Die Komödie der Irrungen

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Die Komödie der Irrungen
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William Shakespeare

Die Komödie der Irrungen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Komödie der Irrungen

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Impressum neobooks

Die Komödie der Irrungen

Erster Aufzug

Erste Szene

Halle im herzoglichen Palast.

Es treten auf der Herzog von Ephesus, Ägeon, der Kerkermeister und Gefolge.

ÄGEON.

Fahr' fort, Solin! Sei Förd'rer meines Falles,

Dein Urteil ende Schmerz und Gram und alles!

HERZOG.

Kaufmann aus Syrakus, hör' auf zu rechten;

Ich kann parteiisch das Gesetz nicht kürzen.

Die Fehd' und Zwietracht, die uns jüngst erwuchs

Durch Eures Herzogs tückische Mißhandlung

Ehrsamer Kaufherrn, meiner Untertanen,

(Die, Geld entbehrend, um sich loszukaufen,

Sein hart Gesetz mit ihrem Blut gebüßt) –

Bannt alle Gnad' aus unserm droh'nden Blick.

Denn seit dem tödlichen und innern Zwist,

Des Bosheit Eure Stadt von uns getrennt,

Verbot ein feierlicher Volksbeschluß,

So bei den Syrakusern wie bei uns,

Daß kein Verkehr sei zwischen beiden Häfen.

Noch mehr:

Läßt ein geborner Epheser sich sehn

Auf Jahrmarkt oder Mess' in Syrakus;

Und kommt ein Mann, aus Syrakus entstammt,

Zum Hafenplatz von Ephesus, – der stirbt;

Sein ganz Vermögen fällt dem Herzog zu:

Es sei denn, daß er tausend Mark bezahlt,

Der Strafe zu entgehn, als Lösegeld. –

Nun, deine Habe, noch so hoch geschätzt,

Beläuft sich, denk' ich, kaum auf hundert Mark;

Deshalb bist du dem Tod mit Recht verfallen.

ÄGEON.

Das ist mein Trost; erfüllt man dein Gebot,

Stirbt mit der Abendsonn' auch meine Not.

HERZOG.

Wohl, Syrakuser, sag uns kurz den Grund,

Warum du zogst aus deiner Vaterstadt,

Und was dich hergeführt nach Ephesus?

ÄGEON.

O schwerste Pflicht, die du mir auferlegt,

Dir auszusprechen unaussprechlich Leid!

Doch, daß die Welt bezeuge, Vatersehnsucht,

Nicht niedrer Frevel, wirkte meinen Tod, –

Erzähl' ich dir, so viel mein Gram erlaubt.

Ich stamm' aus Syrakus und wählte mir

Ein Weib zur Gattin; ich durch sie beglückt,

Und sie durch mich, wenn uns kein Unstern traf.

Mit ihr lebt' ich vergnügt; mein Reichtum wuchs

Durch Reisen, die ich oft mit Glück vollführt

Nach Epidamnus, bis mein Faktor starb.

Die große Sorg' um preisgegebne Güter

Riß mich aus meiner Gattin treuem Arm.

Noch nicht sechs Monden waren wir getrennt, –

Als jene schon (obgleich erliegend fast

Der süßen Strafe, die des Weibes Erbteil,)

Anstalt getroffen, um mir nachzureisen,

Und schnell und froh gelangte sie zu mir.

Nicht lange war sie dort, da wurde sie

Beglückte Mutter von zwei wackern Söhnen;

Die, seltsam, jeder so dem andern ähnlich,

Daß man sie nur durch Namen unterschied.

Zur selben Stund' und in demselben Wirtshaus

Kam eine arme Frau ins Wochenbett

Mit Zwillingssöhnen, die sich völlig glichen;

Und beide, weil die Eltern ganz verarmt,

Kauft' ich und zog sie groß zum Dienst der meinen.

Mein Weib, nicht wenig stolz auf ihre Knaben,

Betrieb die bald'ge Heimkehr, Tag für Tag;

Ungern gewährt' ich's ihr, ach, nur zu schnell!

Wir schifften ab:

Und kaum 'ne Meil' in See von Epidamnus,

Als die dem Wind stets untertän'ge Tiefe

Uns manche Vorbedeutung wies des Unglücks.

