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Der Vaquero

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Sich so niederlassend, daß der Lichtschein sie nicht verräterisch streifte, sahen die beiden Gefährten auf das tolle Treiben nieder. Vergeblich aber sucht Frau Hickup nach demjenigen, den sie auf den ersten Blick als King Bob bezeichnet hätte. Was sie dachte, prägte sich verständlich in ihren verwitterten Zügen aus. Eine gewisse Begeisterung hatte sie angesichts der grell beleuchteten Scene ergriffen und in die glücklichsten Tage ihres bewegten Lebens auf den Außenposten der Zivilisation zurückversetzt.

Bertrand schaute, wenn auch überrascht durch das Fremdartige, doch ernst darein. Welcher Art seine Betrachtungen sein mochten, in den Vordergrund trat immer wieder das Bewußtsein, den jungen Pardelstein in Verhältnissen suchen zu müssen, die so himmelweit verschieden waren von allem, was seiner Gönnerin, als sie ihn zum Träger einer abenteuerlichen Aufgabe erkor, nur vorschweben konnte.

In seinem planlosen Sinnen störte ihn ein ungeahnter Wechsel des vor seinen Blicken sich entwickelnden Bildes. Wie häufig bei solchen Gelegenheiten, brachen auch heute Zwistigkeiten aus. Anfänglich in bösen Hohnreden und Schmähungen sich ergehend, erhitzten die Gemüter sich schnell mehr und mehr, bis endlich die Messer aus den Scheiden flogen und man sich anschickte, den fröhlich begonnenen Abend in einen blutigen umzuwandeln. Zwei der an dem Streit Beteiligten zeichneten sich besonders dadurch aus, daß sie zu ihren Decken griffen, sie um den linken Arm wanden und mit dem geschwungenen Messer auf den geeigneten Zeitpunkt harrten, dessen Schneide dem Gegner durchs Gesicht oder über die Brust zu ziehen.

Die übrigen Anwesenden waren ruhiger geworden. Zurücktretend, gaben sie den Kämpfern freien Raum, abwechselnd durch Spottreden sie reizend, oder sie warnend, die Spitzen der Klingen nicht zum Stoß zu benutzen, während andere wieder das Feuer schürten, daß die Flammen hoch emporloderten.

Doch wie im Kreise der Vaqueros lebhafte Spannung erwacht war, sah auch Mutter Hickup regungslos auf die beiden ergrimmten Gegner nieder. Ihr sonst holzähnliches Gesicht war braunrot angelaufen; Begeisterung leuchtete aus ihren ehrlichen Augen. Sie hatte vergessen, daß jemand neben ihr saß, der sie mit einem eigentümlichen Ausdruck des Erstaunens und Unglaubens betrachtete. Und so entschlüpfte ihr auch hin und wieder unbewußt, je nachdem das Vorspiel des Kampfes sich abspann, eine darauf bezügliche kurze Bemerkung.

»Bei Gingo! gut gegeben und noch besser pariert,« hieß es da gedämpft aus übersprudelndem Herzen. »Diese Finte – bei Gott, würdig eines Korporal Knockhimdown, behaupte ich – nicht zu hitzig – der Satan über die Schlingel – sie packen die Messer zum Stoß –«

Und so geschah es. Bis dahin hatte King Bob in einer grünen Reisiglaube auf dem Rücken gelegen. Den Oberkörper etwas erhöht, die Arme unter den Kopf geschoben und gemächlich eine Zigarette rauchend, beobachtete er gleichmütig die beiden Gegner. Sobald er aber gewahrte, daß der Kampf eine Wendung über die gewöhnlichen, wenigstens nicht lebensgefährlichen Grenzen hinaus nahm, schnellte er auf die Füße empor. In drei, vier sprungartigen Schritten erreichte er die plötzlich von zügelloser Mordgier Befallenen. Ebenso schnell packte er sie im Genick, und sie mit den Köpfen zusammenstoßend, schleuderte er sie unter dem Beifallsgejauchze aller Anwesenden mit einer Gewalt den einen rechts, den anderen links, daß sie sich überschlugen und eine Weile liegen blieben, bevor sie sich herumwälzten und nach ihren Messern suchten.

