Super Western Doppelband 1 - Zwei Wildwestromane in einem Band

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3

Manchmal schallte das Heulen der Wölfe klagend durch die Nacht und wurde vom lauen Wind über Ted hinweggetragen. Sie mussten die Büffelkuh doch noch in der Nähe gestellt haben und waren nun dabei, sie zu zerfleischen.

Ted war schon lange abgestiegen, lief manchmal ein paar Schritte hin und her, blieb stehen, lauschte, blickte nach Osten und lief wieder hin und her. Schließlich setzte er sich in den Sand.

Ein Knirschen im Sand ließ ihn in die Höhe fahren und das Gewehr fester packen.

„Ted?“, fragte eine helle Stimme.

Im Mondlicht hielt Petra Wanner zwischen Ted und den Wagen, bei denen noch immer das große Feuer brannte.

„Sind Sie verrückt geworden?“, fragte Ted. „Wie können Sie nur die Wagen verlassen?“

„Ich bring Ihnen was zu essen.“ Das Mädchen trieb das Pferd wieder an, kam näher, beugte sich aus dem Sattel von Stones großem Wallach und hielt Ted ein Stück Fleisch hin. „Vorsicht, es ist heiß!“

Ted nahm das Fleisch. „Wissen Ihre Eltern, dass Sie weggeritten sind?“

Das Mädchen lachte und sprang mit einem Satz aus dem Sattel.

Es strahlte Ted an und hängte sich an seinen Arm. „Hören Sie, ich werde noch in diesem Jahr einundzwanzig, Ted!“

„Ich wette mit Ihnen, Ihr Vater denkt darüber anders. — Halten Sie mal das Gewehr!“

Das Mädchen ließ seinen Arm los und nahm das Gewehr. Ted biss in das Fleisch.

„Es war eigentlich für mich bestimmt.“ Das Mädchen strahlte noch immer. „Können Sie sich vorstellen, dass ich so einen Batzen Fleisch essen könnte?“

Ted riss ein Stück ab und gab es ihr. Das Mädchen legte das Gewehr auf den Boden und biss in das Fleisch.

„Es ist besser, Sie reiten zurück, Petra.“

„Warum?“

„Weil ich keinen Ärger mit Ihrem Vater will. — Ich wette, der hat was dagegen, dass Sie hier sind. — Es ist auch gefährlich.“

„Nicht gefährlicher als für Sie auch, Ted. — Wissen Sie, was mein Vater will? — Der braucht einen Schwiegersohn, der ihm hilft, eine Farm aufzubauen.“ Petra Wanner lachte. „Natürlich sind Sie nicht der Mann, der solche Hoffnungen erfüllen wird.“

„Bestimmt nicht.“ Ted biss wieder in das Fleisch.

Mit einem lauen Windstoß kam das Heulen der Wölfe aus der Ferne.

Das Mädchen blickte nach Osten. „Ich hasse dieses Land“, sagte Petra. „Wenn ich mir vorstelle, dass wir irgendwo Hütten bauen müssen und dann so primitiv wie Indianer leben, da könnte ich aufs Pferd springen und fliehen.“

„Was wissen denn Sie vom Leben der Indianer?“

„Was man so erzählt und was ich sehe, wenn ein paar Indianer kommen. Die stinken auf Yards gegen den Wind, sind schmutzig und verlaust. Das sieht man doch. — Ich versteh Sie nicht, Ted!“

„Weil ich die Stadt und den Saloon verlassen habe?“, fragte Ted. Er dachte daran, dass der Saloon abgebrannt war. Aber davon konnte das Mädchen nichts wissen.

„Ja, deswegen. Sie hatten doch alles, was der Mensch braucht. — Und sicher auch Geld genug!“

„Ich hatte nicht viel Geld, aber jedenfalls wurde mehr verdient, als ich wieder ausgeben konnte. — Gerade das fing an, mich zu langweilen, Petra.“

„Das versteh ich nicht.“

„Kann ich mir denken.“ Ted grinste das Mädchen an und biss wieder in das Fleisch. „Ich bin sicher das, was man einen Abenteurer nennt.“

„Sie gehören zu den Männern, denen Reichtum zufällt, wenn sie ihn nur haben wollen!“

„Na ja, ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht.“

Das Mädchen wischte die Hand an die Lewishose ab und griff wieder nach Teds Arm. „Wollen wir verschwinden, wir beide? Wir hauen einfach ab, Ted!“

Er grinste wieder. „Sie haben noch ein Gemüt wie ein Kind, Petra.“

„So, hab ich das?“, fragte sie schnippisch.

