Handbuch Ius Publicum Europaeum

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3. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und das niederländische Verfassungsrecht

52

In der Loizidou-Entscheidung bezeichnete der EGMR die EMRK als das „Verfassungsinstrument der öffentlichen Ordnung in Europa“[128]. In den Niederlanden gilt die Konvention allgemein als ein fester Bestandteil der „Verfassung“. Die Gerichte sind gemäß Art. 120 Grondwet nicht befugt, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu prüfen. Die dadurch entstehende Lücke im Rechtsschutz konnte durch die EMRK oftmals geschlossen werden. In diesem Zusammenhang kommt man schnell zu der Auffassung, dass die EMRK für den Schutz der Menschenrechte wichtiger ist als die niederländische Verfassung.

53

In einer Vielzahl von Entscheidungen hat der EGMR die Niederlande gezwungen, ihre gesetzlichen Vorschriften entsprechend den Bestimmungen der Konvention zu ändern. Die Benthem-Entscheidung war in dieser Hinsicht von größter Bedeutung, da sie die Niederlande zur Änderung des Rechtsschutzes im Verwaltungsverfahren zwang.[129] Ursprünglich war eine Anrufung der Krone nur möglich, nachdem der Verwaltungssenat des Staatsrates ein Urteil erlassen hatte. In der Benthem-Entscheidung vertrat der Gerichtshof jedoch die Auffassung, dass die Krone nicht als ein „unabhängiges und unparteiisches Gericht“ im Sinne von Art. 6 der Konvention angesehen werden könne. Infolge dieser Entscheidung verschwand nicht nur eine seit 125 Jahren bestehende Instanz im Verwaltungsverfahren, sondern wurde auch die Regierung zur vollständigen Umgestaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und zur Einrichtung eines unabhängigen Berufungsgerichts gezwungen.

54

In neuerer Zeit wurde in der so genannten Betuweroute-Entscheidung sogar die Unabhängigkeit des Staatsrats in Frage gestellt.[130] Die Streitfrage dieses Falles betraf die doppelte Rolle des Staatsrats im niederländischen Verfassungsrecht. Während der Staatsrat gemäß der Verfassung die Regierung bei der Ausarbeitung neuer Gesetzentwürfe maßgeblich unterstützen soll, fungiert ein Senat des Staatsrats, nämlich der Verwaltungsrechtssenat, nach wie vor als Berufungsinstanz im Verwaltungsverfahren. Von Klägerseite wurde vorgebracht, dass diese doppelte Rolle des Staatsrats eine Verletzung von Art. 6 EMRK darstelle. Das Straßburger Gericht kam tatsächlich zu dem Ergebnis, dass Zweifel an der Unparteilichkeit des Rates bestehen. Dennoch wurde entschieden, dass die allgemeine Beteiligung des Staatsrats an der Gesetzgebung sehr wohl von konkreten Entscheidungen des Staatsrats im Verwaltungsverfahren getrennt werden könne und somit keine Verletzung von Art. 6 EMRK vorliegt.

55

Da die niederländische Verfassung keine Regelungen bezüglich des Prozessrechts enthält, wurde Art. 6 EMRK tatsächlich zur wichtigsten Rechtsquelle für einige Grundrechte. Das bestärkte die Auffassung, dass die niederländische Verfassung zusammen mit der EMRK einen so genannten „Verfassungsverbund“ bildet.[131] Die Kostovski-Entscheidung setzt sich beispielsweise mit der Frage auseinander, ob die Vernehmung anonymer Zeugen im Strafverfahren eine Verletzung von Art. 6 EMRK darstellt. Der Gerichtshof entschied, dass eine Verletzung der EMRK vorliegt,[132] woraufhin die Niederlande ein neues Gesetz zum Schutz von Zeugen in Strafverfahren verabschieden mussten.

