Erzählen-AG: 366 Geschichten

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Zwölfter März

Ich war in der elften Klasse. Ich hatte nicht nur Deutsch und Mathe. Es standen nicht nur Englisch und Geschichte auf dem Plan. Ich malte nicht nur oder musizierte nach den Vorstellungen eines Lehrers. Ich wurde auch in Informatik unterrichtet.

Wir lernten in der elften Klasse erst einmal grundlegende Dinge. Wie ist ein Computer aufgebaut. Was bedeutet CPU. Was heißt USB. Wir lernten auch einige Programme kennen. Programme, um Briefe zu schreiben. Programme, um Tabellen zu kalkulieren. Programme, um Präsentationen vorzuführen.

Wir wurden in kleinen Tests immer überprüft. Wir sollten auch einen Vortrag halten und das letztgenannte Programm sollte uns dabei unterstützen. Wir sollten also eine digitale Präsentation vorführen. Anders als im Deutschunterricht in der neunten Klasse, stand uns ein Beamer zur Verfügung. Wir mussten ihn auch nutzen, denn sonst hätte es ja nichts gebracht, das Präsentationsprogramm zu erlernen.

Das Thema war uns freigestellt. Es musste nur passend sein, um es digital zu präsentieren. Die Lieblingssteinsammlung aus dem Urlaub war nur schlecht digital vorzeigbar. Das Lieblingshaustier zu präsentieren, machte auch keinen Sinn. Zu mindestens dann, wenn es real vorgestellt werden sollte. Das Tier digital vorzustellen war in Ordnung. Bilder vom Haustier konnten am Beamer gezeigt werden.

Ich präsentierte nicht mein Lieblingstier. Ich liebte Frankreich. Es war mein Lieblingsland. Also war für mich klar, über was ich referieren wollte: Ich stellte dem Informatikkurs das Land Frankreich in rund zehn Minuten vor.

Während meines Vortrages gab es die wichtigsten Fakten über Frankreich. Frankreich ist größer als Deutschland und doch leben dort weniger Einwohner. Die Hauptstadt von Frankreich ist Paris. Dort gibt es viele Sehenswürdigkeiten zu bestaunen.

Ich gab einen Überblick über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Von den wichtigsten Sehenswürdigkeiten zeigte ich während des Vortrages jeweils ein Bild. Hübsch animiert flogen die Bilder hinein. Dann wurde eine Unterschrift sichtbar, um welche Sehenswürdigkeit es sich handelte. Nach der ersten Sehenswürdigkeit flog die zweite hinein. So ging es weiter bis ich mit allen wichtigen Sehenswürdigkeiten durch war.

Natürlich sprach ich nicht nur die Pariser Sehenswürdigkeiten an. Ich erwähnte auch Sehenswürdigkeiten anderer Städte in Frankreich. Ich nannte auch die wichtigsten Orte, die in Frankreich jeder kennen sollte. Darunter war natürlich auch der höchste Berg in Frankreich: der Mont Blanc.

Zu den allgemeinen Fakten von Frankreich zählten natürlich auch die Grenzen. Ich nannte meinen Mitschülern die angrenzenden Länder und Meere. Ich zeigte den Mitschülern auch kurz Andorra, den Kleinstaat in den Pyrenäen. Damit beendete ich meinen Vortrag. Wenn es Fragen gab, konnten sie jetzt gestellt werden, während meine genutzten Quellen sich in der Präsentation langsam von unten nach oben bewegten.

Der Vortrag war gut. Das sah meine Informatiklehrerin ein und doch fehlte ihr irgendetwas. Um bei ihr eine Eins zu bekommen, musste ein Schüler oder eine Schülerin perfekt sein. Es durfte kein Fehler gemacht werden. Aufgestellte Thesen mussten ausführlich begründet werden. Eine Präsentation mit einer Eins bewertet zu bekommen, war selten. Auch ich bekam heute keine Eins. Zu mindestens keine glatte Eins. Ich bekam eine Eins Minus.

Mit dieser Eins war ich nicht alleine. Die Hälfte der Klasse bekam sie. Nur wenige waren schlechter als eine Zwei Minus. Der schlechteste Schüler erreichte eine Drei Minus. Die schlechteste Schülerin eine Drei.