„Ja, sag dich doch.“

Ted knurrte zwischen zwei Bissen! „Reiten Sie jetzt wieder zurück, es ist besser!“

„Ich will aber nicht.“ Petra Wanner warf den Rest ihres Fleisches weg. „Ich hab versucht, es ihm auszureden. Wir hatten eine schöne Wohnung in der Stadt. Und ich hab im Kontor gearbeitet. Ich hatte einen Freund. Sein Vater war Erfinder. — Der wird bestimmt irgendwann mal steinreich.“

Ted blickte an dem Mädchen vorbei und sah den Reiter auftauchen, der von den Wagen kam. „Da ist er schon“, sagte er leise.

Das Mädchen wandte sich um.

Mark Wanner, der breitschultrige grauhaarige Mann, der mit seinen fünfzig Jahren noch einmal ganz von vorn anfangen wollte, zügelte sein Pferd und starrte Ted feindselig an.

„Was willst du denn?“, rief das Mädchen. „Ich hab ihm was zu essen gebracht. Ihr denkt doch nicht an ihn, obwohl er hier in der Nacht herumsteht und für eure Sicherheit sorgt.“

Wanner schien gar nicht zugehört zu haben. Er beachtete seine Tochter nicht. Er starrte Ted an und sagte böse: „Das gefällt mir, Catto, in Missouri Valley 'ne Freundin, mit der sie wie mit der eigenen Frau gelebt haben und hier mit meiner Tochter anbändeln. — Auf die Sorte hab ich gewartet!“

Der Mann fluchte, trieb das Pferd jäh an und kam auf Ted zu.

Das Mädchen schrie erschrocken auf, wollte zur Seite springen und stürzte. Ted sah den hochschwingenden Gewehrkolben, sprang nach dem Kopfgeschirr des Pferdes, wurde mitgerissen und spürte, wie der Gewehrkolben noch seine Hüfte streifte. Da kam das Pferd zum Stehen. Wanner fluchte und schwang das Gewehr wieder hoch, aber da hatte Ted schon wieder Boden unter den Füßen und sprang zurück. Der Gewehrkolben ging vorbei.

Ted sprang vorwärts, packte den Arm des Mannes und riss ihn mit einem einzigen wilden Ruck aus dem Sattel. Der Farmer stürzte auf die Schulter, sprang wieder auf und lief in Teds Kinnhaken.

Wanner wurde gegen sein Pferd geworfen, fiel auf die Knie, stand wieder auf und rannte gegen Ted an, wie ein Stier gegen eine rote Mauer. Und Catto schmetterte ihm wieder die Faust ins Gesicht, dass er abermals zurückflog, gegen das Pferd prallte und auf die Knie stürzte.

„Steh auf, wenn du noch mehr haben willst!“, stieß Ted hervor, weil er noch unter dem Eindruck des jähen Angriffs stand und sehr wohl wusste, dass ihm der Mann mit ein bisschen Glück mit dem Gewehrkolben den Schädel hätte zertrümmern können.

Der Farmer kämpfte sich auf die Beine, keuchte, taumelte zu seinem Gewehr, hob es auf und feuerte in die Luft.

Das Mädchen hielt sich die Ohren zu und schrie: „Du bist ja verrückt geworden!“

Wanner ließ das Gewehr fallen, ging zu Petra und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.

Petra schrie gellend auf und stürzte zu Boden.

Ted ging auf den Mann zu. Wanner wollte ihn angreifen, aber Ted sprang zur Seite und schlug ihm die Handkante ins Genick. Wanner fiel in den Sand und lag auf dem Gesicht.

Ted blickte zur Wagenburg, wo das Feuer erlosch.

Das Mädchen kniete und wischte sich über das Gesicht.

„Ich hab doch gesagt, dass es verrückt war!“, stieß Ted keuchend hervor.

„Für Ihren Vater sind Sie in zehn Jahren noch nicht erwachsen. Der wird über Sie bestimmen, solange er lebt. Zumindest wird er es versuchen.“

„Ich will nicht auf den Feldern rumkriechen und mit vierzig eine alte Frau sein.“ Petra stand auf, wischte sich wieder über das Gesicht, ging auf den noch liegenden Farmer zu und schrie: „Ich will nicht auf den Feldern rumkriechen und mit vierzig ein altes Weib sein, hörst du!“

Reiter kamen von der Wagenburg, hielten aber in einiger Entfernung an, als hätten sie Angst.

