Systemisches Coaching

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1.3.5 Ressourcen des »Sei-stark-Antreibers«

»Sei-stark-Menschen« können kurzfristig situativ hohe Leistungen erbringen. Sie haben einen Sinn für kraftvollen Umgang mit Aufgaben und genügend Widerstandskraft und Kampfgeist, Dinge voranzubringen, auch wenn es schwierig ist. In dieser Sparte sind Helden und Heldinnen zu finden. In der »erlösten« Form können sie aber auch loslassen, wenn es nichts mehr zu kämpfen gibt. Sie können freundlich sein mit ihren Gegenübern und kämpfen nur, wenn es erforderlich ist.

1.3.6 Konterdynamik: »Mit mir könnt ihr’s machen!«

»Sei-stark-Menschen« suchen manchmal im Gegenbild eine Lösung. Sei es, dass sie fürchten, Kämpfen oder der Übernahme von Kontrolle nicht gewachsen zu sein und es sicherer finden, ihre Anliegen unvertreten zu lassen oder sich zu unterwerfen. Sei es, dass sie glauben, auf Stärke und Potenz verzichten zu müssen um gefühlvoll oder beziehungsfähig zu erscheinen. »Sei-stark-Frauen« spielen Kätzchen und »Sei-stark-Männer« bieten Softsein als neue Männlichkeit an.

1.4 Antreiber 3: »Ich bin OK, wenn ich anderen gefällig bin!«
1.4.1 Erkennungsmerkmale

Menschen in dieser Dynamik zeigen sich sehr bemüht, das Wohlbefinden anderer sicherzustellen und eine freundliche, niemanden beunruhigende Atmosphäre herzustellen. Allerdings wirkt dies eher als von einer Unsicherheit denn von einer in sich ruhenden Freundlichkeit getrieben. Menschen in der »Sei-gefällig-Dynamik« verwenden oft Redewendungen, die versuchen, die Wünsche und Erwartungen der Gegenüber zu erkunden oder Anpassung daran signalisieren. Nonverbal sind gewohnheitsmäßiges zustimmendes Nicken, gewinnende Gesten und irritierte Blicke, wenn nicht unmittelbar Wirkung erzielt wird, häufig.

1.4.2 Soziale Diagnose

Dieser Antreiber lässt dem Adressaten häufig keinen Spielraum, über Distanz zu entscheiden. Da der »Sei-gefällig-Mensch« Bezogenheit anbietet, aber keine oder fast keine Konturen zeigt, kommt es nicht zu echtem Kontakt. Es bleibt unklar, wo die angebotene Bezogenheit anfängt und wo sie aufhört. In Diskussionen ist es beispielsweise schwer, mit ihnen einen Standpunkt abzugleichen, weil sie unscharf formulieren, Ausflüchte suchen, irgendwie immer alles möglich ist und insgesamt keine eigene Position hindurch zu spüren ist (»Nagel mal einen Pudding an die Wand«).

Gegenüber haben Schwierigkeiten zu orten, wer dieser Mensch ist, der da Bezogenheit anbietet. Da Kontur als mögliche Kontaktfläche fehlt, wird Nähe als unangenehm erlebt. Es können sich auch Phantasien bilden, missbraucht zu werden oder nicht als Person gemeint zu sein (z.B. »Die rückt nicht wirklich damit raus, was sie von mir will«). Meist reagieren Menschen darauf mit Rückzug.

Zur Selbstdiagnose kann die Frage dienen: »Könnte ich »nein« sagen, auch wenn ich »ja« sagen könnte? Wenn »Sei-gefällig-Menschen« beispielsweise gefragt werden, ob Sie Lust haben, in die Kneipe mitzukommen, und nichts im Terminkalender steht, müssen sie »ja« sagen. Oder sie sagen »ja« und merken erst in der Kneipe, dass sie eigentlich hätten »nein« sagen müssen. Auch in beruflichen Rollen zeigt sich die Dynamik oft darin, nicht »nein« sagen zu können.