»Bei Gingo! King Bob selber,« entwand es sich in verhaltenem Triumph gepreßt den Lippen der mannhaften Korporalswitwe im Selbstgespräch. »King Bob, wie er leibt und lebt, und Gentleman vom Kopf bis zu den Zehenspitzen herunter. Ich sagte schon immer, der Schlingel sei nicht für 'nen Stickstrumpf oder für 'ne Tintenflasche geschaffen.«

Die letzten Worte galten Bertrand, der seinen Augen und Ohren kaum trauen zu dürfen glaubte. Dann kehrten beide ihre ungeteilte Aufmerksamkeit den beiden Gegnern wieder zu. Diese standen einander gegenüber, abwechselnd sich gegenseitig und King Bob mit funkelnden Blicken messend, als wären sie in Zweifel gewesen, gegen wen sie zunächst ihren Angriff richten sollten. Zugleich erhoben sich vermittelnde Stimmen, deren einzelne für diesen, andere für jenen sprachen oder ihn als Urheber des vom Zaun gebrochenen Streites bezeichneten.

»Danach frage ich nicht,« schnaubte King Bob sie an, »sie trachteten einer nach des anderen Leben, und das ist gegen unser Gesetz. Seid ihr erst wieder auf dem heimatlichen Rancho, dann schlitzt euch gegenseitig die Bäuche auf, daß die Sonne klar durch euch hindurchscheint; hier aber dulde ich dergleichen nicht. Und was hätten die Dummköpfe davon, läge der eine mit durchstochener Lunge da, und der andere wartete darauf, gehangen zu werden? Baumäste die Fülle hier herum, die stark genug, solche unreife Frucht zu tragen. Und euren ausstehenden Lohn – wer hätte den im Winter auf den Fandangos verjubeln sollen? Danken solltet ihr mir es, daß ich euch vor dem Aergsten bewahrte, anstatt auf mich zu stieren, als möchtet ihr am liebsten beide über mich herfallen. Ist euch daran gelegen, so versucht's doch einmal mit mir, in der Hölle Namen.«

»Wenn freie Männer in Streit geraten, ist's ihr gutes Recht, die Sache auszurichten,« versetzte der eine Kämpfer ingrimmig.

»Ja, solange die Messerschneide entscheidet,« wendete Bob leidenschaftslos ein, »denn solcher Schnitt ist bald ausgeheilt mit Salzwasser und 'nem Talglappen. Aber da kuriere einer, wenn die ganze Klinge zwischen den Rippen verschwindet, und dergleichen dulde ich nicht, das wiederhole ich. Zu eurem König habt ihr mich erwählt, und euer König bleibe ich bis zum letzten Augenblick, oder ihr mögt alle zur Hölle fahren, und ich selber reite meines Weges.«

»Wer erlebte je, daß um solche Kleinigkeiten zwei gesunde Burschen kopfüber gesendet wurden und eine Woche vergeht, bevor sie ihre Glieder wieder ordentlich rühren können,« meinte der andere bereits versöhnlicher unter dem Beifallslachen der Genossen.

»Das klingt schon anders,« versetzte King Bob leichtfertig, »es hätte euch auch ein paar Rippen kosten können, ihr mögt also noch euer Glück preisen. Caramba! Trotzdem will ich euch 'ne Einreibung geben, die kuriert euch in einem Tag und 'nem halben,« und er kehrte in seine Laube zurück. Dort öffnete er einen wohlverschnürten Ballen, und demselben eine Korbflasche entnehmend, trat er wieder ins Freie heraus. »Kommt hierher alle,« rief er über das Feuer hin, »bringt eure Blechtassen zu 'nem Schluck für jeden. Die beiden Rowdies zuerst, um sich das Fell einzubalsamieren. Ihr anderen könnt's halten, wie ihr wollt.«

Kurzes Gewirre folgte. Jeder empfing ein Mäßchen Whisky, das unter tollen Scherzreden hinuntergespült wurde. King Bob warf sich unterhalb des Laubdaches auf sein Lager, und alsbald glimmte die Zigarette zwischen seinen Zähnen. Gleichmütig, als hätte es sich nur um eine Kurzweil gehandelt gehabt, beobachtete er die bestaubten, zottigen Gesellen, deren eine Hälfte ans Werk ging, ihre Schlafstätten herzurichten, während die andere Pferde herbeiholte und sich rüstete, die oben bei der Herde weilenden Wachen abzulösen.

»Das war er selber,« brach Frau Hickup das Schweigen, sobald unten sich die Gemüter zu beruhigen begannen. »Sie sahen ihn, mein junger Mann, ein Bursche, wie er nicht stattlicher und kraftvoller von unserem Herrgott auf die Erde entsendet wurde, um sogar unter den verrückten Mexikanern militärische Ordnung und Disziplin zu verbreiten, behaupte ich.«

Bertrand, noch immer unter dem vollen Eindruck des Erlebten, antwortete nicht. Wohl gestand er sich, daß man lange hätte suchen können, um einen zweiten zu entdecken, der, wie King Bob, alle Eigenschaften eines auch äußerlich bevorzugten jungen Centauren in sich vereinigte; allein sein Bild verzerrte sich ebenso schnell, wie er sich geistig über das Weltmeer in das Heimatland zurückversetzte, liebe, freundliche Gestalten ihn grüßten, ihn gewissermaßen an die ihm zugefallene schwere Aufgabe mahnten.

