrüßung. Ein wenig überrumpelt sah Isabel anschließend verwirrt zu Harry auf.

„Du siehst müde aus. Ist alles okay?“, fragte Harry auch sofort.

Isabel zog eine Schnute. „Wenn man die Nacht nicht geschlafen hat, dann sieht man halt am Morgen ein wenig mitgenommen aus.“

„Und warum konntest Du nicht schlafen? Nur der allgemeinen Aufregung wegen?“, hakte Harry nach. „Oder weil Du erst einmal geflogen bist?“, erahnte Harry. Er erinnerte sich daran, wie nervös Isabel beim Rückflug aus Wales gewesen war und da lag es nahe, dass ihr das Fliegen ein wenig Bauchweh bereitete. Und es ärgerte ihn sofort, dass er das bei der Buchung der Reise nicht bedacht hatte. Besorgt sah er zu Isabel herüber, deren Wangen ein dunkles Rosa trugen.

„Es ist wohl von beidem ein wenig“, gestand daraufhin Isabel.

„Bell, ich bin bei Dir, hab keine Angst“, flüsterte Harry an Isabels Ohr und hauchte ihr zärtlich einen Kuss auf die Schläfe. „Im Grunde ist es doch nur der Start, der ein wenig unangenehm ist. Und den Hin- und Rückflug aus Wales hast Du doch auch überstanden. Dann wirst Du auch diesen Flug überstehen! An sich ist es doch nichts anderes als mit der Achterbahn zu fahren …“

„Das hat Anabel auch gesagt“, unterbrach Isabel ihren Freund.

„Na, siehst Du. Wir kriegen das hin!“, gab Harry optimistisch von sich.

„Harry, darf ich Dich etwas fragen?“

„Natürlich. Was möchtest Du wissen?“, kam es allerdings dann doch leicht besorgt von Harry.

„Ich war ein wenig irritiert, als mir plötzlich Simon und noch fünf weitere Deiner Freunde gegenüberstanden …“

„Du möchtest wissen, warum wir nicht allein verreisen?“, stoppte Harry Isabels umständliche Einleitung zu ihrer eigentlichen Frage und atmete innerlich auf. Isabel nickte und wurde rot. „Es gibt zwei Gründe, weshalb wir nicht alleine sind: Zum einen dienen uns meine Freunde gegebenenfalls als Ablenkungsmanöver vor neugierigen Blicken unerwünschter Paparazzi. Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass uns überhaupt jemand verfolgen wird. Es weiß nämlich niemand, dass wir in wärmere Gefilde fliegen. Normalerweise sind wir Windsors zu dieser Jahreszeit in der Schweiz im Skiurlaub. William und Jane werden also ihre Freude an der Presse haben. Und zum anderen sind die sechs eine tolle Gesellschaft, mit der man viel Spaß haben kann. Außerdem muss ich gestehen, dass ich allein mit meinen Freunden verreist wäre, wenn Du mir Silvester eine Absage erteilt hättest. Aber bitte verstehe das jetzt nicht falsch: Seit ich beim Militär bin und Elisabeth, aufgrund ihres Alters, sich immer mehr aus den royalen Pflichten zurückzieht, sehe ich meine Freunde nur noch selten, so dass ich zumeist einen Urlaub mit ihnen verbringe“, erklärte Harry sachlich. „Aber keine Angst, wir zwei werden trotzdem genügend Zeit für uns alleine haben. Die anderen sechs wissen sich nämlich auch ohne meine Gegenwart gut zu amüsieren und ich denke, Anabel ist bereits vollkommen in die Cliquenwirtschaft aufgenommen! Der Einzige, der das Nachsehen hat, ist wohl Simon?! Aber da muss er jetzt durch! Also lass uns gehen und den anderen Gesellschaft leisten.“

Isabel nickte mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen, woraufhin ihr Harry sogleich noch einen innigen Kuss raubte, bevor sie das Flugzeug betraten.

„Na endlich! Die Turteltauben haben auch den Weg in den Flieger gefunden; wurde ja auch Zeit!“, beschwerte sich Mitch auch sogleich künstlich übertrieben heftig.

