Die Antariksa-Saga II - Sturm über Manchin

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»Dann mach mir mal dein Angebot, Menschling! Ich bin gespannt! Wenn dich der Kaiser von Manchin schickt, dann wird es sicherlich interessant sein«, knurrte er dann.

Der Gast lächelte vielsagend und antwortete: »Das ist es ohne jeden Zweifel, großer König. Aber zunächst möchte ich Euch einen großen Sack voller Gold überreichen, den mir der göttliche Yuan-Han III. als Geschenk für Eure Hoheit mitgegeben hat …«

Die Abendsonne schickte ihre Strahlen durch die vielen kleinen Fenster unter der Decke und tauchte den Thronsaal, in welchem noch vor wenigen Sonnenzyklen der Großkönig der Khuzbaath residiert hatte, in ein orangerotes Licht. Grimzhag saß an einem breiten Tisch aus poliertem Schwarzholz, dessen Beine kunstvoll verziert waren, und betrachtete eine Karte seines Reiches. Soork, der Schamane der Mazauk, hatte sie ihm gezeichnet. Nun stand er schweigend neben dem König.

»Die Menschlinge nennen jene, die an Stelle des Königs über die Provinzen herrschen, Statthalter, nicht wahr?«, murmelte der junge Brüller und kratzte sich am Kinn.

»Dafür haben sie viele Namen. Manche nennen sie Statthalter oder Fürsten oder auch Mandarine. Jedenfalls hat jede Provinz ihren Verwalter, der zugleich den König vertritt und repräsentiert«, erläuterte Soork.

»Ich werde einige meiner Hordenführer zu Statthaltern machen. Hier! Ich habe mein Reich schon in Provinzen unterteilt!« Grimzhag deutete auf die Karte.

»Das sieht gut aus. Eine kluge Idee, Häuptling. Daran führt kein Weg vorbei, wenn man über ein größeres Gebiet herrschen will. Die alten Grauaugenkönige nannten ihre Stellvertreter in den Provinzen meines Wissens nach »Monroggs« – was so viel wie »Zweitkönige« bedeutete«, sagte der Geistesbegabte.

»Monroggs?« Der junge Herrscher sah zu seinem alten Freund auf. »Das hört sich gut an. So werde ich auch meine Fürsten nennen, in Anlehnung an die alten Zeiten.«

»Weißt du denn schon, wer die Provinzen deines Reiches verwalten soll?«, wollte Soork wissen.

Grimzhag bejahte die Frage mit einem leisen Brummen. Dann stand er auf und ging um den Tisch herum.

»Es sollen ausschließlich Grauäugige sein. Ich habe bereits einige meiner Hordenführer, die zu dieser Blutlinie gehören, ausgewählt, Schamane. Es ist mein Plan, eine neue Adelskaste aufzubauen, die mit mir über mein Reich herrschen soll.

Gewöhnliche Orks sind nicht dazu geeignet, ein Monrogg zu werden, und ich möchte es auch aus Prinzip nicht. Nur die Besten der Grünhäute sollen mich vertreten. Allerdings soll jeder meiner Fürsten eine Gruppe von Geistesbegabten wie dich als Berater haben. Somit können die beiden fähigsten Blutlinien unserer Art zusammen wirken und das Reich erblühen lassen«, sinnierte der Mazaukhäuptling.

»Ich kann dich nur noch bewundern, Grimzhag«, bemerkte Soork ehrfürchtig.

»Du bist ganz wie ein König der alten Zeiten. Was du hier erschaffen willst, hat es seit langer Zeit nicht mehr gegeben. Trotzdem mache ich mir oft große Sorgen um deine Sicherheit.«

»Warum? Hast du Angst, dass unser aller Traum vom Wiederaufstieg unserer Art mit meinem Tod enden wird?«, fragte Grimzhag und klopfte dem Schamanen mit der Klaue auf dessen dürren Oberarm.

»Du hast es erfasst! Genau das meine ich, kleiner Brüller. Du kannst Großes für uns Orks erreichen, wenn du lange genug lebst. Aber wie viele große Könige sind schon dem Neid ihrer eigenen Artgenossen zum Opfer gefallen. Wie viele mächtige Reiche sind zerfallen, weil ihre Gründer zu früh gestorben sind.«

»Ich werde mich bemühen, lange genug zu leben, um meine Mission zu erfüllen, Soork. Mehr kann ich nicht tun«, erwiderte Grimzhag.

Der in die Jahre gekommene Geistesbegabte entblößte seine Fangzähne zu einem freundlichen Lächeln. Dann kam er einen Schritt auf den Häuptling zu.