Dreizehnter März

Ups, ich habe es schon wieder getan. Ich es einfach nicht lassen kann. Warum müssen die Fragen auch immer so schwer sein?

Ich bin eine Schülerin der zwölften Klasse. Ich habe verschiedene Schulfächer. Mathematik und Deutsch. Englisch und Russisch. Biologie und Chemie. Geschichte und Kunst. Auch wenn jedes Fach sein eigenes Thema hat, eine Sache tritt überall auf.

In Mathematik dreht sich alles um Zahlen, Kurven und Graphen. In Deutsch erörtern wir Texte und analysieren Gedichte. In Englisch lernen wir die Sprache und analysieren Texte. Ähnlich ist es in Russisch. In Biologie und Chemie dreht sich alles um die Naturwissenschaften. Um den Menschen, um die Tiere, um Pflanzen und deren Zusammensetzung. In Geschichte lernen wir die deutsche Geschichte kennen und dürfen wieder einmal Texte analysieren. Auch in Kunst dürfen wir nachdenken und Bilder analysieren. Doch nicht nur. Ab und zu dürfen wir auch zeichnen und malen.

Doch auch wenn die Fächer unterschiedlich sind, eines habe ich immer getan. In jedem Fach habe ich mindestens einmal einen Test vergeigt. Manchmal war es nur ein kleiner Test. Manchmal war es eine Klassenarbeit. Ein kleiner Test war nicht ganz so schlimm. Die schlechte Note konnte ich wieder ausbessern. Kleine Tests gab es ja immer wieder einmal. Klassenarbeiten waren seltener. Nicht nur das. Klassenarbeiten zählten auch mehr.

Eine schlechte Note in der Klassenarbeit konnte ich nur durch gute Noten in anderen Klassenarbeiten ausgleichen. Halbwegs ausgleichen. Ich konnte auch die kleinen Tests gut abschließen. Wenn ich in allen kleinen Tests eine sehr gute Arbeit ablieferte, konnte ich eine schlechte Klassenarbeit halbwegs ausgleichen.

Nun ist es wieder einmal passiert. Ich habe wieder einmal einen Test vergeigt. Heute schrieben wir eine Arbeit in Chemie. Ich hatte einen Knoten im Kopf. Die gestellten Fragen konnte ich kaum beantworten.

Dies lag zu einem daran, dass mir das Wissen fehlte. Zu mindestens zu dieser Zeit. Hätte ich in meinen Hefter gucken können, hätte ich viele Fragen beantworten können. Das Wissen stand im Hefter. Das Wissen war auch in meinem Kopf. Ich konnte es nur nicht abrufen. Während der Arbeit hatte ich bei vielen Fragen einen Blackout. Nach der Arbeit fiel mir vieles wieder ein. Auf die meisten Fragen hatte ich eine Antwort. Meinen Mitschülern und Mitschülerinnen konnte ich einige Fragen und deren Antworten erklären. In der Arbeit nicht. In der Arbeit werde ich oft null Punkte bekommen. Das weiß ich jetzt schon. Eine Eins oder eine Zwei bekomme ich sicherlich nicht. Eine Drei auch nicht. Mit Glück schaffe ich eine Vier. Ich gehe allerdings davon aus, dass ich eine Fünf bekomme. Dies ist ja nicht die erste Fünf.

Einige Fragen in der Chemiearbeit konnte ich beantworten. Da stand mir das Wissen zur Verfügung. Da hatte ich kurzzeitig keinen Blackout. Doch nicht immer nutzte ich das Wissen richtig. Manche Fragen verstand ich falsch. Keiner meiner Klassenkameraden verstand sie falsch. Sie verstanden die Fragen richtig. Sie konnten die Fragen nur nicht beantworten, weil Sie das Wissen nicht hatten. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Nicht jeder kann sich alles merken. Die einen haben ein gutes Gedächtnis, die Anderen nicht. Ich hatte ein gutes Gedächtnis. Ich war gut in der Schule. Nicht immer sehr gut, doch selten schlecht. Aber jedes Jahr leistete ich mir einen Fehltritt, einmal im Jahr vergeigte ich einen Test. Mal sehen, wann ich den nächsten Test vergeige. Viele Arbeiten bis zum Abitur schreiben wir ja nicht mehr.