„Kommt her, wir sind es nur!“, rief Ted.

Die Reiter kamen näher. Ted erkannte Stone, den stämmigen Anführer des Trecks und unter den anderen Abraham Feyte, den Barbier, der Methodist war und bei jedem Wetter einen langen schwarzen Tuchmantel trug und einen ebenfalls schwarzen Hut auf dem Kopf hatte, sodass man ihn auch mit einem Quäker verwechseln konnte.

„Was ist denn?“, fragte Stone, als sie wieder anhielten.

„Was soll schon sein“, knurrte Ted. „Sie hat mir ein Stück Fleisch gebracht,“

„Wir haben überhaupt nichts getan!“, rief das Mädchen. „Ich hab ihm was zu essen gebracht und dann unterhielten wir uns ein paar Minuten. Auf einmal kam mein Vater und wollte ihn mit dem Gewehrkolben niederschlagen! — Keiner von euch hat daran gedacht, ihm auch was zu bringen!“

„Das hätten wir schon noch getan!“, sagte Stone barsch. „Mark, was ist mit dir? — Kannst du nicht aufstehen?“

Der Farmer zog die Füße an und stand schwerfällig auf. Er wandte sich um, taumelte zu seinem Pferd und wischte sich über das Gesicht. Er hatte den Hut verloren. — Das graue Haar stand wirr von seinem Schädel.

„Ich bin zwanzig Jahre“, sagte das Mädchen schroff. „Ich werd doch wohl mit einem Mann reden dürfen!“

Ted stemmte die Hände in die Hüften und blickte die ratlosen Männer an. Die Szene begann ihn zu belustigen.

„Oder darf ich das vielleicht nicht?“, fragte das Mädchen. „Bin ich vielleicht eine Sklavin, nur weil er mein Vater ist?“

Die Männer schwiegen noch immer.

„Heb deinen Hut auf, wir reiten zurück“, sagte Stone schließlich. „Und du kommst mit, Petra. Du hast hier draußen wirklich nichts zu suchen. — Haben Sie Ihr das nicht gesagt, Catto?“

„Sie sagt, es wäre für sie hier nicht gefährlicher als für mich“, erwiderte Ted. „Was hätte ich denn mit ihr machen sollen? Sie auf ihr Pferd binden und mit Gewalt ins Lager schaffen?“

Wanner stieß sich von seinem Pferd ab, ging zu seinem Hut und hob ihn auf. Als er herumfuhr, hatte er den Patterson-Colt in der Hand.

Das Mädchen stieß einen Schrei aus. Ted ließ sich fallen. Feuer fuhr aus dem Revolver. Der Knall zerriss die Stille. Die Pferde schnaubten. Ted rollte über den Boden und sprang wieder auf. Wanner musste sich etwas drehen und schlug die Waffe wieder an, aber da hatte Ted seinen Colt 44 in der Hand und schoss. Dem Farmer wurde die Waffe aus der Hand gerissen und in den Sand geschleudert. Wanner blickte auf seine Hand und dann auf den Revolver, den Ted auf ihn gerichtet hielt.

 

Stone sprang vom Pferd, packte Mark Wanner und stieß ihn zurück.

„Den wirst du fortjagen!“, stieß der Farmer hervor.

Stone trat zurück. „Warum, Mark? Weil er dir die Kugel nicht in den Schädel gejagt hat?“

„Er hat sie schon ganz verrückt gemacht! Das ist so einer, der den Mädchen Kinder macht und sie dann sitzenlässt.“

„Woher weißt du das?“, stieß Stone hervor. „Na komm, red schon, wenn du Beweise hast!“

Der Farmer fluchte und wollte auf seine Tochter eindringen, aber Stone stieß ihn wieder zurück. „Ich denke, die Sache ist damit erledigt, Mark. — Und sieh dich in Zukunft vor! Wenn du noch einmal auf ihn losgehst und er tötet dich, werden wir das ganz normal finden. Hast du das verstanden?“

Wanner fluchte wieder.