»Hüte dich vor unseren eigenen Leuten, junger Brüller. Behalte sie im Auge und sei immer wachsam. Das gilt für die Orks und die Menschlinge und auch alle anderen: Wer Erfolg hat, den verfolgt auch der Neid. Sei also niemals leichtgläubig und umgebe dich stets mit deinen Leibwächtern, Grimzhag. Vergiss das nicht!«, sagte Soork.

»Ich habe bereits einige der Grauaugen, die ich aus den Sklavenkellern der Khuzbaath befreit habe, dazu angehalten, die Augen und Ohren nach Verrat in den eigenen Reihen offen zu halten. Wer mir den Dolch in den Rücken treiben will, den werde ich ohne Gnade vernichten. Verrat an mir zu üben, bedeutet das gesamte Volk der Grünhäute zu verraten. Und niemand ist schlimmer und verachtenswürdiger als jener, der sein eigenes Volk verrät, Schamane«, knurrte Grimzhag. Wenig später verließ Soork den Raum wieder und ging in sein Gemach zurück. Sein junger Freund blieb noch eine Weile bei seiner Landkarte und versuchte, seinem Reich eine Verwaltungsstruktur zu geben.

Gärende Zwietracht

Mehrere Dutzend Planwagen kamen auf der Karawanenstraße zum Halten und Baudroggs Krieger folgten ihrem König zu den Menschen, die aus dem fernen Osten gekommen waren. Zwei Monate waren seit dem letzten Besuch der Manchinen vergangen und die Grünhäute waren gespannt, ob die Fremden ihre Versprechen auch wirklich eingehalten hatten. Weng, Zaydans rechte Hand, sprang als Erster von den Wagen herunter und setzte ein freundliches Lächeln auf. Baudrogg entblößte seine Fangzähne ebenfalls und wirkte äußerst neugierig.

»Wir haben alles dabei, großer Ork. Wie abgesprochen!«, sagte Weng und verneigte sich höflich.

»Sehr gut!«, lobte ihn Baudrogg.

»Wollt Ihr einen Blick auf die Waren werfen?«, fragte Zaydans Handlanger.

»Was ist mit dem Gold?«, unterbrach ihn der König von Morkfort.

»Drei große Kisten voller Goldmünzen. Ganz wie es der himmlische Kaiser versprochen hat – und natürlich die Waffen«, bemerkte Weng.

»Ich will die Sachen sehen!«, knurrte Baudrogg und schickte ein paar seiner Krieger los. Diese gingen zu den Planwagen und ließen sich von den anderen Händlern zuerst die Goldkisten zeigen. Dann warf auch Baudrogg einen Blick auf die vielen, strahlenden Münzen aus Manchin und grunzte zufrieden.

»Großartig!«, stieß er aus und klopfte Weng auf den Rücken.

»Auf das Imperium von Manchin kann man sich verlassen. Ihr seht also, Mächtiger, dass wir keine leeren Versprechungen gemacht haben«, meinte der schlitzäugige Mann aus dem Osten lächelnd.

»Guckt mal, Leute!« Ein bulliger Orkkrieger zog ein kunstvoll gearbeitetes Langschwert aus einem Haufen Waffen heraus und seine Augen leuchteten. Er freute sich wie ein kleiner Jungork.

»Nimm das, du Wurm!«, rief er fröhlich grunzend und fuchtelte mit der Waffe vor seinen Kameraden herum.

»Hör mit dem Quatsch auf, Gromph!«, schnauzte ihn Baudrogg an und legte ihm die Klaue in den Nacken. Weng und seine Begleiter sahen dem Treiben der Orks schweigend zu.

Nachdem die Grünhäute einige weitere Blicke auf die zahlreichen Schwerter, Hellebarde, Speere und Äxte geworfen und alles genau inspiziert hatten, ließ Baudrogg die Goldkisten in seinen Palast bringen. Die Karawane zog weiter in Richtung Morkfort.

Weng, der sich nach wie vor als Gesandter des manchinischen Kaisers ausgab, hatte sich mit Baudrogg für heute Abend verabredet, denn es gab noch einiges zu besprechen. Außerdem wollte der Manchine dem Orkkönig eine Reihe neuer Informationen über seinen Rivalen Grimzhag liefern. Dieser plante, so Weng, in naher Zukunft einen Feldzug gegen die Orkstämme der Dunklen Lande, um auch diese unter seiner Führung zu vereinigen. Das hatten einige Spione, die die Manchinen angeblich unter die Mazauk geschickt hatten, bereits herausgefunden.