Erster Teil Offene Staatlichkeit › § 19 Offene Staatlichkeit: Niederlande › IV. Zusammenfassung

IV. Zusammenfassung

56

Die niederländische Verfassung ist eine der völkerrechtsfreundlichsten Verfassungen in Europa. Diese Offenheit ist auf die Tradition der Niederlande als kleiner aber bedeutsamer Handelsstaat zurückzuführen, der nur über unzureichende Mittel zur Verteidigung seiner Sicherheit verfügt. Dies erklärt die Tatsache, dass die Niederlande seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften in den 1950er Jahren bis heute das Europäische Gemeinschaftsrecht sowie die auf der Europäischen Menschenrechtskonvention basierende Rechtsprechung bereitwillig annehmen. In der Grundsatzentscheidung Van Gend & Loos aus dem Jahr 1963 hatte die niederländische Regierung gegen die unmittelbare Wirkung der in Frage stehenden Vertragsbestimmung protestiert. Die ablehnende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wurde dennoch wie in allen nachfolgenden Fällen ohne Widerwillen anerkannt.

57

Obwohl die Art. 93 und 94 Grondwet sowohl die unmittelbare Anwendbarkeit als auch den Vorrang von unmittelbar wirksamen Vertragsbestimmungen (einschließlich denen der EMRK) und von Beschlüssen internationaler Organisationen regeln, gelten sie nach allgemeiner Auffassung nicht für die Stellung des Europarechts in der niederländischen Rechtsordnung. Infolge von neueren Entscheidungen der niederländischen Gerichte wurde sogar über die Anwendbarkeit von Art. 93 und 94 Grondwet in anderen Bereichen des Völkerrechts wie beispielsweise dem internationalen Umweltrecht diskutiert.

58

Dagegen fand eine verfassungsrechtliche Diskussion zum Europarecht praktisch nicht statt. Während der Ratifikationsverfahren konzentrierte sich das Parlament in den Debatten auf inhaltliche Streitfragen und auf die von der Regierung durchzuführenden Maßnahmen und weniger auf verfassungsrechtliche Probleme. Jedes Mal, wenn verfassungsrechtliche Fragen auftraten, entschied man, dass die europäischen Verträge im Ergebnis nicht von den Verfassungsbestimmungen abweichen, so dass keine parlamentarische Zustimmung mit Zweidrittelmehrheit erforderlich war.

59

Die Möglichkeit, gemäß Art. 91 Abs. 3 Grondwet von Verfassungsbestimmungen abzuweichen, ist in der Tat eine Besonderheit des niederländischen Verfassungsrechts. Diese Bestimmung findet jedoch aufgrund der allgemeinen Offenheit der Verfassung gegenüber dem Völkerrecht nur in Ausnahmefällen Anwendung.

60

Bis vor kurzem wurde allgemein angenommen, dass diese Offenheit gegenüber dem Europarecht einen festen Rückhalt in der politischen Einstellung der niederländischen Staatsbürger findet. Das Thema „Europa“ war niemals besonders beliebt und selbst an den Parlamentsdebatten beteiligte sich nur eine geringe Anzahl von Spezialisten. Dennoch entschieden sich 61,5% der wahlberechtigten Niederländer am 1. Juni 2005 in dem ersten (nichtbindenden) Referendum in der Geschichte der Niederlande gegen die Ratifikation des Vertrags über eine Verfassung für Europa.[133] Aus demoskopischen Untersuchungen geht hervor, dass dieses Ergebnis zum größten Teil auf eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik der Regierung zurückzuführen ist. Die Gründe reichen von der Überregulierung, der Arbeitslosigkeit, den Haushaltskürzungen sowie den großen Einkommensunterschieden bis zu einem allgemein „kälteren sozialen Klima“. Im Hinblick auf Europa scheint die Auffassung vorzuherrschen, dass die Niederlande gegenüber den größeren Ländern in Europa, wie Deutschland und Frankreich, an Einfluss verlieren, dass die Nachteile der Mitgliedschaft in der EU die Vorteile überwiegen (insbesondere weil die Niederlande Netto-Zahler sind), dass die EU-Bürokratie kaum zu bewältigen ist und zuviel kostet, und dass die EU sich immer weiter in Richtung eines Bundesstaates entwickelt, der schließlich das Ende der Niederlande als unabhängiger Staat bedeuten würde.[134] Die Volksabstimmung bot einen Anlass, der allgemeinen Unzufriedenheit sowohl im Hinblick auf die nationalen wie die europäischen Regierungsstrukturen Ausdruck zu verleihen. Es ist noch zu früh, um die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die traditionelle Offenheit der Niederlande gegenüber der Europäischen Union beurteilen zu können. Tatsache ist jedoch, dass der europäische Integrationsprozess von der großen Mehrheit der politischen Elite nach wie vor unterstützt wird. Ihrer Meinung nach stellt die Annahme einer Europäischen Verfassung einen notwendigen Schritt im europäischen Integrationsprozess dar. Sie scheinen jedoch noch vor der Aufgabe zu stehen, die Öffentlichkeit in den Niederlanden davon zu überzeugen, dass es nach wie vor gute Gründe für die offene Haltung der Niederlande gibt und diese heute vielleicht sogar wichtiger ist als jemals zuvor.