1.4.3 Emotionale Dynamik, Wirklichkeitslogik und Beziehungsmuster

Das Nicht-OK-Gefühl des »Sei-gefällig-Menschen« hat damit zu tun, in emotionalen Stresssituationen nicht genau zu wissen, wer er ist und was er will. Diese Menschen haben zu wenig Konturen, Selbstvertrauen und (Rollen-)Identität ausgebildet oder halten ihre Konturen für unverträglich mit den Interessen anderer. Eigene Ansprüche und Vorstellungen werden verleugnet oder sind nicht präsent.

Der innere Glaubenssatz bei diesem Antreiber lautet: »Ich kann mich in Beziehungen aufgehoben und wertgeschätzt fühlen, wenn ich mich in andere einfühle.« Die assoziierte Grundannahme lautet: »Ich werde als Individuum nicht geschätzt. Ich habe nur eine Funktion für das Wohlbefinden anderer.« Diese Annahme wird durch eigenes Verhalten und dadurch ausgelöste Reaktionen anderer immer wieder bestärkt. »Sei-gefällig-Menschen« bieten keine Konturen, die das Gegenüber wertschätzen könnte, d.h. die Logik, mit der sie Wertschätzung suchen, hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie bieten Gefälligkeit. Wenn sie dazu noch falsche Vorstellungen davon haben, was anderen wirklich gefällt, oder nicht-persönliche Notwendigkeiten der Situation schlecht begreifen, ernten sie leicht Abneigung, ja sogar Verachtung, was ihre Befürchtung, nicht wertgeschätzt zu werden, bestätigt. »Gefällig-Menschen« glauben häufig, keine Identität oder keine Konturen zu besitzen, die interessant sind für andere.

Häufig besteht wirklich ein Nachholbedarf darin zu lernen, wie man eigene Präferenzen und Konturen entwickelt oder in bestimmten Zusammenhängen aktualisiert. Die Anfälligkeit für diese Antreiber-dynamik kann für bestimmte Kontexte, Rollen oder Situationen spezifisch sein. Beruflicher Rollenwechsel (z.B. vom Meister zur Führungskraft) und die damit einhergehende Verunsicherung können dieses Antreiberverhalten auslösen. Menschen orientieren sich dann an ihren Phantasien, was andere wollen, und lassen eigene Konturen vermissen. So sind sie beispielsweise als Abteilungsleiter gefällig und immer um Harmonie bemüht, anstatt zu führen oder Ansprüche zu formulieren.

1.4.4 Antithesen zum »Sei-gefällig-Antreiber«

Die passende Erlaubnis für »Sei-gefällig-Menschen« lautet: »Du darfst dir selbst und anderen gefallen, du darfst eigene Maßstäbe und Konturen zeigen« und »Du darfst dich zumuten«. »Ich und die anderen sind wichtig« statt »Ich bin wichtig, indem ich rauszufinden versuche, was die anderen wollen«. Oft muss auch die Idee redefiniert werden, wie viel Gefallen notwendig ist, um angenommen zu sein. »Sei-gefällig-Menschen« neigen hier zu übertriebenen Erwartungen. Weitere implizite Erlaubnis liegt in der Aufforderung an diese Menschen, zu zeigen, wer sie sind und Identität in einer bestimmten Rolle zu entwickeln, wenn hier Nachholbedarf besteht.

Hierfür können diese Menschen bestärkt werden, zunächst nach eigenen Ansprüchen und Vorstellungen zu suchen und zu lernen, diese auszudrükken, damit andere ihren Gefallen daran prüfen und spezifisch ausdrücken können. Nachdem »Sei-gefällig-Menschen« ohnehin kaum von ihrer Ausrichtung auf Gefallen abzubringen sind, kann man ihnen klar positiv sagen, was gefallen könnte. Ansprüche können bei ihnen zwar zunächst Irritationen auslösen, weil sie unsicher sind, ob sie diese Wünsche bedienen können. Sie haben dann aber die Sicherheit zu wissen, wie sie gefallen können. Das Bedürfnis, gefällig zu sein, wird genutzt, um ihnen zu helfen, eigene Konturen auszubilden. So kann beispielsweise einer Führungskraft im Coaching Anweisung gegeben werden, wie sie eigene Zielvorstellungen gegenüber Mitarbeitern vertreten und umsetzen kann. Diese Art eines rollenspezifischen Umgangs führt zu einer deutlichen Abschwächung der Antreiber-dynamik innerhalb der Rolle. Zudem sind Streueffekte in andere Lebensbereiche zu erwarten. Konkrete Rollenanweisungen zu geben bedeutet eine effektive und schlanke Strategie im Umgang mit dem »Seigefällig-Antreiber«.