»Es ist wichtig, dass Ihr ein Verteidigungsbündnis gegen König Grimzhag ins Leben ruft und euch gegen ihn verteidigen könnt. Ihr wisst, wie grausam und machthungrig dieser Ork aus der Steppe ist, Mächtiger«, betonte Weng gegenüber Baudrogg immer wieder und sicherte ihm weitere Waffenlieferungen und Goldkisten aus dem fernen Manchin zu. Und der Orkkönig von Morkfort glaubte ihm.

»Endlich normale Leute!«, lallte Zugrakk und schwankte um den langen Holztisch in der Mitte der Thronhalle herum, um sich dann auf den breiten Schultern einer angetrunkenen Orkwache abzustützen.

»Biste schon voll, hä?«, grunzte die Grünhaut und lachte so laut, dass selbst Grimzhag die spitz zulaufenden Ohren schmerzten.

»Näh! Ich kann noch was vertragen, Krumblok. Dat glaubste wohl …«, antwortete Zugrakk. Er schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Ha! Ha!«, bellte die Wache und ließ sich von einem Goblin einschenken.

Grimzhag nippte nur sporadisch an seinem Trinkhorn voller Pilzbier, bemüht nicht allzu schnell in den Zustand der Trunkenheit abzurutschen. Heute hatte er für die in seinem Palast lebenden Orkwachen und auch für die anderen Krieger des Mazaukstammes, die heute das Königshaus betreten durften, eine Menge saftiges Ruumphfleisch und natürlich Pilzbier organisiert. Er musste seine Leute bei Laune halten, nach all den Strapazen der letzten Zeit.

»Was ist, Kumpel? Du säufst ja gar nix!« Zugrakk stolperte auf seinen besten Freund zu, der am Ende des langen Tisches saß und dem fröhlichen Treiben mit der Sachlichkeit eines Grauaugenorks zusah.

»Doch, doch! Natürlich!«, erwiderte der junge Brüller und lächelte verhalten, um dann das Trinkhorn zu den Lippen zu führen. »Prost, Zugrakk!«

Der Krieger grinste so breit, dass ihm die Fangzähne fast aus dem Unterkiefer fielen. »He! He! Prost!«

Zugrakk kam schließlich noch etwas näher, stellte sich direkt neben Grimzhags Stuhl und nahm den Häuptling in den Arm, wie ein Jungork seine Cramogg.

»Du bist mein bester Freund, Snagschnauze! Ich habe dich so lieb, Grimzhag. Echt!«

 

»Ähem…ja…«, brummte der König und stieß Zugrakk sanft von sich weg.

»Du warst in der letzten Zeit manchmal echt komisch, Kumpel. Aber heute … heute biste wieder ganz der Alte. Mein Grimzhag, mein alter Kumpel!«, grunzte Zugrakk und tätschelte Grimzhags kahlen Orkschädel mit der Klaue.

»Ist gut jetzt …«, knurrte dieser verlegen.

Dann torkelte Zugrakk wieder davon und fing auch noch an zu singen. Er schnappte sich ein frisch gefülltes Trinkhorn und hob es in die Luft.

»Wir sind die Orks aus den Steppen! Wir hauen alle um, am liebsten Menschlingsdeppen!«, grölte er durch den Thronsaal.

Grimzhag verdrehte die Augen und würgte in kaum hörbarer Lautstärke. Soork, der Schamane, war heute nicht anwesend, denn er hielt nicht viel von derartigen Besäufnissen, die ihm viel zu primitiv waren.

»Grimzhaaag! Trink mit mir! Na, los!« Zugrakk schwankte wieder in Richtung seines nachdenklichen Freundes, während die übrigen Orks laut durcheinander schwatzten und sangen.

»Ja, sicher! Prost, mein Lieber!«, sagte der Häuptling und nippte noch einmal an seinem Trinkhorn.

»Heute wird nicht so viel gedacht und dafür mehr gesoffen, was? Heute wird gesoffen, bis die Steppe glüht. Ha! Ha!«, kicherte Zugrakk mit einem dümmlichen Leuchten in den roten Augen.

Der Mazaukhäuptling erhob sich und breitete die Arme aus. »Es gibt gleich noch eine Runde Ruumphfleisch, meine tapferen Krieger. Und natürlich noch mehr Bier!«, rief er dann.

Ein begeistertes Johlen war die Antwort. Grimzhag ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder und betrachtete schweigend seine Artgenossen. Dann öffnete sich die große Tür des Thronsaales und ein paar Goblins eilten mit weiteren Fässern voller Pilzbier herbei.