Harry warf daraufhin einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich weiß gar nicht, was Du hast? Dass ich innerhalb von ganzen zwanzig Minuten in den Flieger gestiegen bin, ist doch wohl neuer Schnelligkeitsrekord! Wenn ich da an das letzte Mal denke, wo ich Euch eine ganze geschlagene Stunde habe warten lassen …“

Sofort grölten Carmen, Vivienne, Emily und Kevin laut los und applaudierten. Harry grinste nur breit und führte Isabel in die letzte der drei Doppelsitzreihen. Dabei fiel ihm auf, dass weder Simon noch Anabel anwesend waren. „Sagt mal, hier fehlen doch noch zwei …“

Emily kicherte sofort und auch Vivienne grinste breit. Kevin räusperte sich und zeigte zum hinteren Teil des Fliegers, der durch einen Vorhang verborgen war. Harry hob irritiert die Augenbrauen.

„Ich glaube, das Eis war am Schmelzen …“, warf Cam in den Raum und erntete prompt lautes Gelächter von den anderen.

Isabel sah verwirrt zu den fünf in den Sitzreihen vor sich. Harry nahm Isabels Hand und zwinkerte ihr zu. „Mal schauen, vielleicht haben sich da doch noch zwei gefunden?!“

Überrascht starrte Isabel Harry an. Er zuckte aber nur mit den Schultern.

Just in dem Moment kam Anabel hinter dem Vorhang hervor. Sofort begannen die anderen von Neuem zu feiern. „Meine Güte, sind wir hier im Kindergarten? Ich dachte, ich hätte es mit erwachsenen, jungen Menschen zu tun … Also kriegt Euch wieder ein!“, kam es umgehend von Anabel, während sie sich Isabel und Harry gegenüber an den Fensterplatz setzte. Isabel sah ihre Freundin fragend an. Anabel verdrehte sogleich die Augen. „Mann, ich war nur zur Toilette; was kann ich dafür, dass Blondi dem gleichen Bedürfnis erlag?!“

Sofort errötete Isabel und sah verlegen auf ihren Schoß.

Als jedoch kurz darauf auch Simon wieder zum Vorschein kam, fiel nicht nur Isabel auf, dass sich Simon und Anabel kurz in die Augen blickten, bevor er sich in die Reihe vor ihnen zu Kevin und Mitch setzte, und Anabel ihn dabei mit den Augen verfolgte. Harry grinste und dachte sich seinen eigenen Teil.

Dann hieß es anschnallen und kurz darauf hob der Flieger ab. Während des Starts und auch noch eine ganze Weile danach hielt Harry Isabels linke Hand fest in seiner rechten. Es war still im Flugzeug. Doch kaum gingen die Signallampen für das Tragen der Sicherheitsgurte aus, kam wieder Leben in den Jet. Während die sechs Freunde ihre angeregte Unterhaltung von vorhin wieder aufnahmen, löste Harry Isabels Gurt und sah ihr verliebt in die Augen. „Und, war es schlimm?“ Isabel schüttelte den Kopf.

„Siehst Du, ich habe Dir doch gleich gesagt, dass Du Dir viel zu viele Sorgen machst!“, fügte Anabel hinzu. Isabel verdrehte genervt die Augen. Harry grinste und Anabel tat es ihm gleich.

„Ich möchte mich noch einmal herzlich für die Einladung bedanken“, sagte Anabel anschließend zu Harry.

Harry nickte lächelnd und sah dann zu Isabel herüber. „Mir war wichtig, dass Isabel noch jemanden bei sich hat, der ihr nahe steht. Außerdem hatte ich gehofft, dass Isabel so schneller ‚Ja‘ sagt.“ Anabel und Harry mussten unweigerlich wieder anfangen zu kichern.

Isabel zog schmollend eine Schnute; sie musste dann aber herzhaft gähnen. „Verzeihung.“

„Ach Glöckchen … Komm, mach einfach die Augen zu und schlaf ein wenig. Falls Dir kalt ist, bringe ich Dir gerne auch noch eine Decke“, erklärte Harry und stand bereits auf. Nachdem er Isabel eine Decke übergelegt hatte, fragte er lapidar in die Runde: „Hat jemand Hunger oder Durst?“ Sofort riefen seine Freunde bunt durcheinander, was sie alles gerne haben möchten. Harry seufzte und rollte mit den Augen.

Anabel grinste und erhob sich ebenfalls: „Komm, ich helfe Dir!“

Sie war jedoch nicht die Einzige, die sich gleichfalls erhob und Harry helfen wollte, und so rempelten Simon und Anabel unweigerlich aneinander. „Sorry!“, sagte Simon. Anabel grinste nur und folgte Harry. Simon blieb daraufhin stehen und sah ihr hinterher.