„Los, steig auf!“, kommandierte Stone. „Und du kommst auch mit, Petra.“

„Ein Mädchen hat nachts hier draußen nichts zu suchen. — Catto, soll ich einen anderen Mann zur Wache einteilen?“

„Keine schlechte Idee“, sagte Ted. Er lud seinen Revolver nach, drehte die Trommel durch und schob die Waffe in das Holster.

4

Mit den ersten Sonnenstrahlen kam die glühende Hitze des Vortages zurück.

Ted Catto lehnte am Vorderrad von Stones Wagen und trank Kaffee aus der Blechtasse, die Maria Stone ihm gegeben hatte. Die. Frau war mittelgroß, hatte ein rundes, gutmütiges Gesicht und helle Augen. Ted konnte sich nicht vorstellen, dass sie irgendwann einmal schimpfen würde, und er hatte es auch noch nie von ihr gehört.

„Wollen Sie noch mehr?“, fragte die Frau auf dem Bock des Wagens.

„Nein, danke, ich hab ja noch.“ Ted blickte zu einem anderen Wagen hinüber, auf dem der Barbier in seinem schwarzen Mantel stand.

Männer, Frauen und Kinder hatten sich im Halbkreis vor dem Wagen versammelt. Abraham Feyte, der Barbier und Methodist, las aus der Bibel.

Plötzlich rief ein Mann: „Nun mach langsam Schluss, Abe, meine Backe wird immer dicker! Der verdammte Zahn muss raus!“

Feyte sprach weiter, als hätte er den Zwischenruf nicht gehört. Seine Frau Lena tauchte auf dem Wagenbock auf. Feyte gab ihr das Buch, und die Frau stimmte ein Lied an, das sie dann alle zusammen sangen.

Indessen war Abraham Feyte abgestiegen, öffnete die Rückseite seines Planwagens und zog seinen Barbierstuhl heraus, den er in die Sonne stellte.

Ted trank die Tasse leer und gab sie der Frau. „Was wird denn das?“

„Feyte wird dem Mann einen Zahn ziehen“, sagte die Frau. „Er ist unser Barbier, unser Prediger und unser Arzt. Und der Doc für das Vieh ist er auch.“

Feyte holte einen Klapptisch aus dem Wagen und baute ihn neben dem Stuhl auf.

Die anderen sangen noch.

Feyte winkte einen Mann zu sich, ging zu seinem Wagen zog den Mantel aus, warf ihn in den Wagen und krempelte die Hemdsärmel auf. Er zog eine schwarze Tasche aus dem Gefährt, stellte sie auf den Tisch und öffnete sie.

Der Mann stand neben dem Stuhl und hatte seinen Hut in der Hand. Er sagte etwas, aber in dem Gesang blieb es unverständlich.

Feyte hatte eine Zange in die Hand genommen, und der Mann trat ein paar Schritte zurück und griff an seine Backe.

Auf einmal brach der Gesang ab.

„Also los, setz dich schon!“, grollte der Barbier. „Versteht ihr das? Erst unterbricht er mich in meiner Predigt, jetzt hat er Angst!“

„Hast du nicht ’ne kleinere Zange?“, fragte der Mann zaghaft. „Mit dem Ding reißt du mir ja drei Zähne auf einmal raus!“

„Komm, komm, ich erwisch schon den richtigen und bestimmt nur einen. — Helft ihm doch mal!“

Zwei Männer schoben den anderen zu dem Stuhl und setzten ihn, aber als Feyte mit der Zange vor ihm stand, schrie er und wollte wieder aufspringen. Die beiden anderen hielten ihn fest, Feyte griff dem Mann in den Mund und wurde gebissen. Er schrie, schüttelte seine Hand, beschimpfte den Patienten und setzte ihm dann die Faust ans Kinn.

„Verdammt nochmal“, sagte Feyte, der immer noch seine Hand schüttelte.

Der andere schien das Bewusstsein verloren zu haben.

„Nun mach schon, bevor er wieder zu sich kommt“, mischte sich Stone ein.

Feyte schob dem Mann die Zange in den Mund, drehte die Hand hin und her und riss den Zahn heraus. Der Mann kam zu sich und wollte aufspringen, aber sie hielten ihn noch immer fest. Feyte hielt ihm den gezogenen Zahn unter die Nase.

„Gebt ihm einen Schluck Whisky für alle Fälle“, sagte der Barbier, wischte seine Zange ab und packte die Tasche zusammen.

