River & Matt

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Planänderung

Bam, bam, bam.

River schreckte hoch und merkte, dass er alleine in einem völlig zerwühlten Bett lag. Er blinzelte, orientierte sich und rief dann mit krächzender Stimme: „Zimmerreinigung?“

„Ja, Sir.“

„Später. Geben Sie mir ein paar Minuten.“

„In Ordnung, dann mach ich erstmal nebenan.“

„Danke.“

Oh Mann!

Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht und horchte in sich hinein.

Kein Kopfweh. Das ist schon mal gut.

Er setzte sich auf und fiel gleich wieder um.

Fuck! Er krümmte sich stöhnend zusammen.

Nach einer Minute versuchte er es erneut und schaffte es nur mit knirschenden Zähnen.

Am Boden lagen vier benutzte Kondome.

Na klasse! Fuck you, Darron! Er stand mühsam auf, fuhr sich über seinen Hintern und merkte, dass der sehr empfindlich war.

Nochmal fuck you! Arschloch!

Seufzend sammelte er die Kondome auf und warf sie ins Klo. Dann spülte er.

Den Blick in den Spiegel ersparte er sich und suchte stattdessen seine Klamotten. Mit einigen Schwierigkeiten zog er sich an, durchsuchte noch einmal das Bett, um sicherzugehen, dass er nichts vergessen hatte, und ging schließlich zur Tür.

Ein kurzer Blick hinaus zeigte ihm, dass die Sonne bereits hoch am Himmel stand, und er kniff die Augen zusammen.

Das Zimmermädchen war nebenan beschäftigt, so entriegelte er seinen Truck, der genau vor seinem Zimmer stand und stieg ein. Sein Statson lag auf dem Beifahrersitz.

Er seufzte, horchte noch einmal in sich hinein, um sicherzugehen, dass er schon wieder fahren konnte, und legte den Rückwärtsgang ein. Dann machte er sich auf den Heimweg.

Trotzdem er Darron schon lange kannte und immer wieder – notgedrungen oder vielleicht besser gesagt notgeil – Sex mit ihm hatte, fühlte er sich schmutzig und benutzt.

Er wollte nur noch heim und lange duschen. Sehr lange.

Vorher würde er noch nicht einmal einen Kaffee oder Tomatensaft herunterbekommen.

Keine zwanzig Minuten später erreichte er sein schönes Haus im Craftsman-Stil in Rancho Cucamonga und parkte seinen Wagen in der Garage neben seinem Streifenwagen. Als er den Motor abgestellt hatte, verzog er beim Gedanken, aussteigen zu müssen, das Gesicht.

Fuck you, Darron! Ihm tat alles weh.

Fluchend quälte er sich aus dem Wagen und ging ins Haus.

Seinen Statson warf er zur Garderobe, verfehlte den Haken und der Hut landete auf dem Boden, doch er war zu k. o., um ihn aufzuheben. Bücken? Fuck!

Während er die Stiefel abstreifte, knöpfte er sein Hemd auf und öffnete fast automatisch die Tür zur Dusche. Nur, da duschte schon jemand!

Als er Matts nackten, durchtrainierten Körper durch die Glasscheibe der begehbaren Dusche sah, erstarrte er. Sein Blick fiel auf dessen knackigen Hintern und sein breites Kreuz. Prompt machte sein Schwanz Anstalten, aufzumucken. Fuck! Hast du sie noch alle?, schalt er seinen kleinen Freund sofort.

Hastig zog er sich zurück und stolperte zu seinem Schlafzimmer. Er hatte völlig vergessen, dass Matt da war.

Und wieso duscht der erst jetzt? Es ist schon Mittag! Hat er letzte Nacht auch jemanden flachgelegt? Oder besser eine?

Er schwitzte, als er sich gegen seine Schlafzimmertür lehnte. Himmel, hatte Matt einen geilen Körper. Er drehte bald durch, wenn sein bester Kumpel noch länger hier wohnte. River hatte gehofft, eine Nacht mit ausreichend Sex würde ihn davon ablenken, aber weit gefehlt, wie ihm sein vermaledeiter Schwanz immer noch mitteilte.

Ächzend öffnete er seine enge Jeans und zog sich aus, ließ alles am Boden liegen und schleppte sich in sein Bad.