»Der Alte isser wieder! Er is wieder ein ganz normaler Ork! Endlich!«, freute sich Zugrakk, wobei er hinter der breiten Stuhllehne in Grimzhags Rücken herumtanzte. »Prost, ihr Snaghirne!«

»Prost, Zugrakk!«, sagte der Häuptling wieder einmal und hielt sich den Kopf.

Zaydan Shargut war mit der Arbeit seines Dieners zufrieden. Er streckte sich auf einer samtbezogenen Liege aus, immer wieder einen Schluck Wein schlürfend und ständig grinsend. Hier, im Zentrum von Kin-Weig, wo der Handel pulsierte und der Gewinn floss, besaß Zaydan nicht nur eine Vielzahl von Lagerhallen, sondern auch eine große, prunkvolle Villa mit Blick auf den wichtigsten Marktplatz der Stadt.

Draußen schrien und feilschten die Kaufleute und Karren rumpelten durch die Gassen, doch diese Geräuschkulisse war Musik in Zaydans Ohren. Es war der Klang emsigen Handels und der niemals ruhenden Suche nach Gewinn und Profit. Das liebte der Händler aus Berbia mehr als alles andere.

»Es war einfacher als ich gedacht habe, Herr. Dieser dämliche Orkkönig ließ sich verdammt leicht überzeugen. Die gelieferten Waffen und das viele Gold haben ihn sofort begeistert. Ich kann mir gut vorstellen, dass es uns gelingen wird, ihn eines Tages zum Krieg gegen Grimzhag zu bewegen«, erklärte Weng.

»Hervorragende Arbeit, mein Lieber. So gehört sich das!«, lobte Zaydan und strich sich über seinen schwarzen Bart.

»Du willst den Grünhäuten also noch mehr Waffen liefern, nicht wahr?« Der gedrungene Manchine kratzte sich am Kinn.

»Ja, natürlich! Ich habe noch eine weitere Ladung vorbereitet, aber das wird nicht alles sein. Es ist wichtig, dass dieser Baudrogg auch die anderen Orkhäuptlinge der Dunklen Lande zu einer Allianz gegen Grimzhag zusammenführt. Füttere ihn regelmäßig mit neuen Gerüchten über die angeblichen Kriegspläne dieses Mazaukkönigs. Wir hätten unsere Spione überall und so weiter. Wenn Baudrogg wirklich so leichtgläubig ist, dann kann er uns sehr dienlich sein«, bemerkte Zaydan.

»Unsere Karawanen lässt er ja inzwischen durch sein Reich ziehen – der Rest wird auch kein Problem sein. Diese Orks sind dumm und zugleich so kriegerisch, dass man sie schnell gegeneinander hetzen kann«, sagte Weng.

»Richtig! Und genau das habe ich vor. Wenn man mit fremden Völkern zu tun hat, muss man verstehen, wie sie denken. Das ist auch beim Handeln das Wichtigste. Fühle dich in die Seele deines Gegenübers ein und erzähle ihm, was er hören will. Dann sprudelt der Gewinn! Eine uralte Weisheit der berbischen Kaufleute«, lachte der Großhändler.

Sein Gehilfe nickte und verbeugte sich. Dann machte er Anstalten, den luxuriös ausgestatteten Raum wieder zu verlassen, doch sein Herr rief ihn zurück.

»Warte noch! Ich hätte da noch etwas, mein Lieber.«

Der gelbhäutige Manchine drehte sich um. »Aha?«

»Du wirst noch eine weitere Reise machen, Weng!«

»Noch eine?«

»Ja, in die östlichen Steppen.«

»Warum das denn?«

Zaydan grinste. »In den östlichen Steppen befindet sich das Reich des berüchtigten Grashrakk Khan, des mächtigsten Hobgoblinhäuptlings. Du hast sicherlich schon von ihm gehört, oder?«

Weng nickte mit skeptischem Blick und sein Herr fuhr mit seinen Ausführungen fort.

»Du wirst Grashrakk Khan aufsuchen und einen ersten Kontakt zu ihm herstellen. Natürlich wirst du nicht mit leeren Händen, sondern mit einigen Säcken voller Gold kommen. Da dieser Grimzhag offenbar einen großen Einfluss in den westlichen Steppen gewonnen hat, kann ich mir gut vorstellen, dass Grashrakk davon nicht übermäßig begeistert ist«, erläuterte Zaydan und winkte seinen Handlanger noch etwas näher heran. Weng folgte der Aufforderung augenblicklich und der schwarzhaarige Kaufmann hob den Zeigefinger.

»Hör gut zu, was ich dir jetzt sage …«, flüsterte er und der Manchine beugte sich zu ihm herab.