Eine Gefahr der »Sei-gefällig-Dynamik« findet sich im Kippen von einer übermäßigen Rücksicht in eine übermäßige Rücksichtslosigkeit. Diese Menschen halten ihre Interessen oft übermäßig zurück, um diese Zurückhaltung irgendwann als Rabattmarke auszuzahlen. Es besteht die Gefahr, dass dann die Schattenseite des freundlichen Entgegenkommens gelebt wird. Die Lösung für eine Polarisierung von Fremd- und Eigeninter-esse liegt in einer ausgeglichenen Kombination von Selbstbeachtung und Entgegenkommen. Wichtig ist daher, diese Menschen dazu einzuladen, auf sich und auf andere Rücksicht zu nehmen.

Bei der Entwicklung des »Sei-gefällig-Menschen« hin zur Verwirklichung eigener Ansprüche muss unter Umständen auch mit Missfallen der Umwelt gerechnet werden. Diese hat zum Teil die Gefälligkeit als durch -aus bequem erlebt und ist über das plötzliche Auftreten eigener Ansprüche des »Sei-gefällig-Menschen« nicht unbedingt erfreut. Im Coaching ist es daher um so wichtiger, systemseitige Rahmenbedingungen mitzubedenken.

1.4.5 Ressourcen des »Sei-gefällig-Antreibers«

Die Tugend des »Sei-gefällig-Menschen« ist seine soziale Wahrnehmung, die ihm ermöglicht, auf die Bedürfnisse anderer im Prozess einzugehen. Er kann sehr sensibel für Gruppenprozesse, soziale Stimmungen und Reaktionen sein. Diese Fähigkeit erleichtert ihm, sich an andere Menschen und Systeme anzukoppeln. Wichtig ist, dass er die Außenwelt auf seine eigene Welt bezieht, sie dadurch relativiert und als Information nutzen kann, damit sie nicht reflexhaft seine Steuerung beeinflusst.

1.4.6 Konterdynamik: »Besser garstig als ein Niemand!«

Menschen mit der »Sei-gefällig-Dynamik« können sich ins Gegenteil flüchten und trotzig Nichtgefallen provozieren. Mit der gleichen Mentalität und dem gleichen Eifer, aber mit verkehrten Vorzeichen wird Missfallen erweckt. Für das Aufgeben des Versuches zu gefallen, wird der scheinbare Gewinn gesucht, wenigstens Täter und nicht Opfer zu sein und so dem enttäuschten Trotz und rachsüchtiger Verachtung Ausdruck zu geben. All dies kann sehr diskret und unterschwellig mitschwingen.

1.5 Antreiber 4: »Ich bin OK, wenn ich mich anstrenge!«
1.5.1 Erkennungsmerkmale

Wenn es um Herausforderungen geht, spüren diese Menschen einen Leistungsdruck. Es entsteht eine Atmosphäre von Anstrengung mit erheblichen Zweifeln am Gelingen. Lustvolle Leistung und Freude auch am spielend erreichbaren Erfolg scheinen ausgeschlossen oder zumindest als oberflächlich. Kennzeichnende Redewendungen für diesen Antreiber sind etwa: »Ich müsste es versuchen«, »Das ist wirklich sehr schwer«, »Wenn ich mir Mühe gebe« etc. Der Sprecher verspannt z.B. die Muskeln am Hals und im Kehlkopfbereich, so dass die Stimme etwas belegt oder gequält klingt. Das wirkt oft unfrei, so als müsse der Sprecher gegen einen inneren Druck ankämpfen und sich zu jeder Silbe neu zwingen. Sie sprechen gelegentlich in hydraulischen Metaphern von Druck und Gegendruck.