Dort ließ er sich eine gefühlte Ewigkeit mit heißem Wasser berieseln. Dann reinigte er sich gründlich und stand danach noch lange unbeweglich da.

Du musst dringend einen Partner fürs Leben finden!, riet ihm das Engelchen. So kann es doch nicht weitergehen. Du sehnst dich nach Liebe, nicht nach hartem Sex.

„Ach, halt die Klappe!“, knurrte er, kam versehentlich ans kalte Wasser und schnappte nach Luft. Fuck!

Im Ernst, überleg doch mal. Wieder das Engelchen. Du sehnst dich nach zärtlichen, intimen Küssen. Deshalb guckst du auch nur solche Videos, wo sowas zu sehen ist.

River knirschte mit den Zähnen. Kein Mensch will ’ne Beziehung mit ’nem Cop. Unregelmäßige Arbeitszeiten, gefährlicher Job. Blabla. Er rollte mit den Augen.

Hör doch mal in dich rein, wie fühlst du dich?

SCHEISSE! Fast hätte River es laut rausgebrüllt.

Dann drehte er das Wasser ab, rubbelte sich trocken und fiel bäuchlings aufs Bett, wobei er die Arme um sein Kissen schlang und das Gesicht darin vergrub.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er so dagelegen hatte, doch als es klopfte, fuhr er herum und schlüpfte hastig unter die Decke.

„Bist du angezogen?“

„Nein.“

„Egal.“

Fuck!

Erst erschien sein Statson, dann ein besorgt dreinblickender Matt. Angezogen. Gott sei Dank!

„Hast du versucht, dich zu ertränken? Du warst über eine Stunde unter der Dusche!“

„Hat nicht funktioniert“, brummte er.

„Du siehst scheiße aus.“

„Danke.“

Matt hob den Statson hoch und zauberte einen Becher Kaffee hervor. „Ich glaub, du brauchst jetzt erstmal sowas. Darf ich reinkommen?“

River setzte sich auf und achtete penibel darauf, dass die Bettdecke alles Kompromittierende verdeckte. „Klar.“ Er räusperte sich. „Mann, du bist meine Rettung. Danke!“

„Du hattest noch keinen?“

Er schüttelte den Kopf und schnupperte. Matt hatte sogar an seine heißgeliebte Prise Zimt gedacht. Er nahm einen Schluck und es war himmlisch, doch bevor er einen weiteren Schluck nehmen konnte, feuerte Matt bereits die nächste Frage ab: „Hast du schon gefrühstückt?“

Wieder schüttelte er den Kopf.

„Kater?“

River überlegte und schüttelte noch einmal den Kopf.

„Willst du allein sein?“

„Nein!“, sagte er hastig und schneller, als es ihm lieb war. Er hob den Becher und trank. „Danke.“

„Weißt du was? Ich mach dir erstmal Frühstück. Toast, Speck und Ei. Danach reden wir weiter, hm?“ Matt ging zur Tür.

„Tomatensaft?“, fragte River kleinlaut.

Matt grinste. „Doch ’nen Kater. Mach ich.“

Speck und Ei, wie lange er wohl dafür braucht?, überlegte River und stand auf. Gott sei Dank hatte Matt die Tür geschlossen. Er ging ins Bad und starrte an sich herab.

„Du Penner!“, knurrte er seinen Schwanz an. Er war wieder hart geworden. Wie ist das überhaupt möglich nach dieser Scheißnacht?

Dieses Mal schloss er die Badezimmertür ab und befriedigte sich dann selbst. Da er laufend lauschte, dauerte es länger, als ihm lieb war. Genuss fühlte sich jedenfalls anders an. Aber jetzt konnte er wenigstens mit Matt frühstücken, ohne dass er dabei ein Rohr bekam. Hoffte er.

Er öffnete die Tür einen Spalt und lugte hinaus, doch das Zimmer war leer. Hastig zog er sich eine Sporthose und ein T-Shirt an, nahm seinen halbleeren Kaffee und ging aus dem Schlafzimmer.

„Wo bist du?“

„Terrasse.“

River seufzte. Viel zu hell nach so einer Nacht, aber was solls. Matt meinte es sicher nur gut. Dennoch musste er lächeln, als er hinaustrat. Matt hatte den überdachten Teil gewählt und ihm bereits einen frischen Kaffee hingestellt. Hastig trank er seinen aus und stellte den Becher in die Küche.