Plötzlich haute Kevin ihm auf die Schulter. „Na, Alter? Heißer Feger, was?!“ Simon sah seinen Freund an und schwieg. „Oh là là!“, rief sogleich Kevin von Neuem. Nunmehr sah Simon seinem Freund eindringlicher in die Augen. „Oh, okay! Ich sage ja schon gar nichts mehr …“, ergab sich Kevin, konnte sich jedoch ein breites Grinsen nicht verkneifen. Simon schüttelte verzweifelt den Kopf und setzte sich zu Cam, Emily und Vivienne. Die Mädchen strahlten Simon an und verdonnerten ihn sogleich zu einer Runde Poker. Natürlich ließen sich da die anderen zwei Männer nicht lange bitten und machten somit das Sextett wieder komplett.

Nachdem Anabel und Harry Sandwiches und Getränke verteilt hatten, standen sie in zweiter Reihe und beobachteten das spannende Pokermatch, während Isabel zwischenzeitlich friedlich eingeschlafen war.

„Simon, Du bist dran!“, rief Cam nun schon zum wiederholten Male. Er und sie waren die Letzten in der Runde, die übriggeblieben waren. Simon wurde prompt knallrot. Denn seit Anabel dem Spiel beiwohnte, konnte er sich nicht mehr richtig konzentrieren. Er gab das Spiel auf, obwohl er Spielmacher war und bislang die meisten Spielchips eingenommen hatte. Irritiert blickten alle auf Simons letztes Blatt und verglichen dieses mit Carmens Karten. Entsetzt blickten alle Simon an: Denn wenn er nicht aufgegeben hätte, hätte er gewonnen!

Simon sah irritiert auf die Karten. „Oh!“, war alles, was er darauf antwortete. Anabel schüttelte amüsiert den Kopf. Simon erwiderte ihr Lächeln und zuckte mit den Schultern.

„Okay, neue Runde; aber diesmal spielen Anabel und ich auch mit!“, warf Harry in den Raum und schon wurden die Karten neu gemischt. Um mehr Platz zu haben, wurden die mittleren Sitze abgeklappt und als Kartentisch missbraucht. Während es sich Simon, Emily, Vivienne und Anabel in den vier übrigen Sesseln bequemen machten, setzten sich die anderen vier schlicht und ergreifend auf den Fußboden.

 

Das Spiel war in die nächste heiße Phase gewechselt. Nur noch Simon, Carmen, Anabel und Harry waren im Spiel. Doch Harry verabschiedete sich kurz darauf und verlor durch einen dummen Anfängerfehler. Sofort zogen ihn alle gleich damit auf. „Schadenfreude ist wohl Eure Lieblingsbeschäftigung, was?!“, kam es Anabel in den Sinn.

Harry grinste, während Cam erklärte: „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen …“

„Okay, ich weiß Bescheid. Also dann, wer ist dran?“, fragte Anabel.

„Simon!“, riefen sogleich alle im Chor.

„Na, Blondi, dann sieh zu!“, provozierte Anabel Simon. Alles lachte.

Von der Geräuschkulisse erwachte Isabel wieder aus ihrem Schlaf. Sofort war Harry zur Stelle und gesellte sich zu seiner Freundin. Isabel kuschelte sich in seinen Arm. „Die anderen scheinen ihren Spaß zu haben?!“

„Ja, sie spielen Karten. Eine unserer Lieblingsbeschäftigungen, wenn wir aufeinandertreffen. Anabel mischt übrigens fleißig mit! Kannst Du pokern?“, fragte Harry.

Isabel schüttelte den Kopf. „Nee, das ist mir zu kompliziert. Mit meinen Eltern spiele ich ab und an mal Rommé, da ist das Zusammenrechnen noch überschaubar. Aber eigentlich ziehe ich andere Gesellschaftsspiele dem Kartenspiel vor.“

„Und welche wären das?“

„Ich mag Brettspiele ganz gern: Monopoly oder Mensch Ärger Dich Nicht finde ich klasse.“

„Monopoly finde ich auch toll. Wir werden sicherlich die Tage noch zu einer Runde Monopoly oder Rommé kommen. Und sonst, was magst Du sonst noch?“

„Dart und Billard finde ich ganz reizvoll, bin darin aber der volle Anfänger. Annie war mal eine ganze Weile vom Billard gar nicht wieder wegzukriegen. Sie ist richtig gut und ab und an geht sie nach Feierabend eine Runde spielen. ‚Um nicht aus der Übung zu kommen‘, sagt sie immer. Aber ihr Lieblingsspiel ist seit Kindertagen an Twister“, erzählte Isabel weiter.