Und länger blieb uns wenig Hoffnung mehr;

Denn, was von trübem Licht der Himmel gönnte,

Bot unsern furchterfüllten Seelen nur

Die zu gewisse Bürgschaft nahen Todes.

Ich selber hätt' ihn freudig wohl umarmt;

Allein das stete Jammern meines Weibes,

Die, was sie kommen sah, voraus beweinte,

Und meiner lieben Knaben ängstlich Schrei'n,

Die nur das Weinen, nicht die Furcht verstanden,

Zwang mich, nach Aufschub noch für uns zu spähn –

Denn Aufschub nur, kein Rettungsmittel gab's.

Das Schiffsvolk sucht' im Boote sich zu bergen,

Uns ließen sie das Schiff, zum Sinken reif.

Mein Weib, besorgter für den Jüngstgebornen,

Hatt' ihn befestigt an 'nem kleinen Notmast,

Wie ihn der Seemann mitnimmt für den Sturm;

Zu dem band sie den einen Sklavenzwilling;

Und ich war gleich bemüht für beide andre.

Die Kinder so verteilt, mein Weib und ich,

Die Blicke treu auf unsre Sorge heftend,

Banden uns an des Mastbaums Enden fest;

Und auf den Wogen treibend mit dem Strom

Gelangten wir, so schien es, gen Korinth.

Nun endlich brach die Sonne mild herein,

Die Nebel wichen, die uns widerstrebt,

Und durch die Wohltat ihres holden Lichts

Ward still die Flut, und unser Aug' entdeckte

Zwei Schiffe, die mit Eile sich uns nahten,

Dies von Korinth, von Epidaurus jenes. –

Doch eben jetzt, – weh mir, was mußt' ich sehn!

Errat' aus dem Erzählten, was geschehn! –

HERZOG.

Nein, weiter, alter Mann, brich' so nicht ab;

Denn Mitleid darf ich, wenn nicht Gnade schenken.

ÄGEON.

Oh, taten das die Götter, braucht' ich nicht

Sie jetzt mit Recht der Grausamkeit zu zeihn! –

Denn, eh' die Schiff' uns nah auf zwanzig Knoten,

Gerieten wir an ein gewaltig Riff,

Und heftig angetrieben an den Fels

Brach unser hülfreich Fahrzeug mitten durch:

So daß in dieser ungerechten Scheidung

Fortuna jedem, gleichverteilend, ließ,

Was seines Lebens Freud' und Sorge sei.

Ihr Teil, der Armen! der befrachtet schien

Mit mindrer Last, obschon nicht minderm Gram,

Ward schneller fortgetrieben vor dem Wind;

Und aufgefangen sah ich alle drei

Durch Fischer aus Korinth, wie mir's erschien.

Zuletzt nahm uns ein andres Schiff an Bord,

Und hörend, wen das Glück durch sie erlöst,

Gab uns die Mannschaft freundlichen Willkommen,

Und raubt' auch wohl den Fischern ihre Beute,

Wenn nicht die Jacht ein schlechter Segler war:

Und deshalb lenkte sie den Lauf zur Heimat. –

Jetzt wißt Ihr, wie ich all mein Heil verlor

Und Mißgeschick mein Leben nur erhielt,

Um meines Unglücks Trauermär zu melden.

HERZOG.

Um derer willen, die du so beklagst,

Tu' mir die Freundschaft und berichte noch,

Wie's jedem denn und dir seitdem erging.

ÄGEON.

Den jüngsten Sohn, und doch mein ältstes Leid,

Befiel nach achtzehn Jahren heiße Sehnsucht

Nach seinem Bruder: so bestürmt' er mich,

Daß ihn sein Diener (der im gleichen Fall,

Beraubt des Bruders, dessen Namen führte)

Begleiten dürf', um jenen zu erspähn.

Und weil er krank aus Liebe zum Verlornen,

Wagt' ich es, den Geliebten zu verlieren. –

Fünf Jahr durchsucht' ich alles griech'sche Land,

Durchzog die fernsten Winkel Asiens

Und kam, heimfahrend, jetzt nach Ephesus;

Zwar hoffnungslos, wollt' ich doch diesen Ort

Wie jeden, wo nur Menschen sind, durchforschen.

Hier endet die Geschichte meines Lebens,

Und glücklich preis ich meinen frühen Tod,

Gäb' all mein Reisen mir Gewähr: sie lebten.

HERZOG.

