Gib deiner Sehnsucht Raum

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Gib deiner Sehnsucht Raum
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Bernard Huber

Gib deiner
Sehnsucht Raum

Mit dem Herzen glauben


Zu diesem Buch

Mit dem Herzen glauben – wie ist das möglich? Und was bedeutet das überhaupt? Das Herz hat zentrale Bedeutung für unser Leben und ist beteiligt an allem, was wir tun.

Trotzdem wird die Rolle des Herzens für unser Leben und unseren Glauben oft vernachlässigt. Ist es möglich, Einfluss auf unser Herz zu nehmen und es dahin zu steuern, wohin wir wollen?

Bernard Huber ermutigt dazu, der eigenen Sehnsucht Raum zu geben – sich auf die tiefsten Wünsche des eigenen Herzens einzulassen und sie auf Gott auszurichten. Im Zentrum steht dabei das Gebet der Stille. Ermutigende Erfahrungsberichte und kurze Erzählungen machen dieses Buch abwechslungsreich und anschaulich. Eine Fülle von praktischen Hinweisen und Anregungen hilft dabei, sich selbst auf den Weg zu machen – und mit dem Herzen zu glauben.

Über den Autor

Bernard Huber, geboren 1954, wuchs im Elsass auf und lebt heute mit seiner Familie mit seiner Familie in der Ostschweiz, wo er als Pfarrer in der Evangelisch-reformierten Landeskirche tätig ist.

Seit vielen Jahren setzt er sich außerdem mit dem Bartimaeus-Projekt für indische Bettler ein.

Impressum

Dieses Buch als E-Book:

ISBN 978-3-86256-754-6, Bestell-Nummer 590 052E

Dieses Buch in gedruckter Form:

ISBN 978-3-86256-052-3, Bestell-Nummer 590 052

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar

Bibelzitate, sofern nicht anders angegeben, wurden der

Lutherbibel in der revidierten Fassung von 1984 entnommen

© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Lektorat: Lukas Baumann Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson Umschlagbilder: 4Max, Balazs Kovacs Images, ShutterStock.com® Satz: Neufeld Verlag

© 2014 Neufeld Verlag Schwarzenfeld

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung des Verlages

www.neufeld-verlag.de / www.neufeld-verlag.ch

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An alle Bettler Indiens und dieser Welt; an alle Menschen, die nicht wissen, wie sie dem Gott der Liebe begegnen können.

Inhalt

Zu diesem Buch

Über den Autor

Impressum

Einleitung

Die Begegnung Josuas mit dem Fremden

1 Das neue Herz

Auf der Spur des neuen Herzens

Setzen wir beim Herz an!