Harry grinste breit. Twister, soso!

Während Harry seinen Gedanken nachhing, schloss Isabel abermals die Augen und döste noch ein wenig vor sich hin. Derweil war im vorderen Bereich des Flugzeugs das Pokerspiel in die spannende Endphase übergegangen. Da Carmen zwangsweise – sie hatte keinen Jeton mehr – aussteigen musste, saßen sich somit nur noch Simon und Anabel allein vis-à-vis und blickten sich tief in die Augen. Alle sahen gebannt zu Anabel und warteten darauf, dass sie den nächsten Schritt tat. Mit einem provozierenden und zugleich sehr entwaffnenden Lächeln schob sie alle ihre Jetons in die Mitte des improvisierten Spieltisches, außer einem 1.000-Dollar-Chip, den sie durch ihre rechte Hand immer auf und ab wandern ließ. Prompt standen Simon die Schweißperlen auf der Stirn und er rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her.

„Ich mache Dich doch wohl nicht etwa nervös, Blondi?“, hakte Anabel sogleich nach und schnipste dabei mit den Fingern ihren letzten unbedeutenden Chip in die Luft. Er landete exakt auf einem ordentlich aufgestapelten Jeton-Türmchen. Simon schluckte hart, während die Mädels unweigerlich zu kichern anfingen.

„Ruhe!“, herrschten die anderen zwei Jungs wie aus einem Mund die Störenfriede an.

„Ups, Sorry!“, flüsterte Vivienne.

Anabel grinste und schob ihr Kinn leicht nach vorn. Unsicher kaute Simon auf seiner Unterlippe und sah immer wieder zwischen seinen Karten und Anabel hin und her.

„Ey Alter, mach’ jetzt ja keinen Fehler! Unsere Ehre steht auf dem Spiel!“, kam es auf einmal überraschend von Kevin, der fast genauso nervös war wie Simon. Sogleich kicherten die Mädchen von Neuem.

„Ich sagte: Ruhe!“, rief Mitch erbost und schon war es wieder mucksmäuschenstill.

Simon pustete heftig die eingeatmete Luft wieder aus. Prompt fiel eines der Jeton-Türmchen um. Simon schluckte und sah abermals Anabel in die Augen. Ihr Gesichtsausdruck war nunmehr ernst und verschlossen. In ihren Augen konnte er jedoch lesen, dass sie bereits seine Karten kannte und nur noch darauf wartete, dass er entweder ein letztes Mal versuchte zu kontern, um das Blatt eventuell doch noch herumzureißen; was wohl im Grunde aussichtslos schien, oder eben kniff und gleich aufgab. Simon versuchte krampfhaft, sich an die bereits abgeworfenen Karten zu erinnern, um so herauszubekommen, welches Blatt Anabel haben könnte. Aber es gelang ihm einfach nicht. Verzweifelt gab er sich geschlagen, denn er war zu dem Entschluss gekommen: Wer so hoch pokerte, der konnte einfach nicht nur bluffen! Er ergab sich und deckte sein Blatt auf und hatte dabei klatschnasse Hände. Als die anderen sein Blatt sahen, hielten sie hörbar den Atem an, denn es gab nur noch ein einziges Blatt, welches höher war und sich gerade einmal nur mit drei Punkten unterschied. Alle Blicke waren nun auf Anabel gerichtet, die sich entspannt zurücklehnte, ein spitzbübisches Lächeln aufsetzte und ganz langsam ihr Blatt aufdeckte – Karte für Karte. Ihr Grinsen wurde dabei immer breiter, bis ihre schneeweißen Zähne aufblitzten und sie still vor sich hin lachte. Sogleich wich jegliche Farbe aus Simons Gesicht. Schadenfreude! Auch ohne auf ihre Karten zu schauen, wusste er nicht nur von den lärmenden Stimmen um sich herum, dass sie ihn eiskalt hereingelegt hatte.

„Hallo Simon, jemand zu Hause?! Ey Alter, hast Du eventuell irgendetwas zu Deiner haushohen Niederlage zu sagen?“, drang es langsam zu ihm durch. Verwirrt blickte er zu Kevin auf und dann warf er doch einen Blick auf Anabels erbärmliches Blatt. Ihm lief es prompt eiskalt den Rücken herunter. „Uhhh!“, rief er entsetzt aus.

