Erzählen-AG: 366 Geschichten

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Zwölfter Januar

Ein neues Jahr hat begonnen. Elf Tage und ein paar Stunden ist es nun alt. Ich wollte mehr Sport treiben. Jede Woche. Doch es funktionierte nicht.

Die Idee war nicht schlecht. Ich hatte mir vorgenommen, einmal in der Woche Sport zu treiben. Ich wusste noch nicht genau was. Ich wollte einmal in der Woche laufen gehen. Das war eine Möglichkeit. Wenn ich nicht zum Laufen kam, wollte ich mit dem Rad zum Bahnhof fahren. Es gelang mir nicht.

Es war eine dumme Idee. Vielleicht auch nur naiv. Im Sommer konnte ich Fahrrad fahren. Da war das Wetter relativ schön. Es war oft sonnig und es war warm. Jetzt im Winter war es kalt. Es gab viele Leute, die mit dem Rad fuhren. Ihnen schien die Kälte nicht viel auszumachen. Gut, die Radfahrer, die ich sah, trugen eine Mütze. Die Mütze hielt den Kopf warm. Die Radfahrer trugen auch Handschuhe. Besonders die Hände mussten geschützt werden. Das sah ich ein. Das merkte ich. Meine Hände wurden schnell kalt. Schneller als alles andere. Ab und zu fuhr ich ja mit dem Rad. Im letzten Herbst. Es war kalt. An den Händen spürte ich es zuerst.

Die Radfahrer, die ich im Winter sah, trugen natürlich auch eine dicke Winterjacke. Ob die Radfahrer unter der Jacke nur ein Shirt trugen oder noch einen Pullover, das weiß ich nicht. Wenn es bitterkalt war, konnte ein Pullover gut sein. Bei leichten Minustemperaturen brauchte ich selten einen Pullover, wenn ich im letzten Jahr unterwegs war. Anfangs war mir zwar kalt. Doch nach wenigen Minuten wurde es warm. Zu warm für mich. Ich begann zu schwitzen. So trug ich beim nächsten Mal keinen Pullover mehr.

Die Kälte hinderte mich nicht daran, mit dem Rad in diesem Jahr zu fahren. Der Niederschlag war eher das Problem. Durch den Schnee Fahrrad zu fahren, war auf den ersten Blick nicht so schlimm. Wenn es nur eine leichte Schneedecke war, konnte ich ganz gut mit dem Rad fahren. Je höher der Schnee lag, desto schwieriger wurde es. Irgendwann war es besser, mit dem Bus zu fahren. Vor allem dann, wenn ich etwas später zur Arbeit musste. Im Schnee gab es viele Spuren. Das Rad schlitterte hin und her. Her und hin. Es machte keinen Spaß. Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Bus.

Erst als der Schnee nicht mehr fiel, wollte ich es noch einmal versuchen. Doch weiterer Niederschlag kam mir in die Quere. Es war kein Schnee. Es war Regen. Der Regen traf auf gefrorenem Boden. Es wurde glatt. Teilweise auch spiegelglatt. Wenn ich dies schon zu Fuß merkte, brauchte ich nicht mit dem Rad fahren.

Blieb mir also nur noch das Laufen. In der Woche hatte ich dazu keine Zeit. Ich musste früh los. Ich kam spät wieder nach Hause. Das Abendessen musste ich auch vorbereiten. So kam ich nicht zum Laufen. Weder morgens noch abends. Blieb nur noch das Wochenende. Doch da hatte ich auch kaum Zeit. Ich musste samstags einkaufen. Da ich kein Auto besaß, lief ich immer zweimal. Brachte das Eingekaufte nach Hause und fuhr wieder zum Einkaufszentrum. Frühstück, Mittagessen und Abendbrot mussten auch vorbereitet werden. Teilweise auch für die nächste Woche. Sonntags war Badezeit. Ausruhen wollte ich mich auch noch.

Ich hatte keine Zeit zum Laufen, weder in der Woche noch am Wochenende. Wirkliche Lust hatte ich auch nicht. Wenn es warm ist, werde ich öfter mit dem Rad fahren. Das nehme ich mir jetzt vor. Ob es dazu kommen wird? Ich weiß es nicht. Mehr als es mir vornehmen, kann ich nicht, oder?