Erschrocken wich der grünhäutige Krieger zurück und fummelte nervös an seinem Brustpanzer aus gehärtetem Leder herum. Grimzhag war mit einem gewaltigen Satz aus seinem Thron gesprungen und kam nun schnellen Schrittes auf den Kundschafter zu. Knurrend starrte er umher und ballte die Faust.

»Ist das wirklich wahr?«, brüllte er zornig.

Sofort senkte der Ork den Blick zu Boden. »Ja, Wütender! Ich und einige andere Krieger haben es gesehen …«

»Baudrogg, dieser Gnoggschädel, lässt die Karawanen der Menschlinge durch sein Reich nach Westen ziehen?«, grollte Grimzhag.

»Wir sind uns ganz sicher, übellaunige Faust!«, antwortete der Orksoldat und versuchte, nicht in den sich langsam ausbreitenden Dunstkreis von Grimzhags Wut zu kommen.

»Das ist Verrat! Verrat am Volk der Orks! Dieser verfluchte Wurm!«, wetterte der junge Brüller und fletschte die Zähne wie eine angriffslustige Steppenkatze.

Das besänftigende Wippen mit dem Oberkörper und das darauffolgende Grunzen des Kriegers half nicht viel, denn jetzt war der Orkkönig richtig zornig.

»Die Menschlingshändler haben Baudrogg bestochen, so dass er es erlaubt hat …«, stammelte der Krieger.

»Goffrukks Keule! Das kann ich mir selbst zusammenreimen, Schwachkopf! Das ist ein feindseliger Akt, der unserem ganzen Volk schadet! Wer mit den Menschlingen paktiert, ist weniger wert als ein verschimmelter Haufen Fleisch!«, schrie Grimzhag.

Das wütende Gebrüll des jungen Königs hatte Soork auf den Plan gerufen, der in einem Raum direkt über dem Thronsaal ein Nickerchen gemacht hatte. Verstört kam der Schamane ins untere Stockwerk, um nach dem Rechten zu sehen. Inzwischen konnte man Grimzhags Gezeter in ganz Chaar-Ziggrath hören.

»Was ist passiert?«, rief Soork mit besorgter Miene und kam in die Halle gestürmt. Sofort traf ihn Grimzhags wütender Blick wie ein geschleuderter Speer.

»Die Karawanen der Menschlinge ziehen jetzt durch Baudroggs Reich, Schamane!«, erklärte der Anführer der Mazauk.

»Das war zu erwarten!«, war alles, was Soork dazu sagte.

»Was?«, fauchte ihm Grimzhag entgegen.

»Es war zu erwarten, dass die Menschlingshändler einen Weg finden, ihre Waren auch weiterhin nach Westen zu transportieren. Für wie dumm hast du sie denn gehalten, junger Brüller?«

Mit dieser Antwort hatte Grimzhag nicht gerechnet und für einen kurzen Moment wirkte er fast beleidigt. Derweil fuhr der Geistesbegabte fort: »Die Händler werden sich mit Baudrogg geeinigt haben. Sicherlich haben sie ihm einen großen Haufen Gold gegeben und sich damit das Recht erkauft, durch sein Gebiet reisen zu dürfen. Du kannst nichts dagegen tun, Häuptling. Wie gesagt, mich überrascht diese Nachricht nicht.«

Ein wütendes Heulen hallte durch den Thronsaal und Grimzhag stampfte in einem Anfall von Enttäuschung und Jähzorn auf.

»Baudrogg ist ein Verräter am Orkvolk! Ich sollte ihm mit meinen Kriegern zeigen, was es bedeutet …«, knurrte der Orkkönig.

Soork hob die Klaue und schrie dazwischen. »Jetzt reicht es aber! Wir brauchen ein gutes Verhältnis zu den Orks im Süden der Dunklen Lande. Du musst Baudroggs Verhalten akzeptieren und wirst auf keinen Fall einen Krieg riskieren, nur weil dieser Kerl die Menschlingshändler durch sein Reich ziehen lässt. Das wäre die größte Dummheit!«

»Aber er ist ein Verräter …«, schimpfte Grimzhag, wobei er schon wieder etwas leiser wurde.