Der Mann bekam von Feytes Frau ein kleines Glas voll Whisky und wurde losgelassen. Feyte räumte die Tasche und den Tisch in den Wagen. Er stieß den Mann an, dem er den Zahn gezogen hatte und winkte ihm, dass er aufstehen sollte.

Stone kam zu Ted herüber und sagte: „Wenn Sie mal Zahnschmerzen haben sollten, Sie sehen ja, das geht schnell und schmerzlos.“

Ted grinste den stämmigen Mann an. „Und dazu bekommt man dann sogar einen Whisky, mit dem ihr sonst ziemlich spartanisch umgeht.“

Stone grinste ebenfalls. „So ist es, Catto.“

„Wollen Sie wirklich den ganzen Tag hierbleiben?“

„Ja. Wir haben wenig geschlafen, und die Ochsen brauchen auch mal einen Ruhetag.“

„Sie hätten Zugpferde nehmen sollen“, sagte Ted. „In Ohio werden heute ganz ausgezeichnete Wagenpferde gezüchtet. Mit denen kommt man fast dreimal so schnell voran.“

„Und sie sind fast dreimal so teuer wie Ochsen“, erwiderte Stone gereizt. „Ich dachte, ich hätte Ihnen unsere Situation hinreichend erklärt.“

„Entschuldigen Sie nur.“ Ted schob den flachen Hut zurecht und wollte an Stone vorbei.

„Wo wollen Sie hin?“

„Ich seh mal, ob ich ein paar Präriehunde schießen kann.“

„Präriehunde? Die kann man essen?“ Die Frau blickte auch erstaunt vom Wagen herunter.

„Die haben prima Fleisch, zart und mager. Es schmeckt wie Schweinefleisch.“ Ted ging an Stone vorbei, sprang über die Deichsel und hob seinen Sattel auf, der neben dem Wagen lag.

„Hoffentlich essen das die Leute auch“, sagte die Frau.

„Wieso? Esst ihr nur, was ihr kennt?“, fragte Ted. „Wenn ihr nur esst, was ihr kennt, sind eure Rinder in Oregon alle. Da hättet ihr gleich Pökelfleisch mitnehmen können, das wäre euch billiger gekommen.“

„Ich glaube manchmal, er verachtet uns“, sagte die Frau leise, während sie auf ihren Mann blickte.

„Das kommt dir sicher nur so vor, Maria“, murmelte Stone. „Er ist anders als wir. Sieh dir doch dieses Land an. Diese Weite ... Wir kommen aus der Enge, hatten überall um uns Mauern, Feinde, Hass, Krankheit! Er versteht unser kleinkariertes Denken nicht.“

„Unser was?“

„Unser kleinkariertes Denken, Maria. — Wir haben doch ständig in der Enge unserer Angst gelebt. Vor den Mauern hatten wir Angst, vor den Krankheiten, vor der Polizei, was weiß ich. Wir wollten immer alles vorausberechnen und planen. — Er lebt in den Tag hinein, in diesen endlos weiten Tag, der immer wieder vor ihm liegt, wenn die Sonne aufgeht. — Da ist Wanner. Der hat schon heute einen Schwiegersohn für seine Farm eingeplant, und ist deswegen auf Catto losgegangen, weil er ein paar Worte mit seiner Tochter gewechselt hat.“

„Die wirft sich doch den Männern an den Hals“, erklärte die Frau.

„Natürlich tut sie das. Und Wanner weiß es auch. Er will sie eben umkrempeln. Auch das versteht Catto nicht. Hier draußen denken die Menschen anders. Wenn wir noch nicht zu alt dafür sind, vielleicht lernen wir es dann noch, Maria.“

„Wir?“ Die Frau lächelte, schüttelte den Kopf und setzte sich auf den Bock des Wagens. „Wir sind doch nicht anders, Alois. Wenn uns jemand nach unserem Namen fragt, dann sagen wir heute noch, wir würden Stein heißen. Es hängt uns an, sagt uns etwas, was es gar nicht gibt. Jedenfalls hier nicht gibt, außerhalb der Mauern, die du meinst.“

„Also gut, ab heute sagen wir, wir würden Stone heißen, Maria. — Vielleicht gelingt es uns doch!“

5

Ted zügelte sein Pferd, als der etwa fünfzehn Zoll lange Präriehund vor ihm aus dem Gras sprang und davonhetzte. Er schlug das Gewehr an, zielte kurz und drückte ab.