Dreizehnter Januar

Upps, ich hab es schon wieder getan. Ich es einfach nicht lassen kann. Aber was kann ich denn dafür? Warum müssen die Freunde meiner Freundinnen immer so gut aussehen? Dafür kann ich doch nichts! Ehrlich nicht. Wenn ihre Männer immer so toll aussehen. So stark sind. Da muss ich mich doch verlieben! Ich bin doch nur eine Frau. Ich bin doch das schwache Geschlecht. Da kann ich doch mal richtig schwach werden, oder?

Wenn die Männer meiner Freundinnen so gut aussehen, wenn ich mich in sie verliebe, darf ich sie dann nicht anhimmeln und küssen? Na ja, meine Freundinnen finden es nicht so toll. Wenn ich mich in deren Freunde verliebe, wäre das noch halbwegs in Ordnung. Das ist ja noch nicht das Problem. Zu mindestens kein großes. Wenn ich mich aber an sie ranmache schon.

Meinen Freundinnen gefällt es nicht, dass ich deren Männern schöne Augen mache. Irgendwann wird jeder Mann schwach. Die einen früher, die Anderen später. Irgendwann erliegt jeder Mann mir. Zu mindestens wenn ich es will. Ich interessiere mich ja nicht für jeden. Nur für die festen Freunde meiner Freundinnen. Zu mindestens in der Regel.

Seit Kindestagen habe ich meinen Freundinnen den Freund ausgespannt. Das fing schon in der Grundschule an. Es musste in der zweiten oder dritten Klasse sein. Pinar war meine erste beste Freundin. Sie verliebte sich in einen Jungen, der in der Nähe von ihrem Haus wohnte. Ich kannte den Jungen nicht. Pinar schaffte es irgendwie, dass dieser Junge ihr fester Freund wurde. Als Pinar mich ihm vorstellte, war es um mich geschehen. Ich hatte Interesse an den Jungen. Ich machte keinen Hehl daraus. Pinar bat mich, ich solle nicht eifersüchtig sein. Sie wäre glücklich mit dem Jungen und beste Freundinnen können wir doch bleiben. Sie dachte nicht, das ich ihr den Freund ausspanne.

Doch das tat ich. Ich spannte ihr den Jungen aus. Es dauerte nur einige Wochen, dann war Pinars Freund meiner. Damit endete dann auch unsere Freundschaft. Sie hielt nur knappe zwei oder drei Jahre. Meine Beziehung hielt nicht so lange. Ich und der Junge blieben ein Jahr zusammen. Dann trennten wir uns. Warum?

Es lag nicht an ihm. Ich trennte mich von ihm, weil ich einen Neuen hatte. Oder fast hatte. Als Pinar mir die Freundschaft kündigte, wurde jemand anders meine beste Freundin. Zu mindestens für ein Jahr.

Am Anfang war meine neue beste Freundin noch allein. Sie hatte keinen Freund. Auf einer Reise an die Ostsee lernte sie einen schwarzhäutigen Jungen kennen. Sie verliebte sich in ihn. Als meine neue Freundin mir das erzählte, war ich fassungslos. Wie konnte ein schwarzer Junge schön sein? Ich konnte mir es nicht vorstellen, mit so einem Jungen befreundet zu sein. Meine neue beste Freundin hatte nichts dagegen. Die Beiden wurden ein Paar, doch das blieb nicht lange.

meine Freundin erzählte mir anfangs nur von ihm. Ein Bild von ihm hatte sie damals noch nicht. Brauchte sie auch nicht. Sie wusste, dass er bald umziehen würde. Bald sollte ich ihn kennenlernen.

Er kam einige Woche später an unsere Schule. Für einige wenige Wochen war er der Freund von meiner neuen, besten Freundin. Doch dies änderte sich. Als ich ihn kennenlernte, erkannte ich, dass auch schwarze Jungs nett waren. Schön waren. Ich verliebte mich in ihn und machte wieder keinen Hehl daraus. Ich spannte auch ihn meiner besten Freundin aus. Natürlich nachdem ich mit meinem Freund Schluss gemacht hatte.

Dies geschah öfters. Ich spannte meinen Freundinnen immer wieder den Freund aus. Die sahen einfach immer so gut aus. Erst heute habe ich es wieder getan. Wieder habe ich einer meiner Freundinnen den Freund ausgespannt. Natürlich nicht ohne Konsequenzen. Wieder einmal wurde mir eine Freundschaft gekündigt. Es war nicht das erste Mal und wird sicher nicht das letzte Mal sein. Da bin ich mir sicher. Sicherer als sicher.