»Von einem Grauaugenork erwarte ich vorausschauendes Denken«, mahnte der Schamane. »Du wirst Baudrogg ignorieren und dich nicht in Dinge einmischen, die außerhalb der Grenzen deines Reiches geschehen und dich deshalb auch nichts angehen.«

Der vor dem fein gekleideten Mandarin stehende Kaufmann aus Berbia verbeugte sich mehrere Male, genau wie sein Diener Weng, welcher bemüht war, den Adeligen bei Laune zu halten. Qin-Wang hingegen wirkte gelangweilt, hatte er doch vom Himmelskaiser den Auftrag bekommen, bei Zaydan Shargut nachzufragen, ob das Problem der von den Orks gesperrten Handelsstraßen gelöst sei. Dafür hatte der kaiserliche Beamte extra den weiten Weg nach Kin-Weig antreten müssen, um Shargut in seiner Villa aufzusuchen. Sein Gastgeber selbst hatte sich heute in ein langes Seidengewand mit weiten Ärmeln gekleidet. Um den dicklichen Bauch trug Zaydan einen breiten Gürtel aus schwarzem Leder mit einer goldenen Schnalle, in dem ein berbischer Zierdolch aus Silber steckte. Auf dem Kopf trug der Händler einen überdimensionalen Hut aus hellbraunem Filz mit einer riesigen, lilafarbenen Feder. Um den kurzen, braunen Hals des Kaufmanns hingen außerdem sechs teure Goldketten verschiedenster Art.

Es sei wichtig, dem Mandarin wie ein Edelmann entgegenzutreten, hatte Zaydan seinem Diener Weng im Vorfeld dieses Treffens erklärt. Immerhin war er eine wichtige Persönlichkeit mit einem prallen Geldbeutel, die sich auch vor einem Beamten des Kaisers nicht zu verstecken brauchte. Dennoch war es sinnvoll, Qin-Wang nicht zu verärgern und ihm das zu erzählen, was er hören wollte.

Der Gast trug die traditionelle Kleidung eines Mannes aus dem manchinischen Hochadel, ein ebenfalls sehr langes, purpurrotes Gewand, das mit diversen Tiermustern und verschnörkelten Symbolen bestickt war. Qin-Wangs ausrasierte Stirn glänzte in der Mittagssonne, die ihre warmen Strahlen durch das Dachfenster in Zaydans Arbeitszimmer schickte. Am Hinterkopf des Manchinen fiel ein langer Zopf die Schultern herab.

»Dann habt Ihr das Problem also bereits gelöst, oder wie?«, fragte Qin-Wang mürrisch und starrte Zaydan mit seinen grünen Augen an.

»Wir sind dabei, eine dauerhafte Lösung zu finden, werter Mandarin«, antwortete Zaydan. »Die Karawanen können inzwischen wieder bis nach Aurania und in die Wüstenländer Suzlans reisen. Und ich hoffe, dass es so bleibt.«

»Hat sich dieser Orkkönig bestechen lassen?«, brummte Qin-Wang

»Nun, dieser Grimzhag bleibt nach wie vor hart. Aber wir haben die Handelswege einfach umgeleitet – durch das Reich eines anderen Orkhäuptlings«, mischte sich Weng ein. Zaydan befahl ihm, den Mund zu halten und lächelte dem Verwalter der Provinz Benxij zu.

»Ja, so ist es, Ehrwürdiger«, sagte er dann.

Der Mandarin stöhnte auf, als ob ihm dieses Gespräch mehr als uninteressant vorkäme. Mit einem unwilligen Brummen antwortete er: »Der Himmelskaiser würde gerne noch einige weitere Informationen über dieses neue Orkreich haben.

Ich persönlich halte dies zwar für unwichtig, aber wenn es der Göttliche wünscht, dann soll es so geschehen. Könnt Ihr mir da behilflich sein, Berbianer?«

»Selbstverständlich, edler Qin-Wang. Der Sohn des Himmels kann stets auf die Hilfe der berbischen Kaufleute zählen. Und vor allem auf meine! Wir werden uns weiter umhören und alles über diesen Grimzhag herausfinden«, versprach Zaydan.

»Möchte der verehrte Qin-Wang noch etwas Wein?«, mischte sich Weng noch einmal ein.

Der Mandarin winkte ab und sah an dem untersetzten Manchinen vorbei. Dann deutete er herrisch auf Zaydan.

 

»Dann kann ich davon ausgehen, dass das Problem der versperrten Handelswege von Euch gelöst worden ist?«

»Ja, gnädiger Herr!«, erwiderte der Kaufmann nach einer kurzen Pause.

»Und diesen lächerlichen Orkkönig behaltet Ihr auch im Auge?«, schob Qin-Wang nach.

»Auf jeden Fall, gnädiger Herr!«

»Gut, dann kann ich ja jetzt wieder gehen und zurück nach Cheng-Ho reisen, um mich mit wichtigeren Dingen zu befassen, nicht wahr?«, bemerkte der Beamte kalt.