Der Präriehund überschlug sich in das Knallen hinein, schleuderte eine kleine Staubfontäne auf und blieb liegen.

Ted ritt auf das erlegte Tier zu, stieg ab, zog eine Schnur aus der Hosentasche, band dem Tier die Vorderläufe zusammen und hängte es an sein Sattelhorn. Er saß wieder auf und ritt weiter nach Nordwesten. Wachsam schweifte sein Blick über das Land.

Ted Catto hielt nach möglichen Gegnern und Spuren gleichzeitig Ausschau. Aber er sah weder Indianer, noch fand er die Spuren ihrer Pferde.

Bald lenkte er sein Pferd weiter nach Norden, weil im Osten ein Hügel lag, der ihm den Blick auf den dahinterliegenden Landstreifen verdeckte. Zudem standen da oben ein paar hohe Rotdornbüsche. Ted blickte immer wieder zu ihnen hinüber, bis er plötzlich glaubte, die Büsche würden sich bewegen. Da zügelte er das Pferd und repetierte das Gewehr.

Die Büsche öffneten sich, und ein Reiter kam zum Vorschein. Er hielt vor den Büschen und blickte herunter. Ted konnte gegen die Sonne nur erkennen, dass der Reiter einen Hut auf dem Kopf hatte. Aber da bewegte sich das Tier schon wieder und kam die Hügelflanke herunter. Silberstücke blitzten am Kopfgeschirr des Pferdes in der Sonne. Als der Reiter den Fuß des Hügels erreicht hatte, erkannte Ted, dass der Mann einen Wildlederanzug mit langen Fransen trug.

„Missouri-Joe“, murmelte Ted.

Der Reiter näherte sich ohne Eile, und als er anhielt, grinste er von einem Ohr zum anderen. Er hatte ein dunkel getöntes Gesicht, blitzende Augen und langes schwarzes Haar, das unter seinem Hut hervorquoll. Seine Nase stach spitz aus seinem Gesicht. Und als er nicht mehr grinste, standen die Lippen wie ein schmaler Strich unter der Nase. Der Mann war noch keine dreißig Jahre alt und von zäh wirkender, sehniger Gestalt.

„Hallo“, sagte der Mann. „Bist es es, Catto?“

„Wieso sollte ich es nicht sein.“ Ted schob das Gewehr in den Sattelschuh.

Missouri-Joe zuckte die Schultern. „Weil sie in Missouri Valley erzählt haben, man hätte dich erschossen.“

„So?“

„Ja. Im Fluss soll dich eine Kugel erwischt haben.“

„Was die Leute so alles erzählen.“ Ted schüttelte den Kopf.

„Und deine hübsche Partnerin soll euren Keeper erschossen haben“, fuhr Joe fort. „Ach so, und der Saloon ist abgebrannt. — Wundert es dich gar nicht, das zu hören?“

Ted schüttelte wieder den Kopf und grinste. „Das weiß ich doch alles, Joe.“

„So, das weißt du.“

„Ja.“

„Und woher?“

Ted zuckte die Schultern. „Vielleicht war ich dabei. Bei Mapes Tod zum Beispiel.“

Joe lachte leise. „Du bist raffinierter, als ich dachte. — Was werden sie bezahlen, wenn ich Ihnen sage, dass du gar nicht tot bist?“

„Nichts. Sie werden dich für einen Lügner halten, weil sie doch gesehen haben, wie ich im Wasser versuchte zu fliegen.“

„Ja, kann sein. Und was machst du hier?“

Ted zeigt über die Schulter, wo in der Ferne die Planen der Wagen im Sonnenlicht leuchteten. „Ich begleite einen Treck, der nach Oregon will.“

Joe blickte über die weite Prärie nach Westen. „Nach Oregon? — Dort sollen sich die Siedler doch längst gegenseitig auf die Füße treten.“

„Was geht mich das an. — Bist du allein?“

„Ich hab noch zwei Packpferde dabei. Oben, hinter den Büschen.“

„Und wo willst du hin?“

„Wohin schon.“ Joe stieß ein leises, scharfes Lachen aus. „Geschäfte machen.“

„Mit den Indianern?“

„So ist es. — Wirklich komisch, Catto. Am Ende hat deine hübsche Partnerin den Männern auch einreden wollen, du würdest noch leben, und die haben es ihr nicht geglaubt.“