„Eier sind gleich fertig. Setz dich ruhig schon raus. Du siehst so aus, als könntest du ein bisschen Pampern vertragen.“

River war froh, dass er es schaffte, sich zu setzen, ohne dass Matt es sah. Er verzog das Gesicht und wartete, bis der Schmerz wieder verging.

Fuck you, Darron!

Er griff nach seinem Kaffeebecher und stutzte, als dieses Mal ein Zimtherz darauf schwamm. Zufall? Er kniff die Augen zusammen und verdrängte den Gedanken, der sich näherte.

„Kopfschmerzen?“

River zuckte zusammen.

„Nein. Das is’ wirklich lieb von dir. Tausend Dank.“

Matt nickte. „Ich weiß.“ Dann stellte er den Teller und einen Tomatensaft vor ihn auf den Tisch.

„Womit hab ich das verdient?“

„Halt die Klappe und iss.“

Dann setzte sich Matt in die bequeme, große Schaukelbank, nahm die Beine hoch und sah ihm beim Essen zu.

Schließlich lehnte sich River zurück und nahm seinen Kaffeebecher. „Willst du mir was sagen?“, fragte er und deutete aufs Zimtherz.

„Ja, dass du mein Ein und Alles bist“, witzelte Matt und zwinkerte.

River rollte mit den Augen. Mach nur so weiter, dachte er und schalt sich gleich wieder. Nichtsdestotrotz fühlte er sich langsam besser. „Warum zum Teufel bist du gestern da oben aufgetaucht? Ich hoffe, man hat dich in Ruhe gelassen? Irgendwann hab ich dich nicht mehr gesehen.“

„War alles okay. Ich wurde zwar ein paar Mal angequatscht, als ich aber klargemacht hab, dass ich keinen One-Night-Stand suche, hat man das anstandslos akzeptiert. Mit einigen hab ich mich richtig nett und lang unterhalten. Klasse Club. Ich hätt schon längst mal mitgehen sollen.“

River wusste, dass Matt gegen nichts und niemanden etwas hatte, ansonsten wären sie auch nicht schon seit dem Kindergarten engstens befreundet. Er war ihm sogar von Alabama nach Kalifornien gefolgt und hatte hier Amy kennengelernt, mit der er bis vor kurzem auch eine turbulente On-off-Beziehung gehabt hatte. „Es war trotzdem riskant. Wenn Amy das mitkriegt und dir einen Strick draus dreht, dass du in ’nem Gay-Club warst …“

Matt starrte lange auf seine eigene Kaffeetasse. „Is’ eh schon egal“, murmelte er dann.

 

River runzelte die Stirn. Selbst das tat weh, aber er ignorierte es. „Was soll das heißen?“

„Ich war heute um halb neun am Baseballplatz. Joey hat heute ein Spiel gehabt, doch sie hat mich abgepasst, als ich aussteigen wollte.“ Er stockte.

„Und?“

„Sie hat mir gesagt, wenn ich jetzt aussteige und zu ihm gehe, zeigt sie mich an.“

„Bitte? Und wegen was?“

„Sexueller Belästigung.“

River kroch eine Gänsehaut über den Körper. „Was?“

Matt zog sein Handy heraus und suchte nach etwas. „Ich hatte den ganzen Tag hart gearbeitet und Joey hatte lange trainiert. Wir wollten eigentlich einen Film schauen, sind aber auf der Couch eingeschlafen.“

River nahm das Handy und blickte auf ein Foto. Es zeigte Matt und Joey auf der Couch, als sie eng aneinander gekuschelt eingenickt waren. „Süß, echt süß, ihr zwei“, rutschte es ihm raus, dann sah er auf. „Daraus will sie dir einen Strick drehen?“, fragte er ungläubig.

„Sie hat gesagt, ein 13-Jähriger kuschelt nicht ohne Hintergedanken mit seinem Dad.“ Er schnaubte. „Sie hat gesagt, ich müsste ja wohl selber schwul sein, wenn ich laufend mit … mit …“

„… mit mir rumhäng?“, half ihm River spöttisch.

