Die Passion Jesu im Kirchenlied

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From the series: Mainzer Hymnologische Studien #28
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2.3.2.4 Das Anliegen Michael Weisses



Über die Absichten, die Weisse mit seinem Liedtext verfolgt, kann man aus diesem Vergleich erschließen: Über den Hymnus hinaus, den er verdeutscht aus der Tradition in seine theologisch neu bestimmte Gegenwart tragen will, liegt ihm auch daran, einen klaren Bericht von der Passion zu geben und dabei eine Evangelienharmonie zu schaffen, in der die für den Glauben bedeutsamen Elemente vorkommen. Dabei liegt bei ihm eine starke Bindung an die Schrift vor, die er an mehreren Stellen als Korrektiv an den Text des Hymnus legt.





Zwar ist es offensichtlich die Absicht Weisses, in seiner Umgestaltung des Hymnus einen Bericht der Passion ohne alle theologische Deutung zu geben, aber an drei Stellen fügt er doch selbst eine Deutung ein.



Der Zusatz „nur umb unsret willen“ (Str. 6) ist etwas unklar, denn semantisch geht der Bezug aus dem Liedtext nicht genau hervor. Bezieht er sich auf die Schrifterfüllung nach Joh 19, 36f? Man kann dann annehmen, daß er so die johanneische Identifizierung Jesu als das neue Passahlamm (vgl. Ex 12,46) und als der messianische „Durchbohrte“ aus Sach 12,10 unterstreicht. Es ist anzunehmen, daß er sich auf den von ihm eingefügten inhaltlichen Zusammenhang von „Blut und Wasser“ bezieht, und so das Abendmahl, in dem die Glaubenden Teilhaber am Geschehen werden, zum Thema der Strophe macht. Unabhängig davon, für welche Deutung man sich entscheidet, hat Weisse mit dem Hinweis auf die Schrifterfüllung die soteriologische Dimension der Passion Jesu hervorgehoben: Christus ist der messianische Vermittler des Heiles Gottes, der es durch sein Leiden, das er „nur umb unsret willen“ auf sich genommen hat, uns zueignet.





In diesem Duktus sind auch die beiden anderen deutenden Zusätze zu verstehen: das „für uns“ in der ersten Strophe betont zu Beginn und als vorausgesetzte Deutung „uns“, die Gemeinde Jesu Christi, als die Zielrichtung seines Handelns.



Im Bericht von der Geißelung in der dritten Strophe fügt Weisse einen Christustitel ein: der „Gottessohn“ muß dieses erleiden. Der darauf folgende Inthronisationsvorgang, der durch das Anlegen von Mantel und Krone symbolisiert ist, stellt in paradoxer Weise Jesus als den in seiner Verhöhnung doch herrschenden heraus, was nun als eine selbstverständliche Folge aus dem Titel „Gottessohn“ erscheint. Den Singenden wird so deutlich, daß die Peiniger an dieser Stelle meinen, ihn zu verhöhnen, aber in Wahrheit auf ihn als den Herrscher hinweisen, der er ist. Daß Jesus auch in der Situation als dem Spott und der Macht von Menschen Ausgelieferter wider allen Augenschein seine Eigenschaft als Gottessohn, also Vollbringer des göttlichen Willens in Vollmacht, nicht verloren hat, ist durch diesen Einschub den Singenden deutlich vor Augen gestellt.





Weiter lassen Weisses Ergänzungen mit Elementen aus den Berichten der Evangelisten eine weitere Betonung einzelner Aspekte erkennen.



Der Hinweis auf die Unschuld Jesu in der zweiten Strophe durch Pilatus, der auch zuvor in der ersten Strophe an herausgehobener Stelle ergeht: „Christus der … kein boess hat begangen“ unterstreicht die in der Christologie notwendige Voraussetzung der Unschuld Jesu, durch die er in der Lage ist, die schuldige Menschheit zu erretten.





Weisse formuliert in der fünften Strophe: „klaget sich verlassen“. Er formuliert hier den im Hymnus nur als „heli clamans“ angedeuteten Schrei Jesu „Eli Eli lama asabtani“, Mt und Mk folgend, aus.