Anabel lächelte nur verschmitzt und zuckte lapidar mit den Schultern. Dann klatschte sie sich in die Hände und stand auf. „Ich glaub, ich brauch jetzt ’ne Erfrischung!“, überlegte sie laut und stiefelte nach hinten in den Küchenbereich.

Sie wollte gerade ihr zweites Glas Orangensaft leeren, als Simon zu ihr hinter den Vorhang trat und ihr die Hand reichte. Fragend stellte sie das Glas wieder ab und legte ihre Hand in die seine.

„Gratulation. Ich habe bislang noch niemanden gesehen, der so gerissen spielt wie Du. Aber es hat Spaß gemacht. Danke für das großartige Spiel!“, sagte Simon offen und ehrlich.

„Immer wieder gern“, kam es lächelnd von Anabel. „Aber eigentlich hättest Du wissen müssen, worauf Du Dich bei mir einlässt …“

„Wieso, weil Du wie Dein Bruder spielst?!“, fiel es Simon prompt wie Schuppen von den Augen.

Sofort blitzten wieder Anabels schneeweiße Zähne hinter wunderschön geschwungenen dunkelroten Lippen auf. „Hart, aber fair.“

Simon grinste breit.

„Und, Blondi, Lust auf noch eine weitere Runde?“, fragte Anabel völlig entspannt.

Simon räusperte sich sogleich. „Ähhh, nein, danke. Ich glaube, zweimal hintereinander von gleich zwei Frauen abgezogen zu werden genügt fürs Erste.“ Anabel musste unweigerlich kichern. Simon stimmte mit ein.

„Durstig?“, fragte Anabel.

Simon nickte und sagte: „Ja, Dein O-Saft sieht ganz appetitlich aus.“ Anschließend griff er sich einfach ihr Glas vom Tresen und trank es umgehend vor Anabels Augen aus. Anabel entglitten daraufhin die Gesichtszüge und empört öffnete sie den Mund. Sie hatte jedoch bereits wieder vergessen, was sie auf dieses rüpelhafte Benehmen erwidern wollte.

Mit den Worten „Tja, hart, aber fair“ stellte Simon das leere Glas wieder auf die Arbeitsplatte und verließ mit einem Augenzwinkern den Küchenbereich.

Anabel starrte perplex auf den sich bewegenden Vorhang.

Nachdem dieser ausgeschwungen hatte, fing sie laut an zu lachen und wollte sich auch nicht wieder einkriegen. Fragend steckte Isabel ihren Kopf durch den Vorhang und blickte verwirrt ihre beste Freundin an. Diese schüttelte jedoch nur den Kopf und folgte Isabel zurück zu den anderen. Als sie Simon erblickte und er ihr ein verschmitztes Lächeln zuwarf, fing sie gleich wieder an zu lachen. Anschließend reichte sie ihm die Hand. Er nahm sie an und sah ihr dabei tief in die Augen.

Alle anderen Augenpaare blickten ebenfalls erwartungsvoll auf das sich vor ihnen präsentierende Bild.

„Touché!“, rief Anabel aus und schüttelte Simons Hand. Dieser grinste nur und dankte mit einem Kopfnicken. Anschließend setzte sich Anabel wieder auf ihren ursprünglichen Sitzplatz zu Isabel und Harry.

Simon wurde derweil von seinen anderen Freunden weiterhin entgeistert angestarrt. Er zog die Stirn kraus und fragte verständnislos: „Was???“

„Nichts“, kam es enttäuscht von seinen Freunden.

„Na, dann könnt ihr Euch ja jetzt wieder hinsetzen. Ich glaube, wir landen gleich!“

Daraufhin sah Isabel ganz automatisch aus dem Fenster. Unter sich erblickte sie türkisblaues Wasser und eine tropische Insel. Ein Paradies auf Erden!

Harry ergriff sogleich ihre Hand und nickte auf die stumm gestellte Frage. „Bist Du verrückt?!“, kam es umgehend von Isabel. Harry seufzte.

„Isa, statt Harry Vorhaltungen zu machen, solltest Du Dich lieber glücklich schätzen, überhaupt einmal hierhergekommen zu sein!“, kam Anabel Harry zur Rettung.