Unseliger Ägeon! Vorbestimmt,

Den höchsten Grad der Trübsal zu erdulden!

Oh, glaub' mir, wär's nicht wider das Gesetz

Und wider Krone, Würd' und fürstlich Wort,

Das, wollt' er's auch, kein Herrscher darf umgehn,

Mein Herz verföcht' als Anwalt deine Sache.

Doch, ob du gleich verfallen bist dem Tod,

Und Widerruf des abgestimmten Spruchs

Zu großem Eintrag unsrer Ehre führte, –

Doch will ich dich begünst'gen, wie ich's kann.

 

Drum, Kaufmann, frist' ich dir noch diesen Tag,

Daß du dir Hülf' in Freundeshülfe suchst.

Frag' alle, die du kennst in Ephesus,

Bitt' oder borge, bis die Summ' erfüllt, –

Und lebe: kannst du's nicht, so stirbst du dann.

Schließer, du stehst für ihn.

SCHLIESSER.

Wohl, gnäd'ger Fürst.

ÄGEON.

Zwar hülf- und trostlos, will's Ägeon wagen,

Bis morgen nur sein Leben zu vertagen.

Alle gehn ab.

Zweite Szene

Markt.

Es treten auf Antipholus von Syrakus, ein Kaufmann und Dromio von Syrakus.

KAUFMANN.

Deshalb sagt aus, Ihr seid von Epidamnus,

Sonst wird auf Euer Gut Beschlag gelegt.

Noch heut erst ward ein Syrakuser Kaufmann

Verhaftet, der allhier gelandet ist; –

Und weil er nicht sein Leben lösen kann,

Trifft ihn der Tod nach unserm Stadtgesetz,

Eh' noch die müde Sonn' im Westen sinkt. –

Hier ist Eu'r Geld, das Ihr mir anvertraut.

ANTIPHOLUS.

Geh, trag's in den Zentauren, unsern Gasthof,

Und bleib' dort, Dromio, bis ich wiederkomme.

In einer Stund' ist Mittagessens Zeit;

Bis dahin will ich mir das Volk betrachten,

Den Käufern zusehn, die Paläste merken,

Und dann in meinen Gasthof schlafen gehn,

Weil ich ermüdet bin vom weiten Reisen.

Nun mach' dich fort! –

DROMIO.

Wohl mancher möcht' Euch jetzt beim Worte nehmen

Und wandern mit so hübschem runden Schatz.

Ab.

ANTIPHOLUS.

Ein treuer Bursch, mein Herr, der mir schon oft,

Wenn ich verstimmt durch Schwermut oder Kummer,

Den Sinn erleichtert hat mit munterm Scherz.

Wollt Ihr mich nicht begleiten durch die Stadt

Und dann ins Wirtshaus gehn und mit mir speisen?

KAUFMANN.

Ich ward bestellt, mein Herr, von ein'gen Wechslern,

Wo mich ein vorteilhaft Geschäft erwartet;

Deshalb verzeiht; doch nach der fünften Stunde,

Wenn's Euch gefällt, treff' ich Euch auf dem Markt

Und bleibe dann bei Euch bis Schlafenszeit; –

Jetzt ruft mich jener Handel von Euch ab.

ANTIPHOLUS.

Lebt wohl so lang'; ich schlendre dann allein

Und wandre auf und ab, die Stadt zu sehn.

KAUFMANN.

Seid Eurem besten Wohlsein dann empfohlen!

Geht ab.

ANTIPHOLUS.

Wer meinem besten Wohlsein mich empfiehlt,

Der wünscht mir, was ich nie erreichen kann.

Ich gleich' in dieser Welt 'nem Tropfen Wasser,

Der einen andern Tropfen sucht im Meer;

Er stürzt hinein, zu finden den Gefährten,

Und ungesehn verschwimmt er selbst im Forschen.

So ich, indem ich Mutter such' und Bruder,

Verschwind' ich Armer selbst auf ihrer Spur.

Dromio von Ephesus kommt.

Hier kommt mein wahrer Lebensalmanach. –

Wie nun! Was kehrst du denn so bald zurück?

DROMIO VON EPHESUS.

Sobald zurück? Fragt doch, warum so spät?