In der Theologie Luthers ist der Verlassenheitsschrei ein wesentliches Element: Anders als in der spätmittelalterlichen Theologie, die vor dem Gedanken zurückschreckte, daß Jesus wirklich verlassen gewesen sein könnte und darum betonte, daß es eine rein äußerliche Verlassenheit gewesen sei, stellt Luther heraus, daß Jesus in seiner wirklichen Verlassenheit die Verlassenheit des Sünders in der Todesstunde erlebte. An dieser Stelle kommt für ihn das soteriologische Anliegen zum Tragen, daß Christus eben diese Verlassenheit im Tode stellvertretend für den Sünder auf sich genommen habe.1



Weisse hat hier also mit dieser Ausführung des „heli clamans“ gegenüber dem Hymnus eine theologische Schärfung herbeigeführt.





Der Stich mit dem Speer, der aus der Seitenwunde Jesu Blut und Wasser hervorbrachte, ist von Weisse hinzugesetzt worden. Was Johannes wohl als Erweis dessen, daß Jesus wirklich gestorben war, einfügt, ist in der Tradition bedeutsam geworden: In der röm.-kath. Feier der Eucharistie wurde – diesem Bericht folgend – dem Wein Wasser beigemischt. Was bei Johannes als Beweis der Menschheit Jesu dient, gibt dem Glaubenden Hoffnung auf die im Mahl eröffnete Gemeinschaft mit ihm. Es ist anzunehmen, daß Weisse mit diesem Einschub einen Verweis auf das Abendmahl macht. Indem er nun noch „nur umb unsret willen“ zusetzt, ist implizit das Abendmahl mit seiner Zueignung des in der Passion gewonnenen Gutes an den Kommunikanten angesprochen. Also wird auch hier das „für uns“ als Ausdruck des reformatorischen Grundanliegens herausgestellt.





In der vierten Strophe berichtet Weisse anders als der Hymnus, der dies nicht erwähnt, über die Verspottung des Gekreuzigten aufgrund seiner Hilflosigkeit. Die Spötter verbinden ihre Verachtung mit dem Zweifel an Christi Königtum (Mt, Mk) und dem Verständnis Jesu als Christus (Mk, Lk). „Andern hat er geholfen“ bezieht sich ebenso darauf; im griechischen steht das Verb

σώζω

, das sich auf das messianische Retten bezieht. Mit dem Hinweis auf den Spott wird also durch Weisse auch indirekt auf den Messiasanspruch hingewiesen.





2.3.2.5 Der Rahmen und seine Aussage in der Bearbeitung durch Weisse



Besonders deutlich wird aber Weisses Aussageabsicht im von ihm neu gestalteten Rahmen des Liedes, die erste Zeile „Christus, der uns seligmacht“ mit „kein boess hat begangen“ und die letzte Strophe: „O hilf christe gotes sohn / durch dein bitter leiden / das wir dir stetz unterthan / all untugent meiden / deinen todt und sein ursach / fruchtbarlich bedencken / da fuer wie wol arm unnd schwach / dir dankopffer schenckenn.“





Ein deutender Rahmen findet sich auch in der lateinischen Vorlage. Sie beginnt mit „patris sapientia, veritas divina“ und folgt hierin der ntl Christologie, die Christus als „Gottes Weisheit“ (1Kor 1,24, vgl. v.30) verkündet oder als den, in dem Gottes Weisheit verborgen liegt (Kol 2,3). Die Rede von Christus als veritas divina schließt sich dem joh Verständnis Jesu an, mit der die Tradition gemäß der atl Weisheit aufgrund der Gegenwart der sapientia bei der Schöpfung die Präexistenz Christi verbunden hat. Durch diese Einführung in das Lied ist im folgenden Bericht das Leiden Christi als göttliches Handeln herausgestellt.



Die letzte Zeile der 7. Strophe des Hymnus leitet über in die Form eines Gebetes. Diese Zeile legt dem Singenden nahe, des Todes Jesu beständig und mit innerem Bemühen zu gedenken (jugis sit memoriae mors haec tuae curae).



Darauf folgt in der letzten Strophe die Anrede Jesu, in der der Singende Jesus versichert, seiner Leiden „cum devotione“ und „pia ratione“ zu gedenken, damit er zum „consors“ Christi werde, der durch das eigene Bemühen Anteil an der im Leiden erworbenen „corona“ habe. Dabei stehen die horae canonicae synonym für die Inhalte des Bedenkens. Der feste Rahmen der Stundengebete, d.h. des Bedenkens, aber auch das Verständnis, daß allein schon ihr Vollzug heilsstiftend ist, wird darin hörbar.





