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Read the book: «Der Bär: Groteske in einem Aufzug», page 2

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Zweiter Auftritt

Frau Popow allein

Frau Popow (die Photographie anblickend). Du wirst sehen, Nikol, wie ich zu lieben und zu verzeihen vermag… Meine Liebe wird mit mir zugleich erlöschen … wenn mein armes Herz zu schlagen aufhören wird. (Sie lächelt unter Tränen.) Und du schämst dich nicht? Ich bin ein braves, treues Weib, ich habe mich eingekerkert und werde dir treu bleiben bis zum Grabe, und du … und du … schämst dich nicht, mein liebes Ungeheuer! Hast mich betrogen, hast mir Szenen gemacht, hast mich lange Wochen allein gelassen…

Luka (tritt in großer Aufregung ein).

Dritter Auftritt

Frau Popow. Luka

Luka. Gnädige Frau, es fragt jemand nach Ihnen, will Sie sehen…

Frau Popow. Du hast doch gesagt, daß ich seit dem Tode meines Mannes niemand empfange?

Luka. Das habe ich gesagt, aber er will nichts davon hören, er sagt, es sei eine sehr dringende Angelegenheit.

Frau Popow. Ich em–pfan–ge nicht!

Luka. Das habe ich ihm ja gesagt, er ist ein Wilder, er schimpfte und drang einfach ins Zimmer ein … er steht schon im Speisezimmer…

Frau Popow (erregt). Gut, laß ihn herein. Welche Zudringlichkeit!

Luka (durch die Mitte ab).

Frau Popow. Wie lästig die Menschen sind! Was wollen sie von mir? Warum stören sie meine Ruhe? (Sie seufzt.) Ja, es ist ganz klar, ich werde wirklich ins Kloster gehen müssen… (Nachdenklich.) Ja, ins Kloster…

Smirnow (tritt ein, gefolgt von Luka).

Vierter Auftritt

Frau Popow. Luka. Smirnow

Smirnow (zu Luka). Dummkopf, plapperst zu viel… Esel!.. (Frau Popow erblickend, mit Würde.) Meine Gnädige, ich habe die Ehre, mich vorzustellen: Artillerieleutnant außer Dienst, Grundbesitzer, Grigorji Stepanowitsch Smirnow! Bin gezwungen, Sie in einer höchst wichtigen Angelegenheit zu belästigen…

Frau Popow (ohne ihm die Hand zu reichen). Was wünschen Sie?

Smirnow. Ihr seliger Gatte, mit dem ich die Ehre hatte, bekannt zu sein, blieb mir zwei Wechsel im Betrage von zwölfhundert Rubel schuldig. Da ich morgen in der Agrarbank Zinsen zu erlegen habe, möchte ich Sie ersuchen, meine Gnädige, mir das Geld noch heute zu bezahlen…

Frau Popow. Zwölfhundert … und wofür ist mein Mann Ihnen das schuldig geblieben?

Smirnow. Er hat Hafer von mir gekauft.

Frau Popow (seufzend zu Luka). Luka, vergiß also nicht zu sagen, daß man Tobby ein Achtel Hafer mehr geben soll.

Luka (geht ab).

Frau Popow (zu Smirnow). Wenn Nikolai Michailowitsch Ihnen das schuldig geblieben, so werde ich selbstverständlich bezahlen, aber bitte, entschuldigen Sie, ich habe heute das Geld nicht zur Verfügung. Übermorgen kehrt mein Verwalter aus der Stadt zurück, und ich werde ihn beauftragen, Ihnen zu zahlen, was Ihnen gebührt, aber bis dahin kann ich Ihren Wunsch nicht erfüllen… Überdies sind es gerade heute sieben Monate, daß mein Mann gestorben ist, und ich bin nicht in der Stimmung, mich mit Geldangelegenheiten zu beschäftigen.

Smirnow. Und ich befinde mich in einer Stimmung, daß ich, wenn ich morgen die Zinsen nicht einzahle, mit den Füßen nach oben durch den Schornstein werde fliegen müssen. Man wird mein Gut sequestrieren!

Frau Popow. Übermorgen erhalten Sie das Geld.

Smirnow. Ich brauche das Geld nicht übermorgen, sondern heute.

Frau Popow. Verzeihen Sie, heute kann ich Ihnen nicht zahlen.

Smirnow. Und ich kann bis übermorgen nicht warten.

Frau Popow. Was soll ich aber tun, wenn ich es nicht sofort habe!

Smirnow. Sie können also nicht zahlen?

Frau Popow. Ich kann nicht…

Smirnow. Hm… Ist das Ihr letztes Wort?

Frau Popow. Ja, das letzte.

Smirnow. Das letzte? Endgültig?

Frau Popow. Endgültig.

Smirnow. Danke gehorsamst. Wir wollen uns das merken. (Er zuckt die Schultern.) Und da verlangt man noch, daß ich kaltblütig sei! Der Akzisebeamte begegnete mir soeben auf dem Wege und fragte: »Warum ärgern Sie sich immer, Grigorji Stepanowitsch?« Ja, erbarmen Sie sich, wie soll ich mich denn nicht ärgern? Ich brauche Geld, das Messer steht mir an der Kehle… Gestern früh fuhr ich schon beim ersten Morgengrauen vom Hause fort und war bei allen meinen Schuldnern. Wenn auch nur einer von ihnen seine Schuld bezahlt hätte! Abgeschunden habe ich mich, wie ein Hund, habe, der Teufel weiß wo, in einer jüdischen Schenke übernachtet, neben einem Schnapsfaß… Endlich komme ich hierher, siebzig Werst vom Hause, und hoffe, Geld zu bekommen, und da regaliert man mich mit »Stimmung!« Wie soll ich mich da nicht ärgern?

Frau Popow. Ich glaube, Ihnen deutlich gesagt zu haben: der Verwalter wird aus der Stadt zurückkehren, dann erhalten Sie das Geld.

Smirnow. Ich bin nicht zum Verwalter, sondern zu Ihnen gekommen! Was Teufel, verzeihen Sie den Ausdruck, kümmert mich Ihr Verwalter!

Frau Popow. Entschuldigen Sie, verehrtester Herr, ich bin weder an Ihre sonderbaren Ausdrücke, noch an einen solchen Ton gewöhnt. Ich höre Sie nicht weiter an. (Sie geht rasch nach links ab.)