Vierzehnter Januar

Ich muss jeden Tag zur Arbeit. Da bin ich nicht der Einzige. Viele Menschen müssen zur Arbeit. Die meisten Menschen arbeiten von montags bis freitags. Einige Menschen arbeiten auch am Samstag. Nur ein kleiner Teil der Menschen muss auch am Sonntag oder an einem Feiertag ran.

Ich habe Glück. Ich muss nur montags bis freitags arbeiten. Acht Stunden am Tag. Ich muss also nur vierzig Stunden in der Woche arbeiten. Jemand, der am Samstag, Sonntag oder Feiertag arbeitet, hat öfters eine längere Arbeitswoche.

Beispielsweise sind Lokführer und Busfahrer nicht nur montags bis freitags auf der Arbeit, sondern auch am Wochenende und am Feiertag. Das ist auch gut so. Würden die Busfahrer nicht auch am Wochenende arbeiten, nur wenige würden von A nach B kommen. Viele haben kein Auto. Viele haben keinen Führerschein. Mehrere Kilometer zu Fuß zurückzulegen, ist nicht immer toll. Vor allem dann nicht, wenn es regnet oder schneit.

Zum Glück gibt es Lokführer. Ohne sie würde ich nicht zur Arbeit kommen. Nur dank ihnen schaffe ich es rechtzeitig zur Arbeit. Klar, ich könnte mit dem Auto fahren. Das ist aber nicht so entspannend wie mit der Bahn. Klar, die Bahn kommt öfters zu spät. Doch manchmal hat es auch etwas Gutes.

Als ich vor einer Woche mit der Bahn nach Hause fahren wollte, musste ich selbstverständlich am Bahnhof warten. Ich bin immer einige Minuten früher dort. Just in Time funktioniert noch nicht so. Die Bahn hatte auch prompt Verspätung. Doch im Winter ist das schon fast normal. Durch Schnee und Eis hatte meine Bahn öfters mal ein bis zwei Minuten Verspätung. Doch an diesem Tag war es mehr. Meine Bahn sollte knapp fünfzehn Minuten später einfahren. Doch das war gut so. Während ich auf die Bahn wartete, liefen vor und hinter mir einige Menschen. Kein Wunder: Kam doch gerade eine Bahn an, die den Bahnhof gleich wieder verlassen sollte. Ich beachtete die Menschen kaum. Erst als ich eine Engelsstimme vernahm, sah ich mich um.

Irgendjemand sang. Gut, es klang für mich und meinem Herzen so, als ob jemand singen würde. Tatsächlich redete nur eine Dame. Meine Blicke wanderten von rechts nach links. Ich drehte mich mehrere Male um. Wer sprach dort? Als ich die Dame sah, war es auch schon zu spät.

Ich konnte die Dame nur wenige Sekunden sehen. Doch es reichte meinem Herzen, sich in die Dame komplett zu verlieben. Ihre Stimme hatte es mir schon angetan. Ihr Äußeres gab meinem Herzen den Rest. Blöd nur, dass diese Dame in die Bahn einstieg, die jetzt gerade losfuhr. Sollte ich sie jemals wiedersehen?

 

Ich versuchte es. Eigentlich fuhr die erwähnte Bahn immer nach meiner. Sofern meine Bahn pünktlich war. In den nächsten Tagen war meine Bahn pünktlich. Trotzdem verpasste ich sie. Absichtlich. Ich wollte die Dame noch einmal sehen. Sie ansprechen. So war ich immer wie üblich am Bahnhof. Ich nahm aber erst den nächsten Zug.

Mehrere Tage lang hatte ich kein Glück. Die Dame tauchte nicht auf. Oder besser gesagt, ich sah und hörte sie nicht. Bei den Menschen, die am Bahnhof waren, war es auch gar nicht so leicht, diese Dame wiederzusehen. Ich wollte schon aufgeben, da sah ich sie.

Am siebenten Tag, an dem ich mit Absicht meine pünktliche Bahn verpasste, sah ich diese wundervolle Frau mit der engelsgleichen Stimme wieder. Ich ergriff meine Chance. Ich stieg in ihre Bahn ein. Ich sprach sie an. Ich fragte sie, ob ich sie etwas fragen könne. Sie sagte ja. Ich stellte die Frage und was antwortete sie?