Weisse übernimmt diese den Text umschließende, deutende Rahmung, wandelt sie aber nach reformatorischem Verständnis ab:



Er setzt ein mit „Christus, der uns selig macht“ und benennt so die Wirkrichtung des Geschehens am Kreuz: um unserer Seligkeit willen hat Christus gehandelt. Wie im Hymnus wird mit dieser Überschrift dem Lied eine Deutung vorausgeschickt: alles, was berichtet werden wird, ist Teil des Heilshandelns Christi an uns.



Weisse betont aber in seiner vorausgeschickten Deutung nicht Gott den Vater in seinen absoluten Eigenschaften der Weisheit und der Wahrheit, so wie es der Hymnus tut („Patris sapientia, veritas divina“), sondern er betont den Christus „für uns“. Die Verschiebung des Schwerpunktes der scholastischen Theologie in der Gotteslehre bzw. Eigenschaftenlehre hin zum reformatorischen Ansatzpunkt bei Christus findet hier ihren Ausdruck. Sie zeigt sich in der Verschiebung der Gewichtung von den absoluten zu den auf die Welt bezogenen und in Christus offenbarten Eigenschaften.



Das in der ersten Zeile Gesagte wird im Fortgang der ersten Strophe durch den kleinen Zusatz „ward für uns … gefangen“ noch einmal verstärkt, indem er betont, daß alles nun im folgenden berichtete als ein Handeln an „uns“, den Glaubenden zu verstehen ist.



In diese Richtung lenkt Weisse auch die Aussage der letzten Strophe. Der Sänger des Hymnus erhofft sich von seiner Teilhabe an der Arbeit und Mühe Jesu am Kreuz, die er durch sein andächtiges Mitvollziehen der Horen erworben hat, auch die Mitgenossenschaft an der hier erworbenen Krone („ut sicut tu passus es poenas in agone, sic labore consonans consors sim coronae“). Weisse ist in seiner Dichtung nicht mehr auf das Zuwenden der Verdienste Christi zu uns aufgrund der verdienstlichen Meditation seiner Leiden gerichtet, sondern er kleidet diese Strophe in eine Bitte. Der Singende bittet Christus, den Gottessohn, um Zueignung seiner Tugenden, die sich im Leiden erwiesen haben. In der Rede von Tugend bzw. Untugend befindet sich Weisse inhaltlich im Denkzusammenhang des Spätmittelalters, in dem es die Tugend Christi war, die dem die Passion Meditierenden zum Vorbild diente, dem er sich im Nachvollzug der Tugenden durch das Meditieren gleichzugestalten trachtete. Die Worte „das wir dir stetz unterthan“ sind als Gehorsam gegenüber Christus zu verstehen und stellen die nach der Tradition wesentliche Ausformung der Tugend Christi, seinen Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters, heraus. Das aktive Erwerben dieser Tugend schwingt in der Formulierung „hilf, daß wir meiden“ mit, aber hier liegt die Betonung auf der Bitte „Hilf!“, so ist es nun Christus, der das Meiden der Untugend wirkt. Christus ist es, der dem Menschen die conformatio mit ihm verleiht

 



Etwas inhaltlich Neues gegenüber dem Hymnus kommt in der Bitte zum Ausdruck: „Hilf, … daß wir … deinen todt und sein ursach fruchtbarlich bedenken“. Für Weisse ist die rechte Frucht des Bedenkens, daß wir „… dir Dankopfer schenken“



Der Singende weiß in diesem Augenblick, daß er Jesus nichts zu geben vermag. Er möchte es aber gerne – aus Dankbarkeit, d.h. in der Erkenntnis, daß alles geschehen ist, dessen er zu seinem Heil bedarf.



Die Dankbarkeit als Antwort auf Jesu Handeln am Kreuz ist ganz dem reformatorischen Denken gemäß. Daß das Dankopfer das einzige ist, was wir geben können, betont auch Luther: „Ich wil dein armes pfefflin und priesterlin sein und das rechte opffer und Gottes dienst leisten, nemlich, das danck opffer und lobesang; das sol mein priester ampt, mein meygenfest odder lauberhütten sein, das ich nichts wisse zu predigen noch zu rhümen denn dich verworffen stein und gecreutzigten Gott, Da soll mirs bey bleiben, das sol das ende vom liede sein, das hab ich mit diesem Psalm gesucht und gemeinet.“1





2.3.3 Die musikalische Gestalt

2.3.3.1 Die Melodie

Zur Form



Es liegt in dem Lied die Übertragung eines Hymnus aus dem 14. Jh. vor. Die dem Hymnus eigene Form ist klar wiederzufinden: Acht Strophen, bestehend aus vier Teilen, die in jambischen Dimetern gehalten sind und mit einem Endreim gebildet sind1. Die Vierzeiligkeit ist hier ausgeweitet zu einer vierteiligen Struktur von Doppelzeilen, die eng zueinander gehören.