Als hätte Mutter Hickup an seine Betrachtungen anknüpfen wollen, bemerkte sie unzufrieden: »Und dieser King Bob, von dem auserwählt zu werden der Tochter eines Senators zur Ehre gereichte, dieser querköpfige Taugenichts, wie konnte der nur darauf verfallen, mit einem Squattermädchen anzubändeln, um obenein von deren Vater schnöde abgewiesen zu werden? Bei Gingo! Ein hübsches kerniges Ding ist die Bell allerdings, allein ich mein', der Bob sei doch zu etwas Höherem bestimmt –«

Aus dem Thal tönte der Galopp eines scharf getriebenen Pferdes zu ihnen herauf.

»Es erscheint jemand, uns anzumelden,« erklärte Mutter Hickup gelassen, »da wär's überflüssig, länger hier oben zu verweilen,« und sich erhebend, schritt sie Bertrand voraus auf dem Uferrand einer Stelle zu, wo der niedergespülte Abhang ihnen das Hinuntersteigen ermöglichte.

Auch im Lager waren alle auf das Geräusch aufmerksam geworden. Mit reger Spannung sah man der Ankunft des Reiters entgegen. Die meisten griffen zu den Waffen, um gerüstet zu sein, im Falle von räuberischen Eingeborenen ein Auseinanderjagen der Herde geplant wurde. Nur King Bob, der wieder ins Freie hinausgetreten war, bewahrte seine zuversichtliche Ruhe. Erst als ein schwarzbärtiger bräunlicher Vaquero in den Schein des Feuers sprengte, dort sein anscheinend nur aus Sehnen, Muskeln und Knochen bestehendes Pferd mit heftigem Zügeldruck anhielt, blickte er erregter unter den gerunzelten Brauen hervor.

»Hallo, José!« rief er dem Eintreffenden zu, dessen schlanker Körperbau an den seines Mustangs erinnerte, »ist der Teufel los bei euch da unten, daß du's so eilig hast?«

»Caramba! Der Teufel nicht,« lautete die trotzige Antwort, »aber zwei Fremde, die der Teufel besser schon vor Stunden geholt hätte. Mitten in die Herde fuhren sie mit ihrer Karrete hinein und verursachten eine Stampede, als wäre ein Rudel Wölfe eingebrochen. Die Tiere haben sich jetzt noch nicht ganz beruhigt.«

 

»Waret ihr nicht Mannes genug, sie zur Hölle zu senden?« fragte King Bob gleichmütig. »Brauchtet ihr doch nur ihre Gäule zu wenden und ihnen auf 'ne halbe Legua Weges Peitschen und Lassos mit 'nem gehörigen Nachdruck auf den Rücken zu legen. Traf der eine oder der andere Hieb die Reisenden, war's kein Unglück.«

»Das wäre sicher geschehen, aber da saß ein Frauenzimmer auf dem Wagen und erkundigte sich nach dem King Bob.«

»Ein Frauenzimmer?« fragte dieser bestürzt, denn er gedachte Bells und der ihr erteilten Ratschläge. »Wie sah es aus? Sag's schnell und sinne nicht lange. Ein junges hübsches Ding, vermute ich.«

»In der Dunkelheit mag der Henker ein hübsches Mädchen herauserkennen; aber alt genug war's, um deine Großmutter zu sein, das hörte man aus der Stimme heraus, und unverzagt und großmäulig genug, um's im Finstern nicht von einem handfesten Dragoner zu unterscheiden.«

»Wo blieben sie?«

»Hierher schickten wir sie. Wagen und Gäule behielten wir als Pfand zurück. Brachen sie nicht das Genick in 'ner Regenfurche, hätten sie längst hier sein müssen.«

»Ist sonst alles in Ordnung bei euch?«

»In Ordnung so weit, daß wir uns die Nacht um die Ohren schlagen müssen. Der Schrecken will nicht heraus aus dem verdammten Viehzeug.«

»So reite dahin, wo du nötiger bist, als hier.«

Der Mexikaner warf sein Pferd herum, und bald darauf verhallte dessen Hufschlag in der Ferne.