Erster Teil Offene Staatlichkeit › § 19 Offene Staatlichkeit: Niederlande › Bibliographie

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R. A. J. van Gestel/J. M. Verschuuren, Internationaal en Europees milieurecht in Nederland? Gewoon toepassen!, SEW 53 (2005), S. 244

Anmerkungen

[1]

 

Ausführlicher: H. G. Schermers, Netherlands, in: Jacobs/Roberts (Hg.), The Effect of Treaties in Domestic Law, 1987, S. 109ff.

[2]

Siehe L. F. M. Besselink, De invloed van Europeanisering op de constitutionele verhoudingen in Nederland (Der Einfluss der Europäisierung auf die konstitutionelle Struktur der Niederlande), Beleid en maatschappij 32 (2005), S. 45.

[3]

Siehe zu Art. 90: L. F. M. Besselink, The Constitutional Duty to promote the Development of the International Legal Order: The Significance and Meaning of Art. 90 of the Netherlands Constitution, Netherlands Yearbook of International Law 2003, S. 89.

[4]

Art. 58: „Der König hat die oberste Gewalt über die auswärtigen Angelegenheiten. Er fördert die Weiterentwicklung des Völkerrechts.“

[5]

Im Europäischen Verfassungsvertrag heißt es in Art. I-3 Abs. 4, dass die Europäische Union einen Beitrag „zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts“ leistet.

[6]

Siehe P. J. G. Kapteyn/P. VerLoren van Themaat, Het recht van de Europese Unie en van de Europese Gemeenschappen (Das Recht der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaften), 2003, S. 65.

[7]

Siehe Art. 3 und 10 des Gesetzes über das Königreich der Niederlande sowie C. W. van der Pot/A. W. Donner/L. Prakke, Handboek van het Nederlandse Staatsrecht (Handbuch zum niederländischen Staatsrecht), 2001, S. 603f.

[8]

Nyugat-Entscheidung, HR, 6.3.1959, NJ 1962 Nr. 2.

[9]

Bouterse-Entscheidung, HR, 18.9.2001, NJ 2002 Nr. 559.

[10]

Dies könnte sich aufgrund einer kürzlich vom Parlament eingebrachten Gesetzesinitiative ändern (der Halsema-Vorschlag). Siehe dazu: Kamerstukken II 28 331 sowie die Auffassung der Regierung: Constitutionele toetsing van formele wetten (Verfassungsrechtliche Bewertung des Gesetzesrechts), Kamerstukken II 28 335, Nr. 1-2.

[11]

HR, 3.3.1919, NJ 1919 Nr. 371; ABRvS 15.9.2004, AB 2005, Nr. 12.

[12]

R. A. J. van Gestel/J. M. Verschuuren, Internationaal en Europees milieurecht in Nederland? Gewoon toepassen! (Internationales und europäisches Umweltrecht in den Niederlanden? Einfach anwenden!), SEW 53 (2005), S. 244.