Isabel wurde unweigerlich knallrot. „Bitte verzeih!“

„Hey Glöckchen, schon wieder vergessen? Ich weiß von Deiner Mutter, dass ihr Canninghams nur schwer Geschenke dieser Größenordnung annehmen könnt. Aber wie bereits vor noch nicht allzu langer Zeit erwähnt: Gewöhne Dich jetzt schon einmal daran, denn ich verspreche Dir, dass dies nicht unser letzter Urlaub dieser Art gewesen sein wird! Also, entspann Dich und genieße stattdessen unseren ersten, gemeinsamen, richtigen Urlaub! Und wenn es Dich beruhigt: Die Reise war gar nicht so teuer wie Du es Dir wahrscheinlich gerade vorstellst …“

Isabel schloss daraufhin kurz die Augen und atmete tief durch, bevor sie sagte: „Danke.“

„Ach Bell, ich liebe Dich!“, flüsterte Harry an ihr Ohr und hauchte ihr anschließend zärtlich einen Kuss auf ihre Schläfe.

„Ich liebe Dich auch“, kam es kaum hörbar von Isabel, während sie vor Verlegenheit erneut errötete.

Kapitel 4

Der Privatjet landete am späten Nachmittag in der Nähe von Grand Baie auf der Insel Mauritius, die vor Madagaskar im Indischen Ozean lag. Es waren herrlich angenehme 28 °C, die Sonne schien und das Rauschen des Meeres war leicht zu hören, so dass Isabel ganz automatisch in Urlaubsstimmung kam. Sogleich machten die neun Freunde einen kleinen Abstecher in die Stadt, wo ein riesiges Getümmel auf den Märkten und Straßen vorherrschte. Den verschiedensten Nationalitäten konnten sie dort begegnen, auch wenn die meisten Einwohner Mauritius’ indischer Abstammung waren. Es herrschte ein farbenfrohes Treiben und die unterschiedlichsten Gerüche, angefangen von Zimt über Curry bis hin zu Chili und Pfeffer, stiegen ihnen in die Nasen. Während Harrys Clique vollkommen begeistert von dem vielen Durcheinander war und sich sogleich ins Getümmel stürzte, schüchterte Isabel das rege Treiben auf engstem Raum eher ein wenig ein. Doch Harry, Anabel und sogar Simon wichen nicht einen Zentimeter von ihrer Seite und so ließ auch Isabels Anspannung mit der Weile nach.

Nachdem das erste Sightseeing abgeschlossen war, machte sich die kleine Gruppe mit einem Kleinbus auf den Weg nach Péreybère, einem kleinen unscheinbaren Ort direkt an der Küste, wo sie im gleichnamigen Restaurant zu Abend aßen. Das Restaurant lag direkt an einem wunderschönen weißen Sandstrand unter Palmen und sie hatten einen wunderbaren Blick auf das Meer. Es gab mehrere Salatvariationen, eine riesige Schüssel voll Reis, verschiedenes Gemüse und dazu wurden Hähnchenfleisch und Fisch gereicht. Sie waren angekommen.

Nach dem Essen machten alle einen kleinen Spaziergang am Strand, wo sie zu späterer Stunde von einem kleinen Motorboot abgeholt wurden, welches sie zu einer großen Yacht brachte, die etwas weiter abgelegen im Meer vor Anker lag. Auf der Yacht fehlte es an nichts: Jeglicher Schnickschnack an Komfort, den sich Isabel nur vorstellen konnte, war vorhanden. Es gab einen riesigen Wohnsalon, in dem neben zwei Billardtischen ein großer Kartenspieltisch und gemütliche Couchen sowie eine kleine Kinoleinwand Platz fanden. Nebendran war eine separate Bar, die gleichfalls als zweites Wohnzimmer und als Esszimmer diente und natürlich waren ausreichend großzügig geschnittene Kabinen vorhanden, in denen nicht nur die neun Freunde und das royale Sicherheitspersonal untergebracht werden konnten, sondern auch die Mannschaft des Schiffes.

Und diese Luxusyacht sollte für die nächsten vierzehn Tage ihr Zuhause werden?! Wenn nicht das leichte Plätschern des Wassers zu hören gewesen wäre, hätte Isabel gänzlich vergessen können, dass sie sich auf einem Boot befand. Vielmehr hatte sie das Gefühl, in einem Clubhotel untergebracht worden zu sein, wie sie es schon oft im Fernsehen gesehen hatte. Sie saß gerade auf einer Couch in ihrer und Harrys riesiger Kajüte und blätterte durch einen Reiseführer über Mauritius, als es an der Tür klopfte. „Ja, bitte.“

 

„Stör ich?“, fragte Anabel.