King Bob sah nachdenklich ins Feuer. Beunruhigte es ihn nicht, so befremdete ihn doch, daß ein weibliches Wesen, um sich mit ihm in Verbindung zu setzen, seinen Weg so weit auf die Prairie heraus gefunden hatte. In seinen Betrachtungen störten ihn die Hirten. Mit den Blicken der Richtung ihrer Bewegung folgend, wurde er zweierlei Gestalten ansichtig, die, am Fuße des schroffen Uferabhanges hinschreitend, zum Teil noch von dem Schatten einzelner höheren Sträucher bedeckt wurden. Sobald sie aber ins Freie traten, wo die volle Beleuchtung des Feuers sie überströmte, war es, als ob er zu Stein erstarrte sei. Namenloses Erstaunen prägte sich in seinem Gesicht aus. Er schien die Wirklichkeit nicht fassen zu können. Erst als Frau Hickup, auf dem Kopf einen zerknitterten grauen Filzhut, auf der Schulter die Büchse, um die Hüften den Ledergurt mit Revolver und Messer, an einem breiten Trageriemen Pulverhorn und Kugeltasche, bis auf einige Schritte vor ihm eingetroffen war, rief er schallend aus:

»Verdammt meine Augen, wenn das der alte Hausdrache nicht selber ist! Bei Gott! das muß ein böser Wind gewesen sein, der dich hierher wehte!«

»Ja, ich selber, Bob, oder King Bob, wie die Leute hier herum dich heißen,« bestätigte Mutter Hickup aufgeräumt. »Ob ein guter Wind mich hierher fegte, oder einer von der schlechtesten Sorte, bei Gingo! wenn ich nur leibhaftig da bin, um dir 'nen schönen Gruß von deinem Vater zu bestellen.«

Und mit einer gewissen Herablassung streckte sie ihm die Hand entgegen.

Siebtes Kapitel

Nach dieser Begrüßung sah King Bob durchdringend in der alten Freundin lachende Augen, bevor er ihre Hand zögernd nahm, dann aber kräftig schüttelte.

»Obwohl du von jemand abgeschickt wurdest, mich hinterlistigerweise nach Hause zu schaffen, soll dein gutes altes Korporalsgesicht mir doch herzlich willkommen sein,« sprach er dabei übermütig; »wähnst du aber, daß es dir glückt, mich auch nur einen Schritt weit von hier fortzu- locken, so überschätzte ich bisher deine Schlauheit. Und erschiene dein seliger Knockhimdown selber mit 'ner vierspännigen Fuhre Subordination und Disziplin, um dir beizustehen, so müßte er unverrichteter Sache in seine himmlische Heimat zurückkehren.«

Triumphierend wendete Mutter Hickup sich mit den Worten an Bertrand: »Wie ich's voraussetzte, bei Gingo! Immer noch der alte Taugenichts: unverschämt, großmäulig und gottesfürchtig –«

»Bis auf die Disziplin,« warf King Bob, seiner wirklichen Gutmütigkeit nachgebend, ergötzt ein.

»Richtig, Junge, und wenn nicht mehr, so verstehst du wenigstens, unter deinen Rowdies der Disziplin ihr Recht zu verschaffen, und das beobachtete ich von da oben herunter. Nebenbei wäre dein ehrenwerter Vater der letzte gewesen, mir noch einen besonderen Auftrag an dich zu erteilen. Aber hier ist der Herr Bertrand, der kam von weit her, um dich ausfindig zu machen, ihm zuliebe versuchte ich's noch einmal mit dem Prairieleben, und bei Gingo! die alten Knochen bewährten sich ja noch so ziemlich.«

Den ruhigen Gruß Bertrands beantwortete King Bob mit einem flüchtigen Neigen des Hauptes. Dann betrachtete er ihn mißtrauisch, als hätte er die ihn beherrschenden Regungen aus seinen Zügen herauslesen wollen.

»Mich suchen Sie?« frage er achselzuckend. »Und von weit her kommen Sie? Vermutlich von der anderen Seite des Ozeans, wo ich geboren sein soll. Ist das wirklich der Fall, und da drüben kümmert sich noch jemand um mich oder wünscht gar meine Bekanntschaft zu machen, so möchte ich Ihnen in aller Freundschaft raten, Ihre Vorschläge für sich zu behalten. Im übrigen soll Ihnen sowohl, wie der Mutter Knockhimdown Gastfreundschaft erwiesen werden, so weit unsere Mittel reichen.«

»Deren bedürften wir nicht,« versetzte Bertrand, durch die formlose Begegnung verletzt, ablehnend, »währen wir im Besitz unseres Fuhrwerks geblieben –«

»Zum Henker, Mann, wer hieß Sie unsere Herden scheuchen?« fiel King Bob ein. »Seien Sie indessen unbesorgt; bevor die nächste Sonne lange über die Prairie schien, ist Ihr Wagen zur Hand mit allem, was drum und dran hängt.«