 

1.5.2 Soziale Diagnose

Der »Streng-dich-an-Antreiber« wirkt lähmend. Man hat den Eindruck, gegen einen unsichtbaren Widerstand anzukämpfen. Die vorwiegende Intuition, die bei Mitspielern ausgelöst wird, ist: »Der/die schafft es nicht bzw. kommt nie an.« Schwere und Anstrengung scheinen nicht länger als notwendiges Mittel für Leistung und Erfolg, sondern scheinen geradezu ein Eigenleben und einen eigenen Wert zu entwickeln. Bei Mitspielern entsteht kein Zutrauen in die Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft des »Strengdich-an-Menschen«. Impulse, die Sache zunächst durch Auflockerung oder Ermunterung voranzubringen, bleiben stecken. Mitspieler geraten selbst in Anstrengung, reagieren mit Hilfsangeboten oder Ungeduld, die dann beim »Streng-dich-an-Menschen« zu noch mehr Anstrengung führen. In einer Arbeitsbeziehung erwartet man eher eine Zusatzbelastung als eine Erleichterung.

1.5.3 Emotionale Dynamik, Wirklichkeitslogik und Beziehungsmuster

»Streng-dich-an-Menschen« sind erfolgreich darin, ihren Gegenübern den Glauben zu vermitteln, sie wären nur unter Mühen und mit fraglichem Ergebnis leistungsfähig. Aus einer gewohnheitsmäßigen Sorge »ich schaffe es nicht« heraus, wird die Dynamik organisiert. In Situationen, in denen eine Leistungsbewährung ansteht, taucht der Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit auf. Das drohende Nicht-OK-Gefühl wird mit der Idee: »Ich schaffe es, wenn ich mich sehr anstrenge« verwaltet. Wird das Ziel nicht erreicht, bedeutet das in dieser Logik, dass man sich noch nicht genügend angestrengt hat. Lebensenergie wird damit übersetzt in Anstrengung (»Ich mühe mich, also bin ich«). Auch wenn der Vorgang nicht mit Schwere belastet erscheint, spürt man doch untergründig Zweifel am Erfolg.

Es entsteht auch leicht Besorgnis, Chancen leichtsinnig zu verspielen. Dies soll dann durch Bemühtsein abgewendet werden. Wenigstens kann niemand Vorwürfe erheben, denn man hat sich ja Mühe gegeben. Schaffen es die »Streng-dich-an-Menschen« trotz der Mühe, glauben sie aber, es wegen der Mühe geschafft zu haben. Sie anerkennen dann auch eher die Mühe als die erbrachte Leistung. Ihre Einschränkung tritt besonders bei Aufgaben in den Vordergrund, die einen »leichten Sinn« benötigen. »Streng-dich-an-Menschen« sehen in dieser Haltung Aufgaben gegenüber »Leichtsinn«.

Blickt man in die persönliche Geschichte, sind sehr oft Überforderungssituationen zu identifizieren. Es handelt sich beispielsweise um Kinder, die früh Aufgaben übernehmen mussten, für die sie eigentlich noch zu klein waren, oder um jüngere Geschwister, die Dinge so können wollten wie ihre älteren Geschwister.

Beziehungsanalytisch betrachtet, wählen sich »Streng-dich-an-Menschen« häufig Partner, die ihnen eine Leistung abverlangen. Werden diese dann hingehalten, wenden sie sich nach oben beschriebenen Zwischenstationen genervt ab, gelegentlich mit nachsichtiger oder anklagender Bestätigung der Grundannahme: »Du bringst es nicht!« »Streng-dich-an-Menschen« leben oft den Mythos der Vergeblichkeit. In Anfangsphasen von Projekten können sie sehr aktiv sein, doch wird nach und nach alles zur Mühsal. Sie ackern, solange der Boden noch gefroren ist, kommen aber nicht auf die Idee, reife Früchte zu pflücken.

1.5.4 Antithesen zum »Streng-dich-an-Antreiber«

Die Erlaubnis zu »streng-dich-an« lautet: »Du darfst es gelassen tun und vollenden. Ich habe Vertrauen in deine spontane Leistungsfähigkeit. Dabei darfst du dich auch anstrengen. Es ist aber auch wertvoll, wenn es leicht geht.« Damit wird der Glaube in die eigene Unfähigkeit, ein Ziel zu erreichen, als auch die Idee, Leistung könne nur mit Anstrengung erbracht werden, redefiniert. Die Schwierigkeit besteht darin, an die Leistungsfähigkeit des »Streng-dich-an-Menschen« zu glauben, obwohl er sich so quält. Im Coaching ist es wichtig, die Persönlichkeitsanteile anzusprechen, die das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit rechtfertigen.