„Nein, komm rein.“

„Bist Du allein?“

„Ja, Harry bespricht gerade den morgigen Tagesablauf mit der Security. Er hat vorgeschlagen, dass wir alles ganz langsam angehen und uns erst einmal an das veränderte Klima gewöhnen; er will mit uns einen ganztätigen Segelausflug auf der Isla Mauritia, einem Segelschiff aus dem Jahre 1852, unternehmen. Ist das nicht toll?!“, gab Isabel euphorisch von sich.

Anabel schmunzelte über die leicht kindliche Vorfreude ihrer Freundin. „Untergehen können wir aber nicht mit dem alten Kahn, oder?“

Isabel lachte auf. „Nein, das sicher nicht. Denn das Schiff wurde 1961 restauriert und ist seither eine sehr beliebte Touristenattraktion.“

„1961? Ganz taufrisch ist der Kutter dann ja trotzdem nicht mehr …“

„Annie!!!“, schimpfte Isabel. Doch Anabel schmunzelte nur.

„Du sagtest eben, dass wir mit dem Boot ganz sicher nicht untergehen werden; aber was passiert stattdessen?“, hakte Anabel nach.

Isabel grinste breit: „Das Schiff wird von einer ‚Piraten-Crew‘ geführt …“

Anabel rollte daraufhin mit den Augen, denn auf so eine Idee konnte auch nur Harry kommen! „Na, dann bin ich ja mal gespannt, was uns da zu erwarten hat. Weshalb ich aber eigentlich gekommen bin, war: Die anderen fragen, ob Du und Harry Lust habt, uns im sogenannten Spielzimmer Gesellschaft zu leisten oder ob ihr lieber für Euch allein sein wollt.“ Anabel errötete dabei leicht.

Isabel kicherte prompt. „Wir haben noch die ganze Nacht für uns allein. Klar kommen wir gerne zu Euch; schließlich will ich Harrys Freunde auch etwas besser kennenlernen. Du scheinst Dich ja schon ganz gut eingelebt zu haben und Dich prima mit ihnen zu verstehen?!“

Anabel nickte. „Ja, die sechs sind total nett und für jeden Spaß zu haben.“

„Harry meinte, mit ihnen wird es nie langweilig. Wir werden also bestimmt noch eine Menge zu lachen haben“, prophezeite Isabel. „Sag mal, was war das eigentlich heute im Flieger mit Dir und Simon? Irgendwie konnte ich dem nicht ganz folgen.“

„Ach, das war gar nichts. Wir haben uns einfach nur gut verstanden; nachdem wir das kleine Missverständnis von der Begrüßung aus dem Weg geräumt hatten.“

„Als Du ihm eine verpasst hast, dachte ich wirklich, ich sehe nicht richtig“, gestand Isabel.

Anabel wurde rot. „Woher sollte ich denn wissen, dass es sich bei Blondi nur um einen Freund von Harry handelt? Vor allem habe ich bislang noch nie erlebt, dass sich jemand die Frechheit herausnimmt, die Freundin seines besten Freundes so abzuknutschen und dabei hat er Dich dann auch noch mit mir verwechselt!“

Isabel grinste breit. „Ja, das ist Simon! Du hättest ihn mal bei seinem Geburtstag erleben sollen: Harry war kurz drauf und dran, ihm höchstpersönlich eine zu verpassen, weil er einfach nicht die Finger von mir lassen konnte. Aber Simon meint das nicht so, im Grunde ist er ein ganz Lieber; hat Dir denn Alex nie etwas von seinem Arbeitskollegen erzählt?!“

„Doch, schon, eben dass er ein sehr lebensfroher Mensch sei, bei dem man nie so genau weiß, was als Nächstes passiert. Der aber im Grunde ein hochanständiger Typ ist. Irgendwie ein bisschen widersprüchlich, findest Du nicht?!“, stellte Anabel fest.

Isabel lachte laut auf, während es erneut an der Tür klopfte. „Ja, bitte!“

Die Tür öffnete sich und kein geringerer als Simon steckte den Kopf durch die Tür. „Ah, hier sind die Damen! Es wurde schon eine Vermisstenanzeige aufgegeben …“

„Von Dir oder den anderen?“, fragte Anabel spitz. Simon errötete prompt. Just in dem Moment wurde die Tür ein weiteres Mal geöffnet und Harry trat ein. Er war ein wenig überrascht, Anabel und Simon vor sich stehen zu sehen, so dass er die Tür wieder öffnete und sicherheitshalber noch einmal auf die Zimmernummer schaute.