»Was ich bisher nicht bezweifelte,« erwiderte Bertrand etwas wärmer. »Liegt Ihnen aber nicht daran, aus Ihrer ursprünglichen Heimat zu hören, so kann mich das nicht hindern, der mir erteilten Aufträge mich zu entledigen.«

»Das lass' ich gelten, vorausgesetzt, Sie gehen mit Ihren Neuigkeiten nicht über das Maß einer munteren Plauderei hinaus,« erklärte King Bob nachlässig. Und lauter zu den das Feuer umlagernden Hirten: »Hallo, Boys! Hier sind zwei ehrenwerte Gäste, die verpflegt sein wollen. Wer so weit über die Ebene kam, ist nicht verzärtelt und nimmt vorlieb mit dem, was vorhanden.«

Nachdem er darauf zwei Decken vor dem Feuer ausgebreitet hatte, lud er die beiden Reisenden ein, sich niederzulassen.

Während Mutter Hickup nichts Auffälliges darin fand, daß der überseeischen Heimat King Bobs so ernst gedacht wurde, hatte Bertrand den jungen Hünen fortgesetzt aufmerksam beobachtet. Befremdete ihn kaum, daß er des alten King mit ausgeprägter Teilnahmslosigkeit gedachte, so neigte er andererseits zu dem durch seine Andeutungen begründeten Verdacht hin, daß er dennoch über seine Herkunft unterrichtet sei.

Bevor er diese Betrachtungen weiterspann, hob King Bob zu Mutter Hickup gewendet an: »Wenn jemand seinen Weg, und wäre er mit brennendem Pech und Schwefel gepflastert, überallhin zu finden weiß, so bist du es. Um aber auf den Ebenen jemand auszukundschaften, der mit seinen Herden bald hier, bald dort weilt, bedarf es schon eines verdammt schlauen Pfadfinders.«

»Richtig, Bob,« bestätigte Mutter Hickup arglos, »aber gesunder Menschenverstand ist oft mehr wert, als zwei Dutzend der feinsten Führer. Das sagte schon mein seliger Knockhimdown, als an dich überhaupt noch nicht gedacht wurde. Da war nämlich der Brief, in welchem du von deinem Schatz schriebst. Es gehörte also gerade nicht viel Scharfsinn dazu, um herauszurechnen, daß beim alten Howitt oder seiner Tochter Bell am sichersten Auskunft über dich zu erlangen sei –«

»Dort warst du samt deinem Gefährten?« fuhr King Bob sie grimmig an.

»Natürlich, Bob, und wir fanden in den Howitts recht umgängliche Leute. Wenn aber der alte Daniel, sobald er deinen Namen hörte, sein Gesicht verzog, als hätte er statt eines Schluckes Brandy ein Gläschen Scheidewasser über die Zähne gespült, so war seine Tochter um so mitteilsamer, das heißt hinter dem Rücken des queren Alten. Die beschrieb mir nicht nur umständlich den Weg auf hier, sondern gab mir auch 'nen Kompaß, den du selber für sie mit 'nem Merkmal versehen hattest – hier ist er –«

»Hölle und Verdammnis! Den vertraute sie dir an, trotzdem ich ihr gebot, ihn als ein Heiligtum zu betrachten und nie aus den Händen zu geben?« fuhr King Bob, seiner alten Freundin das unscheinbare Instrument entreißend, heftig auf.

»Immer sanft, mein Jüngelchen,« erwiderte Mutter Hickup kaltblütig, und den Tabaksbeutel hervorziehend, schickte sie sich an, ihre Pfeife zu füllen, »denn mich erschreckst du noch lange nicht. Und mit Wildheit hat mancher in fünf Minuten mehr verdorben, als zehn Sanftmütige in fünf Wochen wieder ausflicken konnten. Außerdem möchte es uns aber schwer geworden sein, ohne viele Umwege zu dir zu gelangen.«

»Sonst nichts?«

»Nur noch die besten Grüße soll ich dir bestellen, das raunte das arme Ding mir heimlich zu, und in seinem Namen beschwören, es baute so fest auf dich, wie auf das heilige Evangelium.«

King Bob seufzte tief auf. »Schon allein um des Grußes willen solltest du eine gute Aufnahme finden,« sprach er eigentümlich weich. »Steckt auch weiter nichts dahinter, so hast du sie wenigstens kennen gelernt, wirst daher in der Ordnung finden, daß ich nicht von ihr lasse, und böten sie mir auf der anderen Seite des Weltmeeres ein Königreich.« Ein funkelnder Blick aus seinen großen Augen traf Bertrand.