[13]

Kamerstukken II 1998/1999, 26 559, Nr. 1, S. 4.

[14]

Kamerstukken I Handelingen 2001-2002, Nr. 14, S. 684.

[15]

Kamerstukken II 2002/2003, 28 604 und 28 473, Nr. 3, S. 3.

[16]

Ebd., S. 3.

[17]

Kamerstukken II 1992/1993, 22 647 (R 1437), Nr. 13, S. 22.

[18]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 3, S. 8; Kamerstukken I 1951/1952, 2374, Nr. 113a, S. 5; bestätigt wurde dies durch die Verfassungsänderung im Jahr 1983: Kamerstukken II 1979/1980, 15 049 (R1100), Nr. 7, S. 12.

[19]

Kamerstukken II 1979/1980, 15 049 (R 1100), Nr. 16.

[20]

EuGH, Rs. 26/62, Slg. 1963, S. 1 – Van Gend & Loos.

[21]

Ausführlicher hierzu ein von Verfassungsrechtsexperten für die niederländische Regierung erstelltes Rechtsgutachten, in dem bezüglich der Mitgliedschaft in der EU/EG Änderungen der niederländischen Verfassung vorgeschlagen werden: L. F. M. Besselink u.a., De Nederlandse Grondwet en de Europese Unie (Die niederländische Verfassung und die Europäische Union), 2002, S. 30-40.

[22]

Ebd., S. 32.

[23]

Ebd., S. 34.

[24]

Siehe beispielsweise Rs. 103/88, Slg. 1989, S. 1839 – Fratelli Costanzo.

[25]

Siehe Fn. 19.

[26]

Siehe die Entscheidung Bosch GmbH, HR, 18.5.1962, NJ 1965, S. 115.

[27]

Siehe die Entscheidung Verplichte rusttijden, HR, 2.11.2004, LJN Nr. AR 1797.

[28]

Verordnung des Rats (EWG) Nr. 3820/85 vom 20.12.1985 zur Harmonisierung bestimmter Sozialgesetze bezüglich des Straßengüterverkehrs, ABl. 1985 L 370, S. 1. Art. 8 enthält eine verbindliche Regelung der Ruhezeiten der Fahrer.

 

[29]

EuGH, Rs. 50/76, Slg. 1977, S. 137 – Amsterdam Bulb BV/Produktschap voor siergewassen.

[30]

Kamerstukken II 2004/2005, 30 025 (R 1783), Nr. 3, S. 18.

[31]

Ebd., S. 16.

[32]

Kamerstukken II 2002/2003, 28 972 (R 1738), A, S. 2.

[33]

Ebd., S. 17. Siehe auch F. J. F. M. Duynstee, Grondwetsherziening, 1953: De nieuwe bepalingen omtrent de buitenlandse betrekkingen in de Grondwet (Verfassungsreform 1953: Die neuen Vorschriften über auswärtige Beziehungen in der Verfassung), 1954, ad Art. 67, S. 9.

[34]

Die Regierung (Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 3, S. 8), der Staatsausschuss van Schaik [Interim-rapport van de Staatscommissie ter herziening van de Grondwet (Vorläufiger Bericht der Staatskommission zur Verfassungsreform), 1951, Absatz 31, S. 19] sowie der Ausschuss Eysinga [Eindrapport van de Commissie nopens de samenwerking tussen Regering en Staten-Generaal inzake het buitenlands beleid (Endgültiger Bericht der Kommission zur Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament im Bereich auswärtiger Angelegenheiten) waren alle der Auffassung, dass die niederländische Verfassung bereits die Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen zuließ. Eine derartige Bestimmung war folglich nicht notwendig und die Niederlande waren bereits einigen internationalen Organisationen beigetreten. Vgl. Duynstee (Fn. 33), S. 21, 24; J. W. A. Fleuren, Verdragen die afwijken van de Nederlandse Grondwet (Von der niederländischen Verfassung abweichende Verträge), in: Breillat/Kortmann/Fleuren (Hg.), Van de constitutie afwijkende verdragen (Von der Verfassung abweichende Verträge), 2002, S. 51.