»Wie Eure Exzellenz wünschen«, katzbuckelte Zaydan.

»Auf Wiedersehen!«, sagte Qin-Wang barsch und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen.

»Ja, verschwinde nur, du alberner Großkotz«, zischelte Zaydan seinem Gehilfen ins Ohr und grinste bösartig. »Ich kümmere mich schon um diese grünhäutige Brut und ihren verlausten Steppenkönig. Darauf kannst du dich verlassen.«

Soork war nach Chaar-Ziggrath gekommen, damit er Grimzhag bei einigen wichtigen Fragen als Berater zur Verfügung stehen konnte. Heute waren die beiden in der ehemaligen Hauptstadt des Khuzbaathreiches unterwegs, um sich den befreiten Grauaugenorks zu widmen. Es waren mehrere Hundert, die in den Sklavenkellern der Zwerge aufgewachsen und von diesen sogar gezielt vermehrt worden waren. Das kam dem jungen Orkkönig jetzt zu Gute, denn auch er plante Ähnliches.

Inzwischen unterzog man die Grauaugenorks täglich einem harten Drill und einige der großen, gepflasterten Plätze im Herzen von Chaar-Ziggrath wurden dafür als Übungsplätze genutzt. Hier lernten die Grauaugen den Schwertkampf, schleuderten Speere auf Strohsäcke, die an Holzgestellen hingen, oder wurden in den Grundlagen militärischer Taktik geschult.

»Wie schön sie sind, meine starken Edelorks. Der neue Adel meines Reiches, die zukünftigen Rottenführer meiner Armee«, schwärmte Grimzhag und betrachtete einige Dutzend Grauaugen, die sich im Ringkampf übten.

Es waren beeindruckende Gestalten, hochgewachsen, mit langen, muskelbepackten Armen und breiten Schultern. Ihre graugrüne Haut glänzte in der Sonne und ihre großen Klauen konnten gehörig zupacken.

»Es ist ein Segen, dass gerade die Kleinwüchsigen um den Wert der Grauaugen gewusst hatten. Sie hielten sie als Elitesklaven und wir werden sie jetzt sowohl als Elitekrieger als auch als Verwalter des Reiches einsetzen können«, bemerkte Soork nüchtern.

»So soll es sein, Schamane!«, stieß Grimzhag begeistert aus. »Aber noch sind es zu wenige. Wir brauchen viel mehr von ihnen und deshalb sollen sie sich so schnell es geht vermehren.«

Einer der grauäugigen Ausbilder kam zu seinem König und dem Geistesbegabten hinübergelaufen und verbeugte sich mit einem respektvollen Brummen.

»Ich hoffe, Ihr mögt, was Ihr seht, Wütender!«, knurrte er mit tiefer Stimme.

Grimzhag zeigte die Fangzähne und lächelte. »Es ist ein erhabener Anblick.«

»Wir werden heute noch den Kampf mit Axt und Schwert trainieren, Gebieter. Heute Abend werde ich den jungen Kriegern die von Euch erdachten Kampfformationen lehren. Es vergeht kein Tag ohne Drill. Ich erspreche Euch, dass wir diese Orks zu furchtbaren Waffen schmieden werden, denen kein Feind auf dem Schlachtfeld trotzen kann«, sagte der hünenhafte Krieger und seine hellen Augen leuchteten erwartungsvoll.

»Ich bin sehr zufrieden, Ausbilder Rogorg!«, gab Grimzhag zurück und stampfte auf, um zu zeigen, dass er es auch wirklich so meinte.

»Nun sollen meine Soldaten antreten, denn ich will ihnen einen neuen Befehl geben!«, fuhr der Häuptling fort.

Der Ausbilder rannte augenblicklich zu den anderen Orks zurück und rief sie zusammen. Es dauerte nur einen kurzen Moment, da waren sie auch schon in Reih und Glied vor ihrem König angetreten. Starr blickten sie geradeaus, während Grimzhag auf sie zu stolzierte.

»Ist es das, was ich denke?«, fragte Soork und kicherte.

»Ja!« Sein junger Freund grinste zurück und musterte dann die grauäugigen Kämpfer.

Sie standen da wie eine Wand aus grüngrauen Muskeln, wie ein Bollwerk der Entschlossenheit. Die meisten von ihnen trugen lediglich einen ledernen Lendenschurz oder ein schmutziges Leinenhemd. Gespannt warteten sie auf die Anweisungen des Orks, den sie noch immer als Befreier verehrten und dem sie Gefolgschaft geschworen hatten.