„Ja. Und jetzt wohn ich schon wieder bei dir. Als hätte ich das nicht jedes Mal getan, wenn sie mich rausgeschmissen hat. Sie weiß, dass wir seit Ewigkeiten beste Freunde sind. Dann hat sie noch behauptet, ich hätte Joey bestimmt schon öfter angefasst. Klar. Alle Männer fassen gern kleine Jungs an. Noch nicht gewusst?“ Er schnaubte und River sah Tränen in seinen Augen. „Ich würde sowas nie tun! Lieber würde ich meine Hand abhacken!“

River biss mit aller Macht die Zähne zusammen, stand auf und setzte sich neben Matt auf die sich mittlerweile nicht mehr bewegende Schaukel. Doch Matt starrte wieder auf seinen Kaffeebecher und bemerkte seinen Schmerz Gott sei Dank nicht. Außerdem sorgte das Adrenalin in Rivers Adern dafür, dass er kaum Zeit hatte, Schmerz zu empfinden.

„Und wieso bringst du Idiot mir erst einen Kaffee und machst mir Frühstück, bevor du mir sowas erzählst?“, fauchte er wütend. „Dafür sollte ich dir eine knallen!“

„Ja, mach nur. Dann muss ich mich wenigstens nicht schämen, dass ich gleich heule“, murmelte Matt. „Das mit dem Foto hat sie übrigens zum Anlass genommen, mich rauszuwerfen.“

„Und wieso hast du mir nicht gleich davon erzählt?“

„Ich konnte einfach nicht. Dachte, es geht wieder vorbei. Jetzt eskaliert es.“

„Himmel, das muss dir das Herz brechen!“

Matt nickte.

Und ich geh los und such mir was fürs Bett, knurrte er sich im Geiste selber an. Für ’nen Scheißfick! Ich hätte merken müssen, dass was nicht stimmt!

Matt sah auf. „Du bist der Einzige, mit dem ich über alles, wirklich alles, reden kann. Und ohne einen Kaffee und ein Frühstück bist du nach so einer Nacht, wie wohl die letzte war, überhaupt nicht ansprechbar. Dass du dich fast eine Stunde lang versucht hast zu ertränken, sagt alles und gibt mir recht!“

River verzog das Gesicht. Er kannte ihn wirklich in- und auswendig.

„Wir sitzen jetzt hier und reden. Das bedeutet mir alles.“

„Wieso macht sie sowas? Das würd mich jetzt schon mal interessieren. Du bist der beste Dad, der rumläuft. Du und Joey, ihr seid Zucker, wenn ihr zusammen seid. Das ist doch absoluter Schwachsinn!“

Matt sagte nichts und presste die Lippen aufeinander.

„Geh gerichtlich gegen sie vor. Ich kenn ein paar gute Anwälte. Klag das Sorgerecht ein.“

„Nein! Auf keinen Fall!“

„Wieso?“

„Ich will es nicht noch schlimmer machen.“

„Das ist Blödsinn!“

„Was, wenn sie bei ihren Drohungen bleibt? Wenn sie mich anzeigt?“

„Aufgrund welcher Beweise?“

„Keine Ahnung! Heutzutage kann es mir passieren, dass Joey im Heim landet. Das wäre eine Katastrophe! Nein. Auf keinen Fall.“

River merkte, wie sich nun doch Kopfschmerzen ankündigten. Dann sah er, wie Matts Tasse bedrohlich in seinen Händen zitterte, und nahm sie ihm ab.

„Komm her“, murmelte er und nahm ihn spontan in den Arm, als Matt das Gesicht in den Händen vergrub.

„Nicht, bitte“, hörte er ihn mit erstickter Stimme murmeln.

Er sah dicke Tränen auf Matts Knie tropfen und der Kloß in seinem Hals wurde immer größer.

„Bitte nimm den Arm weg, River. Ich konnte mich bis jetzt zusammenreißen, aber … aber …“, krächzte er.

„Den Teufel werd ich!“ River zog ihn an sich und Matt verlor die Kontrolle. Während herzzerreißende Schluchzer Matt schüttelten, hielt River ihn einfach nur fest. Der Anfall dauerte lange und fast war River ein wenig traurig, als es ihm besser ging. Und schon trat er sich wieder selbst gegen das Schienbein.

Matt fühlte sich gut an, so gut, wie er aussah, mit seinen dunkelblonden Wuschelhaaren, die er so gerne versuchte zu zähmen. Noch nie hatte er ihn so im Arm gehalten und so sehr er mit seinem Freund mitfühlte, so unnachgiebig muckte es in seinem Schritt wieder auf. Er verdrehte im Geiste die Augen. Himmel noch mal!