Herzensbildung als Aufgabe

Bemerkungen zu den Übungen

Die Begegnung Josuas mit dem Religionslehrer

Die Entmachtung der Babylonier

Sich mit Gott versöhnen lassen

Übergabegebete

Die Begegnung Josuas mit dem Gebet der Stille

2 Der Weg zum Zentrum

Auf Gott zentriert

Konkrete Schritte im Gebet der Stille

Im Westen wie in Asien

Beginn mit kleinen Schritten

Auch mit wenig Zeit

Die Begegnung Josuas mit dem Auferstandenen

3 Früchte des Gebets der Stille

Wirkungsvolle Entscheidungen

Reich im Geist werden

Weg von den Parallelwelten

Beobachter statt Opfer

»Bildlose« Begegnungen mit dem Mitmenschen

Auswirkungen auf das gemeinsame Leben

Der Schrei des Herzens

Zusätzliche Hilfsmittel: Gedächtnis, Vernunft, Wille

Die Begegnung Josuas mit Nathan in Florida

Das Nathan-Prinzip

Learning by heart

Beten ohne Unterlass

Die Begegnung Josuas mit dem Vater

4 Das umkämpfte Herz

5 Der Himmel wartet!

6 Gottes Freunde sein

Die Begegnung Josuas mit Nathan im Traum

Wir und Josua

Anhang

Die Praxis des Gebets der Stille

Der innere Werdegang während der Stille

Loslassen von Gedanken – das Wort aussprechen

Entscheidungen und innere Umwandlung

Übertragung auf den Alltag

Weiterführende Literatur

Über den Verlag

Einleitung

Wissen Sie, warum Ihr Herz so wichtig für Ihr Leben ist? Und dass es in allem, was Sie tun, beteiligt ist? Es mag liebend oder gleichgültig, zufrieden oder gekränkt, offen oder verschlossen sein, immer stehen wir unter seinem Einfluss! So nimmt das Verlangen unserer Herzen nach Liebe und Anerkennung eine maßgebliche Stellung im Leben ein, und es wirkt unterschwellig in unseren Worten und Handlungen. Ja, wir sind letzten Endes, was wir mit unserem Herzen geworden sind! Alles spiegelt nur seinen Zustand wider.

Dieses Buch handelt von der Rolle und den Fähigkeiten Ihres Herzens und davon, wie Sie dessen Bedürfnissen gerecht werden können. Es lädt Sie ein, sich in den Garten Ihres Lebens und in Ihr Herz zu begeben, um sich darin aufzuhalten und damit vertraut zu werden.

 

Zusätzlich zu den Texten zum Thema Herz finden Sie im Buch Anregungen zu Übungen sowie Erzählungen, die von einer Person namens Josua handeln. Josua macht eine geistliche Entwicklung durch und begegnet mehrere Male der mysteriösen Gestalt Nathan, die ihm zeitweise wie ein Engel vorkommt. Warum diese fast fiktive Geschichte eines Menschen und seines geistlichen Werdegangs? Nun, die Geschichte Josuas ist nicht fiktiv, denn sie spiegelt viele Begebenheiten und Ereignisse wider, die real stattgefunden haben. Sie zeigt auf, dass wir alle mit Gottes Führungen rechnen dürfen, wenn wir uns von der Sehnsucht nach ihm treiben lassen.

Durch die Berichte von Erlebnissen indischer Christen möchte ich dem Leser zudem einen Einblick in die indische Spiritualität geben, und in die Art, wie Inder mit dem Gebet der Stille umgehen.

Bernard Huber

Die Begegnung Josuas mit dem Fremden

Sommer 1994. Mit seiner Frau Nicole und ihren zwei Kindern verbringt Josua zwei Wochen Ferien in einem gemieteten Haus außerhalb von Siena. Schon seit langem hat er davon geträumt, einmal Urlaub mit seiner Familie in der Toskana zu machen, wo er schon als Jugendlicher öfters mit seinen Eltern gewesen war. Er hatte sich schon damals in die farbigen Sommerlandschaften mit ihren goldgelben Weizenfeldern verliebt, und sie wurden für ihn zum Inbegriff idealer Ferien. Auch gewisse Städte, darunter Siena, wo die Mystikerin Katharina sechs Jahrhunderte früher gelebt hatte, übten schon immer eine Faszination auf ihn aus. Er hat mehrere Bücher über diese Frau gelesen, die ihr Leben schon als Kind Gott weihte. Die Art, wie sie als Frau im Mittelalter ihr kontemplatives Leben mit politischem und karitativem Wirken verknüpfte, fasziniert ihn.

An diesem warmen Nachmittag entschließt sich Josua nun, einmal allein nach Siena zu gehen, um durch die Altstadt zu bummeln, obwohl er es gewohnt ist, während der Ferien alles gemeinsam mit seiner Familie zu unternehmen. Im Geheimen erhofft er sich etwas von diesem Ausflug, ohne genau zu wissen, was. Nicole gönnt ihm diesen, da sie beide doch ständig dabei sind, etwas mit den Kindern zu unternehmen und kaum Zeit für sich selbst finden. »Geh doch, Josh, ich weiß, dass du das brauchst!«, sagt sie liebevoll, bevor er sich in den Wagen setzt und nach Siena fährt.

Dort angekommen, findet er ausnahmsweise sofort einen guten Parkplatz nahe der Altstadt. Mit schnellem Schritt geht er durch die Gassen, bis er das Zentrum erreicht, so, als würde er verspätet zu einer Verabredung eilen. Auf der Piazza del Campo angelangt, nimmt er Platz auf einem Stuhl unter den großen Sonnenschirmen eines Cafés, gegenüber dem Rathaus. Er schaut vergnügt den vorbeiziehenden Touristen zu.