Vierzehnter März

Die Wohnung muss bezahlt werden. Kostenlos ist wohl keine Wohnung zu bekommen. Auch das Essen und Trinken wird nicht verschenkt. Wer Fleisch, Obst, Gemüse und Wasser haben möchte, muss es kaufen. Dafür gibt es ja Supermärkte in den verschiedensten Größen.

Doch woher das Geld nehmen, wenn nicht stehlen? Genau! Die Lösung ist arbeiten gehen. Oder arbeiten fahren. Entweder selber fahren oder nur mitfahren. Die Einen laufen zu Fuß, denn sie haben es nicht weit. Die Anderen fahren mit dem Rad, denn zu Fuß ist es nicht möglich oder es dauert zu lang. Andere wiederum fahren mit der Bahn. Sie setzen sich in einen Waggon und werden vom Lokführer zum nächsten Bahnhof kutschiert.

Ich gehe auch arbeiten. Nein, ich fahre arbeiten. Meine Arbeit liegt nicht in der Nähe. Zu Fuß laufen macht keinen Sinn. Ich wäre Stunden unterwegs. Auch mit dem Rad wäre ich ziemlich lange unterwegs. Mit der Bahn könnte ich theoretisch fahren, doch es macht keinen großen Sinn. Ich müsste erst einmal einige Kilometer fahren, denn der nächste Bahnhof liegt nicht in der Nähe. Dann müsste ich in die Bahn einsteigen und einige Stationen mitfahren. Am Ende müsste ich wieder einige Kilometer fahren, um auf Arbeit anzukommen.

Nein, für mich macht nur eines Sinn. Das Auto. Mit dem Auto bin ich knapp eine Stunde unterwegs. Ich fahre über Land und durch einige Dörfer. Dabei stehe ich auch an einigen Ampeln. Nicht alle davon sind grün, wenn ich dort ankomme.

Normalerweise ärgern mich rote Ampeln. Ich muss bremsen und anhalten. Dann warte ich einige Minuten. Wenn die Ampel wieder Grün zeigt, gebe ich wieder Gas. Ich beschleunige wieder und behalte meine Geschwindigkeit bis zur nächsten roten Ampel. Wieder einmal stehen bleiben. Doch nicht immer ärgern mich rote Ampeln. Eines Tages war es gut, dass ich an einer roten Ampel stand. Auch wenn ich schon zu spät war. Sonst hätte ich sie wohl nie gesehen.

Ich stand als Erster an der roten Ampel. So sah ich die Dame hautnah, die von links nach rechts die Straße überquerte. Ich sah sie mir ganz genau an. Ich konnte nicht von ihr lassen. Die Ampel zeigte gelb, ich sah sie immer noch an. Die Ampel wurde grün und ich bemerkte es nicht. Erst als die Autofahrer hinter mir hupten, wanderte mein Blick zurück auf die Straße. Ich gab Gas und fuhr weiter zu meiner Arbeit.

Ich fuhr an Bäumen, Wiesen und Tieren vorbei, doch in Gedanken sah ich immer diese Dame. Selbst auf Arbeit ging sie mir nicht aus dem Kopf. Nachts als ich schlief, träumte ich von ihr.

 

Ich hatte mich verliebt. Das war klar. Klar war auch, dass ich sie wieder sehen wollte. So fuhr ich am nächsten Tag mit Absicht zu spät los. So, dass ich an der Ampel zu der Uhrzeit war, als ich die Dame tags zuvor sah. Doch mein Plan sollte nicht von Erfolg gekrönt werden. Vorerst zu mindestens.

Zwanzig Tage fuhr ich zu spät von zu Hause los. Zwanzig Tage lang habe ich die Dame nicht wiedergesehen. Dies sollte erst am einundzwanzigsten Tag geschehen. Da sah ich sie an der Ampel wieder. Ich setzte sofort den Blinker nach rechts. Sobald es grün wurde, bog ich rechts ab, hielt am rechten Fahrbahnrand an und stieg aus.

Ich lief zu der Dame. Anschließend unterhielt ich mich kurz mit ihr. Ich fragte, ob ich sie zu einem Kaffee einladen könne. Sie sagte nicht Nein. Ich machte an diesem Tag früher Schluss und so sahen wir uns am späten Nachmittag in einem Café. Wir redeten über dies und das. Dann lud sie mich zu sich nach Hause ein.