»Meine Krieger aus bestem Orkblut!«, rief Grimzhag und machte einige theatralische Gesten. »Die Paarungszeit ist angebrochen und ich erwarte vor allem von euch, dass ihr eure Pflicht beim Wiederaufstieg des Orkvolkes tut!«

Die breitschultrigen Grauaugen gaben keinen Ton von sich und starrten den jungen Brüller weiterhin grimmig an.

»Morgen werden die Tore des neuen Cramoggviertels von Chaar-Ziggrath geöffnet, um die Krieger zu den Andersgeschlechtlichen zu lassen, auf dass die große Zeugung beginnen kann! Für euch Grauaugen sind bereits jene Cramogg ausgewählt worden, die Orks von eurem Blut ausbrüten können. Es ist daher eure heilige Pflicht, so viele dieser edlen Cramogg wie nur möglich zu begatten. Es ist bereits alles vorbereitet und nun müsst ihr nur noch zur Tat schreiten!«, proklamierte Grimzhag und gestikulierte herum.

»Zu Befehl!«, antworteten die Elitekrieger im Chor und verzogen dabei keine Miene. Anschließend gingen sie wieder zurück auf den Übungsplatz und machten mit ihren Ringkämpfen weiter.

»Ein ganz schön humorloser Haufen, deine neuen Sturmtruppen«, bemerkte Soork.

»So sind sie eben. Man darf nicht vergessen, dass sie schwere Zeiten hinter sich haben. Sie verehren mich und gehorchen mir blind. Sie gehorchen mir genauso wie den Sklaventreibern der Khuzbaath. Aber ich will sie nicht als Sklaven haben, sondern als eigenständig denkende Kampfgefährten«, meinte Grimzhag.

»Das ist ein weiser Gedanke, mein Freund. Diese Orks sind viel zu wertvoll, um lediglich willenlose Diener zu sein, Häuptling. Eines Tages sollen einige von ihnen selbstständig führen und verwalten können. Dafür aber muss man ihnen das eigenständige Denken anerziehen«, sagte der Geistesbegabte.

Sein grauäugiger Freund brummte zustimmend und sah seinen imposanten Kämpfern noch eine Weile zu.

Weng stieg von seinem Pferd und betrachtete die Hobgoblins, welche ihn misstrauisch anstarrten oder ihm herabwürdigende Blicke schenkten. Doch daran hatte er sich längst gewöhnt, denn das war beim ersten Zusammentreffen mit Grünhäuten normal. Menschen standen sie eben mit Abneigung gegenüber und das beruhte auf Gegenseitigkeit.

»Wer bist du, Menschling?«, zischte ein hagerer Hobgoblin und hob drohend die Klaue.

»Mein Name ist Mung-Ho, ich bin ein Gesandter des Kaisers von Manchin«, antwortete Weng mit ausdrucksloser Miene. »Bitte führt mich zum allmächtigen Grashrakk!«

»Ein Gesandter des Kaisers?«, wunderte sich der Wachsoldat. »Was willst du von uns?«

»Ich glaube kaum, dass ich diese Frage einem gewöhnlichen Krieger beantworten muss, wenn ich den großen Grashrakk zu sprechen verlange. Oder wie sieht das euer Gebieter?«, gab der Manchine nüchtern zurück.

»Folge mir!«, knurrte der Hobgoblin missmutig und führte Weng durch die Zeltstadt, in deren Mitte der Steppenkönig residierte. Es dauerte nicht lange, da stand Zaydans Diener vor der riesenhaften Palastjurte des Grashrakk.

Hier wurde er bereits von einigen Dutzend Hobgoblinkriegern mit Speeren und Schilden erwartet. Weng ignorierte ihre unfreundlichen Blicke und ihr bösartiges Gezischel und verlangte Grashrakk sofort zu sprechen.

Schließlich wurde er durch ein langgezogenes Zelt geführt, das aus unzähligen, bemalten Tierhäuten angefertigt worden war. Kurz darauf stand er vor dem Khan, umringt von zahlreichen, neugierigen Hobgoblins. Der Steppenfürst scheuchte die anderen Grünhäute mit einer kurzen Handbewegung fort und lediglich zwei Wachen blieben zu beiden Seiten seines Throns bei ihm.

Der mächtigste Stammesführer der östlichen Steppen stand auf und sah mit einem listigen Lächeln auf Weng herab. Seine spitzen Zähne wurden entblößt und Grashrakks rötliche Augen leuchteten erwartungsvoll. Der Hobgoblin hatte ein schmales, längliches Gesicht mit einer spitzen, leicht nach unten gebogenen Nase.