„Ehm, gibt es einen Grund, warum ich statt Isabel Euch zwei in meinem Zimmer vorfinde?“

„Ich bin hier, mein Schatz!“, rief Isabel und erhob sich von der Couch und drängelte sich zwischen Simon und Anabel zu Harry hindurch.

„Ist irgendetwas passiert?“, fragte Harry sogleich besorgt.

„Nein. Es ist alles bestens. Wir wollten gerade in den Salon gehen und eine Runde Billard spielen“, erklärte Isabel.

„Ach Du …“, kam es von Anabel. „Das habe ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gespielt.“

Sofort leuchteten Simons Augen auf. „Wie wäre es denn dann mit einem Doppel? Wir zwei Männer gegen Euch zwei Frauen …“, fragte Simon spontan. Da er ziemlich oft in einer Billardhalle anzutreffen war, erhoffte er sich somit einen Sieg gegen Anabel. Ungläubig schaute Harry zu ihm und Anabel herüber. Prompt trat ihm Isabel dezent auf den Fuß und sah ihn eindringlich an. Harry grinste und verstand den Wink mit dem Zaunpfahl sofort.

„Okay, Blondi. Abgemacht!“, ging Anabel auf die Herausforderung ein.

Simons Grinsen wurde sofort gehässig und er flüsterte Anabel ins Ohr: „Ich hoffe, Du weißt, worauf Du Dich da eingelassen hast?!“

Anabel schmunzelte nur in sich hinein und ergriff Isabels Hand und lief mit ihr voraus, ohne auf Simons Bemerkung etwas zu erwidern.

„Hallihallo, da sind wir wieder und ich habe auch gleich den fehlenden Rest mit im Schlepptau!“, begrüßte Anabel die anderen fünf Freunde von Harry, die bereits um einen der Billardtische herumstanden, wo Kevin und Mitch gerade gegeneinander spielten.

„Super! Wir wussten, auf Dich ist Verlass!“, ließ Vivienne stolz verlauten.

„Hey, was soll ’n das?“, fragte Simon sogleich protestierend. „Wenn ich nicht gekommen wäre, würden die zwei Weibsen noch immer wie zwei Glucken in Harrys Kämmerlein hocken!“

„Simon, Du vergreifst Dich im Ton“, warnte Harry.

„Blondi ist doch nur neidisch, weil er gerne gewusst hätte, worüber Isa und ich getratscht haben“, erwiderte Anabel und versuchte so, die Wogen wieder zu glätten. „Aber ich mache Dir einen Vorschlag, Blondi: Solltest Du uns im Billard schlagen, dann verrate ich es Dir höchstpersönlich – unter vier Augen, versteht sich!“

Sofort feixte die Menge begeistert und gesellte sich prompt um den zweiten Billardtisch. Kevin und Mitch vergaßen gänzlich ihr eigenes Spiel und reichten ihre Queues an Harry und Simon weiter. Anabel nahm sich derweil der Kugeln an und arrangierte sie nach Belieben buntdurcheinander im Triangel. Als Simon das sah, grinste er breit und ging zu Anabel herüber. „Wenn Du gestattest?!“, sagte er und übernahm die ordnungsgemäße Sortierung der Billardkugeln.

„Ich sagte doch, ich habe schon lange nicht mehr gespielt!“, erklärte Anabel naiv dreinblickend.

Isabel fing sogleich an, leise vor sich hin zu lachen. Harry knuffte ihr prompt in die Seite und sagte: „Ich würde sagen, Du, liebe Isabel, machst den Anstoß …“

„Super“, kam es wenig begeistert von Isabel.

„Ach Isa, das ist nicht schwer, hau einfach die weiße Kugel einmal über den Tisch zum bunten Haufen. Versuche aber dabei bitte die schwarze Acht nicht gleich mit einzulochen!“

„Na schön. Dann gebe ich mal mein Bestes“, seufzte Isabel und setzte zum Abstoß an. „Für Kratzer im Filzteppich übernehme ich aber keine Haftung!“ Sogleich fingen alle an zu kichern. Isabel schien wirklich eine miserable Billardspielerin zu sein. Sie staunten dann allerdings nicht schlecht, als Isabel bereits beim Anstoß gleich zwei halbe Kugeln versenkte. „Ups, das wollte ich nicht! Haben wir jetzt das Spiel verloren?“, fragte Isabel plump.