Die Gans verbrennt, das Ferkel fällt vom Spieß,

Die Glock' im Turm schlug zwölf, und meine Frau

Macht, daß es eins auch schlug auf meiner Backe;

Sie ist so heiß, weil Eure Mahlzeit kalt ward;

Die Mahlzeit wurde kalt, weil Ihr nicht heim kommt;

Ihr kommt nicht heim, weil Ihr nicht Hunger habt;

Euch hungert nicht, weil Ihr die Fasten bracht;

Doch wir, die Fasten halten und Gebet,

Wir büßen, was Ihr sündigt früh und spät.

ANTIPHOLUS.

Still doch! Spar' deine Lunge! Sag mir jetzt,

Wo ließest du das Geld, das ich dir gab?

DROMIO VON EPHESUS.

Oh, die sechs Dreier, Herr, vom letzten Mittwoch,

Für den zerrißnen Schwanzriem meiner Frau? –

Die hat der Sattler, ich behielt sie nicht.

ANTIPHOLUS.

Ich bin zu Späßen heut nicht aufgelegt;

Sag mir, und scherze nicht: wo ist das Geld?

Da wir hier fremd sind, wie getraust du dich,

So große Summ' aus deiner Acht zu lassen?

DROMIO VON EPHESUS.

Ich bitt' Euch, scherzt, wenn Ihr zu Tische sitzt!

Mich sendet unsre Frau zu Euch als Post,

Und kehr' ich heim, traktiert sie mich als Pfosten.

Denn was Ihr fehlt, kerbt sie mir auf den Kopf.

Mich dünkt, Eu'r Magen sollt' Euch Glocke sein

Und Euch nach Hause schlagen ohne Boten.

ANTIPHOLUS.

Hör', Dromio, dieser Spaß kommt sehr zur Unzeit;

Spar' ihn mir auf für eine beßre Stunde!

Wo ist das Gold, das ich dir anvertraut?

DROMIO VON EPHESUS.

Mir, Herr? Ei wahrlich, Herr, Ihr gabt mir nichts.

ANTIPHOLUS.

Hör' mich, Herr Schlingel! Laß die Albernheit

Und sag, wie du besorgtest deinen Auftrag.

DROMIO VON EPHESUS.

Mein Auftrag war, vom Markt Euch heimzuholen

In Euer Haus, den Phönix, Herr, zum Essen;

Die Frau und ihre Schwester warten schon.

ANTIPHOLUS.

Nun denn, so wahr ich Christ bin, steh mir Rede:

An welchen sichern Ort bracht'st du das Geld?

Sonst schlag' ich dir den lust'gen Schädel mürbe,

Der Possen reißt, wenn mir's verdrießlich ist.

Wo sind die tausend Mark, die ich dir gab? –

DROMIO VON EPHESUS.

Zwar ein'ge Marken trägt mein Kopf von Euch,

Auch ein'ge Marken Eurer Frau mein Rücken;

Doch das beläuft sich nicht auf tausend Mark: –

Wollt' ich Eu'r Gnaden die zurückbezahlen,

Ich glaub', Ihr stricht sie nicht geduldig ein.

ANTIPHOLUS.

Von meiner Frau? Sag, Kerl, von welcher Frau?

DROMIO VON EPHESUS.

Eu'r Gnaden Liebste, meine Frau im Phönix,

Die jetzt noch fastet, bis Ihr kommt zum Essen,

Und bittet, daß Ihr eilig kommt zum Essen.

ANTIPHOLUS.

Was, Schurke, neckst du mich ins Angesicht,

Da ich's verbot? Da hast du eins, Herr Schlingel!

DROMIO VON EPHESUS.

Was meint Ihr, Herr? Um Gottes willen, haltet!

Laßt Ihr die Hand nicht ruhn, brauch' ich die Beine.

Er läuft davon.

ANTIPHOLUS.

Bei meiner Treu! durch irgendeinen Streich

Ward mir der Tropf um all mein Gold geprellt! –

Man sagt, die Stadt sei voll Betrügerei'n,

Behenden Gauklern, die das Auge blenden,

Nächtlichen Zaubrern, die den Sinn verstören,

Mordsücht'gen Hexen, die den Leib entstellen,

Verlarvten Gaunern, schwatzenden Quacksalbern,

Und von Freigeistern aller Art und Zucht.

Wenn das der Fall ist, reis' ich um so eh'r.

Gleich such' ich im Zentauren meinen Knecht;

Ich fürchte sehr, mein Geld bewahrt' ich schlecht.

Geht ab.

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