»Endlich kann ich ein wenig zu mir selbst finden!«, denkt er sich. Er setzt gerade die Tasse Kaffee an seine Lippen, als eine sanfte Stimme seine Gedanken unterbricht. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragt ihn ein großer und schlanker Mann mit weißem Haar, gekleidet in einen hellen Anzug. Er steht lächelnd vor ihm. Josua nickt, obwohl er eigentlich keine Lust hat, sich auf ein Gespräch mit einem Unbekannten einzulassen. Aber die Art des Mannes weckt in ihm im Nu Vertrauen, sodass sie schnell in ein Gespräch verwickelt sind. Er überrascht sich selbst dabei, wie er beginnt, über seine Gottessuche zu reden. Hier ein Auszug aus dem Gespräch.

Der Fremde: »Und wenn du Gott näher kämest, womit, meinst du, könnte er dir dienen?«

Josua: »Er könnte mir sicher helfen, ein besserer Mensch zu werden, oder mindestens, mit Problemen besser umgehen zu können. Um ehrlich zu sein: Ich suche nach mehr Erfüllung im Leben und im Glauben, und bin es satt, Zeit mit Dingen zu vergeuden, von denen ich weiß, dass sie mich nicht weiterbringen.«

Der Fremde: »Aus dem, was du sagst, höre ich heraus, dass du sehr mit dir beschäftigt bist.«

Josua: »Ich gebe zu, mich quält eine gewisse Unruhe. Ich werde stets von Dingen abgelenkt und versucht. Ich spüre in mir ein großes Potential an Energie, Möglichkeiten und Begabungen, das brachliegt. Tief in mir merke ich, dass ich noch nicht der Mensch geworden bin, der ich sein möchte. Ich will niemandem und nichts dafür die Schuld geben, vielmehr fühle ich mich selbst dafür verantwortlich.

Der Fremde: »Warum nimmst du dir nicht Zeit, um in dich einzukehren? Viele sehnen sich nach Änderungen, aber halten nicht an, um ihr Leben gründlich zu überdenken. Dabei sind doch jedem Menschen im Leben die Möglichkeiten und genug Zeit gegeben, um sich zu entfalten. Statt dich hin- und her reißen zu lassen von Sorgen und Trieben, gib der Sehnsucht nach Gott in dir Raum.«

Josua wird einen Moment still und nachdenklich. Was ihm der Fremde sagt, klingt zwar neu in seinen Ohren, aber es leuchtet ihm ein. Es ist ihm, als möchte er sich selbst entschuldigen oder gar rechtfertigen, als er fortfährt:

»Ich bin von Natur aus sehr auf das Denken bezogen. Weißt du, es ist mir, als würde ich in einem starken, reißenden Strom schwimmen, der aus Verpflichtungen, Ängsten, Leidenschaften, Sorgen, aber auch aus Musik, Reizen, Bildern und Zerstreuungen besteht. Dies alles absorbiert meine Kräfte und mein Gedankenleben derart, dass ich nicht zur Ruhe komme und am anderen Ufer strande. Es ist mir, als hätte ich kaum Zeit, um zu mir selbst zu finden.«

Der Fremde: »Warum suchst du nicht Gott in der Stille und lässt dir von ihm ein neues Herz geben? Man kann Gott nur in der Stille des Herzens finden. Ich meine: Empfange eine von Grund auf andere Einstellung, denn Gott verspricht, dass er die innere Leere des Menschen mit seiner Gegenwart und Liebe füllen will!«

Josua schaut einen Moment weg. »Im Grunde genommen hat er recht, und er spricht mich genau auf das an, wonach ich mich sehne«, denkt er sich. Die Stimme einer vorbeilaufenden Mutter, die laut mit ihrem Kind redet, lenkt ihn kurz ab. Als er sich wieder seinem Gesprächspartner zuwenden will, ist dieser verschwunden. »Komisch, hat er sich etwa aufgelöst?«, fragt er sich. »Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand so mit mir redet. Und obwohl er mir fremd war, hat er doch mein Problem auf den Punkt gebracht.« Es läuft ihm kalt den Rücken herunter.