[35]

Kamerstukken II 1999/2000, 26 800 VI, A, S. 2.

[36]

Ebd., S. 2.

[37]

Siehe C. A. J. M. Kortmann, Uit of in de Grondwet? (Außerhalb oder innerhalb der Verfassung?), Regelmaat 2002, S. 75.

[38]

Kamerstukken II 1999/2000, 26 800 VI, A, S. 2 (Stellungnahme des Staatsrates zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Einrichtung von ausländischen sowie internationalen Gerichten in den Niederlanden).

[39]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 3, S. 8; Kamerstukken I 1951/1952, 2374, Nr. 113a, S. 5; bestätigt wird dies durch die Verfassungsänderung aus dem Jahr 1983: Kamerstukken II 1979/1980, 15 049 (R 1100), Nr. 7, S. 12.

[40]

Kamerstukken II 1983/1984, 17 980, A-B, Punkte 2 und 4, sowie Kamerstukken II 1983/1984, 17 980, Nr. 9, S. 5-6.

[41]

Kamerstukken II 1992/1993, 22 647 (R 1437), Nr. 13, S. 22.

[42]

Kamerstukken II 1951/1952, 2228, Nr. 7, S. 59; Kamerstukken II Handelingen, 1951/1952, S. 181–182, 192– 193, 209–210; Kamerstukken I 1951/1952, 228, Nr. 39, S. 6, Nr. 39a, S. 13.

[43]

Für weitere Informationen siehe die Stellungnahme des Staatsrates zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Einrichtung von ausländischen und internationalen Gerichten in den Niederlanden (Kamerstukken II 1999/2000, 26 800 VI, A).

[44]

Kamerstukken II 2004/2005, 30 025, Nr. 3, S. 17.

[45]

Kamerstukken II 1979/1980, 15 648, Nr. 11.

[46]

Kamerstukken II 1979/1980, 15 648, Nr. 6, S. 2f.

[47]

Siehe Fleuren (Fn. 34), S. 58f.

[48]

Amsterdam: Kamerstukken II Handelingen, 1998/1999, Nr. 19, S. 1177f.; Nizza: Kamerstukken II 2000/2001, 27 818 (R 1692), Nr. 3, S. 3.

[49]

Man könnte jedoch sagen, dass das Parlament und die Regierung tatsächlich übereinstimmten.

[50]

Kamerstukken II Handelingen, 2001/2002, Nr. 26, S. 1862.

[51]

Kamerstukken II Handelingen, 2001/2002, Nr. 26, S. 1865.

[52]

Kamerstukken I Handelingen, 2001/2002, Nr. 14, S. 677.

[53]

M. van Hulten/L. van der Laan/E. Plooij-van Gorsel, Volkskrant, 21.11.2001, „Tweede Kamer moet zich tegen ‚Nice‘ keren“ (Die Zweite Kammer sollte sich gegen Nizza aussprechen). Sie führten folgende Gründe an: 1. Der Vertrag verwirklicht nicht einmal die ihm vorgegebenen, bescheidenen Ziele; 2. Wichtige Probleme sind nicht gelöst. Das Demokratiedefizit ist sogar noch größer geworden, und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden nicht ernst genommen; (3.) Nach der Ablehnung des Vertrages durch die Iren hätte der Vertrag von der Politik nicht weiter verfolgt werden dürfen. Das Votum der Bürger hätte man respektieren müssen.

[54]

Dieser mit dem Namen Jurgens versehene Antrag wurde von Jurgens, Kohnstamm und de Wolff gestellt (Kamerstukken I 2000/2001, 26 200 VI Nr. 65, Nr. 37b) und vom Parlament angenommen. Mit diesem Antrag wird die Regierung aufgefordert, im Zuge der nächsten Verfassungsänderung zu erwägen, einen Artikel zur Anerkennung der Mitgliedschaft der Niederlande in der Europäischen Union in die Verfassung aufzunehmen. Des Weiteren behandelt der Antrag die Frage, ob die Verfassung die Umsetzung von EU-Verordnungen nicht ausdrücklich regeln müsse. Diese Regelungen sollten die Mitwirkung des niederländischen Parlaments sogar dann gewährleisten, wenn das beschleunigte Verfahren angewendet wird.