„Durchaus möglich, Joe. — Die Männer hatten eindeutige Beweise dafür, dass sie Mapes erschossen hat.“

„Und wer hat ihn wirklich erschossen?“

Ted rieb mit der Faust am Kinn und lachte nun seinerseits. „Dana Morgan, wer denn sonst, Joe!“

 

„Na ja, wie du meinst.“ Missouri-Joe blickte wieder nach Westen. „Ich würde euch ein Stück begleiten, wenn niemand was dagegen hat.“

„Die Aussiedler fahren mit Ochsen“, gab Ted zu bedenken. „Sie sind ziemlich langsam.“

„Eine Weile halt ich das schon aus. — Ich muss noch meine Packpferde holen.“

„Ich komme mit.“

Joe wendete sein Pferd. Ted ritt an seine Seite. Sie strebten beiden dem Hügel zu, von dem Missouri-Joe heruntergekommen war.

„Übrigens, zwei Meilen im Osten sind fünfzig bis hundert Geier mit einer Anzahl Leichen beschäftigt.“

„Rothäute wollten uns gestern überfallen. — Hast du noch mehr Indianer gesehen, Joe?“

„Nein.“

Sie erreichten den Fuß des Hügels und ritten die sanfte Flanke hinauf.

„Und was wissen deine Aussiedler von der Geschichte um Dana Morgan und den abgebrannten Saloon?“

„Die wissen davon gar nichts, Joe, und es wäre mir recht, wenn es dabei bleibt. Die denken, ich hätte mein Paradies aus reinem Übermut verlassen.“

„In Ordnung, ich sag nichts.“

Sie ritten über die Hügelkuppe in die Rotdornbüsche hinein. Dahinter standen die beiden Pferde, zwei braune Tiere mit Packsätteln, die beladen waren. Zwei Planen verhüllten, was die Tiere trugen.

Ted blickte nach Osten. Dort, wo die Leichen und Kadaver lagen, bewegten sich dunkle Punkte über dem Boden.

Missouri-Joe schlug sein Gewehr an und feuerte, den Lauf ein wenig nach oben gerichtet.

Bei den Kadavern schwangen ein paar Geier die Flügel, und Ted meinte, das heisere Krächzen der Aasfresser zu hören. Aber in die Luft erhoben sich die Tiere nicht.

„Verfressenes Volk“, murmelte Joe und schob das Gewehr ins Sattelfutteral. „Die lassen sich nicht stören.“

Ted blickte in alle Richtungen über das weite Land. Prärie und Hügel verschwammen im Dunst.

„Wie weit sind wir hier von der Eisenbahn weg?“, fragte Ted.

„Das weiß ich nicht so genau. Aber ein Stück ist es schon. — Warum interessiert es dich?“

„Wegen der Indianer. Sie sind dort besonders kriegerisch, wo man der Eisenbahn nahe ist.“

„Die Eisenbahn macht sie alle verrückt“, knurrte Missouri-Joe. „Diese verdammte Eisenbahn, die wir gar nicht brauchen! — Warum fahren deine Siedler nicht bis Ogalala mit dem Zug?“

„Dumme Frage“, brummte Ted. „Sie haben nicht das Geld dafür.“

„Da siehst du es ja, für die armen Teufel ist die Eisenbahn sowieso zu teuer!“ Joe nahm die Zügel seiner beiden Packpferde und ritt durch die Büsche.

Ted folge dem Mann durch das rasselnde Gestrüpp. Auf der Hügelflanke holte er Joe ein. „Und die Dakotas, mit denen du handelst? Macht es die nicht verrückt?“

„Doch, die auch. Ich muss eben hoffen, dass sie mich nicht mit der Eisenbahn in Verbindung bringen.“

Ted blickte auf die Packen, die die beiden braunen Pferde trugen. „Gewehre?“

„Gewehre, Rum, Gewürze und so weiter!“ Missouri-Joe grinste.