Tonführung



Die Melodie ist geprägt durch ihre erste Zeile: Auf dem höchsten Ton, der auch allein an dieser Stelle vorkommt, setzt sie ein, indem dieser zweifach wiederholt wird und der Melodie Eindringlichkeit verleiht. In diatonischen Schritten mit einer weiteren Tonwiederholung wird die Melodie zur Quart unter dem Einsatzton herabgeführt. Diese erste Zeile prägt das Lied in seiner Gesamtheit und gibt ihm den Charakter eines gleichmäßigen Schreitens, in dem jedem Ton sein eigenes Gewicht gegeben ist. Wie in der ersten Zeile der Ambitus einer Quarte durchschritten wird, durchlaufen auch die anderen Zeilen keine großen Tonskalen, sondern verharren in einem Tonbereich.



Die erste Zeile taucht sequenziert nach unten in Z5 wieder auf. Z5 leitet den zweiten sonst bis auf einen Ton identischen Teil ein, der durch diesen Einsatz im unteren Tonraum einen anderen Charakter bekommt. Es stehen sich so Z1–4 und Z5–8 als zwei Liedteile gegenüber.



Der Beginn auf dem höchsten vorkommenden Ton ist für eine geschlossene Liedform ungewöhnlich, ebenso die Beschränkung des Tonraumes der ersten Zeile auf die obere Quarte des Gesamtambitus. Der Zusammenhang mit dem Text, „Christus, der uns seligmacht“, legt nahe, in dem exaltierten Einsatz und dem Verharren auf dieser Höhe die Symbolisierung des präexistenten, im himmlischen Thronrat zur Erlösung der Menschheit bestimmten Christus zu sehen. In der Symbolik der Musiksprache bilden die Tonräume in ihrer Höhe bzw. Tiefe die Sphären von himmlischer und irdischer Wirklichkeit ab.



Der Blick auf die Tonräume der einzelnen Zeilen innerhalb der beiden Teile zeigt insgesamt eine Bewegung nach unten (Einsatz in Z1 im Bereich der Quarte a’-d’’, Z2: Quintraum f’-c’’, Z3: Sext d’-b’, Z4: b-f’), auch der Verlauf der einzelnen Zeilen stellt zum Ende eine Bewegung nach unten dar. Dies entspricht der Deutung: Das Lied hat die Inkarnation, den Gottessohn im status exinanitionis und sein irdisches Schicksal zum Inhalt.



Der gleichmäßige schreitende Charakter kann darin als Symbol für das δει des gewaltsamen Endes Christi, die Notwendigkeit des Leidens zur Erfüllung des göttlichen Heilsplanes verstanden werden.



Der in der ersten Liedzeile zum Ausdruck gekommene Charakter wird also durch die verschiedenen Parameter musikalischer Liedanalyse unterstützt:





Metrum



Das Metrum ist von gleichmäßigen Vierteln bestimmt, die in Halben pulsieren. Jeweils am Ende einer Doppelzeile führen sie in ein Melisma, das durch eine punktierte Halbe bestimmt wird. Dieses regelmäßige Fortschreiten der Viertel hat eine intensivierende Wirkung, weil sie innerhalb der Zeilen keine Entspannung erfahren, etwa durch eine fließende oder rhythmische Figur, sondern erst in dem Melisma am Ende einer Doppelzeile. Die Gliederung in vier Doppelzeilen ergibt im Lied lange Spannungseinheiten, die durch das Ruhe und Gleichmaß verleihende Metrum bestimmt sind. Das Melisma bekommt dadurch eine herausgehobene Wirkung, wenn nach der Stauung in der punktierten Halben eine leichte Entspannung durch die folgenden beiden Noten bewirkt wird.