[55]

Kamerstukken II 2004/2005, 30 025 (R 1783), Nr. 4, S. 15.

[56]

Kamerstukken II 2004/2005, 30 025 (R 1783), Nr. 4, S. 1f.

[57]

Dieser Bericht wurde jedoch bis dato nicht veröffentlicht. Die Regierung hat auf Verlangen der Zweiten Parlamentskammer (Kamerstukken II Handelingen, 2004/2005, Nr. 86, S. 5150) den Staatsrat um eine Stellungnahme ersucht (ebd., S. 5158, 5175), wartet aber immer noch auf die Fertigstellung dieser Stellungnahme (Kamerstukken I 2004/2005, 29 800 VII, C, S. 4).

[58]

Siehe dazu Fn. 54. Die Antwort ist noch in Vorbereitung (Kamerstukken II 2004/2005, 30 025 [R 1783], Nr. 4, S. 3), wurde aber bislang nicht veröffentlicht.

[59]

Auf der Grundlage von Kamerstukken II 2004/2005, 30 025, Nr. 3, § 7 (S. 16ff.).

[60]

Kamerstukken II 2003/2004, 28 473, Nr. 35.

[61]

Kamerstukken II 2004/2005, 30 025 (R 1783), Nr. 3, S. 20.

[62]

Kamerstukken II 2003/2004, 28 473, Nr. 35, S. 3.

[63]

Ebd., S. 3.

[64]

Siehe auch ebd., S. 5.

[65]

Tractatenblad 1999, Nr. 1, Verdrag Nederland-Groot-Brittannië en Noord-Ierland m.b.t. rechtszitting van een Schots hof in Nederland. 18-9-1998 (Vertrag zwischen den Niederlanden und Großbritannien sowie Nordirland über den Sitz eines schottischen Gerichts in den Niederlanden vom 18.9.1998).

[66]

Tractatenblad 2004, Nr. 258, Statuut van Rome inzake het Internationaal Strafhof. Rom, 17 juli 1998 (Statut von Rom über die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17.7.1998).

[67]

Siehe Kamerstukken II 1998/1999, 26 221, Nr. 6, S. 11, und Kamerstukken I 1998/1999, 26 221, Nr. 36b, S. 2, bzw. Kamerstukken I 2000/2001, 27 484 (R1669), Nr. 237c. Der Staatsrat ist anderer Meinung als die Regierung und empfahl (Kamerstukken II 1998/1999, 26 221, A, S. 2) aufgrund möglicher Verstöße gegen die Verfassung Art. 91 Abs. 3 Grondwet anzuwenden.

[68]

Interim-rapport (Fn. 34) und Eindrapport (Fn. 34).

[69]

Ausschuss van Schaik (Fn. 34), S. 24 bzw. Ausschuss Eysinga (Fn. 34), S. 24.

[70]

Stb. 1954, Nr. 25.

[71]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 8. Siehe auch Duynstee (Fn. 33), ad Art. 63, S. 6f.

[72]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 7; ebd., Nr. 10, S. 27. Siehe auch Kamerstukken I 1951/1952, 2228, Nr. 39a, S. 13.

[73]

Kamerstukken II 2003/2004, 29 695, Nr. 1, S. 4.

[74]

Näher zum Verfahren der Änderung der niederländischen Verfassung Besselink § 6, im ersten Band, Rn. 62ff.

[75]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 7 und 8.

[76]

Dennoch können Regierung und Parlament Verfassungsbestimmungen oder -prinzipien (wie z.B. das Verbot der Todesstrafe in Art. 114 Grondwet) für so grundlegend halten, dass sie die Niederlande nicht an einen Vertrag binden oder an der Begründung eines Vertrages mitwirken möchten, der gegen diese Verfassungsbestimmungen oder -prinzipien verstößt. Aber Art. 91 Abs. 3 Grondwet spielt bei solchen Entscheidungen keine Rolle.

