Der Gruftwächter

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Der Gruftwächter
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Der Gruftwächter

Fanz Kafka

Inhaltsverzeichnis

Über den Autoren

Der Gruftwächter

Impressum

Über den Autoren

Franz Kafka war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Sein Hauptwerk bilden neben drei Romanfragmenten zahlreiche Erzählungen.

Der Gruftwächter

Kleines Arbeitszimmer, hohes Fenster, davor ein kahler Baumwipfel. Fürst (am Schreibtisch, im Stuhl zurückgelehnt, aus dem Fenster blickend), Kammerherr (weißer Vollbart, jugendlich in ein enges Jackett gezwängt, an der Wand neben der Mitteltür).

Pause.

FÜRST sich vom Fenster abwendend: Nun?

KAMMERHERR: Ich kann es nicht empfehlen, Hoheit.

FÜRST: Warum?

KAMMERHERR: Ich kann im Augenblick meine Bedenken nicht genau formulieren. Es ist bei weitem nicht alles, was ich sagen will, wenn ich jetzt nur den allgemein menschlichen Spruch anführe: Man soll die Toten ruhen lassen.

FÜRST: Das ist auch meine Ansicht.

KAMMERHERR: Dann habe ich es nicht richtig verstanden.

FÜRST: So scheint es.

Pause.

FÜRST: Das Einzige, was Sie in der Sache beirrt, ist vielleicht nur die Sonderbarkeit, daß ich die Anordnung nicht ohne weiters getroffen, sondern vorher Ihnen angekündigt habe.

KAMMERHERR: Die Ankündigung legt mir allerdings eine größere Verantwortung auf, der zu entsprechen ich mich bemühen muß.

FÜRST: Nichts von Verantwortung!

Pause.

FÜRST: Also nochmals. Bisher wurde die Gruft im Friedrichspark von einem Wächter bewacht, der am Eingang des Parkes ein Häuschen hat, in dem er wohnt. War an diesem Ganzen etwas auszusetzen?

KAMMERHERR: Gewiß nicht. Die Gruft ist über vierhundert Jahre alt und so lange wird sie auch in dieser Weise bewacht.

FÜRST: Es könnte ein Mißbrauch sein. Es ist aber kein Mißbrauch?

KAMMERHERR: Es ist eine notwendige Einrichtung.

FÜRST: Also eine notwendige Einrichtung. Nun bin ich so lange hier auf dem Landschloß, bekomme Einblick in Einzelheiten, die bisher Fremden anvertraut waren – sie bewähren sich schlecht und recht –, und habe gefunden: Der Wächter oben im Park genügt nicht, es muß vielmehr auch ein Wächter unten in der Gruft wachen. Es wird vielleicht kein angenehmes Amt sein. Aber erfahrungsgemäß finden sich für jeden Posten bereitwillige und geeignete Leute.

KAMMERHERR: Natürlich wird alles, was Hoheit anordnen, ausgeführt werden, auch wenn die Notwendigkeit der Anordnung nicht begriffen wird.

FÜRST auffahrend: Notwendigkeit! Ist denn die Wache am Parktor notwendig? Der Friedrichspark ist ein Teil des Schloßparkes, ist von ihm ganz umfaßt, der Schloßpark selbst ist reichlich, sogar militärisch bewacht. Wozu also die besondere Bewachung des Friedrichsparks? Ist sie nicht eine bloße Formalität? Ein freundliches Sterbelager für den armseligen Greis, der dort die Wache besorgt?

KAMMERHERR: Es ist eine Formalität, aber eine notwendige. Bezeugung der Ehrfurcht vor den großen Toten.

FÜRST: Und eine Wache in der Gruft selbst?

KAMMERHERR: Sie hätte meiner Meinung nach einen polizeilichen Nebensinn, sie wäre wirkliche Bewachung unwirklicher, dem Menschlichen entrückter Dinge.

FÜRST: Diese Gruft ist in meiner Familie die Grenze zwischen dem Menschlichen und dem Anderen, und an diese Grenze will ich eine Wache stellen. Über die, wie Sie sich ausdrücken, polizeiliche Notwendigkeit dessen, können wir den Wächter selbst verhören. Ich habe ihn kommen lassen. Läutet.

KAMMERHERR: Es ist, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, ein verwirrter Greis, schon außer Rand und Band.

FÜRST: Ist es so, dann wäre dies nur ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit einer Verstärkung der Wache in meinem Sinn.

Diener.

FÜRST: Der Gruftwächter!

Der Diener führt den Wächter herein, hält ihn unter dem Arm fest, sonst würde er zusammenstürzen. Alte, rote, weit ihn umschlotternde Festlivree, blankgeputzte Silberknöpfe, verschiedene Ehrenzeichen. Kappe in der Hand. Unter den Blicken der Herren zittert er.

FÜRST: Auf das Ruhebett!

Diener legt ihn hin und geht. Pause. Nur leises Röcheln des Wächters.

FÜRST wieder im Lehnstuhl: Hörst du?

WÄCHTER bemüht sich zu antworten, kann aber nicht, ist zu erschöpft, sinkt wieder zurück.

FÜRST: Suche dich zu fassen. Wir warten.

KAMMERHERR zum Fürsten gebeugt: Worüber könnte dieser Mann Auskunft geben, und gar glaubwürdige oder wichtige Auskunft. Man sollte ihn eiligst ins Bett bringen.

WÄCHTER: Nicht ins Bett – bin noch kräftig – verhältnismäßig – stelle noch meinen Mann.

FÜRST: Es sollte so sein. Du bist ja erst sechzig Jahre alt. Allerdings siehst du sehr schwach aus.

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