1
Das neue Herz

Je mehr ihr euch nach ihm sehnt, umso schneller werdet ihr ihn finden.1

Teresa von Avila

Auf der Spur des neuen Herzens

Persönlich bewegte ich mich lange in einem Kreis, der mir zeitweise endlos zu sein schien. Ich wusste wirklich nicht, wie ich hätte Bewegung in mein inneres Leben bringen können, aber fühlte mich dennoch ständig von einem starken Hunger nach Gott getrieben. Weil ich nicht wusste, was unsere persönliche Entwicklung mit der unseres Herzens zu tun hat, versuchte ich wie viele andere, meinen Hunger auf intellektuelle Art zu befriedigen. Hatte ich irgendwann etwas Wichtiges überhört? Besonders während der Jahre, die ich in meinem Herkunftsland Frankreich verbrachte, schien es mir sowohl auf der Universität als auch in Kirchen, als meinte man, dass der kluge Homo sapiens, für den wir uns hielten, nicht mehr brauche als einen gut geschulten Verstand und etwas Glauben, um sich gut durchzuschlagen. »Cogito ergo sum« (ich denke, also bin ich), das bekannte Sprichwort des Philosophen René Descartes, schien alles Denken zu durchdringen.

Aber war der Mensch nicht mehr als Denken? Man pflegte zwar miteinander einen freundlichen Umgang, aber man war es nicht gewohnt, sich über Dinge des Herzens zu unterhalten, erst recht nicht, wenn es um den Glauben ging. Aber woher kam es, dass ich meinen Glauben als trocken erlebte, obwohl ich mich damit persönlich auseinandersetzte?

Oft dachte ich an ein Kindheitserlebnis zurück, wo ich als katholischer Junge anfing, etwas von der Nähe Gottes zu spüren; damals, als ich beim Abendmahl betete: »Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.« In meiner kindlichen Glaubensweise glaubte ich damals etwas von Christi Gegenwart wahrzunehmen. Schade war nur, dass niemand dies merkte und verstand, mich weiterzuführen.

So machte ich lange die traurige Erfahrung, die Teresa von Avila mit dem Wort ausdrückte: »Man erklärt uns nichts, was wir uns selbst nicht erklären können. Und von dem, was der Herr in einer Seele bewirkt – dem Übernatürlichen, das in ihr geschieht –, wird uns wenig gesagt2

Viele Jahre später, nachdem ich mein Theologiestudium längst hinter mir hatte und als Seelsorger tätig war, stieß ich auf die christliche Mystik, die den Glauben als Herzenssache angeht. Ich atmete auf und vertiefte mich in die Lektüre mystischer Literatur! Indem ich auf die Bedeutung des Loslassens aufmerksam wurde, entdeckte ich, dass es mit der Hilfe Gottes möglich ist, direkt auf das eigene Herz und unser Leben Einfluss zu nehmen. Das gab meinem geistlichen Leben Antrieb. In diesem Buch stoßen Sie darum immer wieder auf Zitate von Mystikerinnen und Mystikern der Vergangenheit, deren Gedanken allgemeine Gültigkeit haben.

In einer späteren Phase meines Lebens kam dann die Begegnung mit dem indischen Christentum und der Armut. Ich merkte, wie gerade Bettler und von Armut betroffene Menschen, die keine Möglichkeit haben, in eine Konsumwelt zu fliehen, viel eher bereit sind, sich auf eine tiefgründige Gottesbeziehung einzulassen. Sie begeben sich schneller in einen Zustand der geistlichen »Armut«, der vieles möglich macht, das sonst nie zustande käme.

Das Beispiel der Armen, die sich auf Gott einlassen, ließ mich nicht mehr los. Es machte mir deutlich, dass Glaube nur gedeihen kann, wenn wir es schaffen, uns von der Liebe zu Konsumgütern zu lösen, die uns ständig vom Wesentlichen abhalten.

Setzen wir beim Herz an!