„Die bekommen das aber auch, wenn sie dich umbringen, Joe!“

„Richtig, Catto. Das eine Mal bekommen sie es dann noch, aber danach nie mehr wieder. Du darfst nicht glauben, sie sind dumm. — Hast du was dagegen, wenn ich ’ne Weile mit euch reite?“

„Warum sollte ich was dagegen haben, Joe?“

Missouri-Joe zuckte die Schultern. „Kann doch sein, dass du dann das Gefühl haben musst, nicht mehr der Anführer zu sein.“

Ted grinste den Mann neben sich an. „Steh ich bei dir wirklich in dem Verdacht, anderen was vorsagen zu wollen? — Im Gegenteil, Joe, es freut mich, wenn du bei uns bleibst. Du kennst dich doch hier wirklich aus. Ich hab den Farmern gegenüber meist nur so getan. — Da fällt mir ein, ich muss noch zwei oder drei Präriehunde schießen. Wo finde ich denn noch ein paar?“

Joe zügelte sein Pferd und zog das Gewehr aus dem Scabbard. Ted folgte seinem Beispiel.

Missouri-Joe blickte suchend umher, dann lenkte er seine Pferde nach Osten und bedeutete Ted durch einen Wink mit seinem Remington-Repetierkarabiner auf die andere Seite zu kommen.

Ted ließ sein Pferd zurückfallen und ritt dann zur anderen Seite hinüber. Hohe Büffelgrasnarben wanderten an ihnen vorbei. Sandflächen schlossen sich an, wurden erneut von Grasnarben und dann von ein paar Büschen abgelöst. Joe hielt bei einem Loch im Boden an, und Ted erkannte, dass es der Bau von Präriehunden war.

„Wenn einer drin ist, kommt er da drüben heraus“, sagte Missouri-Joe und deutete mit dem Gewehr nach Osten. Dann feuerte er in das Loch hinein.

Auf der anderen Seite rührte sich nichts.

„Man müsste Feuer machen.“ Joe stieg ab. „Ich wette nämlich, da sind ein paar drin.“ Er riss Gras von den Büschen, stopfte es in den Bau und brannte es an.

„Das Feuer hat nicht genug Zug“, sagte Ted. „Na ja, ich seh schon, das wird bei dir auch nichts.“

Plötzlich schoss ein paar Yards entfernt ein Präriehund aus dem Boden. Staub wehte in der Luft. Das Tier flog, aber da flog Teds Gewehr schon in die Höhe und entlud sich.

Der Präriehund überschlug sich und blieb liegen.

„Pass auf, es können noch mehr kommen!“, zischte Joe.

Ted repetierte das Gewehr und wartete. Sekunden reihten sich zu einer Minute, dann plötzlich kam wieder ein Präriehund aus dem Bau geschossen und jagte über den Sandboden.

Teds Gewehr entlud sich, der Präriehund überschlug sich und blieb liegen.

Sie warteten noch ein paar Minuten, aber es kamen keine weiteren Tiere. Joe zog sein langes Kampfmesser hinter dem Gürtel hervor und stach die Tiere ab.

„Ich wette, das hast du mit dem ersten nicht gemacht“, sagte Joe, indem er Ted überlegen angrinste.

Ted schob den Hut in die Stirn und kratzte sich im Nacken. „Du bist eben doch klüger als ich“, bekannte er.

Joe lachte, zog eine Flasche unter seiner speckigen Wildlederjacke hervor, entkorkte sie, wischte mit dem Handballen über den Flaschenhals und trank. „Willst du auch einen Schluck?“

Ted hielt die Hand auf. „Du stellst vielleicht Fragen.“

Joe lachte und warf ihm die Flasche zu. „Haben die Aussiedler denn keinen Whisky?“

Ted trank, schüttelte den Kopf, trank wieder. Der Whisky rann ihm wie pures Feuer durch die Kehle, aber er trank noch einen Schluck, bevor er die Flasche zurückwarf. „Nein. — Für die ist Whisky nur Medizin.“

„Bei denen bestimmen die Weiber, was gemacht wird, was?“

„Nicht so direkt.“ Ted wischte sich über den Mund. „Aber die Männer machen in den meisten Fällen, was die Frauen wollen.“

„Hab ich mir schon gedacht. — Das ist hier draußen bei den Farmern überall so. — Lange werde ich nicht bei dem Treck bleiben. — Willst du noch ’nen Schluck?“

„Ja.“

Joe warf Ted die Flasche zu, in der sich nur noch ein Rest befand. Er trank sie aus und hielt sie dann gegen die Sonne. Dann schaute er Joe an und warf die Flasche in die Luft. Joe hob sein Gewehr und feuerte. Die Kugel traf die Flasche und riss sie in tausend Fetzen.

„Na, dann wollen wir mal“, sagte Ted Catto.