Melismen haben ihre Wurzel im liturgischen Gesang der römisch-katholischen Kirche: Sie sind zu kleinen Figuren geschmolzene Reminiszenzen an den Halleluja-Tractus. Der Affekt des Jubilus, die Freude, und seine theologische Verbindung zum auferstandenen Christus, die liturgisch im Halleluja-Gesang zu Wort kommt kommt, ist symbolhaft auch im Melisma vorhanden. In diesen viermaligen Jubilus münden die Doppelzeilen und sind damit ein Hinweis in der Sprache der Musik auf das durch die Passion Jesu geschehene Heil, der über die Beschreibung des Leidens im Wortlaut des Textes hinausgeht. Auch hier ist also, wie schon im oben beschriebenen Einsatz auf dem maximalen Ton und dem Verbleiben im oberen Tonraum, symbolisch der auferweckte, erhöhte Christus dargestellt.





Struktur



Die Struktur der Melodie ist symmetrisch; sie läßt sich in zwei Teile untergliedern, die sich nur durch die jeweils erste Zeile unterscheiden, die dennoch durch die Sequenzierung von Z1 zu Z5 eine Entsprechung haben. Die Zeilen schließen sich zu Doppelzeilen zusammen, was nicht nur durch die Melismen, sondern auch durch die aneinander anschließenden Melodiebögen zum Ausdruck kommt. Die Doppelzeilen untereinander haben eine Strukturanalogie, indem die Notenwerte jeweils der ersten und der zweiten Hälfte in allen Doppelzeilen einander entsprechen: Die Zeilenlänge beträgt immer 4 bzw. 5 Halbe.



Ein Zusammenhang besteht darüberhinaus noch zwischen Z2 und Z4, bzw. Z6 und Z8, also dem jeweils zweiten Teil der Doppelzeilen, indem Z4 ebenfalls eine Sequenzierung von Z2 um eine Quinte tiefer ist.



Die Struktur der Melodie birgt also in sich selbst eine vielfältige Symmetrie, die so den Ausdruck des Gleichmaßes, der durch das Metrum entsteht, unterstützt.





Intervallik



Abgesehen von den Tonwiederholungen am jeweiligen Beginn der beiden Liedhälften ist das dominierende Intervall die Sekunde, die der Tonführung den Charakter des ruhigens Fortschreitens verleiht.



Viermal leiten aufsteigende Terzen zu den melismatischen Enden der Doppelzeile hin: dieser Tonschritt bewirkt jeweils eine Steigerung der Spannung, die sich auf der langen Note weiter verdichtet, bevor sie durch die absteigende Melodielinie am Ende der Zeile eine leichte Entspannung erfährt.





Wort-Ton-Zusammenhang



Eine starke Bezogenheit von Wort und Ton ist zu beobachten. Es entsprechen sich Sinnakzente und musikalische Akzente besonders in der ersten Strophe, oft auch in den anderen.



Die musikalischen Schwerpunkte, d.h. die Melismen an den Enden der Doppelzeilen, tragen die inhaltlich bedeutsamen Verben: „begangen – gefangen – verklaget – (Schrift) saget“



Auch in den weiteren Strophen ist dies z.T. gelungen: geschlagen, tragen, mit Geysseln geschmissen, zerrissen (3), geschlagen, Wehklagen (4), verlassen, erbebet, zerklübet (5), zerbrochen, gestochen (6), Leiden, meiden, bedenken, schenken (8).



Die Verben, die den Verlauf der Passion bestimmen, sind also an die gewichtigen musikalischen Stellen gesetzt. Nicht nur semantisch, auch theologisch vermitteln sie den Kern der Ereignisse und sind Träger der Botschaft.



Darüberhinaus bildet der höchste Ton einer Zeile, das relative Maximum, oft musikalisch den Schwerpunkt, der gleichzeitig dem theologisch zentralen Wort entspricht:

Christus

 auf d’’ (Z1), ward für

uns

 (Z3).



Die innige Verwobenheit von Textinhalt und musikalischer Aussage macht deutlich, daß Weisse die Aufgabe der Melodie als Aussageträger in seinem Dichten miteinbezogen hat. Damit steht er schon in einer Tradition: Auch der lateinische Hymnus, der ihm als Vorlage gedient hat, läßt diese Wort-Ton-Bezogenheit erkennen; auch ist der Hymnus die liturgische Form, die per se schon mit dieser Bezugnahme arbeitet, im Gegensatz zu den anderen Stücken, in denen verschiedene schon existierende Texte auf z.B. einen Psalmton oder einen Rezitationston gesungen werden; in diesen ist der Bezug nicht „miteinkomponiert“.





Das Zusammenwirken von Text und Musik



Der Charakter des Liedes „Chr