Gibt es etwas am christlichen Glauben, das Sie besonders anspricht? Der christliche Glaube wirkt da authentisch, wo er in Verbindung mit dem von Gott gegebenen neuen Herz gelebt wird! Wo Menschen nämlich erfahren, dass Gott für die Grundbedürfnisse ihrer Herzen aufkommt, da wirkt der Glaube ansteckend und bringt die ersehnten Veränderungen hervor. Das liegt daran, dass Gott uns die größte Hilfe gewährt, indem er mit seiner Liebe unser Grundverlangen nach Geborgenheit und Heil befriedigt. Er wird darum in der Heiligen Schrift »Liebe« genannt und er bleibt uns in seinem Wesen praktisch unbekannt, solange wir ihn nicht in seiner Liebe wahrnehmen. Treffend ist das Wort von Teresa von Avila: »Wenn man auf diesem Wege gut vorankommen will, kommt es nicht darauf an, viel zu denken, sondern viel zu lieben.«3

Die Entwicklung von Herzenstugenden wie »Liebe, Freude, Friede, Geduld, Treue …«4 zeugt deshalb mehr von echtem Glauben als viele fromme Worte und Floskeln. Freilich darf diese Aussage nicht gegen das mündliche Glaubenszeugnis ausgespielt werden, das als Liebeszeichen Gott gegenüber verstanden wird.

Aber bereits Christen der ersten Generation mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre »erste Liebe« verlassen zu haben, weil sie Mühe hatten, bei ihrer Entscheidung für Gott zu bleiben. Ein typisches Beispiel dafür sind die damaligen Christen der griechischen Hafenstadt Korinth; sie waren zwar reich an charismatischen Begabungen, aber weil die Nächstenliebe in ihren Reihen zu kurz kam, wurde sichtbar, dass sie die Arbeit an ihren eigenen Herzen vernachlässigten.

Wenn es nun schon im ersten Jahrhundert den Menschen schwer fiel, in der Abhängigkeit von der Liebe Gottes zu bleiben, wie sollte dies den heutigen Menschen, die ständig Versuchungen ausgesetzt sind, leicht fallen! Muss das Herz nicht stets zurücktreten zugunsten von tausend Nebensächlichkeiten? Dabei haben seine Bedürfnisse laut dem Apostel Paulus absoluten Vorrang.

Was würde uns nicht alles erspart bleiben, würden wir bei den Bedürfnissen des Herzens ansetzen! Viele Fehlentscheidungen, Enttäuschungen, Scheidungen, Suizide usw. könnten verhindert werden, würden wir es verstehen, unsere Herzen positiv zu beeinflussen!

 

Beim Herz ansetzen heißt, ihm die nötige Aufmerksamkeit, Fürsorge und Pflege zukommen lassen, weil man weiß, welchen Nutzen man davon hat. Tun wir dies, so gleicht es einer Gartenpflanzung, in der das Wort Jesu sich erfüllt: »Bei dem aber auf gutes Land gesät ist, das ist, der das Wort hört und versteht und dann auch Frucht bringt; und der eine trägt hundertfach, der andere sechzigfach, der dritte dreißigfach.«5

Wird diese Pflanzung vernachlässigt und sich selbst überlassen, so verwandelt sie sich schnell mal in einen Urwald, in dem sich allerlei giftige Unkräuter und Schädlinge verbreiten! Die Heilige Schrift nennt diese beim Namen; sie redet von »körperlichen Begierden«.6 Darunter versteht sie Süchte wie Alkoholsucht, sexuelle Sucht usw.; ebenso ist die Rede von »Augenlust«, das heißt, von Habgier, Materialismus und Mediensucht. Auch Hochmut, worunter man Geltungsbedürfnis, Stolz, Egoismus, Eifersucht, Machtstreben usw. versteht, wird immer wieder genannt. Wer sich kennt und beobachtet, weiß, dass auf dem Boden des Herzens Großartiges und das Schlimmste zugleich entstehen und gedeihen können.

Setzen wir also beim Herz an! Für Jesus gilt es als der Ort schlechthin, an dem das Entscheidende geschieht, wenn er sagt: »Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.«7 Es gab deshalb bei ihm keinen Versuch, Menschen durch endlose Diskussionen von der Wahrheit zu überzeugen, als er sah, dass sie gegenüber seiner Liebe verschlossen waren. Für ihn galt, dass die Wahrheit zuerst auf der Ebene des Herzens erfasst werden musste, wenn sie etwas bewirken sollte.