Diese Einladung konnte kaum schöner sein. Seit diesem Tag sah ich die Dame jeden Tag. Wir wurden ein Liebespaar. Ein Paar, dass auch noch nach einundzwanzig Jahren glücklich ist. Und wenn nichts dazwischen kommen sollte – was ich sehr hoffe – so werden wir auch noch zweisam sein, wenn wir Rentner sind.

Fünfzehnter März

Es war vor vielen Jahren. Vor sehr vielen Jahren. Da war der fünfzehnte März ein Montag. Ein Tag nachdem Wochenende. Nach dem freien Wochenende. Am Wochenende konnte ich ausschlafen. Ich konnte das tun, was ich wollte.

Am darauffolgenden Montag nicht. Ich musste früh aufstehen. Sehr früh. Na gut so früh auch wieder nicht. Damals stand ich um sechs Uhr auf. Wie jeden Tag. Wie jeden Schultag. Andere mussten sicherlich noch früher aufstehen. Mein Bus fuhr kurz nach sieben Uhr. Andere mussten einen Bus früher nehmen. Mein Bus brauchte nur zehn Minuten bis zur Schule. Andere Busse waren länger unterwegs. Von der Haltestelle brauchte ich nur etwas mehr als fünf Minuten. So sollte es bei den meisten sein. Wer mit Bus und Straßenbahn unterwegs war, stieg an der selben Haltestelle aus wie ich. Entweder auf der einen oder der anderen Straßenseite.

Um sieben Uhr fünfundvierzig begann der erste Schultag nach dem Wochenende. Für mich war es nicht der erste Tag in der Schule. Für mich war es nicht der erste Tag in dieser Schule. Ich war schon fast ein Jahr an dieser Schule. Ich war schon fast in der achten Klasse. Doch jemand Anderes war zum ersten Mal in meiner Schule.

Dieser Jemand war ein Mädchen. Es trug blondes Haar. Das Haar war mittellang und mit Locken durchsetzt. Für mich war es das schönste Haar. Für mich hatte das Mädchen traumhaft blaue Augen. Kein Wunder. Als ich das Mädchen zum ersten Mal sah, war es sofort um mich geschehen.

Ich war immer schon kurz vor halb Acht an der Schule. Wenn es regnete war ich um die Uhrzeit schon im Klassenzimmer. Wenn gutes Wetter war, stand ich mit Freunden draußen auf dem Schulhof. An diesem Tag regnete es. Die Schüler mussten nicht im Regen stehen. Die Schüler durften schon vor dem Unterricht ins Schulgebäude. So war ich einer der ersten Schüler im Klassenzimmer. Der Raum füllte sich langsam. Ich sah auf die Uhr. Es war sieben Uhr siebenunddreißig als das Mädchen unser Klassenzimmer betrat. Erst dachten wir, dass das Mädchen falsch wäre. Wir wussten nicht, dass wir eine neue Mitschülerin bekommen sollten. Das erfuhren wir erst später, als sich das Mädchen vor mir setzte und unsere Klassenlehrerin den Klassenraum betrat.

Unsere Klassenlehrerin stellte uns das Mädchen vor. Ich hörte aufmerksam zu. Schließlich raste mein Herz seit dem Moment als das Mädchen den Klassenraum betrat. Das Mädchen kam in das Klassenzimmer, während es draußen grau war. Draußen war die Sonne nicht zu sehen. Nur dunkle Wolken wollten am Himmel sein. Nur die Wolken und der Regen zogen an der Schule vorbei. In der Schule schien eine Sonne. Meine Sonne.

Für mich war sofort klar, dass dieses Mädchen perfekt war. Perfekt für mich. Mein Ziel war klar. Ich wollte in Erfahrung bringen, ob sie schon vergeben war. Wenn nicht, wollte ich meine Chance nutzen. Ich wollte alles versuchen, auch wenn ich eine Abfuhr bekommen sollte. Ein Versuch macht klug, oder?

In der nächsten kleinen Pause sprach ich sie an. Ich holte meine Erkundigungen ein. Ich erfuhr alles, was ich wissen wollte. Ich versuchte nicht alles, aber einiges. Schon meine erste Frage wurde mit Ja beantwortet. Schon mein erster Versuch gelang.