Sie antwortete mit Ja. Wir trafen uns am folgenden Wochenende im Kino. Seit diesem Tag sahen wir uns jeden Tag. Wir wurden ein Paar. Ein Paar, dass auch noch nach dreizehn Jahren glücklich und verliebt ist. Und wenn nichts dazwischen kommen sollte, so werden wir auch noch zweisam sein, wenn wir alt und grau sind, bis dass der Tod uns scheidet.

Fünfzehnter Januar

Es war vor vielen Jahren. Auf dem Kalender stand Januar und ich war mit meinem kleinen Bruder draußen. Draußen hatte es geschneit. Es lag viel Schnee. So weit das Auge blicken konnte, war die Welt um uns weiß.

Im Winter bauten mein Bruder und ich jedes Jahr eine Schneemannfamilie. Meist konnten wir mehrere Schneemannfamilien bauen. Entweder es war so lange kalt und schneereich, dass wir unseren Vorgarten und Garten mit Schneemännern zustellen konnten oder aber es wurde zwischendurch so warm, dass unsere Schneefamilie in der Sonne schmolz und eine neue Familie gebaut werden musste.

Im Januar vor vielen Jahren konnten wir die erste Schneemannfamilie des Jahres bauen. Seit fünf Tagen schneite es. Erst zögerlich, dann immer stärker. Langsam wurde es weiß. Die Wälder, die Wiesen, die Stadt und die Straßen.

Erst am fünfzehnten Januar kamen mein Bruder und ich dazu, das erste Mitglied unserer Schneemannfamilie zu bauen. Wir fingen wie jedes Jahr im Vorgarten an. Dort waren die Schneemänner und -frauen immer etwas kleiner und dünner. Im Vorgarten gab es nicht so viel Schnee wie hinter unserem Einfamilienhaus.

Mein Bruder kümmerte sich um die Schneefrau. Ich war für den Schneemann zuständig. Mein Bruder und ich rollten beide die untere Hälfte des Schneemanns beziehungsweise der Schneefrau. Wir begannen mit einem kleinen Schneeball, der immer größer wurde.

Nach einigen Umdrehungen war der untere Teil der Schneefrau und des Schneemanns fertig. Wir konnten mit der Körpermitte beginnen. Wieder begannen wir mit einem kleinen Schneeball. Wir rollten ihn so lange, bis er die passende Größe hatte. Die Körpermitte musste kleiner als der untere Teil sein. Doch zu klein durfte er auch nicht sein. Uns gelang es immer, die Körpermitte kleiner als die untere Hälfte zu rollen. Zu klein wurde sie bei uns nicht.

Nachdem wir die Körpermitte fertig hatten, setzen wir diese gemeinsam auf den unteren Teil des Schneemanns und der Schneefrau. Die Körpermitte konnte schwer werden. Für mich und erst Recht für meinen kleinen Bruder. Der Kopf war nicht so das Problem. Dieser war relativ leicht.

Das lag auch daran, dass wir Hilfe bekamen. Nicht von unseren Eltern. Ein braunhaariges Mädchen zog Anfang des Jahres in unsere Straße. Das erfuhr ich von meinen Eltern. Gesehen hatte ich das Mädchen am fünfzehnten Januar zum ersten Mal. Es trug eine weiß-rote Mütze, eine weiße Jacke und rote Hosen. Sie besaß wunderschöne grüne Augen.

Wunderschön? Ja, ich fand die Augen wunderschön. Das Mädchen auch. Sie war meine erste große Liebe. Sie half uns nicht nur an diesem Tag bei der Schneemannfamilie. In den folgenden Tagen und Jahren war sie immer dabei, wenn mein Bruder und ich eine neue Schneefamilie bauen wollten.

Das Mädchen wich seit dem ersten Tag, an dem ich sie sah, nicht von meiner Seite. Wir wurden Freunde. Gute Freunde. Zu mindestens für ein Jahr. Danach waren wir mehr. Wir wurden ein Paar. Ein Liebespaar. Und das sind wir auch noch heute. Nach über dreißig Jahren. Wir bauen auch heute noch Schneemannfamilien. Allerdings nicht mehr mit meinem Bruder. Er hat inzwischen seine eigene Familie. Mit ihr baute er Schneemannfamilien. So wie ich und meine Frau mit unseren drei Kindern jedes Jahr eine Schneemannfamilie bauen. Diese Tradition werden wir aufrecht halten, so lange wir können und es schneit. Ganz sicher.