„Bitte schick mich nicht weg“, kam es tonlos von Matt.

„Was?“

„Ich weiß nicht, wo ich hinsoll. Es ist alles so sinnlos geworden.“

„Du gehst nirgendwo hin. Das Haus ist groß genug für uns und auch für Joey. Wir stehen das gemeinsam durch“, hörte er sich sagen und schluckte. Hatte er Matt nicht vorhin noch vor die Tür setzen wollen, weil er langsam am Rad drehte, wenn er ihn jeden Tag sah? Fuck! Egal.

„Ja genau.“ Matt seufzte. „Vermutlich sterb ich sowieso bald an gebrochenem Herzen.“

„Red keinen Unsinn. Wenn Joey nur halbwegs nach dir kommt, dann wird er sich das nicht gefallen lassen! Er wird rebellieren. Man kann heutzutage keinem 13-Jährigen mehr verbieten, seinen Vater zu sehen. Das weiß deine liebe Amy anscheinend nicht.“

„Sie ist nicht meine liebe Amy.“

„Ich wünschte, du würdest sie endlich in den Wind schießen!“

„Glaubst du im Ernst, ich geh noch einmal zu ihr zurück?“, fauchte Matt.

River sah ihn fragend an. „Wär nicht das erste Mal.“

„Sie hat mir bislang noch nie sexuelle Belästigung vorgeworfen! Sie hat gesagt, sie ruft die Bullen, wenn ich beim Spiel auftauche. Ich bin wieder gefahren. Joey wird zu Tode enttäuscht sein, dass ich nicht da war.“ Wieder hatte er Tränen der Wut in den Augen.

„Schick ihm ’ne Nachricht.“

„Sie hat behauptet, er hätte ein neues Handy und meine Nummer wäre gesperrt. Sie hat mir auch verboten, ihn anzurufen. Sollte ich es tun, droht sie wieder mit den Cops.“

„Ich bin ein Cop, verdammt!“

„Dich wird sie sicher nicht anrufen“, knurrte Matt.

Sie schwiegen eine Weile und River dachte angestrengt nach.

Matt seufzte. „Eigentlich wollte Joey bei mir anfangen, sobald er die Schule beendet hat. Er liebt meinen Job.“

River sah auf und ließ den Blick über seinen unfassbar schön gestalteten Garten mit der überdachten Grillecke im hinteren Teil gleiten. Matt hatte das alles mit seiner Mannschaft – und natürlich auch Joeys Hilfe – geschaffen. „Du bist auch der beste Landschaftsgärtner, den ich kenne. Sieh dir an, was du aus diesem Loch gemacht hast, hier war nur verdorrtes Gras! Es ist einfach phantastisch! Auch der Vorgarten.“

„Und Joey hatte so viel Spaß dabei, mitzuhelfen.“

„Er kann schon richtig gut mit anpacken.“

„Er hat auch immer gut mitgehalten, wenn wir drei wandern oder angeln oder was weiß ich waren.“

River nickte. Er mochte Joey und Joey mochte ihn, auch wenn er ihn immer Onkel River nannte und er sich dann ungefähr doppelt so alt fühlte.

Matt sah auf seine Hand, die immer noch zitterte. „Ich weiß jetzt, was du meinst, wenn du immer sagst: Jeder kann in deinen Augen zum Mörder werden. Kommt nur auf die Umstände an.“

„Und das aus deinem Munde. Dem Kerl, der noch Grashüpfer aus dem Haus rettet“, schnaubte River. „Ja, jeder kann zum Mörder werden. Leider schon alles erlebt. Aber du wirst nicht zum Mörder! Joey braucht dich!“

„Ja genau! Wann? Wenn er 18 ist? Jetzt ist die kritische Zeit. Was, wenn er abrutscht?“

Sie schwiegen wieder eine Weile.