[77]

Kamerstukken I 2003/2004, 27 484 (R 1669), Nr. 289, S. 7.

[78]

Obwohl Art. 91 Abs. 3 Grondwet nur Anwendung findet, falls ein Vertrag Regelungen enthält, die von der Verfassung abweichen oder eine solche Abweichung erforderlich machen, müssen in dem Zustimmungsgesetz die abweichenden Regelungen nicht ausdrücklich genannt werden. Siehe ebd., S. 4.

[79]

Kamerstukken I 2002/2003, 27 484 (R 1669), Nr. 289, S. 6. In der Vergangenheit enthielt die Verfassung ein Kriterium, welches durch eine Verfassungsänderung in die Verfassung aufgenommen wurde (Bruins Slot u.a., Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 33). Darin war die Bestimmung enthalten, dass die Niederlande nur dann Partei eines Vertrages werden können, wenn die Abweichung von der Verfassung zur Förderung der Völkerrechtsordnung erforderlich war. Dadurch sollten die Niederlande nicht ohne weiteres Vertragspartei werden können, wenn die Regelungen des Vertrages von Bestimmungen der Verfassung abwichen. Das Kriterium „Förderung der Völkerrechtsordnung“ erwies sich aber als zu unbestimmt, und es gab auch andere wichtige Gründe, welche die Annahme eines von der Verfassung abweichenden Vertrages erforderlich machten. Daher wurde diese Bestimmung im Zuge der Verfassungsreform im Jahr 1983 aus der Verfassung gestrichen.

[80]

Dieses Beispiel ist von dem Abgeordneten Jurgens, der damit die bemerkenswerte, wenn nicht gar unerwünschte Situation aufzeigen wollte. Siehe Kamerstukken I Handelingen, 1998-1999, Nr. 6, S. 97.

[81]

Zum Beispiel Art. 2 Wetboek van Strafrecht (Strafgesetzbuch).

[82]

Kamerstukken II 1999/2000, 26 800 VI, A, S. 1f.

[83]

Siehe auch Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 8; Fleuren (Fn. 34), S. 65.

[84]

Kamerstukken II 1992/1993, 22 647 (R 1437), Nr. 13, S. 21; Kamerstukken II Handelingen, 1992/1993, S. 1292; Kamerstukken I 1992/1993, 22 647 (R1437), Nr. 86c, S. 15.

[85]

Kamerstukken II 1846/1847, XXV, Nr. 4, S. 540; Kamerstukken II Handelingen, 1846/1847, S. 467. Siehe dazu auch Duynstee (Fn. 33), ad Art. 63, S. 24f.

[86]

HR, 25.5.1906, W (1906) 8383.

[87]

Fleuren (Fn. 34), S. 46, 65f. Siehe auch Duynstee (Fn. 33), ad Art. 63, S. 21ff.

[88]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 7. Siehe auch Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 10, S. 27.

[89]

Kamerstukken II 1951/1952, 2374, Nr. 7; Kamerstukken I 1951/1952, 2228, Nr. 39a, S. 9; Kamerstukken I Handelingen, 1952/1953, S. 479. Siehe auch Duynstee (Fn. 33), ad Art. 63, S. 24, 39.

[90]

Kamerstukken II 1999/2000, 26 800 VI, A, S. 6.

[91]

Ebd., S. 7.

[92]

Fleuren (Fn. 34), S. 62, vertritt die Auffassung, dass dies (noch) nicht gültiges Recht ist. Er sieht keine Anhaltspunkte in der Entstehungsgeschichte des Art. 91 Abs. 3 Grondwet dafür, dass es Verfassungsbestimmungen gibt, von denen nicht aufgrund eines Vertrages abgewichen werden kann, während die gleichen Verfassungsbestimmungen gemäß Kapitel 8 der Verfassung geändert werden können.