»Aber der quere alte Squatter, als ich begütigend auf ihn einredete, verschwor er sich in grausamer Weise, dich lieber gehangen zu sehen, als in dir ein Mitglied seiner Familie zu begrüßen.«

King Bob lachte grimmig auf. »Auch ich verschwor mich,« erwiderter er zähneknirschend, »und da soll sich erst ausweisen, wer von uns einen falschen Eid leistete. Doch davon will ich nichts mehr hören. Erzähle mir lieber, wie es Independence ergeht und deinem alten Kunstschlosser. Besaß er nie viel Zärtlichkeit für mich, so mag ich's verschuldet haben,« und ein Ausdruck unheimlichen Hohnes trat auf seine Züge, »aber nimmermehr werde ich vergessen, daß ich ihn so lange Vater nannte, und er seinen Sohn in gutem Brot erhielt.«

»Independence schickt dir ebenfalls die besten Grüße, und zehnmal hätte sie heiraten können, aber sie will nicht,« nahm Mutter Hickup wieder das Wort, und verstohlen sandte sie dem jungen Hünen einen Blick bitteren Vorwurfs zu. »Was aber deinen Vater anbetrifft, bei Gingo! der sitzt nach wie vor bei seiner Schlosserei, und die Dollars rieseln nur so in seine Tasche, wie die Tropfen aus 'ner lecken Dachrinne bei 'nem mäßigen Regenguß. Kämest du zu ihm als ein reuiger Sohn –«

»Zum Satan mit deiner Weisheit, alter Drache! Bei mir giebt's nichts zu bereuen, und denjenigen gesunden jungen Burschen möcht' ich kennen lernen, der, sofern er eine herzhafte Natur besäße nicht mancherlei auf dem Kerbholz hätte. Und gar heimkehren? Ich, der ich nicht nur als König angeschrieen werde, sondern auch ein Leben führe wie ein König? Hast du also noch irgend welche Vorspiegelungen im Hintergrunde, so erspare alles für jemand, der empfänglicher dafür ist; denn ich für meine Person verweigere alles im voraus, um das du mich angehen könntest.«

Solange er unbeachtet blieb, hatte Bertrand keinen Blick von dem trotzigen Vaquero gewendet. Wohl begriff er, daß der ihm innewohnende Starrsinn unbeugsam, seine Liebe zu Bell Howitt sogar den Regungen eines Jaguars ähnlich, der in blinder Todesverachtung seine Partnerin verteidigt, und doch fühlte er sich verpflichtet, nicht von ihm zu scheiden, ohne wenigstens den Versuch gewagt zu haben, ihn zur Gesittung zurückzuführen und für das vorzubereiten, wozu jene Wolfrade Ecke ihn, von heiligem Willen durchdrungen, auserkoren hatte. Wie und wann er sein peinliches Werk zu beginnen habe, ahnte er nicht, hoffte aber, während seines Aufenthaltes unter den Vaqueros Bobs Vertrauen hinlänglich zu gewinnen, um ihn wenigstens zugänglich für seine Enthüllungen zu machen. Willkommen war ihm daher, daß King Bob dem Gespräch plötzlich eine andere Wendung gab, indem er finster bemerkte:

»Es ist nicht unmöglich, daß Bell Ursache findet, sich zu mir zu flüchten. Wie aber soll sie den Weg, nachdem sie den Kompaß aus den Händen gab, über die pfadlose Prairie finden? Das hätte sie bedenken und dich lieber sechs Monate in der Wildnis umherirren lassen sollen.«

»Womit mir wenig gedient gewesen wäre,« erklärte Frau Hickup, »aber auch dir und dem Daniel Howitt samt seinem Mädchen, behaupte ich. Danken werdet ihr es mir dagegen wie meinem Kameraden Bertrand, daß wir dir eine Botschaft zutrugen, die zu übernehmen das Ding, die Bell, ungeachtet ihres mannhaften Willens, weder Zeit noch Gelegenheit gefunden hätte. Denn da oben hat sich seit deiner Anwesenheit vieles geändert, das soll ich dir ausdrücklich von dem Mädchen bestellen, und das sah nicht aus, wie eine, die sich kein Gewissen daraus macht, ehrliche Leute auf eine Wildgänsejagd zuschicken. Der junge Mann hier ist aber ein lebendiger Zeuge dafür, daß nicht viele Tage vergehen, bevor da oben Nüsse geschüttelt werden, die aus gutem weichen Blei in Formen gegossen, wie mein seliger Knockhimdown es nannte –«

 

»Zum Henker mit deinem seligen Knockhimdown,« unterbrach King Bob ihren Redefluß polternd, »schwebt Unheil in der Luft, so schreie es klar herunter von deinem Gewissen, anstatt Umwege zu beschreiben, wie ein verirrtes Kind im ersten Schnee.«