„Hast du eigentlich alles rausbekommen? Ich meine deine persönlichen Sachen?“

„Nein.“

„Willst du, dass ich ein paar Kollegen bitte, dich dorthin zu begleiten? Ich sollte mich da jedenfalls raushalten.“

„Solltest du, ja. Nein, auf keinen Fall. Ich würde sie vermutlich umbringen. Vor den Augen der Polizei wäre das ein glatter Selbstläufer.“

„Verstehe …“

„Es ist alles ersetzbar. Im Moment fühle ich mich so, als wäre alles von dort kontaminiert. Ich hab mir schon gestern einen ganzen Satz neuer Klamotten gekauft.“ Er seufzte. „Kann gut sein, dass sie mich auf Unterhalt verklagt.“

„Sie hat dich nie als Vater angegeben! Das will ich sehen, wie sie das macht.“

„Und ich weiß, dass ich der Vater bin.“

„Ja, weil du einen heimlichen Test hast machen lassen.“

„Genau. Sieht so aus, als müsste ich an mein Erspartes ran. Eigentlich hab ich das meiste für Joeys Ausbildung auf die Seite gelegt. Wenn ich mir jetzt auch noch ’ne Bude suchen muss, bleibt mir wohl nix anderes übrig, als da ranzugehen. Ich kann dir ja nicht ewig auf den Senkel gehen.“

River gab sich einen Ruck und stand auf.

„Wo gehst du hin?“

„Bin gleich wieder da.“

Er ging ins Haus, starrte zur Treppe und biss dann die Zähne zusammen, als er sie erklomm. Selbst Treppensteigen tat weh. Fuck you, Darron!

Oben angekommen öffnete er die Tür und tastete nach dem Lichtschalter.

Der Raum, der sich vor ihm auftat, war groß. Jedenfalls groß genug für Joey und Matt. Und es gab eine Tür. Das Dachgeschoss musste nur ausgebaut werden. Wenn sie ranklotzten und Matt ein paar seiner Männer mobilisieren könnte, dann würden sie in ein paar Wochen daraus ein bewohnbares Obergeschoss mit zumindest zwei Zimmern und einem Bad machen können.

„Matt?“

Doch der hörte ihn nicht. Mist. Also musste er wieder runter.

„Kommst du mal?“

„Is’ was passiert?“ Matt stand mit einem besorgten Blick auf.

„Nein, ich will dir was zeigen.“

Gemeinsam kletterten sie wieder die schmale Treppe nach oben.

Matt sah ihn verständnislos an.

„Das sind ungefähr siebzig Quadratmeter. Nicht viel, okay. Aber überleg mal. Wenn wir alle zusammen helfen und das hier ausbauen. Zwei Zimmer und ein Bad. Wäre das ’ne Alternative zum Ausziehen?“

Matt starrte ihn mit offenem Mund an.

„Platz genug für dich und eventuell auch Joey, sollte alles doch anders kommen.“

„Du meinst das ernst!“

„Rhetorische Frage?“, konterte River. „Wie lange, denkst du, brauchen wir, wenn wir alle anpacken? Ein paar deiner Kollegen, ich kann vielleicht auch zwei oder drei mobilisieren.“

„Keine Ahnung, vielleicht zwei Wochen, aber vergiss nicht, in ein paar Tagen ist Weihnachten.“

River verzog das Gesicht. „Stimmt. Na klasse.“

„Musst du arbeiten?“

„Ja. Gott sei Dank. Du?“

Matt nickte. „Ich werde mir jedenfalls Arbeit suchen und wenn ich deinen Gartenzaun streiche. Dreimal, wenn’s sein muss. Hauptsache, ich muss nicht an Weihnachten denken. Ohne Joey.“ Er fuhr sich durch die Haare.

River ging tiefer in den offenen Raum. „Weißt du noch, wie wir uns früher, als wir so alt waren wie Joey, in solchen Dachstühlen versteckt haben?“

Matt sah auf und lächelte. „Mhmm. Klar. Wir haben noch ganz andere Dinge gemacht.“

„Gespannt?“, half ihm River.

„Mädchenkabine Mittelschule.“

River grinste. „Richtig. Und du warst so nett, auch die Umkleide der Jungs für mich auszuloten.“

„War mir eine Ehre.“ Sie lachten. „Oder als wir die Andersons beim Sex in der Küche gesehen haben.“

„Oh ja, die gingen ganz schön ab und hatten keine Ahnung, dass wir alles gesehen haben. Mein lieber Herr Gesangsverein! Denen haben wir doch auch mal Enteneier in den Hühnerstall geschmuggelt?“

Matt nickte. „Und die haben nie verstanden, wie das gehen kann. War lustig. Wir waren ganz schön umtriebig.“

„Und wenn Joey auch nur einen Funken von dir hat, wird ihm was einfallen. Du wirst sehen. Er lässt dich nicht fallen. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer.“

„Hoffentlich hast du recht.“

„Hol mal Papier und Bleistift und wir sehen mal, was wir hier alles brauchen. Ja?“

Matt nickte und lief nach unten.