Sechzehnter Januar

Es ist Winter. Wer hinausschaut, kann es erkennen. Wer am Fenster steht, sieht die weiße Pracht. Alles ist weiß. Jede Straße und jeder Weg. Jeder LKW und jeder PKW. Jedes Haus und jedes Dach. Jede Wiese und jeder Baum.

Die Kinder freut es. Im Schnee haben sie viel Spaß. Zum Glück haben sie Mütze und Handschuhe dabei. Ohne sie wäre es draußen zu kalt. Schnee fällt nicht, wenn es warm ist. Schnee bleibt nicht liegen, wenn es warm ist. Schnee braucht Kälte. Am besten, es sind Minusgrade. Dann fühlt sich der Schnee wohl.

Die Kinder haben im Winter Spaß. Sie bauen einen Schneemann. Gehen rodeln. Doch nicht jedes Kind möchte hinaus. Nicht wegen der Temperaturen. Nicht wegen dem Schnee. Das Kind hat auch im Sommer keine Lust, hinaus zu gehen. Es bleibt lieber zu Hause. Sieht fern oder spielt am Computer.

Manchmal ist das Kind doch zu bewegen. Es kommt mit hinaus. Es nimmt eine kleine Spielfigur mit. Das Kind bastelte zu hause für die Spielfigur einen Fallschirm. Das Kind befestigte den Fallschirm an der Spielfigur. Nun musste die Spielfigur fliegen. Ein Meter Höhe reichte nicht. Zwei und drei Meter waren auch nicht gerade viel. Zwanzig oder fünfundzwanzig Meter waren in Ordnung.

Das war der Plan. Nur wenige Kilometer entfernt gab es einen Aussichtsturm. Fünfundzwanzig Meter hoch. Genau passend für die Spielfigur. Doch der Turm stand nicht nebenan. Er war nicht in fünf Minuten zu erreichen.

Das Kind möchte die Spielfigur fliegen sehen. Es hilft der Mutter dabei, das Auto vom Schnee zu befreien. Zu zweit geht es schneller. Viel schneller. Nach fünf Minuten kann es losgehen. Die Autofahrt beginnt.

Nach rund einer Viertelstunde ist die Autofahrt zu Ende. Der Turm ist noch nicht zu sehen. Der Turm liegt im Wald. Dorthin gibt es zwar Wege, doch im Winter sind diese kaum befahrbar. Zu mindestens für ein normales Auto. Ein Geländewagen hat vielleicht keine Probleme. Ein Trecker kann die Waldwege im Winter befahren. Doch ein Kleinwagen hätte seine große Mühe. Und ob es erlaubt war? Nicht umsonst sind viele Wege abgesperrt.

Nein, es hilft nichts. Zum Turm muss gewandert werden. Es sind rund zwei Kilometer. Rund zwanzig Minuten brauchen Mutter und Sohn bis zum Turm. Dann kann die Spielfigur fliegen.

Fast. Der Aussichtsturm muss erst noch bestiegen werden. Es sind sicherlich hundert Stufen bis nach oben. Mutter und Sohn besteigen den Turm. Dann erst kann die Spielfigur fliegen. Sie fliegt auch. Den Boden erreicht sie aber nicht. Kurz vorher bleibt die Figur an einem Ast hängen.

Mutter und Sohn gehen nach unten. Sie suchen den Ast mit der Spielfigur. Glücklicherweise ist der Ast leicht zu erreichen. Die Mutter nimmt die Figur und übergibt diese ihrem Sohn. Der Sohn geht mit der Spielfigur noch einmal nach oben. Die Spielfigur darf ein zweites Mal fliegen. Wieder erreicht sie nicht den Boden. Die Figur bleibt wieder im Baum hängen, doch der Ast ist diesmal nicht zu erreichen. Die Spielfigur ist verloren. Das Kind will wieder nach Hause.

So geht es dann auch wieder nach Hause. Erst zwanzig Minuten durch den Wald bis zum Auto. Dann mit dem Auto nach Hause. Dort bleibt das Kind. Sieht fern und spielt am Computer. Erst wenn die Schule wieder ruft, erst wenn die Mutter eine neue Idee hat, erst dann geht das Kind wieder hinaus. Wann dies wohl sein wird?