»Da rede einer, wenn ihm um jede Kleinigkeit unversehens das Garn abgeschnitten wird,« fuhr die Alte unbeirrt, jedoch in einer Anwandlung von Aerger fort. »Auch erlebte ich noch nie, daß ein vernünftiger Mensch seine Erzählung am Ende anfing und sich rückwärts durcharbeitete, behaupte ich. Also Geduld, mein Jüngelchen, und sperr deine Ohren auf, oder wir werden bis morgen früh nicht fertig. – Also: Eine Stunde Weges betrug es noch bis zur Farm des alten Daniel Howitt, und gemächlich trotteten die Mähren auf dem ebenen Prairierande einher. Seitwärts von uns erstreckte sich das Thal des Smoky-Hill-Fork, so daß wir die Augen nur rechts zu nehmen brauchten, um es weit aufwärts und abwärts zu überblicken. Es war um die Mittagszeit, und schon längst hatten wir mehrere schwache Rauchsäulen beobachtet, die unstreitig von Kochfeuern herrührten. Verwunderlich war mir das von Anbeginn; als wir aber gegenüber eintraten, da hatten wir 'ne freie Aussicht auf ein richtiges Feldlager, in dem mindestens anderthalb Dutzend Männer umherlungerten oder sich vor den Feuern zu schaffen machten. Auch ein einzelnes Zelt stand da, und Pferde weideten in der Nachbarschaft. Aber die Männer – bei Gingo! – das war eine Sorte, so viel wir zu unterscheiden vermochten, von denen mein seliger Knockhimdown behauptet hätte, daß sie keinen Schuß Pulver wert seien und daher einige Fouragierleinen für den kleinen Dienst genügt hätten. Ich sprach eben meine Meinung darüber aus, daß die Bande wohl zu den Dienstleuten der Sklavenmänner gehöre, als einer der wüsten Gesellen ein Pferd herbeiholte und sattelte. Bevor der Lump aufstieg, trat ein Mann in breitem Strohhut zu ihm heran. Auch war er gekleidet wie jemand, der vertrauter mit staubigem Straßenpflaster, als mit rechtschaffenem Prairieboden. Nur wenige Worte redeten sie mitsammen. Dann trieb der Reiter sein Pferd an und hielt 'ne Richtung, die ihn zu uns führen mußte. Obwohl ich ihm keinen hinterlistigen Angriff zutraute, machten wir uns doch schußfertig; denn Vorsicht ist besser, als zu spät eine Faust aufs Auge. Wir gaben uns indessen das Ansehen, den Strolch nicht zu bemerken, achteten auch nicht auf seinen Ruf, als er nähertrabte und uns aufforderte, anzuhalten. Endlich traf er neben uns ein, bei Gingo! – ein Kerl, den man nur aufzuspießen brauchte, um ihn in die feinste Vogelscheuche umzuwandeln, die je ein reifes Gerstenfeld gegen das Auspicker der Körner schützte, und dazu ein ganzes Arsenal von Waffen auf seinem ruchlosen Körper.

»Straf mich Gott,« rief er uns mit frechem Lachen zu, »wenn ich nicht eher des Teufels Großmutter unter dem Linnendach vermutet hätte, als 'ne Lady aus den Staaten!«

»Aber eine Lady, die es versteht, einem rohen Gesellen das ungewaschene Maul zu stopfen, sofern er es an dem gebührenden Anstande fehlen läßt,« antwortete ich stolz, und zum Beweise meines kalten Blutes pinselte ich mit der Peitschenschnur die Bremsen vom Rücken der Gäule.«

Der Strolch besann sich eine Weile, lachte abermals häßlich auf und meinte: »Des Henkers will ich sein, wenn Ihre Rede mir nicht besser gefällt, als das Gewinsel des hübschesten Mädchens, das sich beim Anblick eines ehrenwerten Prairiereisenden entsetzt.«

»Des Henkers werden Sie früh genug sein, und dann ist das Winseln an Ihnen,« gab ich zurück.

»Das hindert nicht, ein kleines Handelsgeschäft mit Ihnen abzuwickeln, wenn Sie doch einmal der Vormann sind. Da betrachte ich den Gaul da neben dem Handpferd und mein', es sei zu schade, um wie 'n gemeiner Zugochse vor den Wagen gespannt zu werden. Daher schlage ich aus reiner Barmherzigkeit vor, mir das Vieh zu überlassen. Ich biete Ihnen dafür meinen Vollblutpony. Legen Sie noch fünfzig Dollars drauf, so gelangen Sie in den Besitz des feinsten Renners, der je an hartem Prairiegras seine Zähne stumpf feilte.«