 

River war froh, dass er nicht noch einmal die vermaledeiten Stufen gehen musste, da seine Eingeweide immer noch rebellierten. Erneut verfluchte er Darron und die letzte Nacht.

„Die Treppe sollten wir auch verbreitern“, sagte Matt, als er wiederkam, und maß sie aus.

„Kannst du das selber machen?“

„Klar. Kein Problem.“

„Cool.“

River war froh, dass der Plan, das Dachgeschoss umzubauen, sie beide derart ablenkte, dass sie für lange Zeit nur noch am Diskutieren und Planen waren. Die Zeit verflog nur so und irgendwann knurrte Matts Magen.

„Wollen wir was essen?“, fragte River. „Mir hängt der Magen auch in den Kniekehlen.“

Matt kratzte sich am Kopf. „Keine Ahnung, ob ich was runterbekomme.“

„Dein Bauch hat grad ja gesagt. Komm, wir fahren rüber zu Subways, hm?“

Und so machten sie es.

Danach fuhren sie noch kurz bei Matts Firma vorbei, um abzuklären, was sie alles nicht kaufen mussten. Er hatte eine Menge Baustoffe auf Lager und sie konnten sich einen guten Überblick verschaffen.

Auf dem Heimweg stoppten sie noch an einem 7/11 und deckten sich mit Bier ein. Als sie wieder in Matts Wagen steigen wollten, hörten sie eine junge, angespannte Stimme „Dad!“ rufen.

Matt wirbelte herum.

River sah Amy und Joey auf dem Parkplatz gegenüber.

„Steig verdammt noch mal ein!“, herrschte Amy ihren Sohn an.

„Ich will zu Dad!“

„Steig ein oder es setzt was!“, schrie sie.

River sah, wie Matt die Fäuste ballte.

„Ich liebe dich, Dad!“, rief Joey noch mit belegter Stimme, bevor ihn seine Mutter fast gewaltsam ins Auto schubste, die Tür zuknallte und dann mit quietschenden Reifen davonraste.

River schluckte. „Wieso hast du das nicht erwidert?“, fragte er verwirrt.

„Damit sie mir ’nen Strick draus dreht, wenn ich ihm zurufe, dass ich ihn auch liebe?“, fauchte Matt.

River musste zugeben, dass da angesichts der Drohungen was dran war. „Fuck“, murmelte er, nahm ihm den Schlüssel aus der Hand und sagte: „Ich fahr. Steig ein.“

Matt tat es fluchend und starrte wie versteinert aus dem Fenster.

„Siehst du! Er nimmt es dir nicht krumm, dass du nicht beim Spiel warst“, sagte River sanft, als er an einer Ampel hielt.

Matt schnaubte. „Wenigstens etwas.“

Sie fuhren schweigend weiter, bis River Matts Wagen in der Einfahrt parkte, dann sah er seinen Freund an. „Ich hab dich gar nicht gefragt: Wäre es dir lieber, wenn sich unsere Wege ’ne Weile trennen würden, bis sich die Wogen geglättet haben?“

Matt starrte lange auf seine Finger. „Dann hätte sie gewonnen. Nein. Du bist mein einziger Halt. Mein bester Freund. Du kennst mich als einziger Mensch auf der Welt in- und auswendig.“

„Wie du mich.“

Matt nickte. „Ich darf bleiben?“

River schnaubte. „Was für eine Frage. Haben wir grade ’ne Tonne Baumaterial aufgeladen?“ Er deutete auf die Ladefläche.

„Sorry, war ’ne Scheißfrage.“

„Verziehen.“

Immer noch saßen sie im Wagen.

„Gehst du wieder aus?“, fragte Matt und es klang fast ein wenig ängstlich.

„Nein. Mir reicht’s noch von gestern“, erwiderte River und es war sogar die Wahrheit.

„Bereit abzuladen?“, fragte Matt und hörte sich schon besser an.

„Klar.“