Ich hatte seit dem fünfzehnten März eine Freundin. Sie blieb viele Jahre meine Freundin. Zusammen waren wir glücklich. Zusammen waren wir Freund und Freundin. Mitte Zwanzig war sie nicht mehr meine Freundin. Nicht weil sie sich von mir trennte. Nicht weil ich mich von ihr trennte. Sie wurde meine Ehefrau. Wir heirateten und waren das glücklichste Paar der Welt. Dies sollten wir für immer und ewig bleiben.

Sechzehnter März

Der meteorologische Frühling hatte vor zwei Wochen angefangen. Der kalendarische Frühling sollte in rund einer Woche anfangen. Doch tatsächlich war heute schon Frühling. Zu mindestens gefühlt.

Draußen war es relativ warm. Das Thermometer zeigte am Morgen rund neun Grad. Zudem schien die Sonne. Es war nicht eine einzige Wolke am Himmel. Keine kleine und keine große Wolke. Der Himmel war strahlend blau. Doch die Radwege waren trotz des schönen Wetter nicht voll. Viele Radfahrer waren nicht unterwegs.

Dafür war die Bahn voll. Nicht die Straßenbahn. Der Zug war damit gemeint. Der Zug bestand aus drei Doppelstockwagen plus Endwagen und Lok. Die vielen Menschen, die mit der Bahn reisten, konnten sich also auf vier Waggons mit je zwei Etagen verteilen. Die Menschen taten es auch. Sie verteilten sich so gut es ging.

Plätze waren trotzdem noch frei. Nicht jeder Platz war belegt. Auf einem freien Zweier saß in der Regel nur ein Mensch. Neben ihn ein Koffer, eine Reisetasche oder ein Rucksack. Auf einen Vierer war es ähnlich. Meist saßen dort nur zwei Menschen. Oft gegenüber, manchmal auch nebeneinander. Manchmal war der Vierer aber auch nur zu einem Viertel belegt. Menschlich zu mindestens. Der Mensch führte zwar eine Tasche mit sich, doch trotz dieser hätten sich drei weitere Menschen auf den Vierer setzen können.

Dieser Vierer blieb nicht lange nur zu einem Viertel belegt. Der Zug fuhr von A nach B. Unterwegs hielt er an Haltepunkten und Bahnhöfen. Dort stiegen Personen aus. Dort stiegen Menschen ein. Darunter war auch eine junge schwarzhaarige Frau. Sie ging durch den Zug auf der Suche nach einem Sitzplatz. Ewig wollte sie nicht laufen. Schon im zweiten Waggon sah sie den Vierer, der nur zu einem Viertel belegt war. Die junge Frau nahm gegenüber dem anderen Mitreisenden Platz. Sie saß entgegengesetzt zur Fahrtrichtung. Sie fuhr rückwärts und mit ihr ihre schwarze Tasche. Die Tasche lag auf dem Sitz rechts neben ihr.

Die junge Frau konnte nicht ewig ihre Tasche auf einen Extraplatz lassen. Schon am nächsten größeren Bahnhof stiegen neue Menschen ein. Nur wenige Menschen stiegen aus. So wurde der Zug voller. Da die Neureisenden nicht stehen wollten, es noch freie Sitzplätze gab, wurde der Vierer vollkommen von Menschen belegt. Auch die Zweier, die nur zur Hälfte belegt waren, füllten sich. Viele der Zweier waren komplett von Menschen belegt.

Auf der Fahrt Richtung Endstation füllte sich der Zug weiter. Er wurde voller und voller. Nachdem der Zug Dreiviertel seines Weges zurückgelegt hatte, leerte sich der Zug langsam wieder. Viele Menschen erreichten ihr Ziel. Viele Menschen verließen den Zug und wurden durch weniger Menschen ersetzt.

Nach zwei Stunden erreichte der Zug sein Ziel. Nun leerte der Zug sich vollständig. Kein Mensch blieb mehr im Zug. Fast keiner. Ohne Lokführer konnte sich der Zug nicht bewegen, doch der Zug musste sich bewegen. Der Zug musste das Gleis frei machen. Andere Züge wollten auch am Bahnhof halten. An diesem Bahnsteig neue Reisende aufnehmen. So fuhr der Zug auf ein Abstellgleis. Erst dreißig Minuten später verließ der Zug das Abstellgleis wieder. Eine weitere Viertelstunde später sollte es zurückgehen. Dann konnte das Spiel wieder von vorne beginnen. Reisende stiegen ein und aus.