Flüchtig sah ich auf den Schatten von ausgedörrter Mähre, die bereits ihre vier Wochen im Rauchfang gehangen zu haben schien, und erklärte dem schuftigen Wegelagerer mit aufrichtiger Verachtung: »Ein zu feines Geschäft, um viel darüber zu reden. Ich gebe Ihnen aber zu bedenken, daß Sie nur die Hand auf den Zügel des Tieres zu legen brauchen, um zu erleben, daß in der nächsten Sekunde genug Sonnenschein seinen Weg in Ihren sündhaften Rumpf hineinfindet, um ihn als Laterne aufhängen zu können.«

Dazu lachte der Unhold wieder lästerlich, mochte aber begreifen, daß mit einer Korporalswitwe nicht zu spaßen sei. Denn er sandte einen Blick nach dem Lager hinüber, worauf er unter das Verdeck fragte:

»Da weiter keine Ansiedler in der Nachbarschaft hausen, rechne ich, ihr befindet euch auf dem Wege zum Daniel Howitt?«

»Ob Sie's nicht kümmert, sehe ich doch keinen Grund, es nicht zu bekennen: Ja, unser Besuch gilt dem ehrenwerten Howitt,« sagte ich herausfordernd.

»Gut,« erwiderte er, »da können Sie mir wenigstens einen Weg ersparen.« Darauf zog er einen Brief aus der Tasche, und den warf er mir auf den Schoß, wozu er etwas höflicher bemerkte: »Der wurde mir von einem Gentleman übergeben, auf daß ich ihn dem Howitt einhändige, und zwar mit der Bemerkung, es würden zu seiner Zeit Leute kommen und die Antwort abholen. Es soll sehr Wichtiges drinnen stehen. Verlieren Sie ihn also nicht,« und dabei verzerrte das Grinsen eines Alligators sein wüstes Gesicht.

»Den Brief soll er haben,« erklärte ich nunmehr gemächlich, »und da es für Sie hier nichts weiter zu holen giebt, rat' ich Ihnen, so schnell wie möglich dahin zu reiten, wo Sie zu Hause gehören.«

Was jetzt noch folgte, waren Komplimente, die nicht nach Ladies- parlours dufteten, ihn aber bewogen, umzukehren. Ich selbst dagegen trieb unsere Tiere ebenfalls schärfer an und verkürzte uns die Zeit, indem ich mit meinem Kameraden die Angelegenheit nach allen Seiten beleuchtete.«

»Aber der Brief, alter Hausdrache, der Brief, in des Teufels Namen, was hat es mit dem auf sich, daß du so viel Staub um ihn aufwirbelst?« fragte King Bob, der immer wieder mit seiner Ungeduld kämpfte.

»Selbstverständlich händigte ich ihn dem Daniel Howitt ein,« versetzte Frau Hickup, »doch erst nachdem wir mit ihm und seiner ganzen Familie ordentlich bekannt geworden waren. Bevor der ihn aber öffnete, drehte er ihn eine Weile zwischen den Fingern, als war's ein falscher Dollar gewesen. Dann gab er ihn an meinen Freund hier, wobei er mürrisch eingestand:

»Mit dem Lesen von Geschriebenem geht's mir schlecht von Händen, und das beeinträchtigt das Verständnis,« sagte er; »dankenswert wär's daher, wollten Sie mir den Inhalt kundthun. Hab' ich doch keine Geheimnisse, die ich vor den Leuten verborgen halten müßte.«

So ungefähr sagte er, und da Herr Bertrand seinen Wunsch erfüllte, wird er dir am besten wiederholen können, was in dem Wisch drinnen stand.«

King Bob richtete die vor Spannung funkelnden Augen auf Bertrand; doch bevor er fragte, hob dieser an:

»Der Inhalt lautete etwa folgendermaßen: »Lieber Daniel Howitt! Von dem ernsten Willen durchdrungen, in Frieden und Freundschaft mit Ihnen mich auseinanderzusetzen, gebe ich Ihnen zehn Tage Zeit. Bis dahin können Sie meinen Grund und Boden bequem geräumt haben. Eine entsprechende Entschädigungssumme für Gehöft, Einfriedigungen und Aussaat zahle ich gern, nachdem auch Sie durch freundschaftliches Entgegenkommen Ihren guten Willen bewiesen haben. Ein schneller Entschluß ist um so ratsamer, weil ich den so lange von Ihnen widerrechtlich ausgebeuteten Boden bereits an andere vergab, die ungeduldig darauf warten, den Besitz anzutreten. Ich setze voraus, Sie sind ebenso geneigt wie ich selber, Mißhelligkeiten, deren Verlauf nicht absehbar, zu vermeiden. Mit bestem Gruß. Baxter.«