Einige hilfreiche Vorgehensweisen im Umgang mit »Streng-dich-an-Menschen«:

• Es müssen Vereinbarungen über realistische Ziele getroffen werden. »Streng-dich-an-Menschen« neigen dazu, Ziele so zu stecken, dass sie nicht erreichbar sind.

• Die Zeit sollte immer mitberücksichtigt werden. »Streng-dich-an-Menschen« laden dazu ein, das eigene Zeitmanagement aus dem Auge zu verlieren.

• Menschen in der »Streng-dich-an-Dynamik« werden um so langsamer, je mehr sie sich dem Ziel nähern. Wie bei Sisyphos rollen sie den Stein immer langsamer, je weiter sie nach oben kommen, und man muss aufpassen, dass sie den Stein nicht wieder loslassen, kurz bevor sie am Ziel angekommen sind. Hier ist es wichtig, Teilziele oder Meilensteine zu definieren: »Angenommen wir erreichen heute nur dieses Teilziel, wie können wir sicherstellen, dass wir uns rechtzeitig vertagen und organisieren, wie es weitergehen soll.«

• Eine interessante Hilfestellung ist auch die Veränderung der Körperhaltung beim Umgang mit Aufgaben. In entspannten Haltungen lassen sich die »Streng-dich-an-Dynamiken« oft nicht in gleicher Weise aktivieren. Dadurch werden Erfahrungen möglich, wie es ohne Anstrengung leicht gehen kann.

• Phantasiereisen eignen sich ebenfalls, die Erfahrung zu machen, mit leichtem Sinn Wesentliches zu erreichen.

1.5.5 Ressourcen des »Streng-dich-an-Antreibers«

Tugenden der »Streng-dich-an-Menschen« sind ihr Durchhalte- und Beharrungsvermögen. Gerade in Zeiten, in denen alles »easy« gehen muss und bei der geringsten Mühe »weitergezappt« wird, können sie mit einer angemessenen Beharrlichkeit für Dinge sorgen. Sie verfolgen Aufgaben mit Beständigkeit und haben den nötigen Sinn für Gründlichkeit und Ausdauer. Sie sind nicht so stark lustgesteuert. Eine nötige Mühsal kann für sie sogar zum stillen Genuss werden. Diese Menschen stehen für die Nachhaltigkeit von Realität dort, wo sie gebraucht wird.

1.5.6 Konterdynamik: »Alles easy!«

Auf der anderen Seite vom Pferd gefallen sind »Streng-dich-an-Menschen«, die betont leichtfertig und nachlässig an Aufgaben herangehen. Sie scheuen selbst angemessene Anstrengung und verfolgen damit ebenfalls ein »Ich schaffe es nicht«-Programm, das aber weniger leicht zu identifizieren ist. Eine andere Spielart der Konterdynamik sind »Von-der-Welt-Entrückte«. Sie machen es als Gegenreaktion zum Kult, Leistung nicht zu erbringen nach dem Motto: »Ist doch alles nicht so wichtig«. Wenn diese Menschen ihre lockere Haltung gegenüber Leistung ablegen, geraten sie mit einiger Wahrscheinlichkeit in die »Streng-dich-an-Dynamik«.

1.6 Antreiber 5 »Ich bin OK, wenn ich mich beeile!«
1.6.1 Erkennungsmerkmale

In der »Beeil-dich-Dynamik« entsteht das Gefühl, dass Zeit und Raum nicht ausreichen, um etwas Wichtiges zu tun oder zu erfahren. Die entstehende Unruhe scheint sich aber zu verselbstständigen, trägt meist nicht zu einem effektiven Umgang mit knapper Zeit bei. Ruhe erscheint als Verrat an der Dringlichkeit, Entspannung wirkt wie Aufgabe von Wesentlichem.

Die dafür typische Sprechweise ist oft abgehackt und geprägt von flachem Reden ohne Punkt und Komma. Eindrücklich ist auch die enorme Geschwindigkeit mit der Worte aneinandergereiht werden. Er/Sie – auch Hektiker genannt – verwendet zudem Begriffe, die Hast und Rasanz ausdrücken wie z.B. »schnell, eben mal, kurz, voran kommen« etc. Ihre Gestik vermittelt Ungeduld.