Siebzehnter März

Es war Mitte März. Der Frühling hatte begonnen und auch nicht. Meteorologisch hatten wir seit vollen sechzehn Tagen Frühling. Sechzehn Tage, in denen es wärmer werden sollte. Sechzehn Tage, in denen kein Schnee mehr fallen sollte. Kalendarisch begann der Frühling noch nicht. Der kalendarische Frühlingsanfang sollte noch kommen. In einigen Tagen.

Wer raus ging, merkte es. Von Frühling war noch nichts zu sehen. Die Bäume waren noch immer kahl. Sie blühten noch nicht. Auch andere Pflanzen blühten nicht. Wie sollten sie auch? Es war kalt. Sehr kalt. Nicht eisigkalt, doch für den Frühling viel zu kalt.

Dreißig Grad? Gab es vielleicht im Sommer, nicht aber jetzt. Zwanzig Grad wären schön. Doch so warm wurde es nicht. Das Thermometer schaffte es gerade einmal auf zehn Grad. Natürlich nicht in der Nacht. Natürlich zur Mittagszeit. Dann, wenn die Sonne hoch am Himmel stand.

Hoch am Himmel? Zu dieser Zeit? Natürlich nicht. So hoch stand die Sonne nicht. Im Sommer konnte sie viel höher stehen. Gut, sie konnte auch niedriger stehen. Im Winter war dies der Fall. Vor allem im Dezember. Schließlich waren die Tage im Dezember die kürzesten. Der Winteranfang im Dezember war der kürzeste Tag. Danach wurden die Tage wieder länger. Die Sonne stieg höher.

Jetzt war es kalt. In den letzten Nächten gab es oft Frost. Nur selten blieb das Thermometer in der Nacht über null Grad. Doch dafür gab es eine schöne Aussicht. In der Nacht war es sternenklar. Keine Wolke verdeckte den Sternenhimmel. Nicht eine einzige. Jeder Stern konnte gesehen werden. Jedes Sternbild war sichtbar. Der große Wagen. Der kleine. Der Nordstern. Auch am Tage war keine Wolke zu sehen. Weit und breit gab es nur einen blauen Himmel. Nur leichte Quellwolken zogen ab und zu am Himmel vorbei. Es war ein herrliches Wetter, um spazieren zu gehen.

Ein herrlicher Spaziergang über Wiesen und durch Wälder. Wer keinen Wald in der Nähe hatte, nahm das Auto. Dann wurden einige Kilometer zurückgelegt. In der Nähe - ob in großer oder kleiner - gab es einen Wald. Ganz sicher. Ein Wald, in dem es Waldwege gab. Waldwege, auf denen spaziert werden konnte. Allein, zu zweit oder mit Hund.

Manch einer hatte Glück. Er hatte nicht nur in der Nähe einen Wald. In diesem Wald gab es auch einen Aussichtsturm. Der Aussichtsturm lag auf einer Erhöhung im Wald. Es war kein kleiner Turm. Er war einige Meter hoch und bestand aus Metall. Viele Stufen mussten erklommen werden, um die Aussicht zu genießen.

Zuerst musste aber die Erhöhung gemeistert werden. Lockerer Sand war ein Hindernis. Doch unbezwingbar war der Sand nicht. Die Schuhe versanken zwar immer wieder. Doch so tief war es nicht. Die paar Zentimeter waren nicht schlimm. Sofern festes Schuhwerk getragen wurde. Mit Sandalen war es nicht so leicht. Doch heute trug keiner Sandalen. Die Sonne schien zwar, doch es war zu kalt für Sandalen.

Nachdem der Sand gemeistert war, musste der Turm erklommen werden. Es waren viele Stufen. Zu viel, um sie zu zählen. Ein Verzählen war leicht möglich. Nötig war das Zählen nicht. Nach dreißig Metern wurde die Aussichtsplattform erreicht. Es war ein herrlicher Blick. Oben waren Wiesen, Wälder und Häuser zu sehen. Wer jetzt eine Kamera dabei hatte, konnte die Aussicht fotografieren. Wer keine Kamera besaß, genoss die Aussicht und stieg einige Minuten später wieder ab. Dann ging es wieder nach Hause. Zum Mittagessen, zu Kaffee und Kuchen oder zum Abendbrot.