Siebzehnter Januar

Es ist Winter. Kalter und weißer Winter. Draußen schneit es. Das Land ist weiß. Die Stadt ist weiß und es wird noch weißer. Der Schnee fällt weiter. Jeder Baum soll schneebedeckt sein. Jedes Auto soll weiß sein. Jede Straße soll mit einer Schneedecke bedeckt sein. Der Schnee fällt weiter. Die Temperatur bleibt im Keller.

Wer hinausgeht, trägt nicht nur Hose und Shirt. Dafür ist es zu kalt. Wer erfrieren möchte, trägt keine Jacke und keinen Pullover. Wer schnell friert, trägt nicht nur einen Pullover oder eine Jacke. Wer friert, trägt Beides. Wer friert trägt Shirt, Pullover und Jacke. Doch nicht nur das.

Wer hinaus geht, nimmt einen Schal mit. Bevor es hinausgeht, wird er um den Hals gelegt. Bevor es hinausgeht, wird die Mütze genommen. Auf den Kopf gesetzt. Wer seine Hände nicht in die Taschen stecken möchte oder kann, der verlässt das Haus nicht ohne Handschuhe. Einen für die linke und einen für die rechte Hand.

Doch bevor es hinausgeht, muss noch etwas Anderes getan werden. Noch bevor die Handschuhe angezogen werden. Noch bevor die Jacke genommen wird. Eines muss noch geschützt werden. Die Füße sind durch Socken geschützt. Die Beine durch die Hose. Der Oberkörper wird durch Shirt, Pullover und Jacke geschützt. Der Kopf wird durch eine Mütze geschützt. Die Hände eventuell durch ein Paar Handschuhe. Und das Gesicht?

Für das Gesicht gibt es Creme. Sie nennt sich auch Gesichtscreme. Noch bevor die Jacke genommen wird, greift der Mensch zur Cremedose, die mittlerweile fast leer ist. Der Mensch öffnet die Cremedose. Taucht einen Finger hinein. Verschmiert die Creme auf der anderen Handfläche. Dann geht es ins Gesicht. Die Hände verreiben die Creme im Gesicht. Hals und Ohren nicht vergessen!

Jetzt kann es hinausgehen. Die Einen laufen nur zur Haltestelle. Steigen dort in den Bus oder die Straßenbahn. Fahren mit dieser zur Arbeit. Laufen dort wieder ein Stück. Anschließend arbeiten sie acht Stunden und machen zwischendurch eine halbe Stunde Pause. Dann geht es wieder zurück. Bei Minustemperaturen zurück zur Haltestelle. Anschließend geht es mit dem Bus oder der Straßenbahn nach Hause.

Andere fahren nicht mit dem Bus oder der Straßenbahn. Sie laufen zu Fuß. Bis zur Schule haben sie es nicht weit. Drei Kilometer sind nicht viel. Dafür einen Fahrschein zu kaufen, macht kaum einen Sinn. Das Geld für eine Monatskarte kann eingespart werden. Drei Kilometer an der frischen Luft tut dem Körper gut. Zweimal am Tag einen Spaziergang von dreißig Minuten. Das ist doch genug Bewegung, oder?

Am Nachmittag muss dann jeder noch einmal los. Die Gesichtscreme hält nicht ewig. Irgendwann ist diese aufgebraucht. Neue Creme muss her. Diese gibt es im Drogeriemarkt. Auch Supermärkte verkaufen diese.

So geht es nach der Schule oder der Arbeit noch einmal hinaus. Ein weiter Weg soll es nicht sein. Der nächste Supermarkt ist nicht weit entfernt. Der nächste Drogeriemarkt liegt doch gleich hinter der nächsten Ecke. Kurz mit dem Rest der Gesichtscreme eincremen und dann geht es hinaus. Eine Viertelstunde später mit einem Euro weniger wird das Zuhause wieder erreicht. Der Abend kann kommen. Das Essen wird vorbereitet und dann kann gegessen werden. Später geht es ins Bett. Dort wird bis zum Morgen geschlafen. Dann wird die neue Gesichtscreme geöffnet und getestet. Ob diese genauso gut ist wie die alte?