1.6.2 Soziale Diagnose

Typischerweise ist bei Hektikern der Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung gestört. Es ist, als würde jemand von Anspannung zu Anspannung hüpfen. Dieses Verhalten löst bei anderen Impulse von Anhalten, Bremsen oder Begrenzen aus. Es fällt schwer, mitzuerleben, was die Hektikerin erzählt oder tut. Man kriegt leicht das Gefühl beispielsweise »keinen Platz zu haben«. Die meisten Menschen wenden sich daher irgendwann ab oder sind in der Interaktion ebenfalls nicht wirklich anwesend: »Ich lasse Sie einfach reden …«. Manche treten auch in eine Mit-Hektiker-Dynamik ein. Ihr Gefühl, im Kontakt mit dem Hektiker keinen Platz zu haben und Wichtiges nicht unterbringen zu können, führt dazu, selbst auch hektische Verhaltensmuster zu zeigen. Der Versuch, Ruhe in die Situation zu bringen, wird mit verstärkter Hektik beantwortet, da dies die Angst, etwas zu verpassen, steigert.

1.6.3 Emotionale Dynamik, Wirklichkeitslogik und Beziehungsmuster

Hektikerinnen trauen sich in wichtigen Situationen nicht, ihr Wesen im Kontakt hindurchtönen zu lassen, weil sie glauben, dass dafür keine Zeit ist oder sich niemand dafür interessiert. Bietet sich dann eine Gelegenheit, versuchen sie ganz schnell ganz viel auszudrücken, weil sie davon ausgehen, dass der Adressat sowieso nicht lange zuhören wird. Die natürliche Reaktion des Gegenüber ist, das Interesse zu verlieren. Der »Beeil-dich-Mensch« wird als nicht anwesend erlebt und lädt daher nicht ein, selbst anwesend zu sein.

Grundgefühl der »Beeil-dich-Menschen« ist es, Wesentliches zu verpassen. Sie haben Angst, das Leben zerrinne oder eine Gelegenheit gehe vorbei, bevor etwas ihnen Wichtiges möglich war. Sie versuchen dann im Moment zu packen, was sie kriegen können, so viel zu erzählen wie nur möglich usw. Folglich bleibt keine Zeit, zu atmen oder im Gespräch auf die Reaktionen des Gegenüber zu achten oder gar darauf zu hören, was dieser zu sagen hat.

Wesentliches glauben sie dadurch zu erreichen, dass sie ihm nacheilen. Erfüllt-Sein wird ersetzt durch Schnell-Sein, Viel-Tun, Aufgeregt-Sein. Dort, wo »Anwesenheit« verlangt ist, um Wesentlichkeit zu spüren, führt die Art und Weise, wie sie dem nacheilen aber gerade dazu, dass sie das Wesentliche verpassen. Was ihnen fehlt ist, Wesentliches zu erleben, sich dafür die angemessene Zeit zu nehmen und andere daran teilhaben zu lassen. Je mehr Energie sie verbrauchen, um etwas nachzujagen, desto mehr schneiden sie sich von den Ressourcen, von der Ruhe ab, die eigentlich nötig wären. Das führt wiederum nicht zu einem Innehalten, sondern zu noch mehr Hektik.

Die »Beeil-dich-Dynamik« wird selbst mehr und mehr zu einer Kompensation für fehlenden Sinn und Erfüllung des Daseins. Diese Lebensform ständig erhöhter Aktivierung kann einen Suchtcharakter bekommen, so dass auch Situationen, die eigentlich mit innerer Anwesenheit in Ruhe durchlebt werden könnten, zu Hektiksituationen werden. Ihre Feuerwache ist immer in Alarmbereitschaft, auch wenn es nirgends brennt.

Hektik kann zur agitierten Depression werden, d.h. eine hektische Form, zunehmende innere Entleerung zu verwalten. Das kann bis zu abrupten Zusammenbrüchen führen. Oft wählen sich Hektiker aber kleinere Aus-stiege, werden krank, betrinken sich oder brechen sich ein Bein, damit sie entspannen müssen.